Ein
durch Rudolf Steiner gegebener Zukunftsimpuls
und was zunächst daraus geworden ist
Ansprache
von Rudolf Steiner,
gehalten
in Berlin am 15. Dezember 1911
Herausgegeben
mit einem Vorwort und
einem
Nachwort von Marie Steiner 1947
Private
Vervielfältigung
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Von der Ansprache
Rudolf Steiners liegen keine vollständigen Mitschriften vor,
sondern nur Notizen verschiedener Zuhörer. Für die von
Marie Steiner im Jahre 1947 herausgegebene Vervielfältigung
standen nur die stenographischen Notizen von Bertha Reebstein-Lehmann
zur Verfügung. Dem Neudruck 1984 konnten Ergänzungen und
Berichtigungen eingearbeitet werden aus den inzwischen aufgefundenen
Notizen von Mieta Pyle-Waller und von Elisabeth Vreede. Die Notizen
von Mieta Pyle-Waller hat Rudolf Steiner selbst durchgesehen und mit
Korrekturen versehen. Wesentliche Textabweichungen gegenüber der
Vervielfältigung von 1947 sind als Fußnote in Klammern
angegeben.
Neudruck 1984
Zu
beziehen durch:
Rudolf
Steiner Verlag, Haus Duldeck, CH-4143 Dornach
Es erscheint als eine dringende Pflicht im Hinblick auf die Schwere
der Zeit und den geringen Rest des verfügbaren Lebens, von Dr.
Steiners Impulsen und Worten das zu retten, was noch gerettet werden
kann. Dazu gehört auch manches von dem, was er nur in intimem
Kreise im ernsthaften Gespräch, bei gewissen Wendepunkten der
Ereignisse über die weiteren Aufgaben und Arbeitsziele der von
ihm inaugurierten Bewegung, gesprochen hat. Nachschriften liegen vor,
doch nicht vollzählig und vollständig. Auch wenn sie
Lücken aufweisen und vielleicht manche feinere Nuance nicht
darin aufgefangen ist, so kann man trotzdem gut nachempfinden, wie
mannigfaltig, der zugewiesenen Aufgabe entsprechend, die
Ausdrucksweise jeweils ist, – plastisch konturiert und fest,
oder sich auflösend, durch die Sprache hindurch ahnen lassend
ein Licht, das sich noch halb verhüllen muß, weil Worte
nicht ausreichen. Es legt sich darüber wie ein leiser Flor,
durch den aber die Impulse wirken können, welche in die Zukunft
weisen. Richtkräfte für ein späteres Wirken legte er
immer wieder in unsere Seelen, Zukunftskeime, die nach
überstandenem Seelenschlaf sich lebendig werden entfalten
können; durch die Hetze des Alltags wurden sie nur zu oft
verschüttet, oder vom Wirbel der Ereignisse erfaßt und
weggefegt. Unter den Seelen, die solche Zukunftskeime hatten entgegen
nehmen dürfen, gab es gewiß manche, aus denen sie einst zu
neuem Leben und Ringen würden erstehen können; aber auch
solche, die – dem steinigen Boden des Evangeliumbildes gleich
– ihnen zunächst keine Nahrung bieten würden. Nicht
nur die Natur, auch die Seelen sind der organischen
Gesetzmäßigkeit unterworfen. Einiges von dem, was geistig
in sie hinein fällt, verhärtet oder verdirbt, anderes
erweist sich keimkräftig und wandelt sich um zu neuen
Daseinsformen. Der Durchgang durch den Tod und das Untertauchen in
das Chaos mit seinen durcheinander gewirbelten, wühlenden
Kräften gibt die Gewähr für ein späteres
Wiederaufleben des geistigen Einschlags durch Metamorphosen hindurch
zu höheren Daseinsstufen. Im Mikrokosmos wie im Makrokosmos, im
irdischen wie im planetarischen Dasein herrscht das Gesetz der
Wandlung zu neuen Daseinsformen. Diesen Weg mitmachend und ihn je
nach Rasse und Volkstum bildlich darlebend und erläuternd, haben
die Religionen immer höhere Erkenntnisstufen erklommen,
weltumfassend und dem Zeitenlauf gemäß hineinleuchtend in
die verborgenen Tiefen.
Als ein gewisser
Höhepunkt dieser Entwicklung erreicht worden war und zugleich
die Gefahr der philosophischen Abstraktion eingetreten war, die alten
Bilder und Zeichen nicht mehr genügten, um das neu pulsierende
Leben einzufangen, vollzug sich der christliche Einschlag, der den
großen Wendepunkt brachte. Doch als dieser aus dem Dunkel der
Katakomben in die äußere Welt trat, begann auch die Gefahr
seiner Verfestigung zu Dogmen, und die treibenden lebendigen
Kräfte suchten sich neue Wege. Sie fanden sie in den
Geheimgesellschaften, die sich der Autorität der
Kirchenfürsten und den Konzilienbeschlüssen nicht beugen
wollten; nun wurden sie als Häresie selbst verfolgt. Ihr von der
Außenwelt sich verhüllender Inhalt lebte sich wiederum dar
in Zeichen und Symbolen. Sie gaben der Kunst einen neuen Einschlag,
der zunächst durch die Werke der gotischen Baukunst in
Erscheinung trat; organisches Wachstum der Pflanze – dem Steine
eingegliedert. Auch in die Namen floß das neue Leben hinein,
diese enthielten das, was die Seele als Richtkräfte aufnehmen
soll, um sich gesund entwickeln zu können, bevor sie die
Selbständigkeit erreicht. Aber die Erziehung der Menschheit zur
Selbständigkeit, in welche die neu erweckte Ich –
Kräfte sich zu ergießen hatte, verlangte erst den Durchgang
durch den abstrakten Intellektualismus, der die Seelen eine Zeitlang
von ihrem geistigen Ur quell trennte, damit sie, durch die Kälte
der Isolierung hindurchgehend, das höhere Ich ergreifend, sich
im Geiste würden wiederfinden können. Das Wissen von der
Natur, losgelöst vom Geiste, gibt der Seele keine
Aufrichtekräfte mehr. Damit dies erlebt und erkannt werde,
mußten Geister Welten brechen. Inmitten zerschlagener Welten
stehen wir nun; – ein neues Suchen nach Lösung der
Schicksalsrätsel hat begonnen. Diesem Suchen und Fragen kann das
Lebenswerk Rudolf Steiners Antwort geben. Er beherrschte den Umfang
der heutigen exakten Wissenschaft; er kann uns auch den Geist
enthüllen, der hinter ihr verborgen kraftet und in die alten
Namen einst hineingeheimnist war. Durch ihn vermögen wir die
impulsierenden Kräfte zu erahnen, die hinter den Namen liegen.
