ERSTER VORTRAG
Kristiania, 7. Juni 1910
Es gereicht
mir zu großer Befriedigung, nun schon das dritte Mal in etwas
längeren Ausführungen zu unsern Freunden hier in Norwegen
sprechen zu können, und ich möchte auf die lieben Worte
unseres lieben Freundes Eriksen nur ganz kurz sagen, daß die
Worte herzlicher Begrüßung, die er soeben
ausgesprochen hat, ebenso herzlich und aus ebenso tiefen Grinden der
Seele heraus, wie sie gesprochen worden sind, von mir erwidert
werden.
Ich hoffe,
daß auch dieser Vortragszyklus, den ich nunmehr vor Ihnen beginnen
möchte, einiges beitragen kann zu der Erkenntnis von dem, was
wir das Gesamtbild unserer Weltanschauung nennen. Ich möchte
gerade bei diesem Vortragszyklus darauf aufmerksam machen, daß
er ja in seinem Verlaufe mancherlei enthalten muß, was sozusagen
zu den einschneidendsten Wahrheiten unserer Weltanschauung
gehört, daß er einiges von dem wird enthalten müssen,
was eigentlich dem gegenwärtigen menschlichen Denken noch
ziemlich fern liegt. Daher bitte ich vor allen Dingen diejenigen der
verehrten Freunde, welche sich mit den weitergehenden Fragen der
geisteswissenschaftlichen Weltanschauung weniger befaßt
haben, darauf Rücksicht zu nehmen, daß wir ja nicht
vorwärts kommen würden auf unserm Felde, wenn wir nicht von
Zeit zu Zeit immer wieder einen kräftigen Ruck, einen
kräftigen Sprung in diejenigen Partien geistiger Erkenntnis tun
würden, welche gerade dem gegenwärtigen menschlichen
Denken, Fühlen und Empfinden eigentlich ziemlich fern
liegen.
Von diesem
Gesichtspunkte aus wird manchmal den Ausführungen gegenüber
ein gewisser guter Wille notwendig sein; denn um alles das
herbeizutragen, was herbeigetragen werden müßte an Belegen
und Beweisen für dasjenige, was in den nächsten Tagen
von dieser Stelle aus gesprochen werden wird, dazu gehört eine
viel längere Zeit. Wir würden nicht vorwärts
kommen, wenn nicht gerade diesen Ausführungen gegenüber
sozusagen etwas appelliert würde an den guten Willen, an das
Entgegenkommen spirituellen Verständnisses. Es ist in der Tat
das Gebiet, welches wir hiermit berühren, ein solches, das so
ziemlich bis in unsere Zeiten hinein gerade von Okkultisten, gerade
von Mystikern und Theosophen gemieden worden ist, und zwar gemieden
worden ist aus dem Grunde, weil ein höherer Grad von
Vorurteilslosigkeit notwendig ist, um die Dinge, die zu sagen
sind, gewissermaßen ohne Widerstreben, das manchmal auftauchen
könnte, entgegenzunehmen.
Wie das gemeint
ist, wird Ihnen vielleicht am verständlichsten werden, wenn Sie
sich erinnern, daß man in einem gewissen Grad mystischer
oder okkulter Entwickelung ein heimatloser Mensch genannt wird. Es
ist dies geradezu ein technischer Ausdruck, «heimatloser
Mensch,» und wenn wir ohne Umschweife — da wir nicht
über den Pfad der Erkenntnis sprechen — charakterisieren
wollen, was mit dem Worte «heimatloser Mensch» gemeint ist,
so können wir kurz sagen, daß derjenige ein heimatloser
Mensch genannt wird, der in seiner Erkenntnis, seiner
Auffassung der großen Menschheitsgesetze in Wahrheit
unbeeinflußbar ist von alledem, was sonst im Menschen aufsteigt
aus dem Ort, an dem er in Gemäßheit seines Volkstums lebt.
Ein heimatloser Mensch, können wir auch sagen, ist
derjenige, welcher die große Mission der Gesamtmenschheit in
sich aufzunehmen vermag, ohne daß sich die Nuancen der besondern
Gefühle und Empfindungen einmischen, die aus diesem oder
jenem Heimatboden herauswachsen. Sie sehen daraus, daß zu einem
gewissen Reifegrad mystischer oder okkulter Entwickelung ein
freier Gesichtspunkt gerade gegenüber demjenigen
gehört, was wir mit Recht sonst als etwas Großes
betrachten, was wir anderseits dem einzelnen Menschenleben
gegenüber als die Mission der einzelnen Volksgeister, als
dasjenige bezeichnen, was aus dem Untergrunde eines Volksbodens, aus
dem Geiste der Völker heraus die einzelnen konkreten
Beiträge zu der gesamten Mission der Menschheit
liefert.
Schildern wollen
wir also sozusagen das Große dessen, wovon der heimatlose Mensch in
gewisser Beziehung frei werden muß. Nun haben die heimatlosen
Menschen aller Zeiten, von den Urzeiten angefangen bis in unsere Tage
hinein, immer gewußt, daß, wenn sie sozusagen in vollem
Umfange charakterisieren würden dasjenige, was man als den
Charakter der Heimatlosigkeit bezeichnet, sie dann wenig, sehr wenig
Verständnis finden würden. Es würde zunächst
einmal das Vorurteil diesen heimatlosen Menschen entgegengebracht
werden, das sich in dem Vorwurfe ausdrücken würde: Ihr habt
ja allen Zusammenhang mit dem Mutterboden des Volkstums verloren; ihr
habt ja kein Verständnis für das, was den Menschen sonst
das Teuerste ist. — Nun ist es aber nicht so. Heimatlosigkeit
ist in gewisser Beziehung doch im Grunde genommen — oder
kann es wenigstens sein — ein Umweg, um, nachdem diese heilige
Stätte, diese Heimatlosigkeit erreicht ist, wieder den
Rückweg zu finden zu den Volkssubstanzen, den Einklang zu finden
mit dem Bodenständigen in der Menschheitsentwickelung. Wenn
darauf von vornherein aufmerksam gemacht werden muß, so ist es
auf der andern Seite doch nicht unbegründet, daß gerade in
unserer Zeit in unbefangenster Weise auch einmal über
dasjenige gesprochen wird, was wir die Mission der einzelnen
Volksseelen der Menschheit nennen. Ebenso, wie es begründet ist,
daß bisher sozusagen bis zu einem gewissen Grade von dieser
Mission ganz geschwiegen wurde, ebenso begründet ist es, in
unserer Gegenwart damit zu beginnen, von dieser Mission zu reden.
