Siegel 7
Siegel 7
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Siegel
VII ist Wiedergabe des «Mysteriums vom heiligen
Gral». Es ist dasjenige astralische Erlebnis, welches den
universellen Sinn der Menschheitsentwicklung wiedergibt. Der
Würfel stellt die «Raumeswelt» dar, die noch von
keinem physischen Wesen und keinem physischen Ereignis
durchsetzt ist. Für die Geisteswissenschaft ist
nämlich der Raum nicht bloß die «Leere»,
sondern er ist der Träger, der auf noch unsichtbare Art
die Samen alles Physischen in sich birgt. Aus ihm heraus
schlägt sich gleichsam die ganze physische Welt nieder,
wie sich ein Salz niederschlägt aus der noch ganz
durchsichtigen Lösung. Und was – in bezug auf den
Menschen – sich aus der Raumeswelt herausbildet, das
macht die Entwicklung vom Niedern zum Höhern durch. Es
wachsen heraus aus den «drei Raumesdimensionen»,
welche im Würfel ausgedrückt sind, zuerst die
niedrigeren Menschenkräfte, veranschaulicht durch die
beiden Schlangen, die aus sich wieder die geläuterte
höhere geistige Natur gebären, was in den
Weltenspiralen sich darstellt. Durch das Aufwärtswachsen
dieser höheren Kräfte kann der Mensch Empfänger
werden (Kelch) für die Aufnahme der rein geistigen
Weltwesenheit, ausgedrückt durch die Taube. Dadurch wird
der Mensch Beherrscher der geistigen Weltmächte, deren
Abbild der Regenbogen ist. Das ist eine ganz skizzenhafte
Beschreibung dieses Siegels, das unermeßliche Tiefen in
sich birgt, die sich demjenigen offenbaren können, der es
in der hingebungsvollen Meditation auf sich wirken
läßt. Umschrieben ist dieses Siegel mit dem
Wahrheitsspruch der modernen Geisteswissenschaft: «Ex deo
nascimur, in Christo morimur, per spiritum sanctum
reviviscimus», «Aus Gott bin ich geboren; in Christo
sterbe ich; durch den Heiligen Geist werde ich
wiedergeboren». In diesem Spruch ist ja der Sinn der
menschlichen Entwicklung voll angedeutet.
Zwischen je
zwei dieser Siegel befand sich im Kongreßraume eine der
sieben Säulen, welche in der zweiten Serie der Bilder
wiedergegeben sind. In den Kapitälen dieser Säulen
sind, wie oben bereits angedeutet, Erfahrungen des
«Sehers» (was auf diesem Gebiete eigentlich nicht
mehr ein passender Name ist) in der «geistigen Welt»
dargestellt. Es handelt sich um die Wahrnehmung der
Urkräfte, welche in geistigen Tönen bestehen. Die
plastischen Formen der Kapitäle sind Übersetzungen
dessen, was der «Seher» hört. Doch sind diese
Formen keineswegs willkürlich, sondern so, wie sie sich
auf ganz natürliche Art ergeben, wenn der «sehende
Mensch» die «geistige Musik»
(Sphärenharmonie), die sein ganzes Wesen durchströmt,
auf die formende Hand wirken läßt. Die plastischen
Formen sind hier wirklich eine Art «gefrorener
Musik», welche die Weltgeheimnisse zum Ausdruck bringt.
Daß diese Formen als Säulenkapitäle auftreten,
erscheint für den, welcher die Sachlage durchschaut, wie
selbstverständlich. Die Grundlage der physischen
Entwicklung der Erdenwesen liegt in der geistigen Welt. Von
dort aus wird sie «gestützt». Nun beruht alle
Entwicklung auf einem Fortschreiten in sieben Stufen. (Die Zahl
sieben soll dabei nicht als Ergebnis eines
«Aberglaubens» aufgefaßt werden, sondern als der
Ausdruck einer geistigen Gesetzmäßigkeit, wie die
sieben Regenbogenfarben der Ausdruck einer physischen
Gesetzmäßigkeit sind). Die Erde selbst schreitet in
ihrer Entwicklung durch sieben Zustände, die mit den
sieben Planetennamen bezeichnet werden: Saturn-, Sonne-, Mond-,
Mars-, Merkur-, Jupiter- und Venuszustand. (Über den Sinn
dieser Sache vergleiche man meine
«Geheimwissenschaft» oder die Aufsätze Zur
Akasha-Chronik. Doch nicht allein ein Himmelskörper
schreitet in seiner Entwicklung so vorwärts, sondern
jede Entwicklung durchläuft sieben Stufen, die man
im Sinne der modernen Geisteswissenschaft mit den
Ausdrücken für die sieben pIanetarischen
Zustände bezeichnet. In der oben gekennzeichneten Weise
sind die geistigen Stützkräfte dieser Zustände
durch die Formen der Säulenkapitäle wiedergegeben.
Man wird aber zu keinem wahren Verständnis dieser Sache
kommen, wenn man nur die verstandesmäßige
Erklärung beim Beschauen der Formen zugrunde legt. Man
muß künstlerisch-empfindend sich in die Formen
hineinschauen und die Kapitäle eben als Form auf
sich wirken lassen. Wer dies nicht beachtet, wird glauben, nur
Allegorien, oder im besten Falle Symbole vor sich zu haben.
