DRITTER VORTRAG
Dornach, 1 1, August 1919
Was
ich heute werde zu sagen haben, wird eine Art Episode sein. Ich
möchte, wie ich Ihnen schon mitgeteilt habe, über
drei Begriffe kurz sprechen. Über drei Begriffe, welche,
vollständig verstanden, zugleich bewirken das
Verständnis des äußeren sozialen Lebens. Ich
sage ausdrücklich: des äußeren sozialen Lebens,
denn die drei Begriffe sind durchaus dem äußerlichen
Zusammenwirken und Zusammenarbeiten der Menschen entnommen. Es
sind die drei Begriffe Ware, Arbeit, Kapital. Nun habe ich
Ihnen bereits gesagt, daß sich die neuere
Nationalökonomie aller Schattierungen vergeblich
bemüht, über diese Begriffe in vollständige
Klarheit zu kommen. Das war nicht möglich, seit die
Menschen begonnen haben, bewußt volkswirtschaftlich zu
denken. Vor dem Beginn des fünften nachatlantischen
Zeitraumes, also vor dem Zeitpunkt, der da fällt in die
Mitte des 15, Jahrhunderts, kann überhaupt nicht die Rede
davon sein, daß die Menschen ihre gegenseitigen sozialen
Beziehungen in bewußter Weise aufgefaßt haben. Das
Leben verlief mehr oder weniger unbewußt, instinktiv mit
Bezug auf dasjenige, was sozial von Mensch zu Mensch spielte.
Seit dieser Zeit aber mußten die Menschen, weil ja die
Bewußtseinsseele in diesem Zeitalter sich ausbildet, immer
mehr und mehr bewußt nachdenken über die sozialen
Beziehungen. Und so haben sich denn alle möglichen
Richtungen und Anschauungen herausgebildet über das
soziale menschliche Zusammenleben. Es beginnt das mit der
Schule der Merkantilisten, dann mit der Schule der
Physiokraten, mit Adam Smith, mit den verschiedenen
utopistischen Strömungen, Proudhon, Fourier und so
weiter, bis zu der neueren Sozialdemokratie auf der einen
Seite, und zu der neueren Schulnationalökonomie auf der
anderen Seite. Es ist interessant, die neuere
sozialdemokratische Theorie, welche fußt auf Marx,
Engels und anderen, zu vergleichen mit der neueren
Schulnationalökonomie. Die neuere
Schulnationalökonomie ist ganz unproduktiv. Sie bringt
überhaupt nichts hervor von Begriffen, die in das soziale
Wollen einfließen können. Man hat nichts aus den
wirren chaotischen Begriffen der modernen
Schulnationalökonomie, wenn man in dieser Richtung die
Frage aufwirft: Was soll in sozialer Beziehung geschehen? Denn
diese Schulnationalökonomie ist ganz angefressen von
Anschauungen, die überhaupt in der neueren Wissenschaft
herrschen. Und Sie wissen ja, daß trotz des großen,
bewundernswerten Fortschrittes der Naturwissenschaften, der
durchaus eben von der Geisteswissenschaft nicht geleugnet
werden soll, die moderne Schulwissenschaft eigentlich sich
bekennt zu der Ablehnung eines jeglichen, das aus dem Geiste
hervorquillt. Und so will die Nationalökonomie nur
beobachten dasjenige, was im ökonomischen Leben geschieht.
