ZWÖLFTER VORTRAG
Dornach, 16. September 1924
Meine lieben Freunde! Wir dürfen ja natürlich heute
gedenken, daß es ein günstiger karmischer Fall ist,
daß wir während der Zeit wieder beisammen sind, in
welcher vor zwei Jahren die erste Menschenweihehandlung hier
vollzogen werden konnte. Wir haben ein Merkwürdiges in der
Anordnung der Hauptpunkte in der Entwickelung unseres geistigen
Lebens hier: Die Menschenweihehandlung dazumal vor zwei Jahren,
der Brand des Goetheanums, ein Jahr danach die Grundsteinlegung
der Anthroposophischen Gesellschaft, und jetzt, nach dem
zweiten Jahr, sind wir hier zusammen, um, wie es Ihr
Bedürfnis ist, die Apokalypse zu betrachten.
Die
Betrachtung der Apokalypse hängt ja, wie ich von Anfang an
erwähnt habe, eng zusammen mit demjenigen, was die
Menschenweihehandlung in sich schließt, und daher ist
eigentlich jeder Tag, den wir jetzt an die Betrachtung der
Apokalypse wenden, schon eine Erinnerungsfeier an das, was wir
dazumal vor zwei Jahren unter uns haben leben lassen, um in
dieses Leben dasjenige hineinzubringen, was sich aus der
geistigen Welt als der gegenwärtige moderne Kultus
offenbaren wollte.
Nun
wird es vielleicht mit Bezug auf die Koinzidenz der Ereignisse
gerade richtig sein, daß wir heute diesen Punkt der
Apokalypse vor uns haben werden, der dem Verständnis die
größten Schwierigkeiten bietet, der aber eigentlich
ganz in das Herz der Apokalypse hineinführt und der am
allerinnigsten gerade mit dem Mysterium der
Menschenweihehandlung deshalb zusammenhängt, weil er ja
objektiv mit der Wesenheit des Christus zusammenhängt. Es
ist eigentlich nur möglich, über diesen Punkt zu
sprechen im Zusammenhang mit der Apokalypse. Denn die
Apokalypse trägt so sehr an ihrer Stirne den christlichen
Grundcharakter, daß es ganz zweifellos ist, daß wir
damit nichts aus der christlichen Betrachtung irgendwie
Abirrendes herausbekommen können, wenn wir das betrachten,
was mit dieser Apokalypse auf naturgemäße Weise
zusammenhängt. Und es darf Ihnen versichert werden,
daß dasjenige, was ich in bezug auf diesen Punkt, den wir
heute besprechen wollen, werde zu sagen haben, sich auf eine
ganz eklatante Weise aus den Gesichten des Apokalyptikers
ergibt.
Sehen Sie, meine lieben Freunde, wir befinden uns seit dem
Beginn des 15. Jahrhunderts in dem fünften
nachatlantischen Zeitraum, und innerhalb dessen am Beginn des
erneuten Kampfes, den Michael wird zu führen haben
innerhalb alles desjenigen, was in der nächsten Zeit zu
geschehen hat, und wir blicken zurück von da aus auf den
vierten nachatlantischen Zeitraum, der dem unsrigen unmittelbar
vorangegangen ist.
Wir
wissen ja, daß dieser vierte nachatlantische Zeitraum
ungefähr begonnen hat um das Jahr 747 vor dem Mysterium
von Golgatha, daß in diesen vierten nachatlantischen
Zeitraum hineinfiel das Mysterium von Golgatha, das - zwar
nicht ganz genau, weil es doch mehr oder weniger in der ersten
Hälfte des vierten nachatlantischen Zeitraums stattfand,
also nicht ganz genau -, das aber doch, wenn man jene
Verschiebungen berücksichtigt, die immer in der
Weltevolution stattfinden bei den Ereignissen, in die Mitte
dieses Zeitraumes hineingestellt werden kann. Wir können
also das, was mit unserer geistigen Entwickelung
zusammenhängt, schematisch etwa so zeichnen, daß wir
sagen (es wird gezeichnet): Der fünfte nachatlantische
Zeitraum ist da. Ihm gingen voran der vierte, dritte, zweite,
erste und so weiter, dann immer weiter zurück bis zur
atlantischen Katastrophe, welche die Gestalt unserer
Erdoberfläche ja endgültig wesentlich umgestaltet
hat, wie wir wissen, welche sozusagen ein neues Antlitz unserer
Erde herbeigeführt hat.