Es ist aus dem Grunde von einer ganz besonderen Wichtigkeit,
weil die nächsten Schicksale der Menschheit in einem viel höheren
Grade als das bisher der Fall war, die Menschen zu einer gemeinsamen
Menschheitsmission zusammenführen werden. Zu dieser
gemeinsamen Mission werden aber die einzelnen
Volksangehörigen nur dann ihren entsprechenden freien,
konkreten Beitrag liefern können, wenn sie vor allen Dingen ein
Verständnis haben für ihr Volkstum, ein Verständnis
für dasjenige, was man nennen könnte «Selbsterkenntnis
des Volkstums.» Wenn im alten Griechenland in den apollinischen
Mysterien der Satz: «Erkenne dich selbst» eine große
Rolle gespielt hat, so wird in einer nicht zu fernen Zukunft der
Ausspruch an die Volksseelen gerichtet werden: «Erkennet euch
selbst als Volksseelen.» Dieser Spruch wird eine gewisse
Bedeutung haben für das Zukunftswirken der
Menschheit.
Nun wird es
unserer Zeit schon ganz besonders schwer, Wesenheiten anzuerkennen, welche
für die äußere sinnliche Wahrnehmung, für die
äußere materielle Erkenntnis sozusagen gar nicht da sind.
Es wird ja vielleicht nicht so schwierig sein für unsere
Gegenwart, anzuerkennen, daß der Mensch, so wie er in der Welt
vor uns steht, gewisse Glieder, gewisse Teile seiner Wesenheit hat,
die übersinnlich, unsichtbar sind. Es wird sich vielleicht der
gegenwärtige materialistische Sinn der Menschheit noch leichter
zu dieser Anschauung führen lassen, daß Wesenheiten, die
man wenigstens nach ihrer Außenseite hin physisch sehen kann,
wie die Menschen, auch einen übersinnlichen, unsichtbaren Teil
haben. Aber eine starke Zumutung ist es für unsere Gegenwart,
wenn man zu ihr sprechen soll von Wesenheiten, die eigentlich nach
gewöhnlicher Anschauung gar nicht da sind. Denn was ist es
eigentlich, was man heute da oder dort Volksseele, Volksgeist nennt?
Es ist höchstens das, was man gelten läßt als eine
Eigenschaft, als eine gemeinschaftliche Eigenschaft von so und so
vielen hundert Menschen oder Millionen von Menschen, die auf einem
gewissen Boden zusammengedrängt sind. Daß irgend etwas, was
da lebt außer den vielen Millionen Menschen, die auf dem Boden
zusammengedrängt sind, daß irgend etwas Reales, das sich
decken würde mit dem Begriff Volksgeist, diesem Begriffe
zugrunde liegt, das ist schwer für ein Bewußtsein unserer
gegenwärtigen Zeit klar zu machen. Wenn man fragen würde
— sagen wir jetzt, um etwas ganz Neutrales zu haben —:
Was versteht der gegenwärtige Mensch unter dem schweizerischen
Volksgeist? — da würde er in abstrakten Ausdrücken
einige Eigenschaften beschreiben, welche diejenigen Menschen haben,
welche das schweizerische Gebiet der Alpen und des Jura bewohnen, und
wird sich klar darüber sein, daß dem nicht etwas
entspricht, was man mit äußeren Erkenntniskräften, mit
Augen oder sonstigen Wahrnehmungsorganen erkennen könnte.
Das muß das erste sein, daß man in offener und ehrlicher
Weise sich den Gedanken bilden kann, daß es Wesenheiten gibt,
die sich ohne weiteres eigentlich nicht sinnlich
äußern, dem gewöhnlichen materiellen
Wahrnehmungsvermögen sich nicht darbieten, daß es sozusagen
zwischen den Wesen, die sinnlich wahrnehmbar sind, andere unsichtbar
wirkende Wesenheiten gibt, die hereinwirken in sichtbare Wesenheiten,
wie die menschliche Wesenheit in die menschlichen Hände oder
menschlichen Finger, daß man also sprechen kann von dem
schweizerischen Volksgeist wie von dem Geiste eines Menschen, und
daß man diesen Geist des Menschen ebenso genau von dem
unterscheiden kann, was man in den zehn Fingern vor sich hat, wie man
den schweizerischen Volksgeist unterscheiden kann von den Millionen
von Menschen, die in den Bergen der Schweiz leben. Er ist noch etwas
anderes, nämlich eine Wesenheit, wie der Mensch selber eine
Wesenheit ist. Nur unterscheiden sich die Menschen davon
dadurch, daß sie dem Wahrnehmungsvermögen des
Menschen eine sinnliche Außenseite darbieten. In demselben
Maße, wie sich der Mensch dem sinnlichen
Wahrnehmungsvermögen darbietet, bietet eine äußere
Erscheinung, etwas, was man mit Empfindungsorganen oder
äußeren Sinnen sehen oder wahrnehmen kann, ein Volksgeist
nicht dar, aber er ist dennoch eine durchaus reale
Wesenheit.
Heute wird es
sich darum handeln, uns gewissermaßen eine Vorstellung zu
bilden von einer solchen realen Wesenheit. Wie machen wir das
überhaupt in der Geisteswissenschaft, wenn wir uns von einer
realen Wesenheit eine Vorstellung bilden wollen? Ein
charakteristisches Beispiel, wie wir uns eine Vorstellung
bilden von einer realen Wesenheit, gewinnen wir, wenn wir zuerst
einmal den Blick auf das Wesen des Menschen werfen.