Aber das Beobachten desjenigen, was im ökonomischen Leben
geschieht, das ist etwas fast Unmögliches in der neueren
Zeit, aus dem Grunde, weil die Menschen, je mehr sie herauf
sich entwickelt haben in diese neuere Zeit, überhaupt
nicht mehr Gedanken gehabt haben, welche die ökonomischen
Tatsachen getragen hätten. Die ökonomischen Tatsachen
liefen mechanisch von selbst dahin; die Menschen folgten ihnen
nicht mit den Gedanken nach. Daher kann die Beobachtung dieser
gedankenlosen Tatsachen des Weltmarktes nicht zu Gesetzen
führen und hat auch nicht zu Gesetzen geführt, denn
unsere Volkswirtschaft ist eine Praxis ohne Theorie, ohne
Anschauung, ohne Begriffe, ohne Idee. Und unsere
sozialdemokratische Bestrebung, die ist eine Theorie ohne
Praxis. So genommen, wie sie ist, diese sozialistische Theorie,
kann sie niemals in die Praxis umgesetzt werden; sie ist eine
Theorie ohne Einsicht in die Praxis. Wir leiden gerade in der
modernen Zeit darunter, daß wir auf der einen Seite haben
das wirtschaftliche Leben, eine Praxis ohne Ideen, und auf der
anderen Seite die bloße Theorie der Sozialdemokraten ohne
die Möglichkeit, diese Theorie in das wirkliche
Wirtschaftsleben einzuführen. Wir sind in dieser Beziehung
wirklich an einem Wendepunkt der geschichtlichen Entwickelung
der Menschheit angekommen. Und Sie werden es eigentlich leicht
begreifen, weil ja soziales Leben begründet sein muß
auf der Beziehung von Mensch zu Mensch, daß zugrunde
liegen muß dem, was die Menschen anstreben, wenn sie
soziales gerechtes Leben begründen wollen, eine gewisse
Stimmung. Und sehen Sie, darum handelt es sich bei der
Dreigliederung des sozialen Organismus, daß eine gewisse
Stimmung hervorgerufen werde, eine Stimmung in
zusammengehörigen sozialen Gebieten. Ohne diese Stimmung
zwischen den Menschen kann das soziale Leben nicht wirklich
erblühen. Und dieser Stimmung soll gerade Rechnung
getragen werden durch die soziale Dreigliederung. Heute
möchte ich, wie gesagt, episodisch nur auf einiges nach
dieser Richtung hinweisen.
Wenn Sie sich das soziale Leben als einen Organismus denken, so
müssen Sie sich ja vorstellen, daß, allerdings ins
Geistig-Seelische herauf umgesetzt, diesen Organismus etwas
durchströmt. Wie zum Beispiel den menschlichen und den
tierischen Organismus das Blut als Träger der eingeatmeten
und umgewandelten Luft, so muß den ganzen sozialen
Organismus etwas tragen, etwas durchwehen, etwas
durchzirkulieren.
Hier kommen wir auf dasjenige Kapitel, welches dem
gegenwärtigen Menschen so schwer verständlich ist,
weil er in seinem Gemüte sehr wenig darauf vorbereitet
ist, aber welches auch verstanden werden muß, wenn
überhaupt von einer sozialen Neugestaltung, von einem
sozialen Aufbau im Ernste die Rede sein soll. Verstanden wird
werden müssen, daß im sozialen Leben der Zukunft
etwas davon abhängt, wovon sich die Menschen gegenseitig
unterhalten, was die Menschen ernst nehmen, indem sie
gegenseitig ihre Ideen, ihre Empfindungen, ihre Gefühle
austauschen. Es ist nicht gleichgültig, was unter den
Menschen an Anschauungen lebt, wenn sie soziale Wesen werden
wollen. Und notwendig ist es für die Zukunft, daß
nicht bloß Begriffe in der allgemeinen Bildung herrschen,
welche aus der Naturwissenschaft oder aus der Industrie
entnommen sind, sondern daß Begriffe herrschen, welche
Grundlagen sein können für etwas Imaginatives. So
unwahrscheinlich das dem heutigen Menschen ist, sozialisieren
wird man nicht, wenn man nicht zu gleicher Zeit den Menschen
beibringt imaginative Begriffe, das heißt Begriffe, welche
das Gemüt des Menschen ganz anders gestalten, als die
bloßen abstrakten Begriffe von Ursache und Wirkung, Kraft
und Stoff und Materie und so weiter, die aus dem
naturwissenschaftlichen Leben herkommen. Mit diesen Begriffen,
die aus dem naturwissenschaftlichen Leben herkommen und von
denen heute alles beherrscht ist, sogar die Kunst, mit diesen
Begriffen läßt sich im sozialen Leben der Zukunft
nichts anfangen. Wir müssen in die Lage kommen, im
sozialen Leben der Zukunft die Welt wiederum in Bildern zu
verstehen.
