DAS
LEBEN ZWISCHEN DEM TODE UND EINER NEUEN GEBURT
München, 28. November 1912
Zweiter Vortrag
Die
Betrachtung, die wir vorgestern haben anstellen können
über das Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt,
zeigt uns ja, wie eng die ganze menschliche Wesenheit
zusammenhängt mit dem, was man das universelle Leben im
Weltenall nennen kann. Denn wenn Sie sich mancherlei von dem
überlegen, was da gesagt worden ist, so werden Sie daraus
entnehmen können, daß der Mensch eigentlich nur
während seiner Erdenzeit gewissermaßen an einen Ort
gebannt ist, daß er nur während seiner Erdenzeit
einen geringen Raum einnimmt, während er in der ganzen
Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt dem Planetensystem
und sogar der Welt außerhalb desselben in späterer
Zeit nach dem Tode einverleibt ist. Wenn wir für die
Entwickelung zwischen der Geburt und dem Tode oftmals sagen, um
einen okkulten Tatbestand auszudrücken, der Mensch zeige
sich als eine Art mikrokosmischen Abbildes des Makrokosmos, so
müssen wir jetzt sagen: Zwischen dem Tod und einer neuen
Geburt ist eigentlich der Mensch selber makrokosmisch; er ist
ergossen in den Makrokosmos; er erweist sich da so recht als
ein makrokosmisches Wesen, denn er muß in dieser
Zwischenzeit die Kräfte, die er für seine
nächste Inkarnation braucht, aus dem Makrokosmos ziehen.
Und zwar können wir dieses makrokosmische Leben zwischen
dem Tod und einer neuen Geburt so auffassen, daß der
Mensch in der ersten Zeit nach dem Tode gewissermaßen
noch, wenn man sich so ausdrücken darf, die Eierschalen
des irdischen Lebens an sich trägt, zusammenhängt mit
dem, was das irdische Leben ihm geben konnte, was das irdische
Leben aus ihm machen konnte. Dies ist ja die Zeit, welche
zunächst besonders nahe geht den Bedürfnissen und
Interessen des menschlichen Herzens. Wenn der okkulte Blick
hingewendet wird auf irgend jemand, der vor
verhältnismäßig kurzer Zeit den irdischen Plan
verlassen hat, so ist er ja, wie wir wissen, in der
Kamalokasphäre. Das ist die Sphäre, die,
makrokosmisch gesprochen, bis zum Umkreis des Mondes geht. Der
Mensch lebt sich also hinein, ausdehnend seine
seelisch-geistige Wesenheit so, daß er die ganze
Mondensphäre bewohnt. In dieser Zeit das wissen wir ja
schon — ist der Mensch ganz und gar noch verbunden mit
der irdischen Welt. Die Wünsche, die Begierden, die
Interessen, die Sympathien, die Antipathien, die er ausgebildet
hat, die bilden Kräfte — das haben wir ja
öfters schon beschrieben —, die ihn gleichsam
zurückneigen zur irdischen Welt. Der Mensch ist da
während der Kamalokazeit in einem gewissen Sinne
eingeschlossen wie in eine Atmosphäre seiner eigenen
astralischen Natur, wie er sie sich auf der Erde angeeignet
hat. Er wünscht sich noch immer das, was er sich auf der
Erde gewünscht hat; er hat Interesse an dem, woran er auf
der Erde Interesse gehabt hat. Und diese Zeit des Kamaloka ist
ja gerade dazu da, daß der Mensch diese Wünsche
abwickeln kann, aber daß diese Wünsche und Begierden
— insofern sie abhängig sind von den physischen
Organen, und alle sinnlichen Genüsse zum Beispiel sind
davon abhängig — ihm nicht befriedigt werden
können und er sie also durch die Unmöglichkeit der
Befriedigung sich abgewöhnt. Dies alles, was wir ja
öfter geschildert haben in bezug auf den Menschen
unmittelbar nach dem Tode, bezieht sich aber, wie wir leicht
einsehen können, auf die Individualität des Menschen,
im engsten Sinn des Wortes auf das, was der Mensch gleichsam
aus seiner Astralität herauszureißen hat, was er sich
abgewöhnen muß, was er von sich entfernen
muß.