Wenn wir geisteswissenschaftlich den Menschen beschreiben,
unterscheiden wir an ihm den physischen Leib, den Äther- oder
Lebensleib, den Astralleib oder Empfindungsleib und das, was wir als das
höchste Glied der menschlichen Wesenheit betrachten, das Ich. Wir
wissen also, daß wir in dem, was wir physischen Leib, Ätherleib,
Astralleib und Ich nennen, sozusagen den gegenwärtigen Menschen
vor uns haben. Sie wissen aber auch, daß wir auf eine
Entwickelung der Menschheit in der Zukunft hinblicken, und daß
das Ich an den drei niederen Gliedern der menschlichen
Wesenheit arbeitet, so daß es diese Glieder vergeistigt,
umarbeitet von der gegenwärtigen niederen in die
zukünftige höhere Form. Das Ich wird das Astrale
umarbeiten, umformen, so daß es etwas anderes werden wird, als
was es heute schon ist. Der Astralleib wird dann darstellen das, was
Sie unter dem Namen Geistselbst oder Manas kennen. Ebenso wird eine
noch höhere Arbeit des Ich an dem Ätherleibe oder
Lebensleibe geleistet werden dadurch, daß es ihn umarbeitet und
umprägt in das, was wir Lebensgeist oder Buddhi nennen. Und
endlich ist die höchste Arbeit des Menschen, die wir uns
vorläufig denken können, die, daß der Mensch das
widerstrebendste Glied seiner Wesenheit, den physischen Leib
vergeistigen, umwandeln und metarnorphosieren wird in das Geistige.
Es wird das höchste Glied der menschlichen Wesenheit sein, wenn
das Ich umgestaltet haben wird das, was heute physischer Leib ist,
das, was heute uns am gröbsten und materiellsten entgegentritt,
wenn das Ich es umgestaltet haben wird in den Geistesmenschen oder
Atma. So blicken wir auf drei Glieder der menschlichen Natur, die
sich in der Vergangenheit entwickelt haben, auf eines, in dem wir
jetzt darinnen stehen, und auf drei andere, aus denen das Ich etwas
Neues in der Zukunft machen wird.
Wir wissen auch,
daß zwischen der Arbeit, die verflossen ist, und zwischen der
Arbeit, die in der Zukunft verfließen wird, um die drei
höheren Glieder zu bilden, etwas dazwischen liegt. Wir wissen,
daß wir das Ich selber gegliedert uns denken müssen. Es
arbeitet an einer Art von Zwischenwesenheit. Wir sprechen daher
davon, daß zwischen dem Astralleibe, wie er aus der
Vergangenheit dem Menschen geworden ist, und dem Geistselbst oder
Manas, das aus diesem Astralleib in ferner Zukunft dem Menschen
werden wird, in der Mitte darinnen liegen die drei vorbereitenden
Glieder; das sind: die Empfindungsseele, das niederste Glied,
in dem das Ich gearbeitet hat, die Verstandes- oder Gemütsseele
und die Bewußtseinsseele. So daß wir sagen können: Von
dem, was wir herausarbeiten als Geistselbst oder Manas, von dem ist
außerordentlich wenig heute beim Menschen vorhanden,
höchstens der Anfang. Dagegen hat sich der Mensch dadurch zu
dieser künftigen Arbeit vorbereitet, daß er seine drei
niederen Glieder in einer gewissen Weise, in gewissem Maße hat
beherrschen gelernt. Er hat sich vorbereitet dadurch, daß
er den Empfindungsleib oder den astralischen Leib hat beherrschen
gelernt, indem er mit seinem Ich in denselben eingedrungen ist und
innerhalb des Empfindungsleibes die Empfindungsseele
herausgebildet hat. Ebenso wie die Empfindungsseele in einem
gewissen Verhältnis zum Empfindungsleibe steht, so steht
die Verstandes- oder Gemütsseele in einem gewissen
Verhältnis zum Äther- oder Lebensleibe, so daß die
Verstandes- oder Gemütsseele ein schwaches Vorbild dessen ist,
was der Lebensgeist oder Buddhi sein wird, zwar ein schwaches
Vorbild, aber doch ein Vorbild. Und das, was in der
Bewußtseinsseele sich befindet, ist in gewisser Weise von dem
Ich hineingearbeitet in den physischen Leib. Daher ist sie ein
schwaches Vorbild dessen, was einst Geistesmensch oder Atma sein
wird. Wir können auch sagen: Gegenwärtig erkennen wir am
Menschen, wenn wir absehen von geringfügigen Teilen, die er
schon aus dem astralischen Leibe herausgearbeitet hat als Anfang des
Geistselbstes oder Manas, vier verschiedene Glieder. Wir können
heute unterscheiden:
1. den physischen
Leib,
2. den
Ätherleib,
3. den
Astralleib,
4. das in
demselben arbeitende Ich,
und ferner,
wie ein Vorglanz zu den höheren Gliedern:
-
die
Empfindungsseele,
-
die
Verstandesseele,
-
die
Bewußtseinsseele.
Da haben wir den
Menschen als eine Wesenheit vor uns, wie er sich uns heute darbietet,
und da erfassen wir sozusagen diesen Menschen in dem
gegenwärtigen Augenblicke seines Werdens. Wir sehen
förmlich das Ich herausarbeiten, nachdem als Vorbereitung ihm
geworden ist die Empfindungs-, Verstandes- und Bewußtseinsseele,
die höheren Glieder. Wir sehen dieses Ich arbeiten mit den
Kräften der Ernpfindungs-, Verstandes- und
Bewußtseinsseele an dem astralischen Leibe, an den
Anfängen des Geistselbstes. Wir sehen den Menschen
gegenwärtig in diesem Momente seines Arbeitens.
Diejenigen
— und es werden die meisten von Ihnen sein —, die sich mit
dem befaßt haben,
was wir die Erforschung der Akasha-Chronik nennen,
mit der Entwickelung des Menschen in urferner Vergangenheit und mit
dem Ausblick in die ferne Zukunft, die werden wissen, daß die
Menschen, wie ich sie Ihnen skizzenhaft charakterisieren konnte, sich
entwickelt haben, daß wir zurückschauen können in
ferne Vergangenheit, daß die Menschen lange
Entwickelungsepochen gebraucht haben, um die erste Anlage ihres
physischen Leibes, dann die erste Anlage des Ätherleibes und
endlich des Astralleibes zu bilden und diese drei Glieder dann
weiter zu entwickeln. Der Mensch hat dazu lange Zeiträume
gebraucht, und Sie wissen vielleicht auch, daß der Mensch die
frühere Entwickelung seines Wesens, zum Beispiel die
Entwickelung seines astralischen Leibes, nicht in demselben Zustande
der Erde durchgemacht hat, in dem die Erde heute ist, sondern
daß er seinen astralischen Leib entwickelt hat in einem
früheren Zustande des Erdendaseins, dem Mondendasein. Wie wir
das heutige Leben als die Folge früherer Erdenleben,
früherer Verkörperungen erkennen, so blicken wir auch auf
frühere Verkörperungen unserer Erde zurück. Das, was
wir Empfindungsseele, Verstandes- oder Gemütsseele nennen,
wurde erst in dem heutigen Erdendasein gebildet. In dem Mondendasein
wurde der astralische Leib eingepflanzt, und in einem noch
früheren Dasein unserer Erde, dem Sonnenzustande, wurde der
Ätherleib eingepflanzt und endlich während des
Saturnzustandes der physische Leib. So daß wir auf drei
Verkörperungen der Erde zurückblicken, und auf jeder dieser
Verkörperungen sehen wir eines der Glieder, die der Mensch heute
in sich trägt, zuerst veranlagt und dann weiter
ausgebildet.