Rettungsplanken für den unvermeidlich sich nahenden Schiffbruch
waren uns so gereicht worden, die zu ergreifen und zu benutzen wir
nicht reif genug waren. Die Seelen waren nicht wach genug, waren noch
in den alten Vorstellungen befangen. Die in sozialer Hinsicht
gemachten Versuche stießen auf die härtesten
Widerstände von Seiten der äußeren Welt. Ein
gewaltiger Schmerz kann uns ergreifen, wenn wir sehen, wie wenig wir
in der Lage waren, das Gebotene fruchtbar zu machen und geeignete
Werkzeuge zu sein für den Feuergeist des in der Not gesandten
Helfers. Auf den Trümmern zerschlagener Welten stehend,
müssen wir nun versuchen, das erhaltene und nicht genügend
feurig ergriffene Wort uns aus überbliebenen Nachschriftresten
zum Bewußtsein zu bringen; durch individuelle Arbeit es zum
Menschheits – Ich emporhebend. Rudolf Steiner versuchte, nicht
nur auf den Wegen der Philosophie und Wissenschaft uns zur Freiheit
zu führen, sondern auch durch Erziehung innerhalb des
esoterischen Lebens, die das alte Anhängigkeitsverhältnis
vom Lehrer allmählich umwandeln würde in den Impuls der
Freiheit und der Verantwortung vor dem Geiste. Seelen, die sich im
Geist verankert fühlen, müssen geprüft werden. Solche
selbstersehnte Prüfung ruft immer ein beschleunigtes Karma
hervor; es muß auch das ans Licht, was sich noch gern vor sich
selbst verhüllen möchte. An solchen Prüfungen
scheiterten oft die aus tiefen kosmischen Gründen geholten
Versuche geistiger Mächte, die zum Ziel haben,die
Menschheits-Entwicklung auf eine höhere Stufe zu heben. So war
es bei der französischen Revolution, so auch vor den Weltkriegen
unseres Jahrhunderts.
Zu einem ganz
kleinen Kreis seiner Schüler hatte Rudolf Steiner zuerst von solchen
Zukunftsaufgaben gesprochen und die Seelen hinzulenken versucht auf
die Bedeutung jener fernen Aufgaben, die aus einem, von der
Selbstsucht frei gewordenen Menschen-Wollen, erwachsen müssen.
Er wiederholte diese Worte vor einem größeren Kreis, den er
anläßlich der General-versammlung am 15. Dezember 1911
berief. Es geschah dies nicht innerhalb der Verhandlungen der
Generalversammlung selbst; er erklärte, daß dies
außerhalb ihres Programmes geschähe. Er begann diese
Ansprache in einer besonders feierlichen und eindrucksvollen Weise.
Es ist dies vielleicht der Grund, daß der erste Teil der
Ansprache nur notiert, aber nicht mit seinen Worten wiedergegeben
ist. Er betonte, daß der Inhalt dieses Vortrages ganz
unabhängig sei von allem bisher Gegebenen. Es handle sich
sozusagen um eine direkte Mitteilung aus der geistigen Welt. Es sei
wie ein Ruf, der an die Menschheit herangebracht werde, – dann
wird abgewartet, welches Echo ihm entgegen kommt. Solch ein Ruf
geschähe in der Regel drei Mal. Verhalle der Ruf auch das dritte
Mal ungehört, so sei er für lange Zeiten wieder in die
geistige Welt zurückgenommen. Ein Mal sei dieser Ruf bereits an
die Menschheit herangebracht worden, leider fand er kein Echo. Dieses
sei das zweite Mal. Es handelt sich um rein geistige Dinge. Mit jedem
vergeblichen Male werden die Bedingungen und Verhältnisse
schwieriger. „Meine lieben Freunde"
(sagte er, fortsetzend, was als Merkworte in der
Nachschrift erhalten ist):
"Es obliegt mir
zunächst in diesem Augenblicke, eine Intention, aus dem engeren
Kreis derjenigen, die schon davon wissen, hinauszutragen in Ihren
weiteren Kreis. Und bevor dies geschieht, lassen Sie mich einige
Worte vorausschicken. Ausdrücklich soll aber hervorgehoben
werden, daß das, was jetzt gesagt wird, in keinerlei
Zusammenhang steht mit dem, was in dieser Generalversammlung
vorausgegangen ist, oder was sonst irgendwie sich bezieht auf die
bisherigen Verhandlungen, – wodurch ja nicht ausgeschlossen
ist, wenn Neigung dazu sich finden sollte, darauf in späteren
Verhandlungen Rücksicht zu nehmen.
Wenn wir heute
in der Welt Umschau halten, so werden wir uns sagen müssen: die
gegenwärtige Welt ist eigentlich voller Ideale, – und wenn
wir uns fragen: Ist die Vertretung dieser Ideale von Seiten
derjenigen, die an sie glauben und sich in den Dienst dieser Ideale
stellen, eine aufrichtige und ehrliche?, so werden wir in sehr vielen
Fällen zu antworten haben: Ja, das ist der Fall! Es ist der Fall
eben mit jenem Glauben und jener Hingabe, deren die einzelnen
Menschen fähig sind. – Wenn wir nun fragen: wie viel wird
gewöhnlich verlangt, wenn eine solche Vertretung von Idealen
durch irgend jemanden – sei es ein Einzelner, sei es eine
Gesellschaft – ins Leben gerufen wird?, so werden wir aus der
Beobachtung des Lebens heraus uns die Antwort zu geben haben: in den
meisten Fällen wird sozusagen alles verlangt; vor allen Dingen
aber wird verlangt, daß das aufgestellte Ideal eine absolute,
unbedingte Anerkennung finde. Und es liegt fast immer der Aufstellung
eines solchen Ideales das zugrunde, daß man für ein solches
Ideal eben verlangt die absoluteste Zustimmung. Und gewöhnlich
bringt man das Nicht-Erfolgen einer solchen Zustimmung zum Ausdruck
in irgendeiner abfälligen Kritik.
