ERSTER VORTRAG
Dornach, 5. September 1924
Meine lieben Freunde! Wenn ich zunächst in Beantwortung
dieser lieben Worte einiges zu sagen habe, so ist es dieses: Es
war voll berechtigt, daß Sie im Namen der Priesterschaft
diese Worte eben gesprochen haben, und man kann nicht immer
sagen, daß das, was aus dem besten Willen heraus von
Menschen gesprochen wird, voll berechtigt ist. In diesem Falle
konnte es gesagt werden. Es wird das gesagt aus dem Grund, weil
zu alle dem, was aus dem inneren spirituellen Impuls, der hier
vom Goetheanum aus durch die anthroposophische Bewegung gehen
soll, immer etwas hinzugehört, was weit hinausgeht nicht
nur über alles theoretische Verstehen, sondern über
alles Verstehen überhaupt. Es ist etwas, was sich dem
nähert, das man so aussprechen kann: Heute werden für
die Menschen die Aufgaben wieder groß. Sie werden
groß aus dem Grunde, weil die Kräfte jener Zeiten
erschöpft sind, in denen es der Menschheit möglich
war, sich mehr oder weniger von den Impulsen der alten
Mysterien abzuwenden.
Die
Impulse der alten Mysterien haben ja göttliche Substanzen
und göttliche Kräfte in voller Realität auf der
Erde entfaltet. Die Menschheit mußte sich so entwickeln,
daß eine Zeit kam, in der sie sich mehr oder weniger
selbst überlassen war, und daß in dieser Zeit die
göttlichen Substanzen und Kräfte nicht unmittelbar
durch die Menschen auf der Erde wirken konnten. Die
Kräfte, die in dieser Zwischenzeit menschlicher
Entwickelung durch die Erdenmenschheit gegangen sind, sind
erschöpft. Und das ist vielleicht die allerbedeutsamste,
wenn auch nicht die höchste, so doch eine wichtige und
tief einschneidende okkulte Wahrheit, daß die Kräfte,
die ohne die Mysterien innerhalb der Menschheitsevolution
wirksam werden durften, erschöpft sind, und daß die
Menschheitsevolution nicht weitergeht, wenn nicht wieder
Mysterienkräfte in sie einziehen.
Unter dem Einfluß dieser Wahrheit muß es namentlich
gefühlt werden, daß heute etwas anderes als nur
Verstehen notwendig ist für denjenigen, der in irgendeinem
Zweige der anthroposophischen Bewegung aus wirklicher
Spiritualität heraus wirken will. Es muß wieder etwas
von dem kommen, was ähnlich ist dem Wirken in den alten
Mysterien und das man bezeichnet hat mit dem opfernden
Hingegebensein des ganzen Menschen, mit dem Aufgehen des ganzen
Menschen in seiner Aufgabe.
Würde nicht deutlich zu sehen sein - und es ist eben
deutlich zu sehen -, daß innerhalb Ihrer Priesterschaft
dieser Impuls in lauterer Innerlichkeit wirkend vorhanden ist,
den ganzen Menschen opfernd hinzugeben für die Sache, die
Sie als heilig erkannt haben, so würden Ihre Worte nicht
die tiefe Wahrheit haben. Aber ich darf Ihnen vor allen den
göttlichen Mächten, die unserer Sache leuchtend
vorstehen, sagen: Ihre Worte, die Sie ausgesprochen haben von
Ihrer Begeisterung und Hingabe an die Sache, sind volle, reine,
lautere Wahrheit. Es war deutlich zu sehen, wie diese
Priesterschaft als Ganzes von dem edelsten innerlichsten
Streben beseelt ist, die Opfer, die heute gebracht werden
müssen, mit der inneren Spiritualität des Menschen
zur vollen Ausgestaltung zu bringen. Und es darf schon gesagt
werden, daß dasjenige, was Sie getan haben, der Anfang ist
zu demjenigen, was die göttliche Wesenheit der Welt
befriedigen kann. Ich sage Ihnen damit ein gewichtiges
Wort.
Gewiß, Sie sind innerhalb Deutschlands geblieben mit Ihrer
Wirksamkeit. Aber das ist geschehen aus Gründen, die
wahrscheinlich doch in nicht allzu ferner Zeit gewiß
überwunden werden. Denn das Interesse an jener
religiösen Erneuerung, das in Ihren Herzen geflammt hat,
als Sie hier zu mir gekommen sind zur Begründung Ihres
priesterlichen Wirkens, ergreift die Seelen auch über
weite außerdeutsche Gebiete hin. Und es wird ja nur von
der inneren Kraft, die in Ihnen sein kann, abhängen, wie
weit die Möglichkeit vorhanden ist, über Deutschland
hinauszukommen.
