FÜNFTER
VORTRAG
Den
Haag, 24. März 1913
Es
wird sich darum handeln, daß wir diesen Vortragszyklus
gerade im richtigen Sinne nehmen, das heißt, ihn
betrachten als eine Auseinandersetzung über Erlebnisse,
die der Mensch durchmacht als Veränderungen in sich selbst
während seiner esoterischen, oder sagen wir, durch
Anthroposophie an ihm bewirkten Entwicklung, so daß das,
was geschildert wird, durchaus anzusehen ist als etwas, was
während der Entwicklung wirklich erlebt werden kann.
Naturgemäß können nur hervorstechende
Erlebnisse, sozusagen typische Erlebnisse auseinandergesetzt
werden; allein an diesen hauptsächlichsten Erlebnissen
wird man ja eine Vorstellung gewinnen können über
mancherlei anderes noch, was im Verlaufe der Entwicklung zu
beobachten ist. Gestern sprachen wir hauptsächlich davon,
daß der Mensch sich eine feinere Empfindlichkeit
gegenüber dem aneignet, was im äußeren
Lebensäther oder überhaupt im Äther vorgeht.
Verknüpft sind diese Erlebnisse mit mancherlei anderen,
und ein Erlebnis, auf das ganz besonders zu achten ist, ist
das, was wir gegenüber unserer Urteilskraft machen.
Nicht wahr, als Menschen stehen wir ja in der Welt so, daß
wir die Dinge, die an uns herantreten, in einer gewissen Weise
beurteilen, daß wir uns Vorstellungen über die Dinge
machen, daß wir das eine für richtig, das andere
für nicht richtig halten. Wie ein Mensch imstande ist, die
Dinge zu beurteilen, davon hängt ja das ab, was man in der
Regel als Klugheit, als Gescheitheit, als Urteilsfähigkeit
bezeichnet. Diese Klugheit, diese Gescheitheit, diese
Urteilsfähigkeit wird allmählich im Laufe der
Entwicklung etwas, was sich in ein anderes Licht setzt. Ein
wenig ist das ja schon gestern angedeutet worden. Man findet
immer mehr und mehr, daß für die eigentlichen
Angelegenheiten des höheren, des spirituellen Lebens
gerade diese Klugheit, diese Gescheitheit nicht von dem
allergeringsten Wert ist, obwohl man sie so viel als
möglich mitbringen mußvon seinem Ausgangspunkt, von
dem physischen Plan aus, wenn man den Weg in die höheren
Welten antreten will. Und so kommt man schon einmal in die
Lage, die den Nützlichkeitsmenschen leicht als
unerträglich erscheinen kann: daß man etwas ganz
notwendigerweise zunächst braucht für eine
höhere Entwicklung und daß dennoch dann, wenn man in
dieser höheren Entwicklung drinnen steht, es an Wert
verliert. Man muß also gewissermaßen alles
daransetzen, um eine gesunde, den Tatsachen gerecht werdende
Urteilskraft hier auf dem physischen Plan zunächst zu
entwickeln, muß sich aber dann klar sein darüber,
daß beim Verweilen in den höheren Welten selbst diese
Urteilskraft nicht den gleichen Wert hat wie hier unten auf dem
physischen Plan. Wenn man gesunde höhere Sinne haben will,
dann muß man von einer gesunden Urteilskraft ausgehen;
aber diese gesunde Urteilskraft muß sich eben verwandeln
für das höhere Anschauen in gesundes Anschauen.
Nun
sind wir aber, wenn wir uns noch so sehr entwickeln, immer
solange wir auf dem physischen Plan zu verweilen haben,
Menschen dieses physischen Planes, und auf diesem physischen
Plane haben wir die Aufgabe, unsere Urteilskraft gesund zu
entwickeln. Daher müssen wir sorgfältig darauf
achten, daß wir beizeiten lernen, nicht miteinander zu
vermischen das Leben in den höheren Welten und das Leben
auf dem physischen Plan. Wer unmittelbar anwenden will
dasjenige, was er für höhere Welten erlebt, auf den
physischen Plan, der wird leicht zum Schwärmer, zum
unbrauchbaren Menschen. Wir müssen uns angewöhnen,
klar in der höheren Welt leben zu können und dann
wiederum, wenn wir heraustreten aus dem Zustande dieses Lebens
in den höheren Welten, möglichst uns an das zu
halten, was das Richtige ist für den physischen Plan. Und
diese Doppelstellung, die durch die Doppelstellung des
geistigen und physischen Lebens selber gefordert wird, die
müssen wir sorgfältig und gewissenhaft
durchführen. Wir gewöhnen uns an eine richtige Lage
zur Welt auf diesem Gebiete dadurch, daß wir
möglichst uns nicht angewöhnen, in den
alltäglichen Umgang hinein dasjenige zu mischen, was der
höheren Welt einmal angehört; daß wir in den
alltäglichen Umgang hinein möglichstwenig von dem
mischen, wozu man so leicht versucht sein kann: etwa zu sagen,
wenn einem irgend etwas an einem Menschen unsympathisch ist,
man könne seine Aura nicht vertragen. Es ist besser, wenn
man bei der gewöhnlichen Redensart bleibt für das
gewöhnliche Leben, wenn man sagt: es sei einem dieses oder
jenes unsympathisch. Es ist besser, daß man in dieser
Beziehung ein Mensch auf dem physischen Plan unter anderen
Menschen auf dem physischen Plan bleibt und möglichst mit
Ausdrücken, die ja vollständig ihre Richtigkeit in
bezug auf das höhere Leben haben, sparsam ist im
gewöhnlichen Leben. Sorgfältig sollte man sich davor
bewahren, in den täglichen Umgang Worte, Begriffe,
Vorstellungen hineinzumischen, die dem höheren Leben
gehören. Das könnte vielleicht wie eine Art
pedantischer Forderung erscheinen demjenigen, der — nun,
sagen wir — aus einer gewissen Begeisterung für das
spirituelle Leben findet, daß es notwendig sei, das ganze
Sein zu durchdringen mit diesem spirituellen Leben; und
dennoch: Was vielleicht in einem gewöhnlichen Fall
für das gewöhnliche Leben pedantisch erscheinen
möchte, es ist ein wichtiger Erziehungsgrundsatz für
die höheren Welten.