Was
damit gemeint ist, habe ich ja schon zu wiederholten Malen
angedeutet, auch wiederum mit Bezug auf die Erziehungsfrage.
Ich habe mit Bezug auf die Erziehungsfrage folgendes gesagt,
Ich habe gesagt, man kann den Kindern, wenn man sich intim mit
ihnen beschäftigt, gut beibringen, sagen wir die Idee der
Unsterblichkeit der Seele, indem man einfach dem Kinde zeigt
eine Schmetterlingspuppe und ihm zeigt, wie die Puppe sich
aufbricht und der Schmetterling aus der Puppe ausfliegt; dann
macht man dem Kinde klar: Sieh einmal, so wie die Puppe ist, so
ist dein Leib, und da drinnen lebt etwas wie ein Schmetterling,
nur ist das unsichtbar. Wenn du in den Tod kommst, so fliegt
auch bei dir der Schmetterling heraus in die geistige Welt.
— Durch solche Vergleiche wirkt man bildlich. Aber es ist
nicht bloß notwendig, daß man einen solchen Vergleich
ausdenkt; da würde man eben im Sinne der
naturwissenschaftlichen Weltanschauung handeln, wenn man ihn
ausdenkt. Denn was bringen denn die Menschen aus der heutigen
Zeitbildung gewöhnlich, wenn sie einen solchen Vergleich
je einmal machen, ihm für eine Stimmung entgegen? Die
Menschen der heutigen Zeit, wenn sie kaum erwachsen sind, sind
sehr gescheit, außerordentlich gescheit. Sie bedenken gar
nicht, daß man auf eine andere Weise vielleicht gescheit
sein kann, als sie selbst in ihren abstrakten Begriffen sich
vorstellen, daß sie gescheit sind. Es ist nämlich
ganz merkwürdig, wie die Menschen mit Bezug auf diese ihre
heutige Gescheitheit sind!
An einen Vortrag, den ich vor Wochen einmal gehalten habe, hat
sich dann angeschlossen in einem staatswissenschaftlichen
Verein der betreffenden Stadt eine Versammlung, und da hat
über den Vortrag und das, was damit zusammenhing,
gesprochen ein Universitätsprofessor, also
selbstverständlich ein gescheiter Mann der Gegenwart,
nicht wahr. Der hat gefunden, daß die Anschauungen, die
ich nicht nur in jenem Vortrage vorgebracht habe, sondern die
in allen meinen Büchern stehen, infantil sind, das
heißt, auf der Kindheitsstufe der Menschheit stehen. Sehen
Sie, ich begreife ganz gut solch ein Urteil von einem
gescheiten Menschen der Gegenwart; besonders begreife ich es
sehr gut, wenn er gerade Universitätsprofessor ist. Ich
begreife es aus dem Grunde, weil ja aus der Wissenschaft, die
da gemeint ist, alles wirklich bildhafte Leben heraußen
ist und daher alles, was verstanden oder besser gesagt nicht
verstanden wird — kindlich gefunden wird. Ja, sehen Sie,
das ist eben gerade dieses eigentümliche, daß die
Menschen in der heutigen Gescheitheit kommen und sagen: Wenn
wir einmal ein solches Bild anwenden wollen, wie: die
unsterbliche Seele läßt sich vergleichen mit dem
Schmetterling, der aus der Puppe herausfliegt, dann sind wir
die Gescheiten, wir wissen selbstverständlich, daß
das ein Bild ist, das wir gemacht haben; wir sind hinaus
über dasjenige, was ein solches Bild enthält. Aber
das Kind ist kindlich, für das vergleicht man, was man in
Begriffen weiß, mit diesem Bilde; aber wir selber glauben
nicht daran. — Das Geheimnis besteht nur darinnen,
daß dann das Kind auch nicht daran glaubt. Das Geheimnis
liegt darinnen, daß das Kind nur wirklich ergriffen wird
von dem Bilde, wenn man selber daran glaubt. Und dazu soll uns
eben wirkliche geisteswissenschaftliche Stimmung wiederum
zurückbringen, daß wir in der Natur nicht sehen jene
gespenstischen Dinge, von denen uns die Naturwissenschaft
spricht, sondern wiederum sehen das Bildliche, das Imaginative.