Mit diesen
Worten sollte charakterisiert werden, wie das Prinzip einer
Zusammengliederung von Menschen sich ergeben hat auf ganz
naturgemäße Weise im Laufe der Menschheits – Bewegung,
und es soll an der Berechtigung eines solchen Prinzips in diesem Augenblicke
in keiner Weise ein Zweifel laut werden. Aber es soll vor allen Dingen eine
Möglichkeit vor Sie hingestellt werden, und das ist diese: Bei
allem, was innerhalb der Zusammengliederungen von Gesellschaften usw.
befolgt worden ist in der Welt, war man eigentlich davon
durchdrungen, daß die Richtigkeit einer Meinung an sich niemals
maßgebend sein kann für die Wirklichkeit der entsprechenden
Sache; daß man aus dem, was der Mensch zu denken vermag, in dem
Augenblick, wo er das Gedachte äußert, durch die
Äußerung selbst gezwungen werden kann, in einen Widerspruch
zu verfallen mit der Wirklichkeit. Es muß gerade in diesem
Augenblicke manches gesagt werden, was nicht in Übereinstimmung
steht mit vielem, was in der Welt Geltung hat. So muß gesagt
werden: Es ist möglich, daß das Bekenntnis zu einer Sache
nicht mehr wahr sein kann, wenn dieses Bekenntnis ausgesprochen wird.
Ein einfaches Beispiel möchte ich angeben, aus dem Sie ersehen
können, daß die Gefahr vorliegen kann, einfach durch das
Aussprechen einer Sache unwahr zu werden. Und ich möchte,
daß das Aussprechen dieser einfachen Wahrheit in
Übereinstimmung mit den rosenkreuzerischen Prinzipien
aufgefaßt werde.
Nehmen
wir an, es drückt jemand seine Zustimmung durch die Worte aus:
"Ich schweige", so ist das etwas, was nicht wahr sein kann. Wenn
jemand sagt: "Ich schweige", und er will einen Zustand in der
Gegenwart ausdrücken, so ist das so, daß er keine Wahrheit
damit sagt. Die Möglichkeit liegt vor, durch das wörtliche
Bekenntnis einer Sache diese Sache selber zu negieren. Denn aus dem,
was hier durch das einfache Beispiel: "Ich schweige" zum Ausdruck
gebracht ist, können Sie schließen, daß es auf
Unzähliges in der Welt anwendbar ist und immer wieder vorkommen
kann. Was folgt aus einer solchen Tatsache? Es folgt, daß die
Menschen, wenn sie in irgendeiner Weise sich zusammenschließen
wollen, um dies oder jenes zu vertreten, in einer
außerordentlich schwierigen Lage sind, daß die Menschen mit
dem Teuersten, was sie überhaupt haben, sich nicht
zusammenschließen können anders, als daß die
Gründe, wegen welcher sie sich zusammenschließen, solche
sind, welche nicht der Sinnenwelt, sondern der übersinnlichen
Welt angehören. Und wenn wir verstehen, was wir in uns aufnehmen
konnten im Laufe der Zeit aus alle dem, was aus dem neueren
Okkultismus hervorgeholt ist, so werden wir einsehen, daß es
eine unbedingte Notwendigkeit ist für die nächste Zukunft
(Nachschrift Lehmann: für die nächste Zeit),
gewisse Dinge dieses Okkultismus zu vertreten, sie vor die Welt
hinzutragen. Daher muß gegenüber allen Prinzipien okkulter
Gesellschaften und deren bisher möglichen Organisationen der
Versuch gemacht werden mit etwas v ö l l i g N e u e m, mit
etwas, was ganz und gar aus dem Geiste jenes Okkultismus heraus
geboren ist, von dem in unserem Kreise oft gesprochen wurde. Dies
aber kann nicht anders getan werden als dadurch, daß einmal der
Blick gewendet werde einzig und allein auf etwas Positives, einzig
und allein auf etwas, was als eine Realität in der Welt da ist,
und was als solche Realität gepflegt werden kann.
Realitäten sind ja in unserem Sinne nur die Dinge, die in erster
Linie der übersinnlichen Welt angehören. Denn die ganze
sinnliche Welt stellt sich uns dar als Abbild der übersinnlichen
Welt. Daher wird einmal der Versuch gemacht werden, der ein solcher
ist, wie sie gemacht werden müssen aus der übersinnlichen
Welt heraus: der Versuch, eine Gemeinschaft von Menschen nicht zu
begründen, sondern zu s t i f t e n.
Ich habe schon
einmal bei anderer Gelegenheit den Unterschied von Begründung und
Stiftung hervorgehoben. Es war vor vielen Jahren. Er ist damals nicht
verstanden worden, und es hat seit jener Zeit kaum jemand über
diesen Unterschied nachgedacht. Daher sahen auch die geistigen
Mächte, welche vor Sie hingestellt werden unter dem Symbolum des
Rosenkreuzes, bisher hinweg über das Hinaustragen dieses
Unterschiedes in die Welt.
Es muß
aber neuerdings und diesmal in einer energischen Weise der Versuch gemacht
werden, ob es gelingt – auch bei einer Gemeinschaft, die nicht
begründet, sondern gestiftet wird – einen Erfolg zu
erzielen. Wird dieser Erfolg nicht erzielt, nun so ist er für
eine Weile gescheitert.
Daher soll
Ihnen in diesem Augenblicke verkündet werden, daß unter denjenigen
Menschen, die sich in der entsprechenden Weise dazu finden, gestiftet
werden soll eine Arbeitsweise, welche durch die Art und Weise der
Stiftung zum direkten Ausgangspunkt hat die Individualität, die
wir seit den abendländischen Vorzeiten mit dem Namen des
Christian Rosenkreuz belegen. Dasjenige, was heute schon darüber
gesagt werden kann, das bleibt präliminarisch. Denn was bisher
geschehen konnte, bezieht sich nur auf einen Teil dieser Stiftung,
die in einem umfassenden Sinne, wenn die Möglichkeit gegeben
wird, in die Welt treten soll. Das, was bisher geschehen konnte,
bezieht sich auf eine Abteilung dieser Stiftung: auf die
künstlerische Vertretung des rosenkreuzerischen Okkultismus.