Übersetzen wir daher, wenn es uns naturgemäßer
scheinen sollte, mit Worten des höheren Lebens das
gewöhnliche Leben zu bezeichnen, übersetzen wir das
in eine möglichst für den physischen Plan taugliche
Sprache! Immer wieder und wiederum muß betont werden,
daß diese Dinge nicht gleichgültig, sondern
bedeutungsvoll und wirksam sind. Wenn man das voraussetzt, dann
kann man auch unbefangen davon reden, wie mit Bezug auf das
Leben in den höheren Welten die gewöhnliche
Urteilskraft an Wert verliert, wie man gewissermaßen
fühlen lernt, daß die Art, wie man vorher gescheit
war, jetzt aufhören müsse. Und da merkt man dann
wiederum — das ist eine Erfahrung, die man immer mehr und
mehr macht — seine Abhängigkeit von dem
ätherischen Leben der Welt, nämlich von der Zeit. Wie
leicht trifft man es gerade in unserem Zeitalter, daß
Menschen — sagen wir — von einer gewissen Jugend
sich an alles, alles, was in der Welt beurteilt werden kann,
heranmachen und nun glauben: Ja, wenn man sich angeeignet hat
eine gewisseUrteilsfähigkeit, dann kann man über
alles sein Ja und Nein sagen, dann kann man über alles
mögliche philosophieren. — Dieser Glaube, daß
man über alles mögliche philosophieren könne,
der reißt sich bei einer esoterischen Entwicklung
gründlich aus der Seele heraus; denn da merkt man,
daß unsere Urteile eigentlich etwas Wesenhaftes haben, das
vor allen Dingen der Reifung bedarf. Man lernt erkennen, wie
man mit gewissen Vorstellungen, die man in sich aufgenommen
hat, einfach eine Zeitlang leben muß, so daß unser
eigener Ätherleib sich mit ihnen auseinandersetzen kann,
wenn man zu einem Urteil kommen will, mit dem man selber
einverstanden sein kann. Man merkt, daß man es abwarten
muß, zu einem gewissen Urteil zu kommen. Man merkt erst
dann die ganze, volle Bedeutung des Wortes: Ausreifenlassen
dasjenige, was Seeleninhalt ist. Und man wird im Grunde
genommen immer bescheidener und bescheidener.
Es
ist ja allerdings mit diesem Bescheidenerwerden eine so
eigenartige Sache, weil man nicht immer die Waage halten kann
zwischen dem Urteilenmüssen und dem Wartenkönnen auf
die Reife, um über irgendeine Sache ein Urteil zu haben,
weil man sich auch gerade über diese Dinge in hohem
Maße täuscht und weil es eigentlich nichts Rechtes
gibt als das Leben selber, das einen aufklären kann
über diese Dinge. Es kann — sagen wir — bei
einer Frage über irgendein Weltengeheimnis, über
irgendein Weltengesetz ein Philosoph gegenübertreten einem
solchen, der esoterisch bis zu einem gewissen Grade entwickelt
ist. Wenn der Philosoph nur sein philosophisches Urteil
fällen kann, so wird er einmal in sich den Glauben haben,
daß er recht haben müsse über irgendeine Sache,
und man wird begreifen, daß er diesen Glauben haben
muß. Der andere wird ganz gut wissen: mit der
Urteilsfähigkeit, die der Philosoph aufbringen kann, kann
über die Frage überhaupt nicht entschieden werden.
Denn er weiß, daß er die Vorstellungen, die der
Philosoph zu einem Urteil zusammenbraut, in vergangenen Zeiten
in sich aufgenommen hat, daß er sie ausreifen ließ in
sich und daß ihm das erst die Möglichkeit gebracht
hat, eine Anschauung zu haben über die Sache; er
weiß, daß er gelebt hat mit der Sache und daß er
sichdadurch reif gemacht hat zu diesem Urteil, welches er jetzt
auf einer höheren Stufe der Reife fällt. Aber eine
Verständigung zwischen beiden ist eigentlich
ausgeschlossen, kann gar nicht unmittelbar herbeigeführt
werden in vielen Fällen; nur dann kann sie
herbeigeführt werden, wenn in dem Philosophen ein
Gefühl auftaucht von der Notwendigkeit des Ausreifens
gewisser Seeleninhalte, bis man sich über sie eine Meinung
gestatten darf. Meinungen, Anschauungen — das lernt man
immer mehr und mehr erkennen — müssen erkämpft,
müssen errungen werden. Dafür eignet man sich eine
tiefe, eine intensive Empfindung an, und das rührt davon
her, weil man dieses innere Zeitgefühl bekommt, das im
wesentlichen mit der Entwicklung des Ätherleibes
zusammenhängt.