Dasjenige, was aus der Puppe auskriecht und in dem
Schmetterling vorliegt, ist wirklich ein von der
göttlichen Weltordnung in die Naturordnung
hineingestelltes Bild für die Unsterblichkeit der Seele.
Und es gäbe den Schmetterling nicht, der aus der Puppe
auskriecht, wenn es nicht eine unsterbliche Seele gäbe.
Denn es kann nicht ein Bild geben — und das ist ein Bild
—, wenn nicht die Wahrheit zugrunde liegt dem Bilde. Und
so ist es mit der ganzen Natur. Dasjenige, was die
Naturwissenschaft gibt, ist Gespenst. Der Natur selber kommt
man nur bei, wenn man weiß, sie ist Bild von etwas
anderem.
Und
so werden sich die Menschen auch bequemen müssen, zum
Beispiel das menschliche Haupt als ein Bild eines
Himmelskörpers anzusehen. Das menschliche Haupt ist nicht
bloß rund, so wie es ist, damit es etwa einem Kohlkopf
ähnlich sehen soll, sondern das menschliche Haupt ist so,
wie es ausgestaltet ist, eine Nachbildung eines
Himmelskörpers. Bildhaft ist die ganze Natur, und
hineinfinden muß man sich in diese Bildhaftigkeit, dann
wird ausstrahlen in die Herzen, in die Seelen, in die
Gemüter, in die Köpfe sogar, obwohl das am schwersten
ist, dasjenige, was durchströmen kann den Menschen, wenn
er Bilder auffaßt. Wir werden miteinander reden
müssen in dem sozialen Organismus von Dingen, die in
Bildern gesprochen sind. Und diese Bilder wird man uns glauben
müssen. Dann werden aus der Wissenschaft hervorgehen
diejenigen Menschen, die da sprechen können erst über
das wirkliche Hineinstellen der Ware in den sozialen
Organismus; denn die Ware, die erzeugt wird, entspricht dem
menschlichen Bedürfnis. Keine abstrakten Begriffe
können dieses menschliche Bedürfnis in seiner
sozialen Wertung erfassen, sondern nur dasjenige menschliche
Gemüt kann etwas darüber wissen, das durchtränkt
worden ist von derjenigen Stimmung, die aus dem imaginativen
Vorstellen kommt. Anders wird es keine Sozialisierung geben.
Sie können im sozialen Organismus die richtigen Leute
anstellen, welche die Bedürfnisse feststellen: wenn Sie
nicht zu gleicher Zeit eine imaginative Vorstellung
hineinerziehen in den sozialen Organismus, so ist es
unmöglich, eine soziale Gestaltung des sozialen Organismus
herauszubekommen; das heißt, es muß von Bildern
geredet werden. So sonderbar es dem heute sozialistisch
Denkenden klingt, es sei zum Sozialisieren notwendig, daß
im sozialen Organismus die Menschen zu den Menschen in Bildern
reden, welche Imaginationen anregen, so muß es doch
geschehen.