Der
erste Punkt, den ich Ihnen mitzuteilen habe, ist der, daß unter
dem unmittelbaren Protektorat jener Individualität, die wir
bezeichnen mit dem Namen, den sie während zwei Inkarnationen
für die Außenwelt hatte, daß unter dem Protektorat
dieser Individualität Christian Rosenkreuz – als Stiftung
ins Leben treten soll eine Arbeitsweise, welche zuerst dadurch sich
charakterisieren will, daß sie für einige Zeit, für
die nächste Zeit, den provisorischen Namen tragen soll: “G
e s e l l s c h a f t f ü r t h e o s o p h i s c h e A r t u n
d K u n s t". Dieser Name ist nicht der definitive, sondern es wird
ein definitiver Name an die Stelle treten, wenn die ersten
Vorbereitungen für das Hinaustragen dieser Arbeit in die Welt
haben gemacht werden können. Dasjenige, was umfassen soll die
"theosophische Art", das ist aber noch völlig im Keimzustand,
denn es wird sich erst darum handeln, daß noch die
Vorbereitungen dazu getroffen werden, um das zum Verständnis zu
führen, was damit gemeint ist. Das aber, was unter dem Begriff
der theosophischen Kunst gefaßt werden kann, hat ja in
mannigfaltiger Weise schon einen Anfang genommen durch unsere
Versuche bei den Aufführungen in München, und vor allen
Dingen einen bedeutungsvollen Anfang durch den Versuch unserer
Stätte in Stuttgart; und ein weiterer bedeutungsvoller
Fortschritt für das Verständnis einer solchen Sache zeigt
sich an der Begründung des Johannes-Bauvereins. Es ist etwas,
das einen Anfang genommen hat. In Bezug darauf ist etwas da, dem als
in einer gewissen Weise Erprobtem die Sanktion erteilt werden darf.
Es handelt sich darum, daß innerhalb des Arbeitskreises eine
rein geistige Aufgabe erwachsen soll, eine Aufgabe, welche sich
erschöpfen wird in einer geistigen Arbeitsweise und in dem, was
resultiert aus solcher geistigen Arbeitsweise. Nun, es handelt sich
darum, daß niemand unter einem anderen Gesichtspunkte Mitglied
werden kann dieses Arbeitskreises, als allein dadurch, daß er
einigen Willen hat, für das Positive der Sache seine Kräfte
einzusetzen. Sie werden vielleicht sagen: ich spreche mannigfache
Worte, die vielleicht nicht ganz verständlich sind. Das muß
so sein bei einer solchen Sache, wie die, um welche es sich dabei
handelt, – denn die Sache muß erfaßt werden im
unmittelbaren Leben. Und dasjenige, was schon geschehen konnte innerhalb
dieser Stiftung, besteht darin, daß nach rein okkulten Gesetzen
(Nachschrift Lehmann: okkulten Grundsätzen)
ein zunächst winzig kleiner Kreis geschaffen wurde, welcher
seine Verpflichtung darin sehen wird, mitzuwirken an dem, um was es
sich dabei handelt. Ein winzig kleiner Kreis ist geschaffen. Er ist
zunächst so geschaffen, daß damit im Sinne unserer
geistigen Strömung für diese Stiftung in einer gewissen
Weise sozusagen ein Anfang gemacht werden soll, sie von mir selber
abzulösen, und ihr eine in sich selbst begründete Substanz
zu geben. Eine in sich selbst begründete Substanz!
(Nachschrift Lehmann: einen in sich selbst
begründeten Bestand)
So daß also
zunächst dieser kleine Kreis mit d e r Sanktion vor Sie
hintritt, daß er als solcher seine Aufgabe empfangen hat
vermöge seiner eigenen Anerkennung unserer geistigen
Strömung, um dadurch in der Art, wie er es angemessen hält,
in geistiger Weise das Prinzip der Souveränität der
geistigen Bestrebungen und der Selbständigkeit alles geistigen
Strebens, die eine unbedingte Notwendigkeit für die Zukunft
sind, in die Menschheit hineintragen zu können. Daher werde ich
selbst innerhalb der Stiftung, um die es sich handelt, nur zu gelten
haben als der Interpret der Grundsätze, die als solche nur in
der geistigen Welt allein vorhanden sind, – als Interpret
desjenigen, was auf diese Weise zu sagen ist über die
Intentionen, die der Sache zugrunde liegen. Deshalb wird
zunächst ein Kurator hingestellt für die äußere
Pflege dieser Stiftung. Und da mit den Ämtern, die kreiert
werden, nichts anderes verbunden ist als Pflichten, keine Ehren,
keine Würden, so ist es unmöglich, daß bei einem
richtigen Verständnis der Sache irgendwelche Rivalitäten
oder andere Mißverständnisse sogleich auftreten.
Es wird
sich darum handeln, daß zunächst von der Stiftung selber
Fräulein von Sivers als Kurator anerkannt wird. Diese
Anerkennung ist keine andere als die, welche aus der Stiftung selbst
heraus interpretiert wird; es gibt keine Ernennungen, sondern nur I n
t e r p r e t i e r u n g e n. Es wird in der nächsten Zeit ihre
Aufgabe sein, dasjenige zu tun, was getan werden kann im Sinne dieser
Stiftung, um für dieselbe einen entsprechenden Kreis von
Mitgliedern zu sammeln, – nicht im äußerlichen Sinne,
sondern nur so, daß sie herankommen lassen wird an sich
diejenigen, welche den ernstlichen Willen haben,in dieser
Arbeitsweise mitzutun. Im weiteren Sinne werden kreiert innerhalb
dieses einen Zweiges unserer Stiftung eine Anzahl von Nebenzweigen.
Und zu führenden Persönlichkeiten dieser Nebenzweige
– insofern dieselben bisher bestehen – werden wiederum
einzelne innerhalb unserer geistigen Bewegung erprobte
Persönlichkeiten mit den entsprechenden zugehörigen
Verpflichtungen hingestellt. Auch das ist zunächst eine
Interpretierung, in der Weise, daß übertragen wird das Amt
der Führung eines solchen einzelnen Nebenzweiges einer
Persönlichkeit. Interpretiert werden für diese einzelnen
Nebenzweige je ein Archidiakon. Wir werden haben einen Nebenzweig
für a l l g e m e i n e K u n s t; Archidiakon würde sein
– und zwar geschah das in ausdrücklicher Anerkennung
dessen, was die Persönlichkeit im Laufe der letzten Jahre
für diese Kunst getan hat: Fräulein von Eckhardtstein.