Nun
schauen wir uns einmal diesen vierten Zeitraum, den
atlantischen an, was er darstellt. Ihm ging voran dasjenige,
was ich öfter genannt habe den lemurischen Zeitraum in der
Erdenentwikkelung, dann dasjenige, was wir als den zweiten und
als den ersten Zeitraum der Erdenentwickelung bezeichnen
können. Allein diese drei ersten Zeiträume der
Erdenentwickelung bis zum atlantisehen Zeitraum hin sind ja
Wiederholungen: der erste des Saturnzeitalters, der zweite des
Sonnenzeitalters, der dritte des Mondenzeitalters. Erst der
vierte, der atlantische Zeitraum, stellt etwas Neues dar. Die
vorhergehenden Zeiträume sind durchaus Wiederholungen,
Wiederholungen allerdings auf einer höheren Stufe, aber
eben Wiederholungen.
Der
atlantische Zeitraum, also dieser vierte Zeitraum, stellt etwas
Neues dar. Und dasjenige, was damals geschehen ist während
des atlantischen Zeitraumes, das traf ja ein, als die Erde noch
wesentlich andere Formen hatte, als die späteren sind.
Eine feste Erdkruste war ja namentlich in der Mitte der
atlantischen Zeit nicht in demselben Sinne vorhanden wie heute.
Die geologischen Zeiträume, die für diese Dinge
angenommen werden, sind ja Illusionen. Die Zeiten, in denen
sich die Erde verfestigt hat aus verhältnismäßig
fest-flüssiger Beschaffenheit, sie liegen ja noch in der
atlantischen Zeit. Und das Menschengeschlecht war während
der atlantischen Zeit ein ganz anderes. Es hatte in der Mitte
der atlantischen Zeit noch nicht das heutige feste
Knochengerüst. Die Menschen in ihrer damaligen Bildung
glichen eigentlich substantiell mehr oder weniger niederen
Tieren, nicht in ihrer Form - in ihrer Form waren sie sehr edel
gebildet -, aber substantiell glichen sie niederen
quallenartigen Tieren in weicher, sich verknorpelnder
Substanz.
Wir
können also sagen: Alle physischen Verhältnisse auf
der Erde sind seit jenen Zeiten anders geworden und zeigen
nicht mehr jene radikalen Metamorphosen, jene radikalen
Umwandlungen, die in der Mitte der atlantischen Zeit noch
möglich waren. Wir hatten dort zum Beispiel in der
jeweiligen unmittelbaren Gegenwart die Möglichkeit des
Metamorphosierens so, daß der Mensch, der von weicher
Materie war, bald größer, bald kleiner, bald so und
bald so gestaltet war, je nachdem sein Seeleninneres war. Denn
jede Seelenregung prägte sich sogleich im physischen Leibe
aus. Wer dazumal in der Mitte der atlantischen Zeit die
Sehnsucht hatte, etwas weit weg Liegendes zu ergreifen, dessen
Wille wirkte in seine quallenartigen Organe so hinein, daß
diese sich weit verlängerten. Es war also das ganze
physische Geschehen ein anderes, die physischen Vorgänge
in der jeweiligen Gegenwart waren in ihrem ganzen Verlauf
andere. Es zeigte sich in allen physischen Vorgängen, in
allen Transformationen, Metamorphosen ein Bild des wirklichen
geistigen Geschehens.