Ja,
man merkt allmählich einen gewissen Gegensatz in der Seele
heraufkommen zwischen der Art, wie man früher geurteilt
hat, und wie man jetzt, nachdem man sich eine gewisse Reife in
der entsprechenden Angelegenheit errungen hat, urteilt; und man
merkt, wie das, was man in der Vergangenheit hat urteilen
können, und das, was man jetzt urteilt, sich wie zwei
Mächte gegenüberstehen, und man merkt dann eine
gewisse innere Beweglichkeit des Zeitlichen in sich, man merkt,
wie durch das Spätere das Frühere überwunden
werden muß. Dies ist das Heraufdämmern eines gewissen
Zeitgefühles im Bewußtsein, das auftritt durch das
Vorhandensein innerer Kämpfe, die aber nur dadurch
auftreten, daß das Spätere mit dem Früheren in
einen gewissen Gegensatz kommt. Dieses ist durchaus notwendig
sich anzueignen als ein inneres Zeitgefühl, als eine
innere Zeitempfindung; denn daran müssen wir festhalten,
daß wir das Ätherische nur erfahren lernen, wenn wir
uns einen inneren Zeitbegriff aneignen.
Des
weiteren wird uns das ein gewisses Erlebnis, daß wir immer
das Gefühl haben: das Frühere rührt von uns
selber her in unserem Urteil, in unserer Erkenntnis; das
Spätere ist wie in uns eingeflossen, ist uns wie
entgegengeströmt, ist uns verliehen worden. Immer
deutlicher tritt das Gefühl eben hervor von dem, was schon
gestern erwähnt worden ist: daß die Gescheitheit, die
aus einem selber stammt, abgelöst werden muß von der
Weisheit, die wie durch eineArt von Hingabe an einen aus der
Zukunft entgegenfließenden Strom erworben wird. Sich
erfüllt fühlen von Gedanken, im Gegensatz zu dem, was
man früher getan hat, da man gelebt hat in dem
Bewußtsein, man mache die Gedanken, das bezeugt den
Fortschritt. Indem man immer mehr und mehr fühlen lernt,
man macht nicht mehr Gedanken, sondern die Gedanken denken sich
in einem, indem man dieses Gefühl hat, hat man ein Zeichen
dafür, daß der ätherische Leib allmählich
in sich das notwendige innere Zeitgefühl entwickelt. Alles
Frühere wird den Beigeschmack des egoistisch Gemachten
haben; alles das, was beim Heranreifen erlangt ist, wird den
Beigeschmack haben, daß es verbrennt dasjenige, was man
selber gemacht hat, daß es aufzehrt dasjenige, was man
selber gemacht hat. Und so verwandelt man allmählich sein
Inneres in ein ganz merkwürdiges Erleben: Man kommt immer
mehr und mehr zu dem Bewußtsein davon, daß das eigene
Denken, das eigene Gedankenmachen unterdrückt werden
müsse, weil es etwas Minderwertiges ist, und daß das
Sichhingeben an die Gedanken, die einem aus dem Kosmos
zuströmen, das eigentlich Wertvolle ist.
Das
Eigenleben verliert sozusagen einen seiner Teile — das
ist außerordentlich wichtig —, es verliert den Teil,
den wir vorzugsweise das Selbstdenken nennen, und übrig
bleibt nur das Selbstfühlen, Selbstempfinden und
Selbstwollen. Aber auch diese erfahren eine Veränderung
gleichzeitig mit dem Denken. Man macht nicht mehr seine
Gedanken, sondern sie denken sich im Innern der Seele. Mit dem
Gefühl, daß die Gedanken Eigenkräfte haben,
durch die sie sich denken, kommt ein gewisses
Zusammenfließen von Gefühl und Wille. Gefühl
— könnte man sagen — wird immer mehr und mehr
aktiv, und Wille wird immer mehr und mehr
gefühlsmäßig. Gefühl und Wille werden
miteinander verwandter, als sie vorher auf dem physischen Plan
waren. Man kann da nicht mehr einen Willensimpuls fassen, ohne
daß man ein Gefühl damit entwickelt. Manches von dem,
was man tut, erzeugt einem ein bitteres Gefühl, anderes
erzeugt einem ein erhebendes Gefühl. Gleichzeitig mit
seinem Willen fühlt man in sich ein
gefühlsmäßiges Richteramt über seine
eigenen Willensimpulse. Gefühle, die bloß um des
Genusseswillen da sind, an denen erlebt sich allmählich,
daß sie einem zu einer Art von Vorwurf gereichen;
Gefühle aber, welche so empfunden werden, daß man
sich sagt, man muß als Menschenseele den Schauplatz
für solche Gefühle abgeben, man muß sie
innerlich erleben, sonst würden sie im Weltenall nicht da
sein, solche Gefühle findet man nach und nach
gerechtfertigter als die anderen.
Es
sei gleich ein besonderes Beispiel angeführt, und zwar ein
radikales Beispiel, damit das, was gemeint ist, recht deutlich
hervortreten kann. Irgend jemand — es soll damit nichts
profaniert werden, sondern die Sache nur radikal
ausgedrückt werden —, irgend jemand könnte so
recht seine Freude haben an einer guten Mahlzeit, an einem
guten Mahle. Wenn er diese Freude erlebt, so geschieht etwas
mit ihm - das ist ganz zweifellos -, aber es verändert
sich nicht viel im Welteninhalt, im Kosmos, ob der einzelne
diese Freude an einem guten Mahle hat oder nicht; es macht das
für das allgemeine Weltenleben nicht viel aus. Wenn aber
jemand hernimmt das Johannes-Evangelium und liest darin nur
drei Zeilen, so macht das ungeheuer viel für das ganze
Weltenall aus; denn wenn zum Beispiel niemand unter den
Erdenseelen das Johannes-Evangelium lesen würde,
würde die ganze Erdenmission nicht erfüllt werden
können: von unserer Teilnahme an solchen Dingen strahlen
aus spirituell die Kräfte, welche der Erde immer neues
Leben zuführen gegenüber dem, was in ihr
abstirbt.