In
einer ändern Beziehung noch trägt der Mensch mit sich
hinaus zunächst in die Kamalokazeit die irdischen
Zusammenhänge, und zwar in folgender Weise: Das, womit der
Mensch zusammenhängt, sei es an Tatsachen, sei es an
Wesenheiten der Kamalokazeit, das hängt von seinem inneren
Leben ab, hängt davon ab, wie das Betreffende vorgebildet,
veranlagt ist in seiner Seele. Zum Beispiel: ein Mensch geht
durch die Pforte des Todes. Etwas früher ist irgend
jemand, dem er nahegestanden hat, schon durch die Pforte des
Todes gegangen, so daß wir sagen können: Beide
Gestorbenen befinden sich in der Kamalokasphäre; sie
können sich dort finden. Die okkulte Untersuchung zeigt
durchaus, daß der Mensch nicht nur etwa beschäftigt
ist mit seiner eigenen Entwickelung, mit der Abgewöhnung
seiner Wünsche, Begierden, Interessen und so weiter,
sondern daß er bald nach dem Tode, nach einer kurzen, man
möchte sagen, embryonalen Schlafenszeit die Menschen
findet, denen er auf der Erde nahegestanden. Dagegen ist
für diese erste Zeit im allgemeinen nicht gerade eine
Aussicht vorhanden, daß der Mensch etwa jedes Wesen, das
da mit ihm zugleich in der Kamalokasphäre ist, wirklich
finden kann. Raumund Zeitverhältnisse sind ja da ganz
andere, namentlich Raumverhältnisse. Nicht darum handelt
es sich, daß man nicht in die Nähe kommt von Wesen,
denen man nicht nahegestanden hat, man mag ihnen so nahe als
möglich kommen, man nimmt sie nicht wahr. Zum Wahrnehmen
gehört, daß man dem betreffenden Wesen im Leben
nahegestanden hat. Also diejenigen, denen man im Leben
nahegestanden hat — es kommen da zunächst kaum
andere Wesen als Menschen in Betracht—, die finden sich
auch in der Umgebung eines Verstorbenen bald in der
Kamalokazeit. Die Verhältnisse, in denen wir uns da nach
dem Tode zu solchen Wesenheiten befinden, die richten sich auch
noch ganz nach den irdischen Verhältnissen, die wir zu
ihnen ausgebildet haben. Und zwar in einer Weise, die ich auch
schon vorgestern charakterisiert habe: in einer solchen Weise,
daß wir genauso und der vollen Wahrheit entsprechend zu
einem mit im Kamaloka sich befindenden Menschen stehen, wie wir
im Erdenleben gestanden haben, aber das nicht können, was
wir während der Erdenzeit noch können, das
heißt, etwa das Verhältnis ändern. Es bleibt so
bestehen, wie es auf der Erde war. Auf der Erde können wir
zu einem Menschen, den wir geliebt haben, nachher Haß
entwickeln und zu einem Menschen, den wir gehaßt haben,
Liebe entwickeln; wir können uns bemühen, unsere
Beziehung zu ihm zu ändern. So ist es nicht in der
Kamalokazeit. Wir treffen einen Menschen, der vor uns
hingestorben ist, und wir fühlen uns zunächst zu ihm
in ein solches Verhältnis gebracht, wie es entsprochen hat
dem letzten Verhältnis, das wir zu ihm auf der Erde gehabt
haben. So stehen wir zu ihm. Dann leben wir ja, wie Sie wissen,
rückwärts in der Zeit. Haben wir vorher ein anderes
Verhältnis zu ihm gehabt, so können wir das nicht
künstlich herbeiführen, sondern wir müssen ruhig
zurückleben und durchleben dann nach dem entsprechenden
Zeitpunkte ein Verhältnis, das wir zu ihm früher
gehabt haben, das wir wieder nicht ändern können, das
sich genau so ausdrückt, wie es sich auf der Erde
ausgedrückt hat.
Man
könnte leicht glauben, daß dieses ein
außerordentlich schmerzvoller Zustand ist. Das ist er auch
in einer gewissen Beziehung; man fühlt ihn sogar durchaus
so, wie man etwa fühlt, wenn man gern ginge und
angefesselt ist am Erdboden. Man fühlt sich geistig an ein
Verhältnis, das auf der Erde gegeben worden ist, gebunden;
man fühlt sich in einer Zwangslage. Das ist durchaus
richtig. Und wenn diese Zwangslage eine starke ist, so ist das
Verhältnis natürlich peinigend. Nun muß man, um
einen solchen Zustand richtig zu verstehen und
gemütsmäßig zu würdigen, nicht etwa nur den
Gedanken haben, das sei ein schmerzlicher Zustand —
schmerzlich ist er schon in vieler Beziehung aber der Tote, der
hat nicht nur das Bewußtsein, ein schmerzlicher Zustand
sei vorhanden, sondern er hat das ganz entschiedene
Bewußtsein, daß dieser Zustand notwendig ist,
daß er sein muß, daß man sich geradezu Steine in
den Weg wälzen würde, die die Entwickelung aufhalten,
wenn man solchen Schmerz nicht durchmachen würde.
Was
geschieht denn dadurch, daß man das alles durchmacht?
Nehmen wir an, wir erleben so das Verhältnis zu einem
ändern Menschen nach dem Tode, schauen also ein gewisses
Verhältnis, das wir zu ihm gefunden haben im Leben, das
wir gebildet haben, an, erleben es. Durch das Anschauen, durch
das Erleben, durch das Hinstarren gleichsam, bilden sich in
unserer Seele die Kräfte aus, zunächst in ihren
geistigen Vorbildern, die wir brauchen, damit uns unser Karma
in weiterer Zukunft richtig leitet, damit wir uns einfinden bei
der Wiederverkörperung mit dem ändern Menschen
zusammen so, daß der karmische Ausgleich kommen kann. So
werden gleichsam technisch gezimmert die Kräfte, die zum
karmischen Ausgleich notwendig sind.