Noch etwas
anderes ist zu betonen, wenn wir von dem Saturn-, Sonnen-, Monden-Zustande
reden. Genau so, wie wir als Menschen auf der Erde den Zustand durchmachen,
den wir den selbstbewußten Menschheitszustand nennen
können. So haben während früherer Zustände
unserer Erdenentwickelung, während des alten Monden-,
Sonnen- und Saturnzustandes andere Wesen die Stufe
durchgemacht, die wir heute auf der Erde durchmachen. Es ist dabei
ziemlich gleichgültig, ob man mit der Terminologie, die man im
Orient gebraucht, oder mit derjenigen, die mehr im Okzident
üblich ist, die Wesenheiten benennt. Diejenigen Wesenheiten, die
während des Mondenzustandes unserer Erde auf der Stufe
standen, auf der der Mensch heute steht, und die die
nächsthöheren Wesenheiten sind, die über uns stehen,
nennen wir in der Terminologie der christlichen Esoterik Angeloi oder
Engel. Sie stehen eine Stufe höher als der Mensch, weil sie um
eine Epoche früher ihre Menschheitsstufe absolviert haben, so
daß diese Wesenheiten dasjenige, was wir heute sind, dazumal
während des alten Mondenzustandes waren. Sie waren es aber nicht
so, daß sie damals auf dem Monde herumgegangen wären wie
die Menschen heute auf der Erde. Sie waren Wesenheiten auf der
Menschheitsstufe, aber sie lebten nicht im Fleische wie der Mensch
heute. So entsprach nur ihre Stufe der Entwickelung dem Menschsein,
das der Mensch heute durchmacht. Ebenso finden wir Wesenheiten noch
höherer Art, welche während des alten Sonnenzustandes
die Menschheitsentwickelung durchgemacht haben. Es sind die
Archangeloi oder Erzengel. Das sind Wesenheiten, die zwei Stufen
höher stehen als der Mensch, die zwei Epochen früher ihre
Menschheitsstufe durchgemacht haben. Wenn wir noch weiter
zurückgehen bis zur ersten Verkörperung unseres
Erdendaseins, bis zum Saturnzustand, da finden wir, daß da
diejenigen Wesenheiten ihre Menschheitsstufe durchgemacht haben, die
wir als Geister der Persönlichkeit, Archai, Urbeginne
bezeichnen, so daß wir, wenn wir bei diesen Wesenheiten beginnen
— die also in urferner Vergangenheit, während des alten
Saturnzustandes Menschen waren — und dann die
Verkörperungen der Erde verfolgen bis auf unseren Zeitpunkt, vor
uns haben die Entwikkelungsstufen der Wesen bis herunter zu
unserer Wesenheit. Wir können also sagen: Urbeginne, Archai
waren Menschen auf dem alten Saturn; Erzengel, Archangeloi waren
Menschen auf der alten Sonne; Engel oder Angeloi waren Menschen auf
dem alten Mond; Menschen sind Menschen auf unserer Erde.
Da wir nun wissen,
daß wir in der Zukunft unsere Entwickelung weiterführen,
dasjenige, was unsere niederen Glieder sind, weiter entfalten,
also dasjenige, was heute unser astralischer Leib, unser
Äther- oder Lebensleib und unser physischer Leib ist, so
müssen wir doch fragen: Ist es nicht ebenso natürlich,
daß die Wesenheiten, die früher die Menschheitsstufe
durchgemacht haben, jetzt schon auf der Stufe sind, wo sie umarbeiten
ihren astralischen Leib in das Geistselbst oder Manas? Wie wir
während der nächsten Verkörperung unserer Erde —
während des Jupiter-Daseins — fertig werden mit der
Umgestaltung unseres Astralleibes in Geistselbst oder Manas, so sind
fertig geworden diejenigen Wesenheiten, die während der
Mondepoche Menschen waren, die Angeloi, mit der Umgestaltung
ihrer Astralleiber in Geistselbst oder Manas, oder sie werden damit
während unseres Erdendaseins fertig werden. Sie machen das durch
während unserer Erdenverkörperung, was wir erst
während der nächsten Verkörperung der Erde werden
durchzumachen haben. Blicken wir noch weiter zurück auf die
Wesen, die während des alten Sonnendaseins Menschen waren, so
können wir sagen: Sie haben schon während des
Mondenzustandes das durchmachen müssen, was wir erst in der
nächsten Erdenverkörperung werden durchmachen müssen.
Sie stehen bei der Arbeit, die der Mensch ausführen wird, wenn
er mit seinem Ich umarbeitet seinen Äther- oder Lebensleib
in Lebensgeist oder Buddhi. Wir haben also in diesen
Archangeloi, in diesen Erzengeln Wesenheiten, die zwei Stufen
über uns stehen, die auf der Stufe stehen, die wir einst
erreichen werden, wenn wir von unserem Ich aus umarbeiten werden den
Lebensleib in Lebensgeist oder Buddhi. Wir blicken, wenn wir zu
diesen Wesenheiten aufschauen, so zu ihnen auf, daß wir sagen:
Wir sehen in ihnen Wesenheiten, die zwei Stufen über uns stehen,
Wesenheiten, in denen wir gleichsam vorausgenommen sehen, was
wir selber in Zukunft erleben werden; wir blicken zu ihnen auf als zu
solchen Wesen, die heute arbeiten an ihrem Äther- oder
Lebensleib und ihn umformen zu Lebensgeist oder Buddhi. Ebenso
blicken wir auf zu noch höheren Wesenheiten, zu den Geistern der
Persönlichkeit. Sie stehen auf einer noch höheren Stufe als
die Erzengel, auf einer Stufe, die der Mensch erreichen wird in
noch fernerer Zukunft, wenn er wird umarbeiten können den
physischen Leib in Anna oder Geistesmensch.