Man
muß sich einen Unterschied im Erleben aneignen zwischen
demjenigen, was bloß egoistisches Fühlen ist, und
dem, wo wir nur den Schauplatz abgeben zu dem Erleben des
Gefühls, das da sein muß für das Weltendasein.
Es kann unter Umständen ein Mensch äußerlich
sehr wenig tun, aber wenn er, nicht um einen persönlichen
Genuß zu haben, sondern mit einer entwickelten Seele
weiß, daß in seinem Gefühl die Gelegenheit
gegeben wird, daß dieses Gefühl, welches für das
Weltendasein wichtig ist, überhaupt vorhanden ist, so tut
er damit außerordentlich viel. So sonderbar es erscheint,
so sei auch noch das Folgende gesagt: Es hat einmal einen
griechischen Philosophen gegeben, der Plato hieß. Es
rühren von ihm Schriften her. Solange man nur auf dem
physischen Planlebt mit seiner Seele, liest man diese
Schriften, um sich aus ihnen zu belehren. Eine solche
äußere Belehrung hat ihre Bedeutung für den
physischen Plan, und es ist ganz gut, wenn man alles
mögliche benutzt, um sich auf dem physischen Plane zu
belehren, denn sonst bleibt man eben dumm. Die Dinge, die auf
dem physischen Plane geleistet werden, sind dazu da, daß
man sich aus ihnen belehrt. Wenn aber die Seele esoterisch sich
entwickelt hat, dann nimmt sie — sagen wir — den
Plato und liest ihn wiederum aus einem anderen Grunde:
nämlich weil der Plato mit seinen Schöpfungen nur
dann einen Sinn im Erdendasein gehabt hat, wenn das, was er
geschaffen hat, in Seelen auch erlebt wird; und man liest dann
nicht nur, um sich zu belehren, sondern man liest, weil dadurch
etwas getan wird. So müssen wir uns etwas aneignen
für unser Fühlen, was uns einen Unterschied erkennen
läßt zwischen egoistischem Fühlen, das mehr nach
der Genußseite hingeht, und unegoistischem Fühlen,
welches einem erscheint wie eine spirituelle Verpflichtung.
Sogar bis ins äußere Leben und in die
äußerliche Lebensanschauung kann sich das
hineinerstrecken. Und hier kommen wir auf einen Punkt zu
sprechen, welcher — man möchte sagen — aus dem
einzelnen Erleben in das soziale Erleben hineinleuchtet. Wenn
derjenige, der mit den Geheimnissen der Esoterik bekannt ist,
sich das äußere Weltentreiben anschaut: wie so viele
Menschen die freie Zeit, die ihnen bleibt, verschwenden, statt
ihre Gefühle zu veredeln in Anknüpfung an das, was
dem Erdendasein aus den geistigen Schöpfungen kommt, dann
möchte der, der eine esoterische Entwicklung durchgemacht
hat, weinen über die Stumpfheit im Menschendasein, das
vorübergeht an dem, was da ist, damit es durch
menschliches Fühlen und menschliches Empfinden
ströme. Und es ist auf diesem Gebiete durchaus darauf
aufmerksam zu machen, daß da, wo diese Erlebnisse
beginnen, schon ein gewisser feinerer Egoismus in der
Menschennatur auftreten wird. Wir werden in den nächsten
Vorträgen hören, wie dieser feinere Egoismus dazu
angetan ist, sich selber zu überwinden; aber es tritt das
durchaus zuerst wie ein feinerer Egoismus auf, und man wird
während der spirituellen Entwicklung an sich erfahren
können, daß eine Art höherer
Genußbedürftigkeit auftritt, eine
Genußbedürftigkeit gegenüber geistigen Dingen
und geistigen Angelegenheiten. Und so grotesk es klingen mag,
so ist es doch wahr, derjenige, der eine esoterische
Entwicklung durchmacht, er sagt sich von einem bestimmten
Punkte an, wenn er auch dieses Bewußtsein nicht bis zum
Hochmut und zur Eitelkeit kommen lassen darf, er sagt sich:
Dasjenige, was an geistigen Schöpfungen auf der Erde
vorliegt, muß von mir genossen werden; es ist da, um von
mir genossen zu werden. So gehört es sich. — Und man
entwickelt einen gewissen Drang allmählich nach solchen
geistigen Genüssen. Die Esoterik wird schon in dieser
Beziehung kein Unheil stiften in der Welt; denn man kann sich
versichert halten, daß, wenn solche Genußsucht
gegenüber den geistigen Schöpfungen der Menschheit
auftritt, diese nicht zum Nachteil sein wird.