Ändern kann der Tote an dem, was ihm zunächst in der
Umgebung entgegentritt, kaum etwas; aber es tritt zuweilen doch
für den Toten das intensive Bedürfnis auf, dieses
oder jenes zu ändern. Man möchte sagen: Eine
große Bedeutung gewinnen für den Toten
unerfüllte Wünsche, aber solche unerfüllte
Wünsche, die während des Lebens nicht immer ganz in
das Bewußtsein heraufspielen. Und da kommt etwas in
Betracht, was außerordentlich wichtig ist zu beachten. Im
gewöhnlichen Leben hier auf dem physischen Plan, da
fühlen wir ja gewiß diese oder jene Neigung, diese
oder jene Sympathie in unserem Bewußtsein, machen uns
diese oder jene Vorstellung; aber unter diesem Bewußtsein
ist ja das astrale, das Unterbewußtsein. Das taucht nicht
mit sehr starker Kraft in das Oberbewußtsein, in das
eigentliche Ich-Bewußtsein herauf. Dadurch kommt etwas
Unvollständiges, möchte man sagen, in das
Bewußtseinsleben des Menschen. Der Mensch lebt sich
eigentlich als bewußtes Wesen kaum jemals im Leben ganz
aus. Wie der Mensch sich darlebt, das ist, könnte man
sagen, keineswegs immer ganz wahr; das menschliche Seelenleben
ist ja etwas außerordentlich Kompliziertes. Es kann
vorkommen, daß jemand in seinem gewöhnlichen
Bewußtsein, in seinem Ich-Bewußtsein, aus Vorurteilen
heraus, aus Bequemlichkeit heraus, aus diesem oder jenem Grund
heraus etwas gar nicht mag, vielleicht sogar haßt,
während in seinem Unterbewußtsein ein intensiver
Wunsch nach dem ist, was er in seinem Oberbewußtsein sogar
haßt. Und es kommt vor, daß die menschliche Seele
oftmals intensiv arbeitet daran, gerade über solche Dinge
sich zu täuschen.
Es
kann zum Beispiel vorkommen, daß zwei Menschen miteinander
leben. Der eine von diesen zweien, die in irgendeinem
Verhältnis stehen, kommt an die Geisteswissenschaft oder
Anthroposophie heran, fühlt sich von ihr begeistert; der
andere, der mit ihm lebt, fühlt sich nicht begeistert,
sondern wird immer schrecklicher und schrecklicher in seinem
Verhältnis, je mehr der andere sich in die
Geisteswissenschaft einlebt, schimpft immer mehr und mehr
über diese Geisteswissenschaft, verlästert sie. Nun
ist folgendes möglich denn das menschliche Seelenleben ist
kompliziert —, daß dieser andere, der die
Geisteswissenschaft verlästert, wenn just nicht sein
Freund oder ein anderswie mit ihm Zusammenlebender Anthroposoph
geworden wäre, vielleicht selbst bei irgendeiner
geeigneten Gelegenheit es geworden wäre. Es hindert ihn
gerade der, der mit ihm lebt, daß er selbst es auch wird.
Das kann durchaus vorkommen; und es kann vorkommen, daß
ein solcher, der diese Geisteswissenschaft verlästert, der
alles mögliche gegen die Geisteswissenschaft vorbringt in
seinem Ich-Bewußtsein, in seinem Unterbewußtsein oder
astralen Bewußtsein den intensivsten Wunsch danach hat
— ja, daß, je mehr er die Geisteswissenschaft
verlästert, desto stärker und stärker der Wunsch
in ihm wird nach ihr. Im Leben hier auf der Erde lässt
sich nämlich solches durchaus durchführen, daß
man im Oberbewußtsein Dinge verlästert, die im
Unterbewußtsein stärker und stärker zutage
treten; aber der Tod macht Wahrheiten aus Unwahrheiten. Und so
kann man bemerken, daß Menschen durch die Pforte des Todes
gehen, die, sei es aus Bequemlichkeit oder aus solchen Dingen
heraus, wie wir sie geschildert haben, die Geisteswissenschaft
verlästert haben; es kann also vorkommen, und das kann
für alles mögliche anwendbar sein, daß sie nach
dem Tode, weil da die Wahrheit sich in der Menschenseele
geltend macht, den Wunsch, den sie nicht bemerkt haben, in
intensivster Weise fühlen. Und man kann nachweisen,
daß Menschen durch die Pforte des Todes gehen, die
scheinbar nach einer Sache gar keinen Wunsch gehabt haben, und
daß doch nach dem Tode ein Wunsch mit aller
Intensität hervortritt. Also darauf kommt es nicht an bei
der Prüfung unserer Kamalokazeit, ob unsere Wünsche,
Begierden, Leidenschaften und so weiter im Oberbewußtsein,
im Ich-Bewußtsein sind, sondern ob sie auch im
astralischen, im Unterbewußtsein sind. Beide wirken in
gleicher Weise brennend nach dem Tode, und die Wünsche und
Begierden, die wir verhüllt haben hier im Leben, die
wirken eigentlich noch intensiver nach dem Tode.