So wahr der
Mensch auf der jetzigen Stufe seines Daseins ist, so wahr sind diese
entsprechenden Wesenheiten auf den eben charakterisierten Stufen
ihres Daseins, so wahr stehen sie über uns, so wahr sind sie
Realitäten. Nun steht ihre Realität nicht etwa fern dem
Erdendasein, sondern greift vielmehr in dasselbe ein, wirkt hinein in
unser Menschendasein. Wir müssen uns jetzt nur fragen: Wie
wirken diese über dem Menschen stehenden Wesenheiten in unser
Menschheitsdasein hinein? Wenn wir uns dieses Hineinwirken
begreiflich machen wollen, dann müssen wir darauf Rücksicht
nehmen, daß solche Wesenheiten sozusagen in ihrer Arbeit
einen anderen geistigen Anblick darbieten werden als diejenigen
Wesenheiten, die wir heute Menschen nennen. Es ist in der Tat ein
beträchtlicher Unterschied zwischen diesen Wesenheiten, die
über dem Menschen stehen, und denjenigen Wesenheiten, die heute
erst auf der Menschheitsstufe sich befinden. So sonderbar das jetzt
auch klingen mag, es wird Ihnen im Laufe der nächsten Tage noch
vollständig klar werden. Es ist doch durchaus aus
wirklicher Geistesforschung heraus gesprochen: Der Mensch, wie er
heute ist, ist gewissermaßen in einem Mittelzustand seines
Daseins. So wie heute sein Ich an seinen niederen Gliedern arbeitet,
wird es nicht immer bleiben. Es ist gleichsam das ganze menschliche
Wesen heute wie in sich zusammenhängend, und es bildet gleichsam
eine durch nichts unterbrochene Wesenheit. Das kann in der Zukunft
der Menschheitsentwickelung anders werden, und es wird wesentlich
anders werden. Wenn der Mensch einmal so weit sein wird, daß er
mit vollem Bewußtsein an seinem Astralleib arbeiten und mit
seinem Ich diesen Astralleib in Geistselbst oder Manas
umarbeiten wird, dann wird ein ähnlicher Zustand bei
vollem Bewußtsein vorhanden sein, wie er jetzt beim
Unbewußtsein oder Unterbewußtsein des Menschen im Schlafe
vorhanden ist.
Stellen Sie sich
einmal den Schlafzustand des Menschen vor. Der Mensch rückt beim
Schlafzustand in bezug auf seinen Astralleib und sein Ich aus seinem
physischen Leib und seinem Ätherleib heraus, er läßt
sie im Bette liegen und schwebt dann gleichsam außerhalb des
physischen und Ätherleibes. Denken Sie sich jetzt in diesem
Zustande den Menschen so, daß das Bewußtsein erwacht: Ich
bin ein Ich, — daß es so erwacht in diesem Geistesleib,
wie es im tagwachen Bewußtseinszustande da ist. Was würde
der Mensch schon gegenwärtig für einen merkwürdigen
Anblick für sich selber darbieten! Er würde an einer Stelle
fühlen: «Da bin ich,» und vielleicht da unten, weit
weg von dieser ersteren Stelle: «Da ist mein physischer Leib und
mein Ätherleib; sie sind an jenem Orte und sie gehören zu
mir, aber ich mit meinen anderen Gliedern, ich schwebe
außerhalb, da oben.» Wenn der Mensch heute bewußt wird
in seinem Astralleibe, außerhalb seines physischen und
Ätherleibes, dann kann er allerdings — und wenn er heute
auf der Erde sozusagen noch so hoch entwickelt ist — nichts
anderes tun, als frei in seinem Astralleibe sich da- oder dorthin
bewegen und kann unabhängig von seinem physischen Leibe da oder
dort in der Welt tätig sein, aber das kann er dann noch nicht
mit seinem physischen und Ätherleibe. Man wird sie aber in
ferner Zukunft auch von einer Stätte des Nordens von Europa zum
Beispiel von außen hingeleiten können nach einer anderen
Stätte, ihnen befehlen: Geht weiter! und sie dann in ihrer
Bewegung von außen lenken. Das geht heute noch nicht. Das
wird aber der Mensch können, wenn er sich über die Stufe
der Erdenentwickelung zu der Jupiterstufe entwickelt haben wird, zu
der folgenden Entwikkelungsstufe unseres Erdenplaneten. Das
wird auch der folgende Entwickelungszustand des Menschen sein. Wir
werden dann fühlen, daß wir gewissermaßen für uns
selbst der Dirigent von außen sein werden. Das ist das
Wesentliche. Und das führt zu einer Spaltung von dem, was wir
heute die menschliche Wesenheit genannt haben.
Das
materialistische Bewußtsein kann damit allerdings nicht viel anfangen.
Es kann nicht verfolgen dasjenige, was heute schon in gewisser
Beziehung real in der Außenwelt wirkt in ähnlicher Weise,
wie es einmal in der Zukunft beim Menschenwesen vorhanden sein wird.
Solche Erscheinungen sind schon heute da. Die Menschen könnten
sie wahrnehmen, wenn sie acht geben würden. Sie würden dann
sehen, daß es gewisse Wesenheiten gibt, die zum Beispiel zu
früh sich so entwickelt haben. Wie der Mensch, wenn er den
richtigen Zeitpunkt abwartet, im richtigen Zeitpunkt den
Jupiterzustand erreichen wird, so daß er leiten kann seinen
physischen und ätherischen Leib, so gibt es auch Wesen, welche
in gewisser Beziehung sich vorschnell entwickelt haben, ohne den
richtigen Zeitpunkt abgewartet zu haben. Solche vorzeitig
entwikkelte Wesenheiten haben wir in unserer Vogelwelt, und
zwar in solchen
Wesenheiten der Vogelwelt,
welche jedes Jahr die
großen Wanderzüge über die Erde vollführen. Da
ist es die sogenannte Gruppenseele, welche mit dem ätherischen
Leibe eines jeden Vogels zusammenhängt. So wie die Gruppenseele
die regelmäßigen Wanderzüge der Vögel über
die Erde hin dirigiert, so wird der Mensch, nachdem er sein
Geistselbst oder Manas entwickelt hat, das, was wir physischen und
ätherischen Leib nennen, befehligen, ihnen gebieten, sie in
Bewegung setzen. In einem noch höheren Sinne wird der Mensch
diese dirigieren, von außen in Bewegung setzen können, wenn
er einmal so weit entwickelt sein wird, daß er auch noch
umarbeitend in bezug auf den Äther- oder Lebensleib wirkt.