Im
Gefolge davon tritt aber noch etwas anderes auf. Man fühlt
also nach und nach seinen eigenen Ätherleib
gewissermaßen erwachen dadurch, daß man das eigene
Denken wie etwas Minderwertiges fühlt, daß man die
Gedanken, die in einen einströmen wie von dem Kosmos, von
dem gottdurchwobenen Kosmos einströmen fühlt. Man
fühlt immer mehr und mehr, wie Wille und Gefühl aus
einem selber aufsteigen; Egoität beginnt man zu
fühlen eigentlich nur noch in Wille und Gefühl,
während man wie etwas, das einen mit der ganzen Welt
verbindet, die Gaben der Weisheit empfindet, von denen man sich
durchströmt fühlt. Und dann ist dieses Erlebnis mit
einem anderen verbunden: Man beginnt diese innere Wirksamkeit
von Gefühl und Willen mit innerer Sympathie und Antipathie
durchwirkt zu erleben. Das Gefühl wird immer feiner und
feiner dafür: Wenn du dieses oder jenes tust, so ist es
eine Schande, da du ein gewisses Quantum von Weisheit doch in
dir hast. — Von anderem kann man fühlen: Es ist
würdig, es zu tun, da man dieses Quantum von Weisheit
fühlt. - Ein im Fühlen auftretendes Erleben der
Selbstkontrolle stellt sich naturgemäß ein. Ein
bitteres Gefühl überkommt einen, wenn man von sich
aufsteigen fühlt einen Willen, der einen drängt,
dieses oder jenes zu tun, was doch nicht gerechtfertigt
erscheint gegenüber der Weisheit, deren man teilhaftig
geworden ist. Dieses bittere Gefühl wird am deutlichsten
wahrgenommen gegenüber dem, was man gesprochen hat; und es
ist gut bei dem anthroposophisch sich Entwickelnden, nicht mit
Unaufmerksamkeit darüber hinwegzugehen, wie sich gerade in
dieser Beziehung verfeinern kann das ganze innere
Empfindungsleben. Während der Mensch des exoterischen
Lebens, wenn er Worte ausgesprochen hat, wenn er dieses oder
jenes gesagt hat, es auch abgetan hat, stellt sich bei
demjenigen, der eine esoterische Entwicklung durchgemacht hat,
ein deutliches Nachgefühl gerade gegenüber dem
Gesprochenen ein: etwas wie eine innere Schande, wenn er etwas
Unrichtiges in moralischer oder intellektueller Beziehung
ausgesprochen hat, etwas wie eine Art von Dankbarkeit —
nicht Wohlgefallen mit sich selbst —, wenn es einem
gelungen ist, so etwas auszusprechen, wozu die errungene
Weisheit «ja» sagen kann. Und fühlt man —
man bekommt auch dafür eine feine Empfindung —,
daß etwas auftaucht wie innere Selbstbefriedigung,
Selbstgefälligkeit, wenn man etwas Richtiges gesagt hat,
dann läßt man sich das zum Zeugnis dafür sein,
daß man noch zuviel Eitelkeit in sich trägt, die
nichts taugt in der Entwicklung des Menschen. Man lernt
unterscheiden zwischen dem Gefühl der Befriedigung, wenn
man etwas gesagt hat, womit man einverstanden sein kann, und
der Selbstgefälligkeit, die nichts taugt. Man versuche
dieses Gefühl nicht aufkommen zu lassen, sondern nur die
Empfindung zu entwickeln gegenüber der Schande, wenn man
Unrichtiges und Unmoralisches gesagt hat, und gegenüber
der Dankbarkeit für die Weisheit, die einem zuteil
geworden ist und die man nicht als seine eigene beansprucht,
sondern als vom Weltenall geschenkt, wenn es einem gelungen
ist, etwas ihr Angemessenes zu sagen.
Nach und nach empfindet man auch so gegenüber seinem
eigenen Denken. Es ist ja vorhin gesagt worden: Man muß
ein Mensch auf dem physischen Plane bleiben; man muß also
neben dem, daß man den selbstgemachten Gedanken nicht
allzuviel Wert beimißt, diese Gedanken doch machen, aber
dieses Selbstdenken verwandelt sich jetzt auch, und zwar so,
daß man es unter die eben charakterisierte Selbstkontrolle
stellt. Bei einem Gedanken, von dem mansich sagen kann: du hast
ihn gemacht und er ist angemessen der Weisheit, — bei
diesem Gedanken entwickelt man ein Gefühl der Dankbarkeit
gegenüber der Weisheit. Ein Gedanke, der aufsteigt als
irrtümlicher, unschöner, unmoralischer Gedanke, der
führt zu einem gewissen inneren Schamgefühl, und man
bekommt die Empfindung: So kannst du noch sein; das ist noch
möglich, daß du so viel Egoität hast, um das zu
denken gegenüber dem, was schon als Weisheit in dich
eingezogen ist! — Das ist ungeheuer wichtig, eine solche
Art von Selbstkontrolle in seinem Inneren zu fühlen. Diese
Selbstkontrolle hat noch die Eigentümlichkeit, daß
sie einem nie gegeben wird durch den kritischen Verstand,
sondern immer auftritt im Fühlen, im Empfinden.
Achten wir wohl darauf, meine lieben Freunde: Derjenige, der
nur gescheit ist, der nur Urteilskraft in bezug auf das
äußere Leben hat, kritisch ist, der kann zu dem, um
was es sich handelt, niemals kommen; denn das muß im
Fühlen aufkommen. Wenn es im Gefühl auftaucht, wenn
man dieses Gefühl sich errungen hat, so ist es ein
Gefühl, das wie aus dem eigenen Innern aufsteigt; man
identifiziert sich dann mit diesem Gefühl der Scham oder
Dankbarkeit und man empfindet sein Selbst verbunden mit diesem
Gefühl. Und wenn ich schematisch aufzeichnen sollte, was
man da erlebt, so müßte ich sagen, daß es ist,
wie wenn man Weisheit von oben einströmend, von oben also
einem entgegenkommend fühlte, von vorne in das Haupt
einströmend und dann einen von oben nach unten
ausfüllend. Dagegen empfindet man, wie einem aus dem
eigenen Leib entgegenströmt etwas von Scham, so daß
man sich identifiziert mit diesen Gefühlen, und sich das,
was als Weisheit da ist, anspricht als etwas, was von
außen gegeben ist; und man empfindet in sich eine Region,
wo sich begegnet das, was jetzt das Ich ist, dieses
Gefühl, und die einströmende, einem geschenkte
Weisheit.