Nun
muß bei einer solchen Sache berücksichtigt werden,
daß irgend etwas, was an sich mit der Menschenseele
verwandt ist, unter allen Umständen einen Eindruck auf
diese Menschenseele macht. Was ich Ihnen jetzt sage, das ist
gut untersucht; es kann wirklich als eine wichtige
menschlich-seelische Tatsache erscheinen, und es ist gut,
daß wir gerade an dem Beispiel der Geisteswissenschaft die
Sache ins Auge fassen. Nehmen wir an, zwei Menschen lebten hier
miteinander; der eine sei eifriger Anthroposoph und der andere
wolle nichts davon wissen. Nun bleibt aber dieser andere, weil
Geisteswissenschaftliches in seiner Umgebung getrieben wird, in
seinem astralischen Leibe nicht unbeeinflußt davon. Es
geschehen wahrhaftig mit unseren Seelen ungeheuer
bedeutungsvolle Dinge, von denen wir nichts wissen, die eben
auf spirituelle Weise auf uns wirken, und es gibt Dinge, die
einfach durch ihre Natur die menschliche Seele formen,
verändern. Und so kann man sagen: Man findet kaum irgend
jemand, der in eines Anthroposophen Umgebung war, wenn er noch
so obstinat dagegen war, der nicht in seinem
Unterbewußtsein einen Hang zur Geisteswissenschaft
bekommen hätte. Man findet gerade bei den mit
Geisteswissenschaft zusammenhängenden Gegnern, daß
sie nach dem Tode eine Wunschessphäre haben, von der man
mit aller Entschiedenheit sagen kann: sie bringt sich dadurch
zum Ausdruck, zur Geltung, daß sie leidenschaftlich dann
nach spiritueller Wissenschaft verlangt. Deshalb hat es sich so
wohltuend für solche Tote erwiesen, was ja vielfach in
unseren Kreisen gemacht wird, daß den Toten, die
während des Lebens wenig von Geisteswissenschaft haben
aufnehmen wollen, nach dem Tode — wie man das nennen kann
— vorgelesen wird. Das erweist sich als
außerordentlich wohltuend für die Betreffenden. Das
wird in der Weise gemacht, daß man versucht, sich, um eine
Imagination zu haben, ein lebendiges Bild von dem Gesichte des
betreffenden Toten vorzustellen, wie er in der letzten Zeit auf
der Erde war, daß man sich ein Buch nimmt und ganz in der
Stille mit dem Gedanken an den Toten, wie wenn er einem
gegenübersitzen würde, ihm vorliest, die Dinge Satz
für Satz durchgeht. Das saugt der Tote mit aller Begierde
auf und hat unendlich viel davon. Ja, sehen Sie, hier stehen
wir an einem Punkt, wo spirituelle Weisheit wahrhaftig recht
praktisch wird im Leben, an einem der Punkte, wo Materialismus
und Spiritualität nicht nur wie Theorien einander
gegenüberstehen, sondern wie Lebensmächte, so
daß man sagen kann: Durch das Herankommen an die
Spiritualität wird die Kommunikation, die Verbindung
geschaffen zwischen menschlichen Individualitäten,
gleichgültig ob sie im Leben oder im Tode sind. Wir
können den Toten nützen, wenn wir im spirituellen
Leben darinnen stehen, auf die geschilderte und auf noch manch
andere Weise, von der bei Gelegenheit noch gesprochen werden
soll. Stehen wir aber nicht im spirituellen Leben darinnen, so
bedeutet das nicht nur einen Mangel an Wissen, an Erkenntnis,
sondern bedeutet, daß es uns wahrhaftig in eine ganz
begrenzte Sphäre des Daseins hereinstellt: nämlich
nur in die Sphäre des Physischen; so daß wir, wenn
wir materialistisch gesinnt sind und nur in der Materie leben,
den Zusammenhang sofort verlieren mit irgendeiner
Individualität, wenn sie durch die Pforte des Todes
gegangen ist. Da haben wir an dem, was gesagt worden ist, ein
Beispiel, wie ungeheuer bedeutungsvoll das Hineinwirken der
einen Welt in die andere ist. Der Tote selbst muß —
wenn er zum Beispiel den intensiven Wunsch hat, nach dem Tode
dies oder jenes kennenzulernen von spiritueller Weisheit
— das entbehren, er muß mit dem Wunsche beladen
bleiben. Es könnte höchstens die Möglichkeit
geben, daß er, was aber in der Kamalokazeit für ihn
kaum möglich ist, irgend jemanden, der auch gestorben ist,
dort findet, der in einem solchen Verhältnis zu ihm
gestanden hatte auf der Erde, daß er durch das bloße
Dasein, durch das Verhältnis, in dem er zu ihm steht, eine
Art von Befriedigung — aber das wäre auch gar keine
große — gewähren könnte. Aber das kommt
nicht in Betracht gegenüber dem, was an ungeheuren
Wohltaten, an Guttaten der noch Lebende, der auf dem physischen
Plan noch Stehende, dem Toten gewähren kann.
Bedenken Sie die Lage des Toten! Er hat den intensivsten Wunsch
nach dem oder jenem. Das kann ihm in der Zeit nach dem Tode
nicht befriedigt werden, weil die Dinge unwandelbar starr
bleiben, die wir in der Seele tragen; aber von der Erde herauf
kann kommen ein Strom, der da eindringt in diesen sonst starr
bleibenden Wunsch. Und das ist eigentlich der einzige Weg, wie
die Dinge, die in unserer Seele spielen, geändert werden
können. Und man darf sagen: In der nächsten Zeit nach
dem Tode hängt vieles, ungeheuer vieles von dem, wie der
Tote leben und sich fühlen kann, davon ab, welches
spirituelle Verständnis diejenigen für ihn
entwickeln, die ihm nahegestanden hatten und
zurückgeblieben sind auf dem physischen Plan.
Wir
machen uns, wenn wir uns im Sinne dessen verhalten, was wir
durch die spirituelle Wissenschaft erfahren können, zu
Gestaltern von ganz anderen Lebensverhältnissen, von
Lebensverhältnissen, welche von der einen Welt in die
andere hineinwirken. In dieser Beziehung muß man ja sagen,
daß heute noch nicht gerade sehr weit fortgeschritten ist
die Ausbildung der Geisteswissenschaft zu Lebensmächten.
Man hätte so ungeheuer viel zu tun, dasjenige, was die
Geisteswissenschaft begründen kann an realen Mächten,
wirklich auszubilden, und es könnte gut sein so, daß
man sich bekannt machte mit den geisteswissenschaftlichen
Wahrheiten und dann das gesamte Leben danach einrichtete.