Heute ist das ja nicht so. Heute sehen wir hinaus, und in dem,
was da draußen geschieht, selbst im Verlauf der
Jahreszeiten, gewahrt ja der Mensch das Wirken des Geistes
nicht mehr. Bei jenen schnellen Transformationen im alten
atlantischen Zeitalter gab es für den Menschen keinen
Zweifel, daß in dieser Welt GöttlichGeistiges
enthalten war. Wenn auch der atlantische Kontinent damals im
wesentlichen schon in seinen Formen blieb, er war etwas
außerordentlich Bewegliches, ringsum von webender dichter
Flüssigkeit eingeschlossen, er war etwas, man kann nicht
sagen Halbflüssiges, aber doch Zähflüssiges, das
die noch so weich organisierten Körper tragen konnte, die
damals noch nicht auf dem Erdboden befestigten Pflanzen, die
durchaus noch in dem substantiell Weichen, Beweglichen mehr
oder weniger schwebenden oder gleitenden Pflanzen. Also es
waren ganz andere physische Verhältnisse. Man kann sagen:
Meer und Land waren noch nicht in der Weise geschieden wie
später, sie gingen noch ineinander über. Es war so,
daß diejenigen, die damals die Verhältnisse sehen
konnten, davon sprachen: In dem unmittelbar angrenzenden Meer,
wo mehr und stärker das sich Metamorphosierende sich
ausdrückt als auf dem fest-flüssigen Lande, da walten
die Götter stärker. Rings um die Atlantis sah man die
waltenden Götter. Man hatte keinen Zweifel, daß da
diese Götter walteten, man nahm überall das Geistige
und das Seelische zugleich mit dem Physischen wahr; und man
schaute im Physischen das Seelische und das Geistige.
Nun
kann man es durchaus als die Eigentümlichkeit des vierten
nachatlantischen Zeitraumes ansehen - gewiß, in den
Jahrhunderten, in denen er sich dem neuen fünften
nachatlantischen Zeitraum näherte, war das nicht mehr so
deutlich, aber in den griechischen Zeiten war das ganz deutlich
-, daß man in all dem, was in der Luft spielt, durchaus
das göttliche Walten schaute. Im FestFlüssigen sah
man das göttliche Walten in der alten Atlantis, in dem
Flüssig-Luftförmigen der Wolkenbildung, der
Dämmerungsbildung und so weiter schaute man das
göttliche Walten im vierten nachatlantischen Zeitraum. Es
war das Bewußtsein der Menschen in diesem vierten
nachatlantischen Zeitraum noch nicht so deutlich, so daß
wir keine definitionsähnlichen Beschreibungen davon
finden, aber da war es; denn ich möchte wissen, wie der
unbefangene Menschensinn jene wunderbaren Wolkenmalereien auf
den Bildern der Frührenaissance anders verstehen kann, als
daß gefühlt wurde, wie herausgeboren wird ein
Geistiges, wie gefühlt wird im Lüfte-Wolken-Wesen, im
luft-wässrigen Wesen das göttlich-geistige
Wirken.
Sehen Sie, der Mensch ist in diesem Zeitalter so gewesen,
daß er nicht das Physische der Wolkenbildung ins Auge
faßte, sondern dasjenige, was er als das sich durch die
Wolken Offenbarende empfand. Die Empfindung ist eine ungemein
schöne, aber für das moderne Bewußtsein schwer
zu rekonstruierende. Wenn der Mensch - sogar noch des 8., 9.
nachchristlichen Jahrhunderts den Morgenhimmel ansah, wie die
Dämmerung, die im Dämmerschein glimmernde
Wolkenbildung da vor seiner Seele stand, da fühlte er
tatsächlich noch die Aurora, die Morgenröte als ein
Lebendiges; und ebenso fühlte er in der
Abenddämmerung.
So
daß wir sagen können: In der alten Atlantis sah man
das Geistige physisch. Nun folgte auf Atlantis die
nachatlantische Zeit mit ihren sieben Zeiträumen. Die
Wiederholung des Atlantischen, die Wiederholung dessen,
was physisch vorgegangen ist in der Atlantis, ging in diesem
vierten nachatlantischen Zeitraum seelisch vor sich. Jene
mächtigen Erschütterungen, von denen ich gesprochen
habe: Den Jahren 333, 666, die seelische Erschütterungen
in der Entwickelung der Menschheit sind, entsprechen durchaus
physische Erschütterungen in der atlantischen Zeit. Und
die Seher des griechisch-lateinischen Zeitalters spürten
durchaus, daß, wenn sie so etwas sahen wie die
Offenbarungen im Flüssig-Luftförmigen, sich in ihren
Seelen etwas zeigte wie eine Wiederholung früherer
Erdzustände, die damals im Physischen verliefen. Es war
das Bewußtsein dafür schon vorhanden, wenn auch in
jenem herabgedämpften Zustande, wie das Bewußtsein
damals überhaupt war.