Das
ist es, worauf es ankommt. Und dasjenige, was Ware ist, man
wird es fühlend verstehen in einer Wissenschaft, in der
für Bilder Verständnis ist — in keiner
anderen,
In
der Gesellschaft, welche die Gesellschaft der Zukunft sein
soll, da wird außerdem in einer richtigen Weise herrschen
müssen die Arbeit. Wie heute unter den Menschen von der
Arbeit geredet wird, das ist geradezu eine Torheit, denn die
Arbeit als solche hat im Grunde genommen gar nichts zu tun mit
der Erzeugung der Güter. Karl Marx nennt die Ware
kristallisierte Arbeitskraft. Das ist bloßer Unsinn,
nichts weiter. Denn dasjenige, um was es sich handelt) wenn der
Mensch arbeitet, das ist, daß er in einer gewissen Weise
sich selbst verbraucht. Nun können Sie dieses
Selbstverbrauchen bewirken entweder auf die eine oder auf die
andere Weise. Sie können, wenn Sie gerade genügend
auf einer Bank oder in Ihrem Portemonnaie haben, Sport treiben
und sich bei diesem anstrengen und Ihre Arbeitskraft auf diesen
Sport verwenden. Sie können aber auch Holz hacken oder
irgend etwas anderes tun. Die Arbeit kann ganz die gleiche
sein, wenn Sie Holz hacken oder wenn Sie Sport treiben. Nicht
davon hängt es ab, wieviel Arbeitskraft Sie anwenden,
sondern wozu diese Arbeitskraft angewendet wird im sozialen
Leben, Arbeitskraft an sich hat mit dem sozialen Leben nichts
zu tun, insofern dieses soziale Leben Güter oder Waren
erzeugen soll. Daher wird es nötig sein im dreigliedrigen
sozialen Organismus, daß ein ganz anderer Antrieb zur
Arbeit da sein muß als derjenige, Güter zu erzeugen.
Die Güter müssen gewissermaßen durch die Arbeit
erzeugt werden, weil die Arbeit eben auf etwas verwendet wird,
Aber dasjenige, was zugrunde liegen muß, damit der Mensch
arbeitet, das muß die Lust und Liebe zur Arbeit sein. Und
wir kommen nicht früher zu einer sozialen Gestaltung des
sozialen Organismus, als wenn wir die Methoden finden, daß
der Mensch arbeiten will, daß es ihm eine
Selbstverständlichkeit ist, daß er arbeitet.
Das
kann in keiner anderen Gesellschaft geschehen, als in einer
solchen Gesellschaft, in der Sie von inspirierten Begriffen
reden. Niemals wird in der Zukunft so wie in der Vergangenheit,
wo die Dinge instinktiv und atavistisch waren, Lust und Liebe
zur Arbeit die Menschen durchglühen, wenn Sie die
Gesellschaft nicht durchdringen mit solchen Ideen, mit solchen
Empfindungen, die durch Inspiration der Eingeweihten in die
Welt kommen. Diese Begriffe müssen die Menschen so tragen,
daß die Menschen wissen: Wir haben den sozialen Organismus
vor uns und wir müssen uns ihm widmen; das heißt,
daß die Arbeit selber in ihre Seele fährt, weil sie
Verständnis haben für den sozialen Organismus.