Würde man in diesem tiefen Sinne Geisteswissenschaft
verstehen, würde man sie so zu einem Lebensnerv machen,
dann würde über spirituelle Theorien wenig diskutiert
und gestritten werden auf der Erde. Das ist das, was wir
bedenken sollen. Durch spirituelle Wissenschaft wird nicht nur
das irdische Leben verändert, sondern das gesamte Leben
der Menschheit. Und wird einmal Geisteswissenschaft viel, viel
mehr auf dem Umwege durch das Begreifen der Ideen Herzenssache
werden, werden sich die Menschen — wenn man das triviale
Wort gebrauchen darf — im Sinne der Geisteswissenschaft
verhalten und benehmen, dann wird auch immer mehr und mehr das
Wechselverhältnis der einzelnen Welten zueinander
hervortreten.
Da
muß man allerdings etwas berühren, was einem nicht so
leicht, möchte ich sagen, geglaubt wird, obwohl es
eingesehen werden kann, wenn man sich die Sache überlegt.
Das Wissen des Menschen nämlich ist, insofern es Wissen
auf dem physischen Plane ist, etwas außerordentlich
Trügerisches, wirklich etwas außerordentlich
Trügerisches; denn der Mensch weiß ja auf dem
physischen Plane wirklich gar nichts anderes als die Tatsachen
und die Zusammenhänge, die er beobachtet. Das ist,
während es für den gewöhnlichen Wissenschafter
oder für den materialistisch gesinnten Menschen das ganze
Um und Auf ist dessen, was er Realität nennt, das
wenigste, wenn man das Seelenleben in seiner Ganzheit ins Auge
faßt.
Ich
will Ihnen ein scheinbar paradoxes Beispiel sagen; aber wir
können uns ja an das Wort Schopenhauers erinnern, daß
die Wahrheit erröten muß, weil sie paradox ist. Der
Mensch weiß Tatsachen und kombiniert die Tatsachen. Er
weiß, nun ja: Es ist halb acht Uhr. Da ist er weggegangen
von seinem Hause, hat diese oder jene Straße
überschritten. Um acht Uhr ist er da oder dort angekommen.
So etwas weiß er durch die Sinneswahrnehmung, so etwas
weiß er durch, sagen wir, Verstandeskombination; aber
nicht weiß er in den meisten Fällen, warum er nicht
um zwei oder drei Minuten früher oder später
weggegangen ist. Die wenigsten Menschen werden sich Gedanken
darüber machen, wenn sie da oder dort um drei oder vier
Minuten früher oder später weggehen; aber das kann
etwas ausmachen. Ich will ein groteskes Beispiel wählen
— aber Beispiele im Kleinen von solcher Art kommen immer
im Leben vor —, das Beispiel, daß der Mensch drei
Minuten sich verspätet habe. Wäre er um acht Uhr
pünktlich weggegangen, so wäre er, sagen wir,
wirklich an etwas gekommen, was ihn überfahren,
getötet hätte. Er ist nicht getötet worden, weil
er sich um drei Minuten verspätet hat. In dieser grotesken
Weise wird es seltener vorkommen, aber solches in mehr oder
weniger wirklich realer Art kommt immer und immer wieder im
Leben vor, nur wissen es die Menschen nicht. Sein Karma hat ihn
beschützt vor dem Tode, indem er drei Minuten später
weggegangen ist. Nun könnte das unbedeutend,
gleichgültig erscheinen, aber es ist nicht
gleichgültig; denn denken Sie sich einmal, daß der
Mensch nur dadurch gleichgültig ist für eine solche
Sache, daß er sie nicht weiß: in dem Augenblick, wo
er sie wüßte, wäre er gar nicht
gleichgültig. Wenn Sie wüßten: ich bin drei
Minuten später weggegangen, als ich wollte; wäre ich
zur rechten Zeit weggegangen, dann wäre ich tot —
dann wäre es nicht gleichgültig für Sie, dann
würde es einen mächtigen Eindruck auf Ihre Seele
machen, dann würde eine tiefe Wirkung ausgehen von diesem
Wissen auf Ihre Seele. Erinnern Sie sich nur, wenn wirklich so
etwas vorkommt, welche Bedeutung das für das Seelenleben
hat. Heißt denn das aber etwas anderes als: der Mensch
geht eigentlich fortwährend mit fest verbundenen Augen
durchs Leben? Das tut er nämlich. Er weiß das, was
äußerlich vorgeht, er weiß aber nicht, wenn die
Dinge ein wenig anders wären, was mit ihm alles geschehen
wäre. Das heißt, dieses Wissen von den
Möglichkeiten entzieht sich den Seelenkräften. Die
Seele lebt gleichgültig dahin, während sie durch
Wissen erschüttert, gehoben werden könnte, durch
Wissen von den Möglichkeiten. Also dadurch, daß der
Mensch das wenigste weiß von den Zusammenhängen, die
da sind, nur das weiß, was eben durch die Umstände
herauskommt, dadurch ist das Seelenleben des Menschen arm,
dadurch drückt sich in diesem Seelenleben nicht das aus,
was sich sonst ausdrücken würde. Vielleicht
würde man überhaupt nicht leicht auf einen scheinbar
so paradoxen Satz kommen, wie er jetzt ausgeführt worden
ist, wenn nicht die Untersuchungen des Lebens nach dem Tode
einen sozusagen mit der intellektuellen Nase darauf stoßen
würden; denn unter dem Mancherlei, was auftritt in der
Seele, ist das, was eben jetzt charakterisiert worden ist als
nicht zum Bewußtsein kommend. Stark tritt vor die Seele
des Menschen nach dem Tode vieles, wovon er während des
Lebens keine Ahnung gehabt hat; stark tritt vor die Seele: Da
warst du in Lebensgefahr, da hast du dir ein Glück
verscherzt, da warst du bequem, und wenn du nicht bequem
gewesen wärest, so hättest du dies oder jenes
erreicht, dies oder jenes Gute bewirken können. Eine ganze
Welt von Nichterlebtem tritt nach dem Tode einem entgegen. Was
dem Materialisten lächerlich erscheint im physischen
Leben, das wird nach dem Tode Realität, das wird
Wirklichkeit, wahre Wirklichkeit. So daß man sagen
muß: man lernt allerdings von dem, was um einen herum ist
und im Leben nicht zum Ausdruck kommt, nach dem Tode eine ganze
Welt kennen.