Aber in all dem, was da lebte in solchen Schulen wie zum
Beispiel in der Schule von Chartres, die ich jetzt in den
anthroposophischen Vorträgen erwähnte, da lebten
durchaus noch solche Darstellungen, die zeigen, wie das
seelische Erleben dieses griechisch-lateinischen Zeitraumes
eine seelische Wiederholung des dichteren physischen Erlebens
und Geschehens in der atlantischen Zeit war.
Und
jetzt stehen wir im Zeitalter der Bewußtseinsseele. Das
unmittelbare seelische Erleben im
Luftförmig-Flüssigen ist erloschen. Aber, man
möchte sagen, wie durch eine Art Katastrophe, mit der der
fünfte, der nachatlantische Zeitraum begonnen hat,
bereitet sich ja zunächst die weitere Entwickelung der
Bewußtseinsseele der Menschheit vor. Wir stecken immer
noch ein wenig im Chaos dieser Entwickelung der
Bewußtseinsseele in bezug auf die äußere
Zivilisation. Aber gerade der Anbruch des Michaelzeitalters
soll in dieses Chaos ordnende Anschauung bringen. Diese
Anschauung, sie wird darin bestehen, daß, so wie
Erinnerungen in den Menschen heraufkommen, ganz geistig - nicht
mehr wie in der atlantischen Zeit physisch, in der
griechisch-lateinischen Zeit seelisch, sondern ganz geistig -
Bilder auftauchen werden, etwas wie gedankliche
Fata-Morgana-Bildungen, namentlich nach der Erscheinung des
ätherischen Christus, In den Gedanken der Menschen werden
innerlich eine Art von inneren Fata-Morgana-Bildern auftauchen,
die einen visionären Charakter haben, die aber im
Zeitalter der Bewußtseinsseele vollständig
bewußt sein werden. Und so wie man in der Wüste,
durch die Wärme der Luft bewirkt, die Fata Morgana sieht -
sie wird ja durch die Wärme der Luft bewirkt -, so wird
der menschliche Gedanke getragen werden zum Verständnis
desjenigen, was luftförmig-feurig,
luftförmig-wärmeartig ist.
Wir
können sagen: In der atlantischen Zeit nimmt der Mensch
das Göttliche wahr im Fest-Flüssigen, das heißt
mehr in der äußeren physischen Materie, im vierten
nachatlantischen, im griechisch-lateinischen Zeitraum, nimmt
der Mensch das Geistige wahr in den wunderbaren Gebilden des
Flüssig-Luftförmigen, und jetzt - also im
fünften nachatlantischen Zeitraum, wo es die
Bewußtseinsseele wahrnehmen wird - werden wir erleben, wie
immer mehr und mehr im Bewußtsein auftauchen wird
dasjenige, was luftförmig-feurig, was luftförmige
Wärme ist; das wird vor dem Menschen in gewaltigen
geistigen Bildern dasjenige aufsteigen lassen, was die Griechen
seelisch erlebt haben und was die Bewohner der Atlantis
physisch erlebt haben.
Ein
Zeitraum steht also in der Menschheitsentwickelung bevor, in
dem mit der Klarheit der Gedanken Visionen über die
Erdenvorzeiten und über die Herkunft des Menschen und
alles, was damit zusammenhängt, auftauchen werden. Die
darwinistische Anschauung, die ganz und gar aus reinen
Schlußfolgerungen heraus den Menschen eine niedere Abkunft
gab, geht voran der Entwickelung des inneren Anschauens, der
Entwickelung der wunderbaren Imaginationen, die aus der
menschlichen Innenwärme, verbunden mit dem
Atemprozeß, wie konkrete, kolorierte, inhaltsvolle
visionäre Gedanken auftauchen werden. Der Mensch wird
wissen, was er war, indem er zuerst wie in einer Spiegelung
schauen wird in den griechisch-lateinischen Zeitraum, und dann
dahinter, was da war in der Atlantis.