Diese Region, wo die beiden zusammenkommen, die kann man
innerlich erleben. Fühlt man dieses Zusammenkommen, so ist
dieses das richtige innere Erleben der ätherischen Welt.
Man erlebt, wie sich hereindrängen die Gedanken aus der
äußeren ätherischen Welt — denn das ist
die Weisheit, die aus der äußeren ätherischen
Welteinem entgegenströmt, was da hereindrängt und
empfunden wird durch die beiden Gefühle. Das ist die
richtig empfundene ätherische Welt, — und wenn wir
sie so empfinden, steigen wir auf zu den höheren Wesen,
die nur bis zu einem Ätherleib herunterkommen
und
nicht bis zu einem physischen Menschenleib. — Dagegen
kann man auch diese ätherische Welt in einer gewissen
Weise unrichtig erleben. Richtig wird die ätherische Welt
zwischen Denken und Fühlen erlebt, wie eben gezeigt worden
ist: das Erlebnis ist also ein rein innerer seelischer Vorgang.
Unrichtig kann die elementarische oder ätherische Welt
erlebt werden, wenn man sie erlebt an der Grenze zwischen Atmen
und unserem eigenen Ätherleib. Wenn man zu früh oder
überhaupt unrichtig Atemübungen macht, so wird man
allmählich ein Zeuge seines eigenen Atmungsprozesses. Mit
dem Atmungsprozeß, den man dann wahrnimmt —
während man sonst atmet, ohne es wahrzunehmen —,
kann man sich aneignen ein wie sich selber empfindendes Atmen.
Und zu diesem Empfinden kann sich gesellen ein gewisses
Wahrnehmen der ätherischen Welt. Man kann sich durch alle
möglichen Atmungsprozesse ein Erfahren, ein Beobachten
ätherischer Prozesse aneignen, die in der Außenwelt
real sind, die aber zu den niedersten äußerlichen
psychischen Prozessen gehören und die einem niemals, wenn
man sie zu früh erlebt, einen richtigen Begriff geben
werden von der wahren geistigen Welt.
Gewiß, es kann von einem gewissen Zeitpunkt des
esoterischen Übens an auch ein regulierter
Atmungsprozeß eintreten; aber er muß in der richtigen
Weise geführt werden. Dann kommt das zustande, daß
wir die ätherische Welt wahrnehmen, wie es geschildert
worden ist, an der Grenze zwischen dem Denken und Fühlen,
und daß nur unterstützt wird dasjenige, was wir da
kennenlernen, dadurch, daß wir auch die groben
ätherischen Vorgänge kennenlernen, die sich an der
Grenze der ätherischen Welt und unseres Atmungsvorganges
abspielen. Denn die Sache ist so, daß es eine Welt
wirklicher höherer Geistigkeit gibt; die erreichen wir
durch jenen Prozeß, der beschrieben worden ist, zwischen
der Weisheit und dem Fühlen; da dringen wir hinauf bis zu
den Taten, welche in der ätherischen Welt die Wesen der
höheren Hierarchien verrichten. Aber es gibt eine
große Anzahl von allen möglichen guten und schlechten
und widrigen und schauerlichen und schädlichen
Elementarwesen, die, wenn wir mit ihnen zur Unzeit bekannt
werden, sich uns so aufdrängen, als ob sie wirklich eine
wertvolle geistige Welt wären, während sie nichts
anderes sind als in einer gewissen Weise die letzten
Abfallwesen der geistigen Welt. Derjenige, der in die geistige
Welt eindringen will, muß ja schon auch mit diesen
Wesenheiten bekannt werden; aber es ist nicht gut, zuerst mit
ihnen bekanntzuwerden. Denn das Eigentümliche ist dieses,
meine lieben Freunde, daß, wenn man mit diesen Wesenheiten
zunächst bekannt wird, ohne den schwierigeren Weg des
eigenen inneren Erlebens zu gehen, dann bekommt man eine
Vorliebe für diese Wesenheiten, eine ungeheure Vorliebe
für diese Wesenheiten. Und da kann es sich herausstellen,
daß jemand, der auf unrichtige Weise, namentlich durch
solche physische Trainierung, die man eine Änderung des
Atmungsprozesses nennen kann, sich so hinauflebt in die
geistige Welt, daß er gewisse Dinge beschreibt aus diesen
geistigen Welten, so wie sie ihm erscheinen. Und er beschreibt
sie so, daß manche Menschen sie hinnehmen als etwas
außerordentlich Schönes, während sie für
denjenigen, der sie im inneren Erleben wahrnimmt, Schauerliches
und Ekelhaftes sein können. Diese Dinge sind durchaus
möglich im Erleben der geistigen Welt.