Sind denn nun diese Dinge gar nicht da, von denen hier die Rede
ist? Nehmen wir einmal den Fall an: Nun gut, wir sind drei
Minuten später von unserem Hause weggegangen, als wir
wollten, sind dadurch dem Tod entgangen. Wir wissen das gar
nicht. Daß wir es nicht wissen als Menschen, das macht
eben nur für den Materialisten etwas aus. Der gescheite
Mensch weiß, daß es darauf nicht ankommt, ob er etwas
davon weiß oder nicht. Der gewöhnlich gescheite
Mensch weiß, daß sich die Dinge nicht kümmern um
sein Wissen, sondern daß sie da sind auch ohne sein
Wissen. Der Kräftezusammenhang, das Gegeneinanderwirken
der Kräfte war da. Es war vielleicht die Eisenbahn da, die
uns hätte überfahren können; wir waren auch da,
alle Vorbereitungen waren da zu unserem Tode. Die Kräfte
haben zueinander gewirkt, sie haben nur aneinander vorbei
gewirkt; aber sie haben sich zusammengedrängt. Solches ist
viel in unserer Umgebung um uns herum im Leben. Da ist es. Wir
nehmen es nicht wahr, aber es ist um uns herum. Wenn nun die
Menschen nach der Bestimmung unseres Zeitenzyklus, nach der in
die Zukunft hineingehenden Menschheitsevolution, nach und nach
Verständnis gewinnen werden für die spirituelle Welt,
dann wird das, was ja allerdings für die sinnliche
Auffassung und den Verstand nicht da sein kann, aber doch in
unserer Umgebung ist, es wird in einer gewissen Weise auf uns
wirken. Und hier kommen wir auf eine außerordentlich
interessante Tatsache. Nehmen wir an, die Sache lag wirklich so
wie geschildert, daß wir dem Tode entgangen wären
dadurch, daß wir uns drei Minuten verspätet haben:
der Materialist, der spürt gar nichts davon; derjenige
Mensch, der sich nach und nach — heute ist die
spirituelle Wissenschaft noch im Anfang ihrer Entwickelung
— Verständnis verschafft in seinem Herzen für
solche Zusammenhänge, bei dem verändert sich
wahrhaftig die Seele. Er geht dann, wenn er sich
Verständnis verschafft hat für diese spirituelle
Wissenschaft, wenn er eine Weile in ihr gelebt und nicht bloss
ein äußeres Verständnis gewonnen hat, sondern
wenn sie Inhalt seiner Seele geworden ist, wenn er mit ihren
Begriffen und Gefühlen und so weiter lebt, vielleicht auch
drei Minuten später weg, entgeht dem Tode aber in dem
Momente, wo der Tod hätte kommen können, wenn die
Umstände anders gewesen wären, da spürt er
etwas, da fühlt er etwas in sich. Fühlen lernen nach
Möglichkeiten, das wird sich ergeben, wenn die
Anthroposophie Lebenssaft der Seele werden wird.
Und
was werden wir zum Beispiel durch so etwas nach und nach
fühlen können, wenn die menschliche Natur sich zu
geisteswissenschaftlichem Verständnis wird durchgerungen
haben? Nun, wir werden durch solch einen Moment, wo etwas
hätte geschehen können, was mit uns im Zusammenhang
steht, zu einer Art von zeitweiligem Medium werden — nach
den Definitionen, die ich in meinen öffentlichen
Vorträgen gegeben habe —, in einen kurz dauernden
medialen Zustand kommen, indem wir in die Lage kommen,
hereinscheinen zu lassen die geistige Welt in unser
Bewußtsein. Solche Momente können die fruchtbarsten
sein für den Menschen, wenn nun die Toten auf ihn
hereinwirken, wenn er etwas bewußt wissen soll über
die Toten. Momente von ungeschehenen Tatsachen, die mit uns
zusammenhängen in solcher Weise, wie es geschildert worden
ist, solche Momente, die mit uns zusammenhängen, die
werden in gewisser Weise Erwecker für Eindrücke aus
der geistigen Welt heraus. Die ganz eigentümliche Art
eines ahnungsvollen Lebens wird sich gerade dadurch in den
Seelen derer entwickeln, welchen Geisteswissenschaft nahetritt
im Leben; dies aus dem Grunde, weil ja die Menschheit wirklich
in Evolution ist und nur ein ganz kurzverständiger Mensch
glauben kann, das Menschengeschlecht sei über alle Zeiten
hin mit denselben Seelenkräften behaftet. Die seelischen
Kräfte ändern sich, und so wahr der Mensch heute
vorzugsweise veranlagt ist, äußerlich wahrzunehmen
und das Wahrgenommene denkend zu verarbeiten, so wahr wird er
durch solche Verhältnisse, wie sie nun geschildert worden
sind, sich hinein entwickeln in ein Zeitalter, in dem
psychisch-spirituelle Kräfte ausgebildet werden. Also ist
auch in dieser Weise Aussicht vorhanden, daß die
Geisteswissenschaft eine Lebensmacht werden wird, die stark
gestaltend eingreifen wird in das Leben. Vorhin haben wir
gesehen, wie eine Wirkung ausgeübt werden kann von dem
physischen Plan aus hinauf in das Leben nach dem Tode; jetzt
sehen wir, wo Tore oder Fenster geschaffen werden können,
damit das, was die Toten erleben, geschaut werden kann hier im
physischen Leben. — Ich wollte Ihnen damit auch einen
Begriff geben davon, wie sozusagen die Gelegenheiten sich
bilden der Kommunikation der beiden Welten.