Sehen Sie, meine lieben Freunde, dieses Schauen, das geht uns
eigentlich recht unmittelbar an, weil es in der nächsten
Epoche der Menschheit eintreten wird; dieses Schauen ist
dasjenige, wo wir, weil es uns so naheliegt, geradezu den
Apokalyptiker im Herzen schauen. Denn das Schauen, das
unmittelbar bevorsteht, ist das, was er in dem Bilde andeutet:
Das Weib, mit der Sonne bekleidet, den Drachen unter ihren
Füßen, ein Knäblein gebärend (Apk. 12,
1).
Durch das, was in diesem Bilde sich ausdrückt, werden in
der Tat viele Menschen sehend werden noch im Laufe dieses
Jahrhunderts. Von diesem Bild strahlt vieles aus, das den
Menschen ein Verständnis bringen wird. Zunächst
leuchtet dieses Bild zurück in das griechisch-lateinische
Zeitalter, wo auf seelische Art sich vorbereitet hat das
Verständnis für die Gestalt des Bildes, wie es in der
nächsten Zukunft erscheinen wird. Es hat die
mannigfaltigsten Formen angenommen: Isis mit dem Horuskind, die
ChristusGebärerin mit dem Christus-Kind; diese Dinge haben
wunderbar tief gerade im griechisch-lateinischen Zeitalter
gelebt in vielen Metamorphosen, die noch traditionell erhalten
sind.
In
der nächsten Zukunft werden die Menschen
zurückschauen auf die Art des Schauens, wie die Menschen
des vierten nachatlantischen Zeitraumes in den Wolken, das
heißt im Luftförmig-Flüssigen dieses Bild
gesehen haben. Und weiter wird zurückgeschaut werden auf
dasjenige, was in den physischen Vorgängen der Atlantis
lebte. Es wird geradezu so sein, wie wenn dieses Bild des
sonnebekleideten Weibes, das ein Knäblein gebiert und den
Drachen unter seinen Füßen hat, wie durch eine Art
geistiges Fernrohr, eine Art Okular hinwiese auf eine weit
zurückliegende Zeit, in der das Irdisch-Physische
zusammenhing mit dem Überirdisch-Kosmischen. Es war
dazumal ein viel innigerer Kontakt, der sich zwischen Erde und
Planetenwelt und Sonnenwelt abspielte.
Denn sehen Sie, wir wissen ja: In der Zeit, als sich die alte
Saturnzeit wiederholte, da war in der Erdenentwickelung viel
von der Eigentümlichkeit des alten Saturns, wenn auch in
einem verdichteten Zustand. Als der zweite Zeitraum in der
Erdenentwikkelung die Wiederholung der alten Sonnenzeit
brachte, trennte sich die Sonne von der Erde, die während
der Saturnentwickelung noch mit ihr verbunden war, und mit ihr
alle Wesen, die zur Sonne gehörten. In der dritten Zeit
der Erdenentwickelung, der lemurischen, trennte sich auch der
Mond von der Erde, so daß diese Dreiheit: Erde, Sonne und
Mond, die nächste irdische Realität ist. Wie die
Planeten dazukamen, finden Sie in meinem Buche «Die
Geheimwissenschaft» charakterisiert. Aber wir müssen
dann hinblicken auch auf alle die Vorgänge, die ich
geschildert habe in bezug auf das Wiederzurückkommen der
Menschenseelen während der atlantischen Zeit. Das sind
Erdenvorgänge, von der Erdenperspektive aus gesehen.
Wir
wollen jetzt noch ein anderes hinzufügen. Sehen Sie, meine
lieben Freunde, seit dem Mysterium von Golgatha wurde von
denjenigen, die als Initiierte die Weltengeheimnisse
erfaßten, der Christus als das Sonnenwesen angesehen, das
vor dem Mysterium von Golgatha mit der Sonne verbunden war. Die
Mysterienpriester der vorchristlichen Zeit sahen zur Sonne
hinauf, wenn sie sich mit dem Christus verbinden wollten.
Christus ist seit dem Mysterium von Golgatha Erdengeist
geworden. Im Erdenleben, im Erdenwirken haben wir ihn zu
suchen: Christus, den Sonnengeist. Die ihn schauen wollten, die
mit ihm Gemeinschaft haben wollten vor dem Mysterium von
Golgatha, mußten sich zur Sonne erheben.