Weiter wird publiziert für L i t e r a t u r: provisorisch der
Kurator Fräulein von Sivers. Weiter wird publiziert für A r
c h i t e k t u r: Herr Dr. Felix Peipers; für M u s i k: Herr
Adolf Arenson; für M a l e r e i: Herr Hermann Linde. Es ist die
Arbeit, um die es sich da handeln soll, eine im wesentlichen innere.
Es wird das vor die Welt treten sollen, was im einzelnen absolut in
Freiheit gehaltene Arbeit dieser Persönlichkeiten ist. Es wird
notwendig sein, daß in einer gewissen Weise ein
Zusammenschluß derjenigen, die zu dieser Arbeitsweise
gehören, erfolgen kann; dieser Zusammenschluß wird erfolgen
müssen in einer ganz anderen Weise als das bei gewöhnlichen
Organisationen der Fall ist. Wir werden haben müssen einen Bewahrer
(Nachschrift Lehmann: Überwacher)
dieses Zusammenschlusses. Die Stelle des Konservators, die als Amt
zunächst übertragen wird Fräulein Sophie Stinde, wird
in Verbindung stehen mit diesem Zusammenschluß selber. Die Art,
wie sich die Persönlichkeiten zusammenfinden, – das alles
erfordert Arbeit in der nächsten Zeit. Damit aber die Art des
Zusammenschlusses, mit anderen Worten das Prinzip der Organisation,
wird erfolgen können, haben wir notwendig einen
Siegel-Konservator: Fräulein Sprengel, während
Sekretär sein wird: Dr. Carl Unger.
Das ist
zunächst der kleine, winzige Kreis, um den es sich handelt. Betrachten
Sie ihn nicht als irgend etwas, was unbescheiden in die Welt treten will
und sagt: da bin ich nun; sondern betrachten Sie ihn als etwas, was
nichts anderes sein will als ein Keim, um den herum sich die Sache
selbst gliedern kann. Sie wird sich zunächst so gliedern,
daß bis zum kommenden Dreikönigstage eine Anzahl von
Mitgliedern dieser Gemeinschaft interpretiert sein werden; das
heißt, es werden bis dahin eine Anzahl von Mitgliedern die
Verständigung bekommen haben, daß sie zunächst gebeten
werden, ihren Anschluß besorgen zu wollen. So daß für
die erste Zeit die aller weitestgehende Freiheit in dieser Richtung
gesichert werden muß, indem der Wille, Mitglied zu werden, von
niemand anderem ausgehen kann als von dem Betreffenden selbst, der
Mitglied werden will. Und die Tatsache, daß er Mitglied ist,
wird dadurch herbeigeführt, daß er zunächst als
solches Mitglied anerkannt wird. Das bezieht sich nur auf das
Allernächste, nur für die Zeit bis zum nächsten
Dreikönigstag, dem 6. Januar 1912.
So also haben
wir in dieser Sache etwas vor uns, was ja durch seine Eigenart eben sich
schon verrät als etwas, was aus der geistigen Welt heraus fließt.
Es wird weiter sich dadurch als aus der geistigen Welt fließend
darstellen, daß die Mitgliedschaft lediglich immerzu nur beruhen
wird auf der Vertretung geistiger Interessen und auf der Anerkennung
geistiger Interessen – bei Ausschließung alles, alles
Persönlichen.
Es besteht hier
eine Abweichung von älteren okkulten Grundsätzen, die bei dieser
Verkündigung gemacht wird, und diese Abweichung besteht gerade
in der Tatsache dieser Verkündigung. Daher wird kein Gebrauch
gemacht werden von jener Behauptung, die etwa läge bei einem
Menschen, der sagt, indem er dies auf den gegenwärtigen Moment
bezieht: Ich schweige. Die Sache wird ja verkündet; und im
Vollbewußtsein, daß sie verkündet wird, soll dies
geschehen. Aber in dem Augenblick wo jemand zeigt, daß er in
irgendeiner Weise kein Verständnis hat für diese heutige
Verkündigung, wird ihm selbstverständlich durchaus nicht in
irgendeiner Weise nahegelegt werden können, einer solchen
Arbeitsweise anzugehören. Denn es kann nichts anderes geben als
den absolut freien Willen, einer solchen Arbeitsweise
anzugehören. Sie werden aber sehen, daß, wenn so etwas
zustande kommen sollte –, wenn also unsere Zeit durch ihre
Eigentümlichkeit schon zuläßt, daß so etwas
zustande kommt –, daß dann wirklich im Sinne der
Anerkenntnis des geistigen Grundsatzes gearbeitet werden kann,
– des Grundsatzes, daß nicht nur aller Natur und aller
Geschichte, sondern allem in die Welt tretenden Tun, auch allem
menschlichen Tun, die geistige, übersinnliche Welt zugrunde
liegt.
Sie werden
sehen, daß es für jeden unmöglich ist, einer solchen
Gemeinschaft anzugehören, wenn er nicht wirklich mit ihr einverstanden
ist. Wenn Sie meinen, es sei etwas Merkwürdiges, was da gesagt worden
ist, dann bitte ich, nehmen Sie es so: daß es mit vollem
Bewußtsein geschehen ist; daß eingehalten wird dabei alles,
was zu den Gesetzen, zu den ewigen Gesetzen des Daseins gehört.
Und dazu gehört auch, daß man die Prinzipien des W e r d e
n s in Betracht zieht. Man kann schon in diesem Augenblicke gegen den
Geist dessen, was da geschehen soll, sündigen, wenn man in die
Außenwelt hinaus geht und sagt: da ist dies oder jenes
gegründet worden. Nicht nur, daß überhaupt nichts
gegründet worden ist, sondern es liegt die Tatsache vor,
daß eine Definition zu geben dessen, was getan werden soll, in
keiner Stunde möglich sein wird, – denn alles soll in
fortwährendem Werden sein. Und was durch das, was heute gesagt
worden ist, geschehen soll, das kann man jetzt nicht beschreiben,
davon kann man keine Schilderung geben. Es beruht das, was geschehen
soll, nicht auf Worten, sondern auf Menschen, und nicht einmal auf
Menschen, sondern auf dem, was diese Menschen tun werden. Es wird in
einem lebendigen Flusse, einem lebendigen Werden sein, und alles, was
man darüber sagen wird, wird in dem Moment unwahr sein. So wird
denn auch heute als Grundsatz nichts anderes aufgestellt als der
erste Grundsatz, der darin besteht: A n e r k e n n u n g d e r g e i
s t i g e n W e l t a 1 s d e r G r u n d w i r k l i c h k e i t.