Solche Wesenheiten, die das schon können, gibt es schon heute.
Das sind die Archangeloi oder Erzengel. Das sind Wesenheiten, die das
bereits können, was der Mensch einmal können wird,
Wesenheiten, die dasjenige vollbringen können, was man nennen
kann «seinen ätherischen und seinen physischen Leib
von außen dirigieren,» die aber außerdem auch noch
arbeiten können an ihrem eigenen Ätherleibe.
Bilden Sie
sich als Idee den Begriff von Wesenheiten, die sozusagen im Umkreis unserer
Erde wirken, die in der geistigen Atmosphäre unserer Erde
enthalten sind mit ihrem Ich, die von diesem ihrem Ich aus schon
umgewandelt haben ihren astralischen Leib, so daß sie ein
vollentwickeltes Geistselbst oder Marias besitzen, die aber jetzt mit
diesem vollentwickelten Geistselbst oder Manas weiterwirken auf
unserer Erde und hereinarbeiten in die Menschen, indem sie unseren
Äther- oder Lebensleib umgestalten; Wesenheiten, die auf der
Stufe stehen, auf welcher sie den Äther- oder Lebensleib zu
Buddhi oder Lebensgeist umgestalten. Wenn Sie sich solche Wesenheiten
denken, die also auf der Stufe der geistigen Hierarchien stehen, die
wir Erzengel nennen, haben Sie einen Begriff von dem, was man
«Volksgeister» nennt, was man die dirigierenden
Volksgeister der Erde nennt. Die Volksgeister gehören in die
Stufe der Archangeloi oder Erzengel. Wir werden sehen, wie sie
ihrerseits den Äther- oder Lebensleib dirigieren, und wie
sie dadurch wieder hineinwirken in die Menschheit und diese in ihre
eigene Tätigkeit einbeziehen. Wenn wir die verschiedenen
Völker unserer Erde betrachten und einzelne herausheben,
dann werden wir in dem eigentümlichen Weben und Leben dieser
Völker, in dem, was wir die besonderen, charakteristischen
Eigenschaften dieser Völker nennen, ein Abbild von dem haben,
was wir als die Mission der Volksgeister betrachten
können.
Wenn wir die
Mission dieser Wesenheiten erkennen — Inspiratoren der Völker
sind diese Wesenheiten —, dann können wir sagen, was ein Volk
ist. Ein Volk ist eine zusammengehörige Gruppe von Menschen,
welche von einem der Archangeloi, einem der Erzengel geleitet wird.
Die einzelnen Glieder eines Volkes bekommen das, was sie als Glieder
des Volkes tun, was sie als Glieder des Volkes vollführen, von
einer solchen Seite her inspiriert. Dadurch, daß wir uns
vorstellen, daß diese Volksgeister individuell verschieden sind,
wie die Menschen auf unserer Erde, werden wir es begreiflich finden,
daß die einzelnen verschiedenen Gruppen der Völker die
individuelle Mission dieser Archangeloi sind. Wenn wir uns einmal
geistig veranschaulichen, wie in der Weltgeschichte Volk nach
Volk und auch Volk neben Volk wirkt, so können wir jetzt,
wenigstens in abstrakter Form — die Form wird immer
konkreter und konkreter werden in den nächsten
Vorträgen — uns vorstellen, daß alles, was da
vor sich geht, inspiriert ist von diesen geistigen Wesenheiten. Aber
eines wird uns wohl leicht vor die Seele treten können: daß
neben diesem Wirken von Volk nach Volk noch etwas anderes stattfindet
in der Menschheitsentwickelung. Sie können, wenn Sie jenen
Zeitraum überblicken, den wir von der großen atlantischen
Katastrophe aus rechnen, die das Antlitz der Erde so weit
verändert hat, daß jener Kontinent, der bestanden hat
zwischen dem heutigen Afrika, Amerika und Europa, in jener Zeit
untergegangen ist, die Zeiträume unterscheiden, in welchen
die großen Völker gewirkt haben, bei denen die
nachatlantischen Kulturen herauskamen: die alte indische, die
persische, die ägyptisch-chaldäische, die
griechisch-lateinische und unsere gegenwärtige Kultur, die nach
einiger Zeit in die sechste Kulturepoche übergehen wird.
Wir bemerken auch, daß nacheinander darin gewirkt haben
verschiedene Völkerinspiratoren. Wir wissen, daß noch lange
die ägyptisch-chaldäische Kultur gewirkt hat, als die
griechische Kultur schon ihren Anfang nahm, und daß die
griechische Kultur noch weiter waltete, als die römische schon
ihren Anfang genommen hatte. So können wir die Völker
nebeneinander und nacheinander betrachten. Aber in allem, was sich in
und mit den Völkern entwickelt, entwickelt sich noch etwas
anderes. Es ist ein Fortschritt in der menschlichen
Entwickelung. Es kommt dabei nicht in Betracht, ob wir das eine
höher oder niedriger stellen. Es kann zum Beispiel einer sagen:
Mir gefällt die indische Kultur am besten. Das mag ein
persönliches Urteil sein. Wer aber nicht auf persönliche
Urteile schwört, der wird sagen: Es ist gleichgültig, wie
wir die Dinge bewerten; der notwendige Gang führt die Menschheit
vorwärts, mag man das später auch Niedergang nennen. Die
Notwendigkeit führt die Menschheit vorwärts. Wenn wir die
verschiedenen Zeiträume vergleichen, 5000 Jahre vor
Christus, 3000 Jahre vor Christus und 1000 Jahre nach Christus, dann
ist etwas noch da, was über die Volksgeister hinübergreift,
etwas, woran die verschiedenen Volksgeister teilnehmen. Sie brauchen
das nur in unserer Zeit ins Auge zu fassen. Woher kommt es, daß
in diesem Saale so viele Menschen zusammensitzen können, die aus
den verschiedensten Volksgebieten herkommen und sich verstehen und
sich zu verstehen versuchen in bezug auf das Allerwichtigste, was sie
hier zusammengeführt hat? Die verschiedenen Menschen kommen aus
dem Bereich der verschiedensten Volksgeister heraus, und dennoch gibt
es etwas, worin sie sich verstehen. In ähnlicher Weise
verstanden sich und konnten sich verstehen in damaliger Zeit die
verschiedenen Völker untereinander, weil es in jeder Zeit etwas
gibt, was die Volksseele übergreift, die verschiedenen
Volksseelen zusammenführen kann, etwas, was man
überall mehr oder weniger versteht. Das ist dasjenige, was
man mit dem recht schlechten, aber gebräuchlichen deutschen Wort
«Zeitgeist» benennt oder auch «Geist der Epoche.»