Natürlich kann man nur tiefbewegten Herzens daran denken,
wie die Inauguration und Initiation Ihrer Bewegung mit der
heiligen Menschenweihehandlung sich vor zwei Jahren hier
vollzogen hat, an der Stätte, aus der wir zuerst die
Flammen herausschlagen sehen mußten, die dann unser
geliebtes Goetheanum zerstört haben. Sie sehen, daß
heute an dieser Stätte gerade am tiefsten aufgegraben ist.
Aber es ist ja auch tatsächlich durch Ihre schöne
Hingabe begonnen worden, dasjenige, was dazumal in dem dann von
den Flammen zuerst verzehrten Raum geschehen ist, in eine
rechte heilige Erdentat zu verwandeln. Und wenn Sie mit dem
heiligen Eifer, der Sie zuerst ergriffen hat, fortfahren
werden, so werden die Impulse innerhalb Ihrer Priesterschaft
sich in der rechten Weise entwickeln.
Wir
werden diesmal, wo Sie wiederum versammelt sind an diesem Orte,
in demjenigen Licht und in derjenigen Wärme, die uns aus
der Geisteswelt entgegengekommen sind durch die
Weihnachtstagung, gewissermaßen als geistige Gegenleistung
für die irdischen Verluste, die durch die Flammen bereitet
worden sind, wichtige Fragen zu besprechen haben. Wir werden
das zu besprechen haben, was wirklich geeignet sein kann, die
Impulse Ihrer Seelen weiterzuführen.
Wir
werden diesmal versuchen, an uns herantreten zu lassen den
tiefen Gehalt der Apokalypse, werden aber von der Betrachtung
der Apokalypse ausgehend alles an unserer Seele
vorüberziehen lassen, was gerade in diesem Augenblick
für Ihre Priesterschaft von besonderer Wichtigkeit ist.
Und wir werden gerade durch die Betrachtung der Apokalypse das
in den Mittelpunkt unserer ganzen Arbeit hier setzen
können, was dem priesterlichen Wirken den Sinn gibt: die
Menschenweihehandlung. Und so werden vor uns stehen auf der
einen Seite die Menschenweihehandlung und auf der anderen Seite
die Apokalypse.
Mit
einigen Worten wird es heute schon angedeutet werden, wie wir
dies jetzt hier inaugurieren wollen oder wie wir durch diese
Arbeit Ihre Priesterbewegung inaugurieren wollen. Und so wollen
wir das, was im Laufe der Zeit aus den unmittelbaren
Bedürfnissen Ihres Priesterwirkens heraus zu sagen sein
wird, was zu bringen sein wird über dieses praktische
Priesterwirken, was an Rückblicken auf die Vergangenheit
und an Ausblicken in die Zukunft zu leisten sein wird, all das
wollen wir aufsparen auf die Zeit, wo es sich an die innere
Betrachtung anschließt. Und heute werde ich zunächst
vor Ihnen aussprechen, in welcher Art diese unsere Arbeit hier
in den nächsten Tagen eingerichtet sein soll.
So
begrüße ich Sie zunächst alle aus dem vollsten
Herzen heraus im Namen aller der Mächte, die Sie hier
vereinigt haben und von denen Sie wissen, daß es die
Scharen der Christus nachfolgenden Mächte sind. Sie
mögen geben die rechte religiöse Impulsivität,
die rechte theologische Einsicht und die rechten Impulse
für das Kultuswirken in der Gegenwart, das Sie aus dem
tiefsten christlichen Sinne heraus religiös, theologisch,
zeremoniell übernehmen möchten. In diesem Sinne
wollen wir beisammen sein und aus diesem Sinne soll die Arbeit
gestaltet werden, die wir nun zusammen vornehmen.
Wir
gehen davon aus, daß wir auf das Große in unserer
Zeit hinweisen, auf jenes Große, das bestehen muß in
einer ganz neuen Stellung der Menschenseele zu dem, was durch
priesterliches Wirken geht. Das, was anwesend ist im
priesterlichen Wirken, wenn die Menschenweihehandlung vollzogen
wird, ist etwas, was die Menschen immer gesucht haben, solange
es eine Menschheit auf Erden gibt. Wollen wir aber
durchschauen, in welchem Lichte heute die Menschenweihehandlung
dem Priester erscheinen muß, der sie zelebriert und dem
Laien, der sie aufnimmt, so müssen wir zunächst einen
Blick werfen auf das, was die Menschenweihehandlung im Laufe
der Zeiten in der Menschheitsentwickelung auf Erden gewesen
ist, was sie ist, und was sie werden muß.