Solches Verständnis werden keine anderen Menschen haben,
als diejenigen, zu welchen von inspirierten Begriffen, das
heißt von Geisteswissenschaft geredet wird. Das
heißt, wir brauchen, damit die Arbeit wiederum erstehe
unter den Menschen, nicht jene hohlen Begriffe, von denen heute
deklamiert wird, sondern wir brauchen geistige Wissenschaften,
mit denen wir die Herzen, die Seelen durchdringen. Dann wird
diese geistige Wissenschaft die Herzen, die Seelen so
durchdringen, daß die Menschen Lust und Liebe zur Arbeit
haben werden, und es wird sich die Arbeit hinstellen neben die
Ware in einer Gesellschaft, die nicht nur von Bildern
hört, durch jene, welche die Pädagogen der
Gesellschaft sind, sondern die auch hört von Inspirationen
und solchen Begriffen, die notwendig sind, damit in unserer
komplizierten Gesellschaft die Produktionsmittel da sind und
damit der Boden in entsprechender Weise unter den Menschen
wirke,
Dazu ist notwendig, daß intuitive Begriffe in dieser
Gesellschaft verbreitet werden. Diese Begriffe, die Sie finden
in meinem Buch «Die Kernpunkte der sozialen Frage»
über das Kapital, die werden nur in einer Gesellschaft
erblühen, die empfänglich ist für intuitive
Begriffe. Das heißt: Es wird sich hineinstellen das
Kapital in den sozialen Organismus, wenn man wiederum zugeben
wird, daß in den Menschen Intuition sein soll. Die Ware
wird sich in der richtigen Weise hineinstellen, wenn man
zugeben wird, daß Imagination sein soll; und die Arbeit
wird sich in der richtigen Weise hineinstellen, wenn man
zugeben wird, daß Inspiration sein soll.
Tafel 3
Wenn Sie dieses Schema nehmen, wenn Sie nicht die drei begriffe
untereinander schreiben, sondern wenn Sie sie so schreiben, Wie
ich sie in dieses Schema hineingestellt habe, dann können
Sie von diesem Schema, wenn Sie es mit all den Begriffen
durchdringen, die in meinem Buche stehen über die
Dreigliederung, sehr viel lernen. Denn es bestehen Beziehungen
hin und her von Arbeit zu Ware, von Ware zu Kapital, indem das
Kapital die Ware kauft; es bestehen Beziehungen zwischen Arbeit
und Kapital und so weiter, nur müssen Sie sie in dieser
Weise anordnen, die drei Begriffe. (Siehe Schema.)
Das
ist es, was wir vor allen Dingen verstehen müssen,
daß es schon recht ist, wenn man davon redet, in der
Zukunft müsse die Menschheit durchdringen die soziale
Ordnung; daß aber es notwendig ist, daß diese soziale
Ordnung von den Menschen selber verwirklicht wird, indem die
Menschen sich bequemen, der Wissenschaft der Eingeweihten
zuzuhören von den Imaginationen, Inspirationen und
Intuitionen. Es ist eine ernste Sache, denn ich sage Ihnen ja
nichts Geringeres damit, als daß es ohne
Geisteswissenschaft keine soziale Umgestaltung für die
Zukunft gibt; aber das ist wahr, Sie werden niemals die
Möglichkeit bekommen, die Menschen zum Verständnis zu
bringen in einer solchen Weise, wie es notwendig ist in bezug
auf diese Dinge wie Intuition, Imagination, Inspiration, wenn
Sie zum Beispiel die Schule dem Staate überlassen. Denn
was machen die Staaten aus den Schulen?
Nicht wahr, betrachten Sie etwas, was ganz eminent
schulmäßig auf der einen Seite und
staatsmäßig auf der andern Seite ist. Ja, ich
muß Ihnen gestehen, ich finde, es ist etwas Furchtbares!
Aber dieses Furchtbare bemerken die Menschen der Gegenwart
nicht; dies, was es mit dem Staatsrecht zum Beispiel ist. Das
Staatsrecht, es soll ja entstehen im Sinne derjenigen
Lebensgewohnheiten, welche die Menschen heute noch als das
Richtige in ihre Seele aufnehmen, dadurch, daß
meinetwillen Parlamente — ich will auf den Demokratismus
schauen, will gar nicht einmal auf das Monarchische, sondern
meinetwillen auf den Demokratismus schauen — also
dadurch, daß Parlamente da sind, werden die
staatsrechtlichen Dinge beschlossen: da macht man das
Staatsrecht, da macht es jeder mündig gewordene Mensch
durch seinen Vertreter, das Staatsrecht. Da werden die Dinge
beschlossen, dann stehen sie in den Gesetzessammlungen. Dann
kommt der Professor, der studiert die Gesetzessammlungen, und
dann unterrichtet er dasjenige, was in den Gesetzessammlungen
steht, selbstverständlich als Staatsrecht, denn das
trägt er als Staatsrecht vor. Das heißt, der Staat
nimmt ins Schlepptau die Wissenschaft gerade in diesem Punkt im
eminentesten Sinn. Der Staatsrechtslehrer darf nichts anderes
vortragen als dasjenige, was im Staate als Recht da ist. Man
brauchte gar nicht einmal im Grunde genommen den Professor,
wenn man in der Lage wäre, die staatsrechtlichen Gesetze
auf Rollen zu schreiben, in irgendeinen Phonographen
hineinzutun: dann könnte man auch den Phonographen aufs
Katheder stellen, der brauchte ja nur das abzurasseln, was die
Parlamente beschlossen haben. Das ist dann die
Wissenschaft.