In
dieser Beziehung wird ja ungeheuer viel gesündigt in der
Verbreitung von allerlei kuriosen Lehren und namentlich
manchmal kuriosen Praktiken. Während der, welcher mit
solchen Dingen bekannt ist, weiß, daß, wenn er mit
irgendeinem Toten zusammenkommen will, erst eine Gelegenheit
geschaffen werden muß — ich sehe jetzt ab von
solchen Gelegenheiten, die auf medialem Wege Zustandekommen
—, eine Gelegenheit, daß sich gleichsam das Fenster
zu dem Toten öffnet, gibt es ja viele leichtsinnige
Menschen, denen mitgeteilt wird, daß der oder jener etwas
wissen will von einem Gestorbenen, sehr bald, nach wenigen
Stunden, einem sagen: Ich habe mit ihm gesprochen, es geht ihm
gut. — Ich habe das nicht wenige Male erlebt, daß
das vorgekommen ist. Das ist auch so etwas, was das Kapitel vom
Autoritätswahn berührt und all dem Unfug, der damit
getrieben wird.
Aber ein anderes können Sie daraus noch sehen: Sie
können daraus ersehen — weil ja die
Kamalokasphäre im wesentlichen im Astralraum ist —,
wie mit der astralischen Welt zusammenhängt die Welt der
Möglichkeiten; die Welt nicht dessen, was hier in der
physischen Welt geschieht, sondern was geschehen könnte.
Und das bitte ich Sie, machen Sie geradezu zum Gegenstand einer
Art Meditation, daß das, was möglich ist in der
physischen Welt, aber nicht wirklich wird, daß das eine
Art Atmosphäre, eine Art Kommunikationsatmosphäre
für den astralen Raum abgibt.
Von
all den vielen Dingen, die zu sagen wären über das
Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt und von denen
wir ja manches im Laufe der nächsten Zeit kennenlernen
werden, sei heute nur noch das eine erwähnt: Im Laufe des
Lebens zwischen Geburt und Tod finden wir ja vorzugsweise,
daß in der Seele dreierlei, sagen wir Kräfte zum
Ausdruck kommen: die Denkkräfte, die
Gefühlskräfte und die Willensund Wunschkräfte.
Die Denkkräfte, die intellektuellen Kräfte so,
daß wir ein wenig heller oder weniger hell sind, die
Gemütsoder Gefühlskräfte so, daß wir mehr
oder weniger mitleidsvoll oder hartherzig sind, mehr oder
weniger religiös oder irreligiös veranlagt sind, die
Wunschund Willenskräfte so, daß unsere Taten mehr
oder weniger egoistisch oder unegoistisch sind. So kommen diese
dreierlei Arten von Seelenkräften zwischen Geburt und Tod
zur Geltung. Für das Leben zwischen dem Tod und einer
neuen Geburt haben diese verschiedenen Seelenkräfte eine
ganz verschiedene Bedeutung. Nehmen wir zuerst die
intellektuellen Kräfte. Wozu, so können wir uns
fragen, verhelfen sie uns nach dem Tode? Die intellektuellen
Kräfte verhelfen uns nach dem Tode dazu, unsere
Bewußtheit, das bewußte Durchleben der Zeit zwischen
dem Tod und einer neuen Geburt besonders hell zu machen, so
daß, je mehr wir uns Mühe geben in dem physischen
Leben, erstens klar und zweitens richtig und wahrhaftig zu
denken, je mehr wir uns Mühe geben, uns mit spirituellen
Tatsachen in rechtmäßiger Weise bekanntzumachen,
unser Bewußtsein desto mehr sich aufhellt zwischen dem
Tode und einer neuen Geburt, so daß — und ich will
da gleich das Konkrete schildern ein Mensch, der unwahrhaftig
ist in bezug auf seine intellektuellen Eigenschaften, der kein
besonderes Interesse hat, aus der Wahrhaftigkeit heraus mit den
geistigen Verhältnissen bekanntzuwerden, die man nur durch
Erkenntnis erreichen kann, zwar nach dem Tode ein
Bewußtsein entwickeln wird, aber ein Bewußtsein, das
sich langsam herabdämpfen wird. Und nun ist das
Eigentümliche dies, daß das Herabdämpfen des
Bewußtseins nach dem Tode verursacht, daß wir eine
gewisse Zeit schneller durchlaufen, das heißt, wir laufen
schneller in der geistigen Welt, wenn wir mehr schlafend sind,
als ordentlich wachend. Wenn also einer stumpf ist gegen alles,
was intellektuelle Kräfte sind, so bleibt er eine Zeit
nach dem Tode bewußt, aber dann kann er das
Bewußtsein nicht mehr aufrechterhalten; seine Dumpfheit
bewirkt einen Dämmerzustand, und dann verläuft das
übrige Leben rasch, und er kommt
verhältnismäßig bald ins irdische Leben
zurück.