Der Geist der Epoche, der Zeitgeist, ist ein anderer in der
griechischen Zeit, ein anderer in der unsrigen. Diejenigen, welche
den Geist in unserer Zeit erfassen, werden zur Theosophie
hingetrieben. Das ist das aus dem Geiste der Epoche über die
einzelnen Volksgeister Übergreifende. In derjenigen Zeit,
in der Christus Jesus auf der Erde erschien, bezeichnete sein
Vorläufer, Johannes der Täufer, den Geist, den man als
Zeitgeist bezeichnen könnte, mit den Worten:
«Ändert die Verfassung der Seele,
denn die Reiche der Himmel sind nahe herbeigekommen.»
So kann man
für jede Epoche den Zeitgeist finden, und das ist etwas, was sich
hineinwebt in das Weben der Volksgeister, das wir damit zu gleicher
Zeit als das Weben der Archangeloi charakterisiert haben. Für
den heutigen materialistischen Menschen ist der Zeitgeist etwas ganz
Abstraktes ohne Realität, und noch weniger darf man ihm damit
kommen, in dem Zeitgeist ein wahres Wesen zu sehen. Dennoch
verbirgt sich hinter dem Worte «Zeitgeist» eine wirkliche
Wesenheit, keine andere Wesenheit als eine solche, die drei Stufen
über der Menschheitsstufe steht. Jene Wesenheiten
verbergen sich dahinter, die schon auf dem alten Saturn, der am
weitesten zurückliegenden Entwickelungsepoche der Erde,
ihre Menschheitsstufe durchmachten, und die heute aus dem geistigen
Umkreis der Erde an der Umgestaltung der Erde arbeiten und dabei die
letzte Phase sozusagen an der Umgestaltung ihres physischen Leibes in
Geistesmensch oder Atma durehmachen. Mit hohen Wesenheiten haben wir
es hier zu tun, mit Wesenheiten, gegenüber deren
Eigenschaften den Menschen ein Schwindel überkommen möchte.
Es sind diejenigen Wesenheiten, die wir wieder bezeichnen
könnten als die eigentlichen Inspiratoren — oder wir
müssen auf diesem Gebiete sagen, wenn wir mit technischen
Ausdrücken des Okkultismus sprechen wollen —, die
Intuitoren des Zeitgeistes oder der Zeitgeister. Sie wirken so,
daß sie sich abwechseln und gleichsam einer dem andern die Hand
reicht. Von Epoche zu Epoche reichen sie sich ihre Aufgabe zu. Der
Geist der Epoche, der während der griechischen Zeit wirkte,
reicht weiter die Mission an den, der später wirkt und so
weiter. Sie wechseln sich also ab. Es sind, wie wir sahen, eine
Anzahl solcher Zeitgeister, solcher Geister der
Persönlichkeit, die als Zeitgeist wirken. Sie sind eine
höhere Rangordnung gegenüber den Volksgeistern, diese
Geister der Persönlichkeit, diese Intuitoren des Zeitgeistes. In
jedem Zeitalter wirkt vorzugsweise einer und gibt diesem Zeitalter
seine Gesamtsignatur, gibt seine Aufträge an die
Volksgeister, so daß dasjenige, was der Gesamtgeist der Epoche
ist, sich spezialisiert, individualisiert nach den Volksgeistern.
Dann wird er abgelöst in der kommenden Epoche von einem andern
Zeitgeiste, einem andern Geiste der Persönlichkeit, einem
andern Archë.
Wenn eine gewisse
Anzahl von Epochen vorübergegangen ist, dann ist ein Zeitgeist
durch die Weiterentwickelung hindurchgegangen. Das müssen wir
uns so vorstellen: Wenn wir in unserer Zeit sterben und unsere
Entwickelung hier durchgemacht haben, so gibt unsere
Persönlichkeit das Ergebnis dieses Erdenlebens an das
nächste Erdenleben weiter. So ist es auch mit den Geistern der
Epoche der Fall. In jeder Epoche haben wir einen solchen Geist der
Epoche; der gibt am Ende der Epoche sein Amt an seinen Nachfolger ab,
dieser wieder an seinen weiteren Nachfolger und so weiter. Die
vorangegangenen machen inzwischen ihre eigene Entwickelung
durch, dann kommt derjenige, der am längsten nicht daran gewesen
ist, wieder an die Reihe, so daß derselbe in einer
spätern Epoche, während die andern dann ihre eigene
Entwickelung durchmachen, als Geist der Epoche wiederkommt und
für die fortgeschrittene Menschheit das, was er selber für
seine höhere Mission erworben hat, intuierend der Menschheit
einflößt. Wir blicken zu diesen Geistern der
Persönlichkeit hinauf, zu diesen Wesen, die mit dem sonst so
nichtssagenden Worte «Zeitgeist» benannt werden
können, so, daß wir sagen können: Wir Menschen
gehen von Inkarnation zu Inkarnation; wir wissen aber ganz genau,
daß, indem wir selber von Epoche zu Epoche schreiten, indem wir
in die Zukunft sehen, immer andere Zeitgeister die Geschehnisse
unserer Erde regieren. Aber auch unser heutiger Zeitgeist wird
wiederkommen, wir werden ihm wieder begegnen. Wegen dieser
Eigenschaft dieser Geister der Persönlichkeit, daß sie
gleichsam Kreise beschreiben und wieder zu ihrem Ausgangspunkte
zurückkommen, daß sie Zyklen beschreiben, wegen dieser
Eigenschaft werden sie auch «Geister der Umlaufszeiten»
genannt. — Wir werden diesen Ausdruck noch genauer zu
rechtfertigen haben. — Also diese höheren geistigen
Wesenheiten, die ihre Befehle ausgeben an die Volksgeister, werden
auch Geister der Umlaufszeiten genannt. Es sind damit gemeint jene
Umlaufszeiten, die der Mensch selber durchzumachen hat, indem
.er von Epoche zu Epoche in gewisser Weise zurückkehrt zu
früheren Zuständen und sie in höherer Form
wiederholt. Nun sehen Sie, dieses Wiederholen der
Eigentümlichkeiten früherer Formen, das kann Ihnen
auffallen. Wenn Sie in geisteswissenschaftlichem Sinne genau
die Entwickelung der Menschheitsstufen auf der Erde durchnehmen, so
finden Sie diese wiederholten Geschehnisse in der verschiedensten
Weise. So ist eine Wiederholung darin, daß sozusagen
sieben Epochen sich folgen nach der atlantischen Katastrophe, die wir
nennen die nachatlantischen Kulturstufen. Die
griechisch-lateinische Stufe oder Kulturepoche bildet sozusagen
den Wendepunkt in unserm Zyklus und erleidet daher keine
Wiederholung. Auf diese folgt die Wiederholung der
ägyptisch-chaldäischen Epoche, und zwar in unserer eigenen
Zeit. Auf diese wird folgen eine andere Epoche, die eine Wiederholung
der persischen Zeit sein wird, allerdings in etwas anderer Art, und
dann wird die siebente Epoche kommen, die eine Wiederholung der
uralt-indischen Kultur, der Epoche der heiligen Rishis sein wird, so
daß in dieser Epoche gewisse Dinge in anderer Form heraus kommen
werden, die damals veranlagt worden sind. Die Lenkung dieser
Geschehnisse obliegt den Zeitgeistern.