Das
ist nur auf einem extremen Gebiete. Sehen Sie, das ist nichts
Inspiriertes, denn Sie werden kaum in der Lage sein zu
behaupten, daß das, was in den Parlamenten als
Majoritätsbeschlüsse heute zustandekommt, so recht
inspirierte Tatsachen sind. Aber umgekehrt muß die Sache
werden. Im Geistesleben drinnen, an den Universitäten
muß das Staatsrecht entstehen als Wissenschaft
zunächst, rein aus der menschlichen geistigen Auffassung
heraus. Nur dann kann der Staat die richtige Konfiguration
bekommen, wenn die Menschen sie ihm geben. Manche Menschen
glauben, die Dreigliederung will die Welt auf den Kopf stellen.
O nein, die Welt steht auf dem Kopf, die Dreigliederung will
sie nur auf die Beine stellen. Das ist dasjenige, worauf es
ankommt.
Sehen Sie, es handelt sich vor allen Dingen heute, in solche
Begriffe sich hineinzufinden, sonst gehen wir entgegen der
Mechanisierung des Geistes, der Einschläferung, das
heißt Vegetarisierung der Seele und der Animalisierung,
das heißt der instinktiven Gestaltung der Leiber.
Es
ist sehr wichtig, sich zu durchdringen mit der
Überzeugung, daß in so radikaler Weise gedacht werden
muß, wenn der Zukunft irgendein Heil erblühen soll.
Es ist also vor allen Dingen notwendig, daß die Menschen
einsehen, daß sie den sozialen Organismus auf seine drei
gesunden Glieder werden stellen müssen. Was Imagination in
bezug auf Ware bedeutet, man wird es nur lernen, wenn das
Wirtschaftsleben rein herausgestaltet ist und die Menschen
darauf angewiesen sind, das Wirtschaftsleben in
Brüderlichkeit zu verwalten. Was Inspiration für die
Arbeit bedeutet — daß sie Lust und Liebe zur Arbeit
hervorbringt das wird nur dann in der Welt sein, wenn in der
Tat von den Leuten, die inspiriert sind, durchdrungen wird
wenigstens dasjenige, was dann im Parlament als Gleicher zum
Gleichen sich gesellt, wenn wirkliche Gleichheit herrscht, das
heißt, wenn jeder geltend machen kann das, was in ihm ist.
Aber das wird sehr verschieden sein bei dem einen und bei dem
andern. Dann wird herrschen können diese Gleichheit im
Rechtsleben, und das Rechtsleben wird inspiriert werden
müssen nicht aus dem Banausentum heraus beschlossen,
worauf die gewöhnliche Demokratie immer mehr und mehr
hingearbeitet hat.
Und
das Kapital wird nur richtig verwertet werden können im
sozialen Organismus, wenn die Intuition sich erheben wird zu
der Freiheit und die Freiheit erblühen wird aus dem selbst
sich entwickelnden Geistesleben. Dann wird herüberströmen
aus dem Geistes leben in die Arbeit dasjenige, was herüberzuströmen
hat. Es werden solche Ströme sein (siehe die Pfeile). Und
diese drei Gebiete werden gerade, wenn sie so gegliedert
werden, sich in der richtigen Weise durchdringen.