Anders verhält es sich für die Kräfte, die den
Willen und Wunsch betreffen. Diese Kräfte verhelfen uns
dazu, starke oder schwache Kräfte herauszuziehen aus den
makrokosmischen Verhältnissen in der Zeit zwischen dem Tod
und einer neuen Geburt, wie wir sie brauchen zum Aufbau unseres
nächsten Lebens. Kommt man durch unmoralische
Seelenstimmung in solche Verhältnisse, wie wir sie
geschildert haben, so kann man die nötigen Kräfte
nicht herausziehen, die den astralischenoder Ätherleib
ordentlich aufbauen sollen; die werden dann verkümmert
sein. Man wird schwächlich sein und dergleichen.
Moralität ist also das, was uns dazu befähigt, die
Kräfte, die wir brauchen für die folgende
Inkarnation, aus der höheren Welt herauszuziehen. So
hängen Intellektualität und Moralität eng mit
dem zusammen, was aus dem Menschen sozusagen durch seinen
Aufenthalt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt in der
übersinnlichen Sphäre wird. Die Gemütsoder
Gefühlskräfte, gewissermaßen die innersten
Kräfte der menschlichen Seele, die treten uns in der
entsprechenden Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt
objektiv entgegen; die sind außer uns. Das ist sehr
bedeutungsvoll. Ein Mensch, der liebeund mitleidsfähig
ist, der durchlebt das Leben zwischen dem Tod und einer neuen
Geburt so, daß ihm die lebensfördernden,
seligmachenden, starkmachenden Bilder, die dem Mitleid
entsprechen, als seine Umwelt, als das, in dem er sich
befindet, vor die Seele tritt. Dem Hasser treten die Bilder des
Hasses vor die Seele. Wie wir sind in unserem Innersten, wir
schauen es in gewisser Zeit zwischen dem Tode und einer neuen
Geburt als Weltengemälde außer uns. Es gibt keinen so
guten Maler, als es die Kräfte sind zwischen dem Tode und
einer neuen Geburt. Für die innersten Seelenkräfte
unseres Gemütes ist unser Firmament dasjenige, was wir
zwischen dem Tod und einer neuen Geburt schauen, so wie wir das
Himmelsfirmament sehen hier auf Erden. Es ist unser Firmament
zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Es ist immer bei uns.
Es hängt damit zusammen, daß wir, wenn wir in das
Innerste unserer Seele so, wie es vorgestern erwähnt
worden ist, das Mysterium von Golgatha aufgenommen haben, wenn
wir uns ein Verständnis für das Paulinische Wort
erworben haben: «Nicht ich, sondern der Christus in
mir», wenn wir den Christus in uns erleben, dann haben wir
während des Sonnenseins die Möglichkeit, das, was da
erwähnt worden ist als Akasha-Bilderwelt um uns herum, den
Christus in seiner schönsten, großartigsten Gestalt,
wie man sagt, in seiner Offenbarungsglorie zu schauen wie das
Element, in dem wir leben und weben. Dieser Gedanke braucht
nicht bloß eine egoistische Bedeutung zu haben, sondern er
kann eine ganz sachliche Bedeutung haben. Denn das, was wir da
als Gemälde ausgebreitet finden, das nehmen wir beim
Weitergang wiederum in unsere Seele auf und bringen es in die
nächste Inkarnation und machen uns dadurch nicht nur zu
einem besseren Menschen, sondern zu einer besseren Kraft in der
Erdenentwickelung.
So
hängt das, was wir an unserem Gemüt arbeiten,
geradezu mit unseren Fähigkeiten in dem nächsten
Leben innig zusammen, und wir haben wiederum gleichsam die
Technik kennengelernt, wie sich unsere Gemütskräfte
als großer Weltenteppich, als Weltenfirmament um uns herum
bilden zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, um dann
wiederum in uns zu sein in entsprechender Weise mit
stärkerer Kraft als im vorhergehenden Leben: denn alles
verstärkt sich dadurch, daß man, was man in einem
Leben innerlich durchlebt hat, in der Zwischenzeit zwischen dem
Tod und einer neuen Geburt um sich schaut und dadurch sich mit
dem Erlebten stärker macht, all die Kräfte noch
entwickelt, die aus dem lebendigen Schauen hervorgehen.
So
haben wir wiederum einiges besprochen von den Dingen, die so
unendlich wichtig sind, über die Verhältnisse
zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, die wichtig sind aus
dem Grunde, weil wir ja im Leben auf der Erde doch nichts
anderes sind als das, was das Leben zwischen dem Tod und einer
neuen Geburt aus uns gemacht hat, und weil wir zu einer
wirklichen Erkenntnis unseres eigenen Wesens und deshalb auch
zu einem wirklichen Tun und Handeln und Denken in der
Menschenzukunft immer weniger werden kommen können, wenn
wir unberücksichtigt lassen das, was in einer spirituellen
Welt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt vorgeht. Diese
Betrachtungen sind ein Teil ausgebreiteter Dinge, die da gesagt
werden können über das Leben zwischen dem Tod und
einer neuen Geburt. Ich wollte zunächst einmal einen
Anfang machen mit dem, was ja auf die eine oder andere Weise in
der nächsten Zeit immer mehr und mehr zum Inhalt der
Geisteswissenschaft werden soll.
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