Dann hätte er alles mißverstanden. Dasselbe Motiv
geht durch alle sieben Kapitäle: eine Kraft von oben und
eine von unten, die sich erst entgegenstreben, dann, sich
erreichend, zusammenwirken. Diese Kräfte sind in ihrer
Fülle und in ihrem inneren Leben zu empfinden und
dann ist von der Seele selbst zu erleben, wie sie
lebendig gestaltend sich breiten, zusammenziehen, sich
umfassen, verschlingen, aufschließen usw. Man wird diese
Komplikation der Kräfte fühlen können, wie man
das «sich-gestalten» der Pflanze aus ihren lebendigen
Kräften fühlt, und man wird empfinden können,
wie die Kraftlinie erst senkrecht nach oben wächst in der
Säule, wie sie sich entfaltet in den plastischen Gestalten
der Kapitäle, welche sich den von oben ihnen
entgegenkommenden Kräften öffnen und
aufschließen, so daß ein sinnvoll tragendes
Kapitäl wird. Erst entfaltet sich die Kraft von unten in
der einfachsten Art, und ihr strebt ebenso einfach die Kraft
von oben entgegen (Saturn-Säule); dann füllen sich
die Formen von oben an, schieben sich in die Spitzen von unten
hinein und bewirken so, daß die unteren Formen nach den
Seiten ausweichen. Zugleich schließen sich diese unteren
Formen zu lebendigen Gebilden auf (Sonnensäule). Im
ferneren wird das obere mannigfaltiger; eine Spitze, die
hervorgetrieben war, wächst wie zu einem befruchtenden
Prinzip aus, und das untere gestaltet sich zu einem
Fruchtträger um. Das andere Kraftmotiv zwischen beiden ist
zu einer tragenden Stütze geworden, weil das
Verhältnis der Zwischen-glieder nicht genug stark als
Tragkraft empfunden würde (Mond-Säule). Weiterhin
tritt eine Abscheidung des Unteren und Oberen ein, die starken
Träger des Mondkapitäls sind selbst säulenartig
geworden, das dazwischenliegende Obere und Untere sind
verwachsen zu einem Gebilde, von oben deutet sich ein neues
Motiv an (Mars-Säule). Die aue der Verbindung des Oberen
und Unteren entstandenen Gebilde haben Leben angenommen,
erscheinen daher als von Schlangen umwundener Stab. Man wird
empfinden müssen, wie dieses Motiv aus dem vorigen
organisch herauswächst. Die mittleren Gebilde des
Marskapitäls sind verschwunden; ihre Kraft ist von dem
stützenden inneren Teile des Kapitäls aufgesogen; die
vorher von oben kommenden Andeutungen sind voller geworden
(Merkur-Säule). Nun geht es wieder zu einer Art
Vereinfachung, die aber die Frucht der vorhergängigen
Vermannigfaltigung in sich schließt. Das Obere
schließt sich kelchartig auf, das Untere vereinfacht das
Leben in einer keuschen Form (Jupiter-Säule). Der letzte
Zustand zeigt diese «innere Fülle» bei der
äußeren Vereinfachung aufs höchste. Die
Wachstumsumgestaltungen von unten haben von obenher ein
fruchttragendes Kelchartiges hervorgelockt
(Venus-Säule).
Wer alles das
empfinden kann, was in diesen «Säulen» des
Weltgeschehens ausgedrückt ist, der fühlt
umfassende Gesetze alles Seins, welche die Lebensrätsel in
ganz anderer Weise lösen als abstrakte
«Naturgesetze».
Es soll in
diesen Abbildungen eine Probe gegeben sein, wie die geistige
Anschauung Form, Leben, künstlerische Gestaltung werden
kann. Man beachte, daß die Abbildungen lebendige
Daseinskräfte der höheren Welten wiedergeben; und
diese höheren Geisteskräfte zuirken auf den
Betrachter der Bilder. Sie wirken direkt auf Kräfte, die,
ihnen entsprechend, in jedem Menschen schlummern. Aber ihre
Wirkung ist nur eine richtige, wenn man diese Bilder mit der
rechten inneren Seelenverfassung betrachtet.
Wer mit
spirituellen Vorstellungen im Kopfe und mit devotionellen
Gefühlen im Herzen die Bilder betrachtet, der wird aus
ihnen ein Heiligstes empfangen. Wer sie sich an einen
beliebigen Ort hängen oder stellen wollte, wo er ihnen mit
alltäglichen Gedanken und Empfindungen
gegenübertritt, der wird eine ungünstige Wirkung
verspüren, die bis zur schlimmen Beeinflussung des
körperlichen Lebens gehen kann. Man richte sich dar-nach
und trete zu den Bildern nur in ein Verhältnis, das im
Einklange steht mit einer Hingabe an die geistigen Welten. Zum
Schmucke eines dem höheren Leben gewidmeten Raumes
sollen solche Bilder dienen; nimmermehr soll man sie an
Orten finden oder betrachten, wo die Gedanken der Menschen
nicht mit ihnen im Einklange sind.
Dr. Rudolf
Steiner
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