Aber zu dem, was die Menschenweihehandlung heute ist, wenn sie
zelebriert wird, muß von einer anderen Seite her kommen
das Durchdrungensein mit dem wahren Inhalt dessen, was
Johannes, der durch Christus selbst Eingeweihte, der
christlichen Nachwelt hat geben wollen mit der Apokalypse. Es
gehört im Grunde genommen beides zusammen: rechter Sinn im
Zelebrieren der Menschenweihehandlung und rechter Sinn im
innerlichen Sichdurchdringen mit der Substanz der
Apokalypse.
Sehen wir jetzt ab von der besonderen Gestalt, welche nun
einmal die Apokalypse des Johannes für den Christen hat.
Bezeichnen wir alles dasjenige als «Apokalypse», was
als okkulte Wahrheit gegeben wird, um der Menschheit den
rechten priesterlichen Impuls für ihre Fortentwickelung zu
verleihen. Da fällt vieles unter den Begriff der
Apokalypse, was eben konzentriert zusammengefaßt ist in
der Apokalypse des Johannes und das gestimmt ist auf den
Christus. Immer war, indem man gestrebt hat nach einer
Apokalypse, ein Verständnis dafür vorhanden, daß
der tiefe volle Sinn für die Aufnahme des Apokalyptischen
in dem Darinnenstehen in der Menschenweihehandlung gegeben sein
muß.
Es
wird uns vieles anschaulich werden können, wenn wir
zunächst uns sagen: Es gab einst Mysterien, die ich nennen
will die alten Mysterien. Wir wollen uns jetzt in dieser
Einleitung nicht mit Zeitangaben aufhalten, sondern nur die
vier aufeinanderfolgenden Stadien der Mysterien
charakterisieren. Es gab alte Mysterien, es gab halbalte
Mysterien, es gab ein halbneues Mysterienwesen, und wir stehen
jetzt am Ausgangspunkt eines neuen Mysterienwesens. Vier
Stadien haben wir damit vor uns, vier Stadien in der
Entwickelung der menschlichen Auffassung für Apokalypse
und Menschenweihehandlung.
Wenn wir hinschauen auf die alten Mysterien, die in der ersten
Morgendämmerung menschlicher Entwickelung auf der Erde
unter den Menschen bestanden, die alles, was heilig, wahr und
schön war, unter die Menschen zu bringen hatten, dann
können wir sagen: Das Wesentliche der alten Mysterien war
dieses, daß in ihnen die Götter von ihren
Göttersitzen zu den Menschen heruntergestiegen sind, und
daß die Menschen in priesterlicher Würde innerhalb
der Mysterien unmittelbar von Wesen zu Wesen mit den
Göttern verkehrt haben. So wie heute Mensch und Mensch
verkehren miteinander, Wesen mit Wesen, so verkehrten in jenen
alten Zeiten in den Mysterien die Götter mit den Menschen
und die Menschen mit den Göttern.
Aber so wie es Naturgesetze gibt, die für die Zeit gelten,
so gibt es urewige Gesetze, die aber die menschliche Freiheit
durchaus nicht beeinträchtigen; und unter diesen urewigen
Gesetzen sind auch solche, welche sich auf den Verkehr der
Götter mit den Menschen beziehen. Diese urewigen Gesetze
kamen namentlich damals in Betracht, als in den heiligen
Mysterien der menschlichen Urzeit die Götter selbst mit
den Menschen verkehrten, und als alles, was menschliche
Unterweisung war, sich abspielte zwischen den göttlichen
Lehrern und den Menschen selbst. Als das, was sich im Kultus
abspielte, so vor sich ging, daß unter den Zelebrierenden
mitten drin auch die übersinnlich kraftenden Götter
waren, da vollzog man in jenen alten Mysterien dasjenige, was
der Menschenweihehandlung immer den Sinn gegeben hat: die
Transsubstantiation. Was aber war in den alten Mysterien die
Transsubstantiation?