Tafel 3
Einer der ersten Vorwürfe, der mir in Deutschland gemacht
worden ist, das war der, daß man gesagt hat: Nun will er
gar noch das soziale Leben dreigliedern! Das soziale Leben
muß eine Einheit sein! — Aber die Menschen sind nur
hypnotisiert von dieser Einheit, weil sie immer den Staat eben
als etwas Einheitliches angesehen haben. Sie sind
eingewöhnt in diese Begriffe vom einheitlichen Staat. Und
derjenige, der von dieser Einheit spricht, der kommt mir vor
wie einer, der sagt: Jetzt will der gar einen Gaul haben, der
auf vier Füßen steht, der Gaul muß doch eine
Einheit sein, der kann doch nicht in vier Beine gegliedert
sein. — Das wird natürlich keiner verlangen. Aber
ich will auch nicht den Gaul-«Staat» oder den
sozialen Organismus auf ein Bein stellen, sondern auf seine
gesunden drei Beine. Und wie die Gauleinheit nicht dadurch
seine Einheit verliert, daß er auf vier Beinen steht, so
auch der soziale Organismus dadurch nicht, daß man ihn auf
seine gesunden drei Glieder stellt. Er kriegt sie gerade
dadurch, seine Einheit, daß man ihn auf seine gesunden
drei Glieder stellt. Die Menschen können eben heute
durchaus nicht von ihren gewohnten Begriffen loskommen. Aber
das ist heute das Wichtigste, daß wir nicht bloß
glauben, daß einzelne äußerliche Einrichtungen
umgewandelt werden sollen, sondern daß wir unsere Ideen,
unsere Begriffe, unsere Empfindungen umgestalten müssen.
Wir können schon sagen: Wir brauchen andere Köpfe auf
unseren Schultern, wenn wir der Zukunft der Menschheit in
heilsamer Weise entgegengehen wollen. Das ist notwendig,
daß wir andere Köpfe auf unsere Schultern bekommen.
Dahinein können sich die Menschen so schwer gewöhnen,
weil ihnen die alten Köpfe so lieb sind, diese alten
Köpfe, die gewohnt sind, nur dasjenige zu denken, was seit
langer Zeit zu denken sich die Menschen gewöhnt haben.
Heute müssen wir in bewußter Weise umgestalten das,
was in unseren Seelen lebt, Und halten Sie das nicht für
eine leichte Aufgabe: Gar mancher glaubt heute, daß er
seine Begriffe ja schon umgewandelt hat, er merkt gar nicht,
wie sie die alten geblieben sind, besonders auf dem Gebiete des
Erziehungswesens. Da macht man kuriose Erfahrungen. Man redet
den Leuten von dem, was die Geisteswissenschaft als Begriffe
auf dem Gebiete der Pädagogik erzeugt. Sie können
heute mit sehr, sehr fortgeschrittenen Lehrern,
Schulinspektoren, direktoren und so weiter reden, die
hören Ihnen zu und sagen: Ja, das habe ich schon lange
gedacht, ja, das ist ganz meine Meinung. — Aber er hat in
Wirklichkeit die entgegengesetzte Meinung von der, die man ihm
sagt. Er hat in Wirklichkeit die entgegengesetzte Meinung wie
ich, aber er sagt die entgegengesetzte Meinung mit denselben
Worten. Er sagt dieselben Worte — und hat die
entgegengesetzte Meinung! Und so gehen die Menschen heute
aneinander vorbei. Die Worte haben längst den Zusammenhang
mit der Geistigkeit verloren, und dieser Zusammenhang muß
unbedingt wieder gefunden werden, sonst kommen wir nicht
vorwärts.
Also soziale Aufgaben liegen viel mehr im Seelischen, als wir
gewöhnlich meinen.
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