Von
anderen Vorgängen, die der Mensch als Trainierung an sich
vornehmen kann und durch die er in schlimme Welten eintreten
kann, braucht hier nicht die Rede zu sein, da es im allgemeinen
in dem der Welt zu verkündenden Okkultismus Usus, Sitte
ist, daß man von demjenigen, was der Mensch in der
geistigen Welt als den Abschaum dieser geistigen Welt
kennenlernt, nicht spricht. Es ist nicht notwendig, daß
man in diese Welt geistig eintritt; daher ist es nicht Usus,
von den Methoden, die unter den Atmungsprozeß noch
hinuntergehen, zu sprechen. Schon der Atmungsprozeß, wenn
er nicht in der richtigen Weise getrieben wird, führt
durchaus in Abfallswesen hinein, die man allerdings
kennenlernen soll, aber nicht zuerst, weil sie einem sonst
durchaus eine gewisse Verliebtheit in sie abgewinnen, die man
eben nicht haben soll. Einen richtigen objektiven Standpunkt
gegenüber ihrem Werte wird man erst bekommen, wenn man von
der anderen Seite in die geistigen Welten eingedrungen ist.
Wenn man nun beginnt, so aus sich selber gleichsam
herausströmend zu fühlen Gegengefühle
gegenüber der Weisheit, Schamgefühle,
Dankbarkeitsgefühle, wenn einem das gleichsam aus dem
eigenen Organismus heraus aufstößt, dann macht man
dadurch wiederum die erste elementarste Bekanntschaft mit
etwas, das dann weiter kennengelernt werden muß in der
fortschreitenden okkulten Entwicklung. Wir haben gestern darauf
aufmerksam gemacht, daß bei dem allmählichen Erleben
des Ätherischen wir mit dem bekannt werden, was in unserem
Hirnätherleib tätig ist als Amshaspands der
Zarathustralehre. Für unsere Begriffe können wir auch
sagen: Wir lernen da zuerst einen Begriff kennen für die
wirkenden Erzengelwesen, für das, was diese Archangeloi in
uns zu tun haben. Durch das, was da zurück sich staut, was
da aus uns selber heraufdringt in dem Gefühl von
Dankbarkeit und Scham, das einen Persönlichkeitscharakter
hat, weil es aus uns herauskommt, durch das bekommen wir den
ersten elementaren wahren Begriff von dem, was man Archai oder
Urkräfte nennt; denn was die Urkräfte in uns wirken,
das erleben wir auf diese eben geschilderte Weise in der ersten
elementarsten Art. Während man sozusagen in seinem Kopfe,
wenn man anfängt ätherisch zu erleben, zuerst die
Archangeloi — man möchte sagen — schattenhaft
erlebt in ihren Tätigkeiten, in ihren ätherischen
Wirkungen, erlebt man in dem, worauf die Weisheit in einem
stößt und was einen Rückschlag gibt, die mit
etwas Willensartigem, aber nicht ganz Willensartigem
durchströmten Ur-kräfte, die in einen eingezogen sind
und die in der menschlichen Persönlichkeit mitwirken. Man
bekommt dann allmählich einen Begriff davon — wenn
man so fühlen lernt —, was der Okkultist meint, wenn
er sagt: Auf der uralten Verkörperung unserer Erde, auf
dem alten Saturn, haben gelebt sozusagen auf ihrer
Menschenstufe die Urkräfte oder Geister der
Persönlichkeit. Damals waren diese Urkräfte oder
Geister der Persönlichkeit Menschen. Sie haben sich
weiterentwickelt. Indem sie sich weiterentwickelt haben, haben
sie die Fähigkeit erlangt, aus dem Übersinnlichen
heraus zu wirken. Und wie entfalten sie in unserer heutigen
Zeit, in unserer Erdenzeit, diese Macht, die sie sich
angeeignet haben, indem ihre Entwicklung fortgeschritten ist
bis zur Erde herein?
Sie
haben sich die Fähigkeit erworben, aus dem
Übersinnlichen an unserer eigenen Leiblichkeit, an unserer
Hülle so zu arbeiten, daß sie in unserem
Ätherleib Kräfte bewirken, welche so zur Erscheinung
kommen, wie beschrieben worden ist. Sie haben diese Kräfte
in uns hereingelenkt, und wenn wir heute fühlen: Wir sind
so organisiert, daß wir in uns die charakterisierten
Gefühle von Dankbarkeit und Scham entwickeln können
wie einen inneren naturgemäßen Vorgang — das
kann in uns zum Erleben werden —, so müssen wir
sagen: Damit dies zum inneren Erlebnis werden kann, damit unser
Ätherleib so pulsieren kann, damit er so reagiert auf die
Weisheit, dazu haben Kräfte in ihn hineingegossen die
Urkräfte, geradeso wie der Mensch selber dazu gelangen
wird, einstmals bei den fernen Verkörperungen unserer Erde
in andere Wesenheiten, die unter ihm stehen werden, in ihr
Inneres hinein solche Fähigkeiten für eine
entsprechende Hülle zu prägen. Was man über die
höheren Welten wissen soll, wird eben nach und nach durch
inneres Erleben erworben, wird erworben dadurch, daß wir
aufsteigen, daß wir von dem physischen Erleben ins
ätherische Erlebenübergehen. Auf dem alten Saturn
— das sei zur Verdeutlichung dieser Dinge noch
angeführt — war ja, wie Sie wissen, die Wärme
sozusagen der dichteste physische Zustand, der einzige
physische Zustand, zu dem es zunächst gekommen ist in der
mittleren Saturnzeit. Und das, was damals — Sie
können das nachlesen in meiner
«Geheimwissenschaft» — als Saturnwirkungen im
Physischen vorhanden war, das waren Wärme- und
Kälteströmungen. Psychisch, seelisch können wir
diese Wärme- und Kälteströmungen auch ansprechen
dadurch, daß wir sagen: Es strömte Wärme, aber
diese war strömende Dankbarkeit der Geister der
Persönlichkeit, oder es strömte Kälte, und diese
strömende Kälte, die nach einer anderen Richtung
strömte, war strömendes Schamgefühl der Geister
der Persönlichkeit. Das ist das, was wir uns
allmählich aneignen müssen, daß sich uns
verbindet das physische Wirken mit dem moralischen Wirken; denn
je weiter wir in die höheren Welten hineingehen, desto
mehr gesellen sich diese beiden Dinge zusammen, das physische
Geschehen, das dann kein physisches Geschehen mehr ist, und das
moralische, das dann aber mit der Macht von Naturgesetzen durch
die Welt hinströmt.