Dieser Sonnengeist, den wir in der Art, wie er zur Erde
gekommen ist, durchaus zu Recht als ein männliches Wesen
ansprechen, der ist in dieser Form - obwohl ähnliche
Ereignisse auch für frühere Zeiträume
geschildert werden können, wie ich es wiederholt getan
habe - glänzend geschildert im Gesichte des
Apokalyptikers, in jener tiefen Schauung, jener Vision, die
unmittelbar, wie materiell, in der Mitte des atlantischen
Zeitraumes in glänzender physischer Erscheinung dasteht.
Nach diesem Zeitpunkt sahen die Mysterienweisen, wenn sie
hinauf zur Sonne sahen, in der Sonne den Christus sich
heranentwickeln und reif werden, bis zu dem Punkte, wo er durch
das Mysterium von Golgatha gehen konnte. Sahen sie hin zu jenem
Punkt der Entwickelung in der atlantischen Zeit, so sahen sie
in dieser atlantischen Zeit eine Geburt sich vollziehen im
Kosmos draußen innerhalb der Sonne.
Die
Priester, die in der Mitte der atlantischen Zeit die Geburt des
Christus als männliches Wesen in der Sonne sahen, sie
sahen vorher in der Sonne ein weibliches Wesen. Das ist der
bedeutungsvolle Umschwung, der sich vollzog in der Mitte der
atlantischen Zeit, daß man vor der Mitte der atlantischen
Zeit innerhalb der geistigen Sonnenaura das kosmische Weib sah,
«das Weib, mit der Sonne bekleidet». Dies ist
wirklich dasjenige, was dazumal dem Geschehen im
Überirdischen, im Himmel entsprach: «das Weib, mit
der Sonne bekleidet, das dann ein Knäblein gebiert».
Es wird von dem Apokalyptiker richtig bezeichnet als die Geburt
eines Knäbleins, das dieselbe Wesenheit ist, die dann
durch das Mysterium von Golgatha ging und die früher
andere Formen durchgemacht hat. Eine Art Geburt, die allerdings
eine komplizierte Art von Metamorphose war, ging damals in der
atlantischen Zeit vor sich. Man konnte sehen, wie die Sonne ihr
Männliches, ihr Sohnhaftes gebar. Nun, was bedeutet das
für die Erde? In der Mitte der atlantischen Zeit empfand
man so etwas wie das Sonnendasein natürlich ganz anders
als heute. Heute schaut man die Sonne so an, wie wenn sie eine
Ansammlung von Kratern und brennenden Massen wäre; es ist
das ein greulicher Anblick, den die heutigen Physiker
beschreiben. Aber dazumal sah man so etwas, wie ich es jetzt
beschrieben habe. Man sah wirklich das mit der Sonne bekleidete
Weib, den Drachen unter ihren Füßen, ein
Knäblein gebärend. Diejenigen, die so etwas sahen und
verstanden, sagten sich: Das ist für den Himmel die Geburt
des Christus, das ist für uns die Geburt unseres Ich -
auch wenn dieses Ich erst viel später in das Innere des
Menschen einzog.
Seit diesem Zeitpunkt in der Mitte der Atlantis spielte sich
die Entwickelung so ab, daß die Menschen sich ihres Ichs
immer bewußter wurden. Allerdings waren sie sich ihres
Ichs nicht so bewußt wie wir heute, sondern mehr auf
elementare Art, aber sie wurden sich ihres Ichs immer
bewußter, indem sie von den Mysterienpriestern darauf
aufmerksam gemacht wurden: Die Sonne entzündet im Menschen
das Ich. - Und durch diese Geburt, wie sie der Apokalyptiker im
Bilde zeigt, entzündete sich fortwährend von
außen durch die Sonneneinwirkung das Ich, bis zum vierten
nachatlantischen Zeitraum, wo im Menschen das Ich eingezogen
war. Das fühlte man; man fühlte den Menschen
eigentlich als der Sonne angehörig. Das war eine dazumal
ganz tief in die menschliche Natur einschneidende
Empfindung.