Alle weiteren Grundsätze sollen im Werden der Sache erst
geschaffen werden. Wie ein Baum im nächsten Augenblick nicht
mehr das ist, was er war, sondern Neues angesetzt hat, so soll diese
Sache wie ein lebendiger Baum sein. Niemals darf das, was diese Sache
werden soll, durch das, was sie ist, in irgendeiner Weise
beeinträchtigt werden. Wenn also irgend jemand das, was damit
als ein Anfang bezeichnet worden ist, als diese oder jene
Begründung draußen in der Welt definieren wollte, dann
würde er unmittelbar unterliegen der gleichen Unwahrheit, die
jemand ausdrückt, wenn er sagt: Ich schweige. Wer zunächst
in einer Weise diese oder jene Worte gebraucht, um die Sache zu
charakterisieren, der sagt unter allen Umständen etwas nicht
richtiges. So daß also zunächst es lediglich darauf ankommt
– denn es wird alles im Werden sein, – daB die
Persönlichkeiten sich zusammenfinden, die so etwas wollen.
Lediglich darauf kommt es an, daß die Persönlichkeiten sich
zusammenfinden, die so etwas wollen. Dann wird die Sache schon
weitergehen! Aus alle dem, was gesagt worden ist, können Sie
entnehmen, daß die Sache schon weitergehen wird. Sie wird sich
im tiefsten Prinzip unterscheiden auch von dem, was Theosophische
Gesellschaft ist. Denn kein einziges der Merkmale, die heute
ausgesprochen sind, können für die Theosophische
Gesellschaft gelten.
Ich
mußte über diese Sache sprechen aus dem einfachen Grunde,
weil ja auch vor die Öffentlichkeit unserer Theosophischen
Gesellschaft die Dinge getreten sind, welche mit dieser Stiftung in
einem organisatorischen Zusammanhange stehen. Weil durch diese
Stiftung – im Sinne von Intentionen, die inhaltlich nicht in der
physischen Welt liegen und nichts mit Ahriman zu tun haben –
ein geistiges ideelles Gegengewicht
(Nachschrift Lehmann: Gegenbild)
geschaffen werden muß gegenüber alle dem, was mit einer
Gründung in der äußeren Welt verbunden ist. Lediglich
in d e r Beziehung kann ein Zusammenhang gesehen werden mit dem, was
schon da ist, daß dieser Zweig unserer Stiftung, der Zweig für
theosophische Kunst, etwas leisten soll, was ein Gegengewicht ist
für das, was auf dem physischen Plan mit Ahrimanischem
verknüpft ist. Das wird gehofft, daß ein vorzügliches
Vorbild geschaffen wird durch das Vorhandensein dieses Zweiges
unserer Stiftung. Und der andere Zweig wird in entsprechender Weise
seine Dienste tun.
Aus
spirituellen Welten muß hereinfließen in unsere Kultur, was
als Kunst in der Bewegung für Geisteswissenschaft figurieren
soll. Es muß so sein, daß überall das spirituelle
Leben als Grundlage dessen, was wir tun, ganz dasteht. Es wird
unmöglich sein zu konfundieren, zu verwechseln mit dieser ideell
spirituellen Bewegung irgendeine andere, die sich auch als
"Theosophische Bewegung" bezeichnet und mittun wollen wird.
(Rudolf Steiner durfte sich hier auf die schweren
Differenzen beziehen, die zur Zeit der Ansprache, Ende 1911,
aufgetreten waren, weil Rudolf Steiner sich weigerte, Mitglieder
des von Annie Besant gegründeten Ordens "Der Stern des Ostens"
zu den Veranstaltungen der von ihm geleiteten deutschen Sektion
zuzulassen.)
Überall, wo wir stehen, ist das spirituelle Moment unser Boden.
Dieses wurde versucht bei den Festspielen in München, beim Bau
in Stuttgart – in den Grenzen zunächst, in denen es
möglich war, aber es wurde überall so versucht, daß
das spirituelle Moment das Maßgebende war, die conditio sine qua
non. Dasjenige, was eben die Bedingung ist, unter welcher die Sache
nicht geschehen soll, war
(... Lücke in allen drei Nachschriften).
Diejenigen, welche schon ein wenig eingedrungen sind
in das, um was es sich handelt, werden mich in dieser Beziehung
verstehen. Diese Worte sind gesagt weniger wegen des Inhaltes, als
wegen der Richtlinien, die gegeben werden sollten.“
-----
Als nach Ablauf
des Jahres und dem nächsten Dreikönigstage keine weiteren
Nominationen bekannt gegeben wurden, erging von Seiten eines Zuhörers
die Anfrage an Dr. Steiner, wann dies geschehen würde. Er erwiderte:
daß dieses nicht geschehen sei, wäre auch eine Antwort.
Das Jahr
1912/13 war überlastet von den Auseinandersetzungen mit Annie Besant,
ihrer Verkündigung des neuen Messias und ihrem nun auch in Deutschland
sich betätigenden "Stern des Ostens". Durch die Anhänger
der von Rudolf Steiner inaugurierten abendländischen geistigen
Bewegung wurde von der Präsidentin eine präzise
Stellungnahme bei den stattfindenden Auseinandersetzungen,
gemäß der in München und Budapest getroffenen
Abmachungen, gefordert, statt ihres Ausweichens, ihres Versteckspiels
und Hinterdem – Rücken-Handelns. Träger dieser
Forderung wurde der um 1912 mit Mitgliedern aus vielen Ländern
gegründete "Bund", dem 1913 die Begründung der
Anthroposophischen Gesellschaft folgte, nachdem der Ausschluß
der deutschen Sektion durch die Präsidentin der Theosophischen
Gesellschaft vollzogen war.
Inzwischen war
durch die Nominierung des intimen Kreises auf manchen Gebieten weiter
gearbeitet worden: Im Johannesbau-Verein, in der Fertigstellung des
Stuttgarter Gesellschafts-Hauses, in den sogenannten Kunst- und
Volkszimmern Münchens und Berlins, einer von Fräulein
Sophie Stinde ausgegangenen Initiative. Die geistig hervorragendste
Publikation war die des Seelenkalenders, entstanden aufgrund einer
Zusammenarbeit Dr. Steiners mit Fräulein von Eckardtstein; die
wunderbar durchsichtigen Nuancen der Sprache lassen hier wirklich
Geist und Seele ineinander fließen und mit der Natur eins
werden. Manches andere suchte eine ruhige Entfaltung in die Zukunft
hinein. Doch es kam der Weltkrieg und die damit verbundenen
Erschütterungen, die tief hineingriffen in die äußeren
Lebensumstände und die gegenseitigen Beziehungen der zu den
verschiedensten Nationen gehörenden Mitglieder in Dornach. Man
versuchte, das Wogen des Blutes nach Kräften zu überwinden,
aber hin und wieder gab es Erschütterungen und Entgleisungen.