In
den alten Mysterien war die Transsubstantiation dasjenige, was
die Götter betrachteten als das letzte, durch das sie mit
den Menschen in Beziehung traten. Die Zeremonien wurden
bestimmt nach den urewigen Gesetzen, von denen ich sprach. Aus
gewissen Konstellationen der Sterne, die man in der wahren
alten Astrologie kennenlernte und dem Zusammenfallen dieser
Konstellationen mit den Verhältnissen, die die Menschen
bestimmen können, wurde der Weg gebahnt von den
Göttern zu den Menschen und von den Menschen zu den
Göttern.
Ihr
könnt wahrnehmen, wenn Ihr die Zeitrechnungen alter Zeiten
überschaut: Es gab verschiedene Zeitrechnungen, solche zum
Beispiel, in denen 354 und andere, in denen 365 Tage angenommen
wurden. In diese Zeitrechnungen wurden Schalttage oder
Schaltwochen eingesetzt, um das auszugleichen, was in der
menschlichen Berechnung nicht übereinstimmte mit dem, was
der wahre Gang des Kosmos ist. Nie stimmte das, was die
Menschen berechnen konnten, mit dem wahren Gang des Kosmos
überein. Es blieb immer irgendwo ein kleiner Rest
übrig. Das nun, was ein solcher kleiner Rest war, wo die
menschliche Zeitberechnung nicht übereinstimmte mit dem
kosmischen Weltengang, das faßten die Priester der alten
Mysterien ganz besonders ins Auge. Sie bestimmten diese
gewissen Zeiten, wo dieses Nicht-Zusammenfallen besonders
auffällig war, indem sie das Jahr einteilten in Monate und
Wochen, wobei ihnen nach den Mondenmonaten eine gewisse Anzahl
Tage übrigblieb bis zum Beginn des nächsten
Jahres.
Gerade auf diese Zeiten hinzuschauen, wo die Menschen, indem
sie solche Tage oder Wochen einschalteten, damit sozusagen
ausdrückten das Nicht-Zusammenfallen menschlicher
Berechnung mit dem Gang des Kosmos, und wo die Priester diese
Zeiten als heilige Wochen ansahen, dazu ist alle Veranlassung
für den, der sich in den Gang der Menschheitsentwickelung
hineinfinden will. In solchen heiligen Wochen, die so recht
auffällig machten, daß das Denken der Götter
anders ist als das der Menschen, in solchen Zeiten, in denen
diese Differenz anschaulich wird, kann aber, wenn das Herz der
Götter und das Herz der Menschen zusammenstimmen, der Weg
gefunden werden von den Göttern zu den Menschen und von
den Menschen zu den Göttern.
Das
war etwas, was die Menschen innerhalb der alten Astrologie
beobachteten und was sie in der richtigen Weise durchschauen
ließ, wann die Götter in die Mysterien kamen. Es gab
am Ende eines jeden Jahres oder am Ende eines Mondenzyklus von
achtzehn Jahren oder am Ende von anderen Perioden immer heilige
Zeiten, welche die Differenz, die Grenze zwischen menschlicher
Intelligenz und göttlicher Intelligenz bezeichneten, und
in denen die Priester der Mysterien erkennen konnten, daß
die Götter den Weg zu ihnen, und die Menschen den Weg zu
den Göttern finden konnten.
Solche Zeiten waren es auch, in denen jene alten Priester die
Sonnen- und Mondenwirksamkeit festzuhalten suchten in den
Substanzen, mit denen sie die Menschenweihehandlung
zelebrierten, um das, was sie in den heiligen Zeiten empfangen
hatten, auszudehnen über alle übrigen Zeiten des
Jahres, in denen sie zu zelebrieren hatten. So bewahrten sie
auch das, was die Götter aus den Erdensubstanzen und
-kräften in den heiligen Zeiten gemacht hatten. Sie
behielten das Wasser jener Zeiten, das Merkurische, um in der
übrigen Zeit des Jahres damit die Menschenweihehandlung so
zu zelebrieren, daß sie die Transsubstantiation in der
Weise enthielt, wie es von den Göttern selbst getan worden
war bei jenen Menschenweihehandlungen, die in den «toten
Zeiten», wie man es nannte, die aber eben die heiligen
Zeiten waren, sich vollzogen hatten.