Heute, wo wir in bezug auf das seelische Erleben solche
Zärtlinge geworden sind, können wir gar nicht
ermessen, wie wogend und stürmend die Seelenerlebnisse der
Menschen in früheren Zeiten waren. Denn gegenüber
dieser Tatsache, daß dem Menschen das Ich aus dem Kosmos
geschenkt wurde, empfand der Mensch dazumal auf der Erde so,
daß alles das, was seine frühere Natur gewesen war,
nun eine andere wird. Früher war er ja im wesentlichen auf
seinen astralischen Leib angewiesen, auf dasjenige, was im
Astralischen lag, und das wirkte in dem Seelisch-Geistigen so,
daß der Mensch während dieser alten Zeit die
Vorstellung hatte: Hier (siehe Zeichnung auf Tafel 9,
Tafel 9 links) steht er, da oben ist die Sonne, das
Ich ist noch nicht da, aber von der Sonne wirkt herunter das
Astralische. Der Mensch trägt von der Sonne den
astralischen Leib in sich, den astralischen Leib, der noch
nicht durch das Ich beherrscht wird, der innerlich noch zwar
verfeinerte, aber tierähnliche Emotionen trägt. -
Jetzt ist er ein ganz anderer Mensch geworden, der
IchGewordene, der vorher nur von dem astralischen Leib
durchsprudelt war. Das alles kam von der Sonne her.
Nun
stellen wir uns einmal vor das Auge - ich will es ganz
schematisch zeichnen (Tafel 9, unten links) -, wie das Bild,
das Tafel 9 Sonnenbild der ältesten
atlantischen Zeit, durchdrungen war mit lebendigem Lichtschein,
der sich sprudelnd in der unteren Hälfte des Sonnenwesens
bewegte. Da heraus wird oben etwas geboren, man fühlte
unbestimmt etwas von dem Antlitz hier. Da drunten im
Sonnenwesen fühlte der Mensch den Ursprung dessen, was im
eigenen astralischen Leib als Emotionen brodelte, aber auch
alles dasjenige, was dem Menschen überhaupt sein
seelisches und geistiges Wesen gab. Die nächste Phase, wie
man die Sonne später gesehen hat, würde diese gewesen
sein (siehe Tafel 9, unten Mit- Tafel 9 te):
Deutlich sich herausschöpfend, das Antlitz klarer werdend,
die Figur eines Weibes annehmend, noch undeutlich dasjenige,
was dem Menschen bringen soll die Beherrschung durch das Ich.
Immer kleiner wird der Raum, dasjenige, was sich da unten
tierisch windet; endlich kommt die Zeit, wo eben das Weib da
ist in der Sonne, das Knäblein gebiert, und unter den
Füßen des Weibes nun dasjenige, was früher da
war (Zeichnung), also wo das Ichgebärende Weib von der
Sonne aus das Bild zeigt, den Drachen zu beherrschen: die
astralische Welt der früheren Epoche, die jetzt unter
ihren Füßen ist.
Da
begann dazumal in der Sonne der Streit Michaels mit dem
Drachen, und der führte dazu - das sah man durchaus in
physischer Erscheinung -, daß alles dasjenige, was da in
der Sonne war, sich langsam zur Erde hinbewegte und
Erden-Ingredienz wurde, Erdeninhalt wurde, dadurch den Menschen
nun in seinem Unbewußten beherrschend, während in
sein Bewußtsein immer mehr einzog das Ich.
Das, was da kosmisch vorging im atlantischen Zeitalter, das
hatte sein mythologisches Gegenbild im griechisch-lateinischen
Zeitalter. Das frühere Bild der Isis mit dem Horuskinde,
das dann das Bild der Jungfrau mit dem Jesusknaben wurde, das
wird von der Menschheit rückschauend als Vision erlebt
werden können im nächsten Zeitalter, das uns
unmittelbar bevorsteht. Der Mensch wird in diesem Bilde das
sonnenbekleidete Weib sehen, das den Drachen unter den
Füßen hat, der von Michael auf die Erde geworfen
wurde, so daß er nicht mehr im Himmel zu rinden ist.