Daß nun
auf die Erde verteilt in verschiedenen Völkern das ausgelebt wird,
was von Epoche zu Epoche weiterschreitet, daß die
verschiedensten Gestalten aus diesem oder jenem Boden gebildet
werden, aus dieser oder jener Sprachgemeinschaft herauswachsen, aus
dieser oder jener Formensprache, aus Architektur, Kunst und
Wissenschaft entstehen können und alle die Metamorphosen
annehmen können und alles das aufzunehmen vermögen, was der
Geist der Epoche der Menschheit einflößen kann, dazu
brauchen wir die Volksgeister, die in der Hierarchie
höherer Wesenheiten zu den Erzengeln gehören.
Nun brauchen
wir noch eine Vermittlung zwischen der höheren Mission der
Volksgeister und denjenigen Wesenheiten, die hier auf der Erde von ihnen
inspiriert werden. sollen. Sie werden unschwer erkennen können,
zunächst in abstrakter Form, daß die Vermittler dieser
beiden Geisterarten die Hierarchie der Engel sind. Sie bilden das
vermittelnde Glied zwischen Volksgeist und Einzelmensch. Damit der
Mensch in sich hineinbekommen kann, was der Volksgeist dem ganzen
Volke einzuflößen hat, damit der einzelne Mensch ein
Werkzeug werde in der Mission des Volkes, dazu bedarf es dieser
Vermittlung zwischen Einzelmensch und Erzengel des
Volkes.
So haben wir
hinaufgeschaut zu den Wesen, welche Mensch geworden sind, drei
Stufen bevor der Erdenmensch seine Menschheitsstufe erreichte, und
haben gesehen, wie sie sich hineinstellen in ihrem Bewußtsein in
die Menschheit und eingreifen in unsere Erdenentwickelung. Wir
werden nun morgen zu zeigen haben, inwiefern das Arbeiten der
Erzengel von oben herunter, von ihrem Ich aus, das schon Marias oder
Geistselbst ausgebildet hat und am Ätherleib oder Lebensleib des
Menschen arbeitet, gerade in den Produktionen, in den Eigenschaften
und in dem Charakter eines Volkes sich darlebt. Der Mensch steht
darin in dieser Arbeit der höheren Wesenheiten, unmittelbar
umgibt sie den Menschen, indem er als Angehöriger eines Volkes
in dieselbe hineingestellt ist. Der Mensch ist zwar
zunächst eine menschliche Individualität, eine
Ausgestaltung einer Ichheit, dann aber ist er nicht nur
Individualität, sondern auch Angehöriger eines Volkes und
damit etwas, wofür er zunächst als menschliche
Individualität nichts kann. Was kann der Mensch, indem er einem
bestimmten Volke angehört, dafür, daß er gerade die
Sprache dieses Volkes spricht? Das ist nicht eine individuelle
Errungenschaft, das gehört auch nicht zu dem, was wir ein
individuelles Fortschreiten nennen, das ist das Strombett, in das er
aufgenommen wird. Das, was wir menschliches Fortschreiten
nennen, ist etwas ganz anderes. Indem wir die Volksseele weben
und leben sehen, werden wir uns erinnern, worin das Fortschreiten des
Menschen besteht und was der Mensch braucht, um sich durch dasselbe
durchzubewegen. Wir werden sehen, was sozusagen nicht nur zu seiner
Entwickelung, sondern zur Entwickelung noch ganz anderer
Wesenheiten gehörte
So sehen wir,
wie der Mensch eingegliedert ist in die Reihe der Hierarchien, wie in
seiner Entwickelung von Zeit zu Zeit, von Epoche zu Epoche
Wesenheiten, die wir von der anderen Seite her kennen,
mitwirken. Und wir haben gesehen, wie dafür gesorgt wird,
daß sich diese Wesenheiten in der mannigfaltigsten individuellen
Weise ausleben können, haben gesehen, daß das, was
sie zu liefern haben, sich hineinleben kann in die
Menschen.
Die großen
Richtlinien der einzelnen Epochen geben die Zeitgeister. Die
Ausbreitung des Zeitgeistes über die ganze Erde hin wird durch
die einzelnen Völkerindividualitäten möglich.
Während die Zeitgeister die Volksgeister befähigen, wird
durch die Engel bewirkt, daß diese einfließen können
in die einzelnen Menschen, so daß die einzelnen Menschen ihre
Mission erfüllen können. Daß die einzelnen Menschen
Werkzeuge werden in dieser Mission der Volksgeister, das wird bewirkt
durch die Wesen, welche zwischen den Menschen und den
Volksgeistern stehen, durch die Engel oder Angeloi.
Wie dieses
wunderbare Netz uns erkennen lassen wird das Wirken der mannigfaltigen
Volksindividualitäten der Vorzeit und der Gegenwart, das
wird einen Gegenstand dieser Vorträge bilden. Wir werden im
nächsten Vortrag damit beginnen, in das Konkrete
hineinzuleuchten, wie dieses Gewebe, auf das wir heute nur
skizzenhaft hingedeutet haben, gesponnen wird, das Geistesgewebe, das
unser nächstes Welten-dasein ist.
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