Die für
Dornach aufregendste Krise war die des Sommers 1915. Es trat ein Dr.
Gösch in den Vordergrund, ein typischer Pathologe und Vertreter
der Psychoanalyse. Er redete sich ein, daß ihm der
Siegelbewahrer die Augen geöffnet habe über Versprechungen,
die Dr. Steiner gäbe und nicht halte. Dies legte er nach
psychoanalytischer Methode in einer Broschüre dar. Zugleich
schrieb er Dr. Steiner einen Brief, in dem er seine Theorien auf
Grund der ihm vom Siegelbewahrer gemachten "Enthüllungen“
entwickelte. Der Siegelbewahrer hätte die ihr mit diesem Namen
zugewiesene Aufgabe nicht anders verstehen können als in einem
sehr persönlichen Sinn. Sie fühlte sich als die
Inspiratorin des von Dr. Steiner der Menschheit gegebenen geistigen
Lehrgutes. Da sie außerdem in München die Rolle der
Theodora in den Mysterien-Dramen Rudolf Steiners gespielt hatte, zog
sie daraus als Konsequenz den Beweis eines symbolisch gegebenen
Ehe-Versprechens, auf dessen Erfüllung sie "sieben Jahre"
gewartet habe. Ihre vielen, um diesen Punkt sich drehenden,
anklagenden Briefe gaben dem Dr. Gösch Gelegenheit, eine
psychoanalytische Abhandlung im Freud'schen Sinne zur
Beleuchtung ihres Falles zusammenzustellen. Ihm selbst war ja
längere Zeit wegen seines krankhaft nervösen Zustandes die
Freud'sche Behandlung zuteil geworden und hatte sein Wesen tief
infiziert. Sein offener Anklagebrief gab nun die Veranlassung zu
zahlreichen, innerhalb der Gesellschaft streng und genau
durchgeführten Verhandlungen, durch welche die Mitgliedschaft
sich Klarheit über diesen Fall verschaffen sollte. Nachschriften
darüber sind vorhanden und gaben auch die Grundlage für das
als Sondernummer der Zeitschrift "Anthroposophie" in Stuttgart
herausgegebene Buch: "Anthroposophie und Psychoanalyse". Hier sei nur
das erwähnt, was sich bezieht auf den Fall Sprengel –
alias Proserpina – alias Theodora – alias Siegelbewahrer,
und sich bei ihr in so mystisch-persönlicher Weise als
Größenwahn darlebte. Freilich hatten sich bei ihr noch vor
dem Kriege Symptome der Selbst – Überheblichkeit schon
geltend gemacht. An diesem unglücklichen Größenwahn
scheiterte die Möglichkeit der weiteren Nominierungen in den aus
acht Persönlichkeiten bestehenden Kreis. Der eine Stein war
herausgefallen durch egoistische Selbstüberhebung und dem
Hineingeraten ins Mystisch – Abwegige. Der Siegelbewahrer
sprengte das Siegel im allergewöhnlichsten menschlichen Sinne.
Die Notwendigkeit des Heranziehens der Frau als aktive Mitarbeiterin
an den Kulturaufgaben der Zukunft ist unabweislich und wird erreicht
werden müssen trotz des Scheiterns dieser Bemühungen in
einzelnen Fällen. – So erging es uns mit dem
Siegelbewahrer.
Über
diesen Fall drückt sich Dr. Steiner bei einer Ansprache wahrend
der sogenannten Krise des Jahres 1915 in folgender Weise aus:
"Es ist
einmal zur Herbstes-zeit verkündigt worden, daß, weil
gewisse unmögliche Symptome in unserer Gesellschaft sich
zeigten, es notwendig geworden sei, eine gewisse engere Gesellschaft
noch zu begründen, wobei ich zunächst versucht habe, einer
Anzahl von nahestehenden und in der Gesellschaft längere Zeit
lebenden Persönlichkeiten gewisse Titel zuzuschreiben, indem ich
von ihnen voraussetzte, daß sie im Sinne dieser Titel
selbständig wirken würden. Ich habe dazumal gesagt: wenn
etwas geschehen soll, so werden die Mitglieder bis zum
Dreikönigstage etwas hören. Es hat keines etwas zu
hören bekommen, und es geht daraus hervor, daß die
Gesellschaft für theosophische Art und Kunst überhaupt
nicht besteht. Das ist eigentlich selbstverständlich, da
niemandem eine Mitteilung gemacht worden ist. Wie es
selbstverständlich ist, daß die Mitteilung ergangen
wäre, wenn die Sache realisiert worden wäre. Die Art und
Weise, wie die Sache in einem bestimmten Falle aufgefaßt worden
ist, machte sie unmöglich. Es war ein Versuch."
(Vortrag vom 21. August 1915 in Dornach
(ungedruckt))
Der Kreis der
Nominierten, als innere esoterische Angelegenheit, war zersprengt;
draußen tobte der Weltkrieg; in Dornach ging die praktische Arbeit
trotz der äußeren Umstände nicht weniger intensiv weiter.
Durch die Abberufung so vieler Künstler und Helfer an die Fronten fiel
in starkem Maße die Last der Arbeit auf die Frauen. Nur wenige
Männer hatten zurückbleiben können, darunter Hermann
Linde. Die Frauen aber standen ihren Mann. Vom frühen Morgen an
erklang das Hämmern und Meißeln im Bau aus Edelholz, der
aus dem Beton-Unterbau herauswuchs, empor zu den sich
wölbenden Kuppeln. Den Außen – und Innenwänden
entwuchsen die organisch bewegten Formen, durchwärmt und
durchwellt von der sie durchfurchenden Menschenhand. Im Innenraum
erhoben sich die Säulen mit ihren Sockeln und Kapitälen,
ihren Architraven, an deren Abschluß sich die beiden Kuppeln
ineinanderfügten, so die Symbolik des seelischen Erlebens von
der des kosmischen zugleich trennend und verbindend.