So
wollten die Menschen in jenen alten Mysterien, zu den Zeiten,
in denen die kosmische Sprache galt unter den Menschen, nicht
die menschliche Sprache, sich in Verbindung setzen mit den
Göttern, die dann herunterstiegen in die Mysterien und die
jedesmal neu heiligten, was die Menschenweihehandlung war, die
aber jedesmal auch den Menschen, die diese
Menschenweihehandlung vollzogen oder an ihr teilnahmen,
zurückließen Verständnis für das
Apokalyptische. So wurden die großen Wahrheiten gelehrt in
jenen alten Zeiten, als das Darinnenstehen in der
Menschenweihehandlung bedeutete das Durchdrungenwerden mit der
Substanz des Apokalyptischen. Menschenweihehandlung ist der
Erkenntnisweg, Apokalypse ist das Objekt der heiligen
Erkenntnis.
Wir
kommen dann zu den halbalten Mysterien, zu den
Mysterien, von denen wenigstens ein kleiner Abglanz noch in das
Geschichtliche heraufgeht, während von den Mysterien, die
ich Ihnen als die alten charakterisiert habe, nichts mehr in
das Geschichtliche heraufkommt, sondern nur erforscht werden
kann durch die okkulte Wissenschaft. Es war das schon die Zeit,
in der die Götter sich zurückzogen von den Menschen
und nicht mehr in ihrer eigenen Wesenheit herunterstiegen in
die Mysterien, wo sie aber noch ihre Kräfte
heruntersandten. Es war die Zeit, in der die
Menschenweihehandlung durch die Transsubstantiation jenen Glanz
des Göttlichen erhalten sollte, der immer über der
Menschenweihehandlung zu strahlen hat.
Die
Transsubstantiation wurde jetzt nicht mehr so vollzogen,
daß aus dem astrologischen Verfolgen der kosmischen
Vorgänge hergenommen wurde, was an Substanzen und
Kräften einfließen sollte in das Zelebrieren der
Transsubstantiation, sondern es wurde das Geheimnis auf eine
andere Weise gesucht. Es wurde namentlich das innere Wesen
desjenigen aufgesucht, was man in der alten Alchimie noch
genannt hat: die Fermente. Das, was ein be-stimmtes Alter
erreicht hat und in bezug auf sein substantielles Dasein
unverändert hindurchgegangen ist durch die verschiedenen
Stadien, in denen es die Umwandlung anderer Substanzen bewirkt
hat, das ist ein Ferment. Wir brauchen uns, wenn wir einen
trivialen Vergleich wählen wollen, nur zu erinnern, wie
man Brot backt; es geschieht nach demselben Prinzip. Man
bewahrt von dem alten Teig ein kleines Teil auf und gibt es als
Ferment dem neuen Teig zu. Wir stellen uns vor, wie in den
Zeiten der halbalten Mysterien uraltes Substantielles, das
durch die Umwandlung anderer Substanzen durch die Zeiten
hindurch seine eigene innere Substanz bewahrt hat, aufbewahrt
wurde in heiligen Gefäßen, die in den Mysterien
selber etwas uralt Heiliges, etwas Ehrwürdiges waren.
Es
wurden den heiligen Gefäßen die Substanzen als
Fermente entnommen, mit denen die Transsubstantiation in der
alten, noch heiligen Alchimie vollzogen worden ist. In diesen
Zeiten wußte man: Der Priester, der eingeweiht war,
versteht die Verwandlung, die Transsubstantiation durch die in
den Substanzen bewahrten Kräfte, er wußte, daß
sie in den heiligen Kristallgefäßen mit Sonnenglanz
erstrahlten. Das, was man darin suchte und wozu man sie
brauchte, das war, daß man darin das Erkenntnisorgan bei
den Zelebrierenden sah für die Aufnahme desjenigen, was
das Apokalyptische ist.
Es
gab in der Zeit dieser halbalten Mysterien jene Erscheinung:
Der Priester wurde erprobt in dem Augenblick, wo er vor die
heilige Stätte hintrat und die alten Fermente anfingen,
die Substanzen in den heiligen Kristallgefäßen so zu
verwandeln, daß er in dem Kristallgefäß sehen
konnte, wie die Substanzen Sonnenglanz verbreiteten. Das
Gefäß, in dem eine kleine Sonne war, war eine
Monstranz. Es war ein Sanktissimum, das heute nur nachgebildet
werden kann. In dem Moment, in dem er das Sonnenglänzen
des Sanktissimums sah, war er innerlich Priester geworden.
Zu
den Tafelzeichnungen siehe Seiten 271ff. und 331. 25
Heute sieht in der katholischen Kirche ein jeglicher das
Sanktissimum, der in die Kirche hineingeht, weil es nur ein
Symbol ist für das, was es einmal war. Einmal aber war es
so, daß nur der jenige wirklich Priester war, der das
Sanktissimum sah, wenn er in den aufbewahrten Substanzen ein
Sonnenglänzen sah. In diesem Augenblick war seine
Erkenntnis aufgeschlossen für das Apokalyptische.