Dieses Bild, das sich dann verwandeln wird, wird erscheinen in
dem Zeitalter, wo der Drache los sein wird und wo dasjenige
eintritt, was ich Ihnen gestern beschrieben habe. Es ist
tatsächlich so, daß der Menschheit ein vertieftes
Schauen der Erdenvorzeit, des Menschheitsursprunges und
zugleich ein ätherisches Schauen der Christus-Wesenheit
bevorsteht, denn im Michaelzeitalter wird dasjenige eintreten,
worauf der Apokalyptiker hindeutet, wenn er davon spricht,
daß Michael das Drachengetier herabgeworfen hat auf die
Erde, wo es in der Menschennatur wirkt. Aber Michael wird sich
wiederum kümmern um dasjenige in der Menschennatur, was er
da als das Drachengetier herabgeworfen hat.
Stellen wir uns lebhaft vor, meine lieben Freunde, wie das ist.
Man wird wieder hinschauen in die atlantische Zeit. Der
Apokalyptiker tut es voraus, er hat die Vision des
sonnenbekleideten Weibes, das das Jesusknäblein gebiert
und den Drachen unter den Füßen hat. - Dieses Bild
wird immer schwächer und schwächer, je mehr die
atlantische Entwickelung vorrückt. Und am Ende der
atlantischen Entwickelung tritt ein, daß sich aus dem
Meere erheben die neuen Kontinente, die Kontinente, welche die
Kräfte enthalten, durch die die Menschen der
nachatlantischen Zeit in ihre verschiedenen Verirrungen
gekommen sind. Aus dem Meere steigt es auf, das Tier mit den
sieben Köpfen (Apk. 13, 1) und siebenfaches Land steigt
aus dem Meere empor, den Menschen hinunterziehend durch das,
was aus seinen Emotionen geistig von der Erde
ausdünstet.
In
der Form dieses aus dem Meere heraufsteigenden
siebenköpfigen Tieres erscheint ja auch dem Apokalyptiker
die atlantische Katastrophe, und es wird wieder erscheinen in
der Zukunft, wenn dasjenige, worauf der Apokalyptiker
hindeutet, in dem Michaelischen Zeitalter wieder eintritt. Es
sind durchaus reale Vorgänge, von denen der Apokalyptiker
spricht, die uns sehr angehen in bezug auf das geistige Leben
der Menschheit. Und gerade das, was hier in diesem Bilde ist,
hängt zusammen mit der Wesenheit des Christus.
Wir
leben einem Zeitalter entgegen, wo in der Tat wiederum gesehen
werden wird, wie im Irdischen der Geist lebt, wo also auch die
geistigen Vorgänge der Transsubstantiation vor der
Menschenseele werden auftreten können. Dann wird gerade in
der Transsubstantiation erscheinen der irdische Abglanz
desjenigen, was sich in Himmelsregionen so vollzogen hat,
daß das, was seit der Mitte der atlantischen Zeit
geschehen ist, ein kleiner Ausschnitt dessen ist, und was alles
zusammenhängt mit der Wesenheit des Christus. Da wird man
verstehen, wie eben eine solche Metamorphose, wie sie in der
Transsubstantiation sich vollzieht, möglich ist, wenn man
in demjenigen, was heute physisch und chemisch ist,
überhaupt nur eine Episode sehen wird und auch die
Transsubstantiation auf ganz etwas anderes und nicht nur auf
das scheinbar Materielle beziehen wird.
So
dürfen wir schon vertiefen unser Gedenken an die erste
Menschenweihehandlung vor zwei Jahren, dieses Gedenken an das
wahrhaftig vom Himmel Heruntersteigende, vom Himmel
Herunterscheinende der atlantischen Zeit, an das in den Wolken
Erscheinende der griechisch-lateinischen Zeit, an den auf Erden
wandelnden, von den Menschen in ihren Visionen begriffenen
Christus, den in unserem Zeitalter ätherisch auf Erden
wandelnden, aber von den Menschen in Imaginationen, in Visionen
begriffenen Christus. In der Transsubstantiation ist der
Christus anwesend und wird den Menschen immer mehr
gegenwärtig sein. In den Vorgängen, die ich heute
beschrieben habe, liegen die Wege, in denen der Christus
allmählich den Erdenentwickelungsgeschehnissen innewohnend
wurde.
Wollen wir das als eine Art Festesvorstellung heute in uns
aufnehmen zum Andenken an die erste Menschenweihehandlung, die
vor zwei Jahren im Goetheanum vollzogen worden ist.
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