Um
Hermann Linde herum gruppierten sich die Maler und deren Helfer. Dr.
Steiner hatte die Motive für die Bemalung der Kuppeln entworfen,
deren Abbildungen uns erhalten sind in den Reproduktionen von Alinari
(Die Entwürfe Rudolf Steiners zur großen
Kuppel im ersten Goetheanum (Kunstmappe, ausgeführt durch Alinari,
Florenz)).
Mit Fleiß und Eifer wurden neue
Grundierungsmöglichkeiten durchgeprobt, durch welche die Wirkung
der Pflanzenfarben sich zu strahlender Leuchtkraft entfalten konnte;
eifrig wurden von einer Gruppe von Helfern die Pflanzen gerieben, aus
denen die neuen Farben für die Kuppelbemalung entstehen sollten.
Die für die wöchentlichen Eurythmie –
Vorführungen entworfenen Programme gaben Gelegenheit,
persönliche Phantasie zu entwickeln und sich zu schulen an den
von Dr. Steiner zu diesem Zweck entworfenen Vorlagen.
In
Deutschland hatte das Arbeitsgebiet, welches dem den Kreis
sprengenden Siegelbewahrer zugewiesen war, sehr bald einen mehr als
vollgültigen Ersatz gefunden in der Person des Fräulein
Berta Meyer. Sie konnte in den Monaten, die wir während der
Kriegsjahre in Deutschland zubrachten, des öfteren aus Bremen
nach Berlin kommen, um sich in der von ihr technisch beherrschten
Kleinodienkunst durch die Ratschläge Dr. Steiners zu
vervollkommnen. Eine glückliche Gelegenheit zu neuen Anregungen
gab die reichhaltige Edelsteinsammlung eines aus dem Orient
zurückgekehrten Mitglieds. Es wurden daraus Steine gewählt,
deren Leuchtkraft und innere Substanz besonders hervorgehoben werden
sollte durch eine ihrem Wesen und Material entsprechende Fassung. Es
war ein eigentümliches Erleben, die Hand durch deren Fülle
gleiten zu lassen und durch das kühle Rieseln der Steine das
Eindringen ihrer Kräfte in den eigenen Ätherleib zu
erfühlen. Dieser Griff in die Kühle des Steinreichs und die
fast aufregend wirkende Glut des im Feuer schmelzenden Metalls,
besonders des Goldes, brachten das Elementare der Naturkräfte
eindringlich zum Bewußtsein. – Die von Dr. Steiner
für die Mysterienspiele gezeichneten Siegel ergaben die
Grundlage für das geistige Studium dieser prädestinierten
Siegelbewahrerin, die uns so viele vorbildliche Werke ihrer Kunst
hinterlassen hat
("Kleinodienkunst. Die Dramensiegel." Nach Hinweisen und
Entwürfen von Rudolf Steiner mitgeteilt und ausgearbeitet durch
Berta Meyer-Jacobs).
Der Tod hat sie uns entrissen in dem Moment, da in Dornach eine Stätte
für ihr Wirken, eine Kleinodienschule, hätte eingerichtet werden
können. – An diesen Siegeln erprobten sich auch die
Formkräfte der von den ätherischen Impulsen getragenen und
bewegten Eurythmie und der in Verbindung mit ihr neue Wege suchenden
musikalischen Kunst, die nun über das innere Erleben des Dur und
Moll hinaus, über die Quint hinüber, im Ton die
Ursprungskräfte erhaschen wollte, denen sie ihr Dasein verdankt,
so den Weg abtastend zum verlorenen Worte hin.
Der von
Dr. Steiner geschaffene neue architektonische Stil, der die Bewegung
des Pflanzenwesens in sich aufgenommen hatte, und sich nicht von der
Außenwelt abschloß, sondern sich ihr weit öffnete,
mußte diesem Prinzip auch in der Behandlung seiner Glasfenster
treu bleiben
("Die Goetheanum-Fenster-Motive Rudolf Steiners", Assja
Turgenieff).
Farbenfluten mußten in den Raum hineinströmen; ihr nach dem
Regenbogen hin differenzierter, aber jeweilig einheitlich gehaltener
Grundton brachte das Schweben und Weben der sich durchkreuzenden
Lichtfärbungen in den Raum hinein. Die Zartheit der Nuancen
wurde noch intensiviert durch die verschiedene Dichtigkeit des
Glases, die sich während des Schleifens und Radierens der Motive
in das Glasmaterial ergab; ihr geistiger Inhalt bezog sich auf den
Einweihungsweg des Menschen bis in die Zukunft hinein. Während
die Motive der großen und kleinen Kuppel den makrokosmischen und
mikrokosmischen Entwicklungsweg der Menschheit bis zu seiner
Icherfüllung hin verfolgten.
Die
Kunst des Schwarz-Weiß in einer von Dr. Steiner neu angegebenen
Strichführung entwickelte sich neben der des Eindringens in die
Welt der schöpferischen Farben
("Die schöpferische Kraft der Farbe", Hilde
Boos-Hamburger.).
Und alle diese, aus den verschiedensten Elementen sich ergebenden
künstlerischen Möglichkeiten, lebten auf in der Kunst des
gesprochenen Wortes, der Sprachgestaltung, welche die Ursprungskräfte
des verlorengegangenen "Wortes" erahnen und bis zu einem gewissen Grade
ergreifen ließ. Durch das Geringe, was dabei in strenger Arbeit
erreicht worden ist, konnte etwas von dem erfüllt werden, was
Dr. Steiner als Aufgabe der von ihm inaugurierten geistigen Bewegung
bezeichnet hatte: die um Goethe und Schiller sich rankende vergessene
Geistesströmung neu lebendig in die Kultur wieder
einfließen zu lassen.
In der
Fülle der von ihm empfangenen Impulse haben wir gelebt. Er selbst
ist uns 1925 durch den Tod entrissen worden. Mit dem Tode hat er den
unermeßlichen Reichtum seiner Gaben bezahlen müssen. Von
seiner anfeuernden geistigen Kraft sind wir belebt und getragen
worden. Durch Leid und Prüfung, durch Betäubung und
moralische Abdunklung hindurch müssen wir nun die Wege zur
inneren Freiheit und Selbständigkeit suchen, für die er ein
Verständnis in uns hat erwecken wollen. Möge es uns
vergönnt sein, sie zu finden.
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