Dann kamen diejenigen Mysterien, deren Abglanz die Messe der
neueren Zeit ist. Denn auf eine sehr komplizierte Art sind aus
den halbneuen Mysterien die katholische Messe, die armenische
Messe und andere Messen zur Entwickelung gekommen. Trotzdem sie
sich veräußerlicht haben, tragen diese Messen noch
das volle Initiationsprinzip in sich. In diesen halbneuen
Mysterien trat an die Stelle der Anwesenheit der Götter in
den alten Mysterien und an die Stelle der von den Göttern
ausgesandten Kräfte in den halb alten Mysterien dasjenige,
was der Mensch wahrnehmen kann, wenn innerlich in ihm wach wird
das Wort, das magische Wort, das Wort, in dem Innerlichkeit
ertönt, das Wort, das bis zur tiefsten Erkenntnis der
innerlichen Wesenheit des Lautes geht. Denn in der Zeit der
halbneuen Mysterien stand der Menschensprache gegenüber
die Kultussprache, jene Kultussprache, von der in den einzelnen
Religionsbekenntnissen noch letzte Reste vorhanden sind, in der
alles beruht auf Rhythmus, auf innerlichem Verständnis des
Lautes und auf Verständnis für das innere Eindringen
des Lautes aus Priestermund in Menschenherzen. Das magische
Wort, das das Kultwort ist, gesprochen an heiliger Stätte,
war der erste Weg hinauf zu den Göttern, zunächst zu
den göttlichen Kräften.
Also:
-
Erste Menschheitszeit - alte
Mysterien - die Götter steigen herab.
-
Zweite Menschheitszeit - halbalte
Mysterien - die Götter schicken ihre Kräfte
herab.
-
Dritte Menschheitszeit - halbneue
Mysterien - der Mensch erlernt die magische Sprache und
beginnt hinaufzusteigen in dem Intonieren der magischen
Sprache zu den Kräften der Götterwelt.
Das
war der Sinn alles dessen, was intoniert wurde innerhalb der
Menschenweihehandlung in dem dritten Zeitalter der Mysterien.
Und das war in jener Zeit, in welcher innerhalb der Mysterien
als zeitgemäßer religiöser Kultus das
Kabiren-Element lebte.
Denn beteiligt sind die Kabirendienste, die Kabirenopfer, die
in Samothrake gefeiert wurden, an alle dem, was in den
halbneuen Mysterien das Zeremonielle ist und an allem, was
dazugehört zu dem priesterlichen Zeremonial. Wir stellen
vor unsere Seele den Kabirenaltar von Samothrake.
Die
Kabiren, die daraufstanden als äußere Denkmäler,
waren Opferkrüge, in denen jetzt nicht Fermentsubstanzen
waren, sondern Substanzen, welche die menschliche Erkenntnis
finden konnte, wenn sie in das innere Spirituelle der Substanz
eindringen konnte. Solche Substanzen, die in den
Opferkrügen darin waren, Opfersubstanzen, wurden
entzündet, der Rauch stieg in die Höhe, und die
magische Sprache wirkte so, daß in dem aufsteigenden Rauch
erschien die Imagination dessen, was das Wort intonierte.
So
wurde äußerlich sichtbar im Opferrauch der Weg hinauf
zu den göttlichen Kräften. Im Opferrauch wußten
sich die Priester in der Atmosphäre, durch die die
Transsubstantiation vollzogen wurde.* Das war das dritte
Stadium in der Entwickelung der Mysterien und desjenigen, was
in der Menschenweihehandlung für den Menschen enthalten
ist.
Diese ersten Stadien sind zwar in die Dekadenz gekommen, doch
ist noch heute manches Äußerliche davon erhalten.
Begonnen hat nun eine neue Zeit der Mysterien, eine neue Zeit
für die Menschenweihehandlung und für das
Verständnis des Apokalyptischen, in dem Augenblick, wo Sie
drüben in dem abgebrannten Goetheanum inauguriert haben
die neue Priesterschaft der Bewegung für eine christliche
Erneuerung. Das, was nun Euer Herz durchströmen muß,
um die Menschenweihehandlung in dem vierten Stadium der
Mysterien richtig zu vollziehen, damit wollen wir morgen
beginnen.
*
Siehe Hinweis.
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