Alles das, was jetzt charakterisiert worden ist als etwas, was
im inneren Erleben auftritt durch den veränderten
Ätherleib, das bewirkt noch ein anderes in der
menschlichen Seele. Es bewirkt, daß diese menschliche
Seele nach und nach anfängt, ein Unbehagen darüber zu
empfinden, daß man überhaupt dieser einzelne Mensch
ist, dieser einzelne persönliche Mensch ist. Das ist
wichtig, daß man auch darauf achten lernt; und es ist gut,
wenn man sich zum Grundsatz macht, überhaupt darauf zu
achten. Je weniger man sich nämlich vor dieser Stufe der
esoterischen Entwicklung angeeignet hat an Interesse für
das, was die Menschen im allgemeinen angeht, an Interesse
für das allgemein Menschliche, desto störender
empfindet man das beim Vorwärtsdringen. Eine Seele, die
ohne Interesse geblieben ist für das allgemein Menschliche
und die dennoch eine esoterische Entwicklung durchmachen
würde, würde sich selber immer mehr und mehr wie eine
Last empfinden. Eine Seele zum Beispiel, die es vermag,
hinzugehen durch die Welt mitleidlos undohne Mitfreude an dem,
was eine andere Seele erfreuen und erleiden kann, eine solche
Seele, die nicht gut untertauchen kann in die Seelen der
anderen, die sich nicht recht hineinversetzen kann in die
Seelen von anderen Menschen, eine solche Seele empfindet, wenn
sie fortschreitet in der esoterischen Entwicklung, sich selber
wie eine Art von Last. Wie ein schweres Gewicht schleppt man
sich selber mit, wenn man, trotzdem man gleichgültig
bleibt gegenüber Menschenleid und Menschenfreude, dennoch
eine esoterische Entwicklung durchmacht; und man kann sicher
sein, daß die esoterische Entwicklung eine
äußerliche, verstandesmäßige bleibt,
daß man das Geistige so aufnimmt wie die Lehren eines
Kochbuches oder einer äußeren Wissenschaft, sobald
man sich nicht als Last empfindet, wenn man trotz seiner
Entwicklung nicht ein mitfühlendes Herz entfalten kann mit
allem Menschenleid und mit aller Menschenfreude. Daher ist es
so gut, wenn man seine menschlichen Interessen erweitert
während seiner okkulten Entwicklung, und nichts ist
eigentlich schlimmer, als wenn man nicht versucht,
Verständnis sich anzueignen im Fortschritt der
esoterischen Entwicklung für jede Art von
Menschenfühlen und Menschenempfinden und Menschenleben.
Das bedingt natürlich nicht den Grundsatz — das
muß immer wieder betont werden —, daß man
über alles Unrecht, das etwa in der Welt geschieht,
kritiklos hinweggehen müsse; denn das wäre ein
Unrecht gegenüber der Welt. Aber etwas anderes bedingt es:
Während man vor seiner esoterischen Entwicklung eine
gewisse Freude haben kann am Tadel irgendeines Menschenfehlers,
hört dieses Freudehaben am Tadeln eines Menschen im Laufe
der esoterischen Entwicklung eigentlich ganz auf. Wer kennt
nicht im äußeren Leben die Spötter, die so gerne
über Fehler anderer eine ganz treffende Kritik abgeben
können. Nicht als ob gerade das Treffende des Urteils
über Menschenfehler aufhören müßte, nicht
als ob man unter allen Umständen verpönte —
sagen wir — eine solche Tat, wie sie Erasmus von
Rotterdam getan hat mit seinem Buche «Das Lob der
Narrheit». Nein, es kann ganz berechtigt bleiben, scharf
zu sein gegen die Fehler, die in der Welt geschehen; aber wer
eine esoterische Entwicklung durchmacht, bei dem ist es so,
daßihn jeder Tadel, den er aussprechen oder in Wirkung
umsetzen muß, schmerzt und immer mehr und mehr Schmerz
bereitet. Und das Leid über das Tadelnmüssen, das ist
etwas, was auch wie ein Barometer der esoterischen Entwicklung
auftreten kann. Je mehr man noch Freude empfinden kann, wenn
man tadeln muß oder wenn man lächerlich finden
muß die Welt, desto weniger ist man wirklich reif,
fortzuschreiten. Und man muß schon allmählich eine
Art von Gefühl dafür bekommen, daß sich in einem
immer mehr ein Leben entwickelt, welches einen diese Torheiten
und Fehler der Welt anschauen läßt mit einem
spottenden und mit einem von Tränen erfüllten Auge,
mit einem nassen und einem trockenen Auge. Dieses innerliche
Gegliedertwerden, dieses Selbständigerwerden sozusagen von
dem, was früher vermischt war, das gehört nun auch zu
der Veränderung, die der Ätherleib des Menschen
erlebt.
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