Bevor dieser Vortragszyklus beginnen soll, darf ich heute nach
den beiden vorangegangenen Tagen vielleicht etwas
Anthroposophisch-Familiäres berühren, eben weil wir
die Vorbereitung zu diesem Zyklus an uns haben
vorübergehen lassen können. Schon am Beginne des
vorjährigen Zyklus durfte ich darauf hinweisen, wie
symbolisch bedeutsam gerade diese unsere Münchener
Veranstaltungen für unser anthroposophisches Leben sind.
Und ich durfte darauf hinweisen, wie uns durch Jahre hindurch
dasjenige getragen hat, was wir in echt anthroposophischem Sinn
nennen könnten die Geduld des Wartens, bis uns zu
irgendeiner Arbeit die Kräfte herangereift sind. Und noch
einmal lassen Sie mich daran erinnern, daß die Vorstellung
der «Kinder des Luzifer», die wir im vorigen Jahr
haben zustande bringen dürfen und die wir so
glücklich waren, in diesen Tagen zu wiederholen, sieben
Jahre in Geduld von uns mußte erwartet werden. Die Arbeit
der sieben Jahre auf dem anthroposophischen Felde mußte
dieser Darstellung vorangehen. Im vorigen Jahre durfte ich
daran erinnern, daß am Ausgangspunkte unserer deutschen
Sektionsgründung in Berlin von mir ein Vortrag gehalten
worden ist, anknüpfend an dieses Drama «Die Kinder
des Luzifer», und daß es mir dazumal wie ein Ideal
vor der Seele schwebte, dieses Drama einmal auf der Bühne
zeigen zu dürfen. Nach siebenjähriger
anthroposophischer Arbeit ist dies gelungen, und wir
dürfen sagen: Diese Darstellung im vorigen Jahre bedeutete
in gewisser Beziehung einen Markstein in unserem
anthroposophischen Leben. Wir durften eine künstlerische
Ausgestaltung anthroposophischen Fühlens und
anthroposophischen Denkens vor das geistige Auge unserer lieben
Freunde hinstellen. Und wir fühlen uns ja gerade in
solchen Augenblicken so recht in unserem anthroposophischen
Milieu, wenn wir empfinden das Uns-Übergreifen und
Uns-Durchdringen anthroposophischen Lebens. Der Verfasser der
«Kinder des Luzifer», den wir schon im vorigen Jahre
das Glück hatten, hier zu sehen bei jener Aufführung
und bei dem vorjährigen Zyklus, und dessen Gegenwart wir
uns auch in diesem Jahre wiederum erfreuen, er hat für das
geistige Leben der Gegenwart in seinem epochalen Werke
«Die großen Eingeweihten» ein Ideengefüge
geschaffen, dessen Wirkung für Seelen und Gemüter der
Gegenwart erst die Zukunft in das richtige Licht wird stellen
können.
Sie
würden sich gewiß vielfach wundern, wenn Sie die
Schätzung, die man heute geistigen Kräften und
geistigen Arbeiten der Vergangenheit in dieser oder jener Zeit
angedeihen läßt, vergleichen würden mit
derjenigen, welche in dem Bewußtsein der damaligen
Zeitgenossen geherrscht hat. Man verwechselt so leicht die Art,
wie man selber über Goethe, über Shakespeare,
über Dante denkt, mit dem, was die Zeitgenossen fähig
waren zu durchschauen und zu überblicken von den geistigen
Kräften, die durch solche Persönlichkeiten dem
fortschreitenden Menschengeist einverleibt worden sind. Und wir
müssen uns insbesondere als Anthroposophen zum
Bewußtsein bringen, daß der Mensch in seiner eigenen
Gegenwart am allerwenigsten ermessen kann, wie bedeutsam, wie
kräftigend die geistigen Arbeiten der Zeitgenossen
für die Seelen sind. Wenn man sich besinnt, wie eine
Zukunft die Dinge ganz anders beurteilen wird, als es die
Gegenwart vermag, dann darf es wohl gesagt werden, daß das
Erscheinen der «Großen Eingeweihten» für
den geistigen Inhalt und für die geistige Vertiefung
unserer Zeit einstmals als etwas ungeheuer Bedeutungsvolles
angesehen werden wird. Denn es strahlen heute schon aus vielen
Seelen im weitesten Umkreise der Kultur unserer Gegenwart die
Seelenechos, die dadurch möglich wurden, daß diese
Ideen in die Herzen unserer Zeitgenossen Eingang gefunden
haben. Und diese Echos sind wahrhaft bedeutsam für unsere
Zeitgenossen, denn unzähligen bedeuten sie Sicherheit im
Leben, Trost und Hoffnung in den schwierigsten Augenblicken
dieses Lebens. Und nur dann, wenn wir uns in der richtigen
Weise an solcher großen Geistestat der Gegenwart zu
erfreuen verstehen, dann dürfen wir sagen, daß wir
anthroposophisches Empfinden und anthroposophische Stimmung in
einem etwas größeren Stile in unserer Brust tragen.
Und aus jener Seelentiefe heraus, aus welcher die Ideen der
«Großen Eingeweihten» leuchteten, sind auch
geformt und geprägt die Gestalten der «Kinder des
Luzifer», die uns eine große Zeit der Menschheit vor
das Seelenauge führen, eine Zeit, in welcher Altgewordenes
und Neuerblühendes im Weltenwerden zusammenstoßen.
Und Anthroposophen sollten es verstehen, wie in diesem Drama
zweierlei zusammenstrahlt: menschliches Leben, menschliche
Arbeit und menschliches Wirken auf dem physischen Plan, wie es
ausgeführt wird durch die Gestalten, die uns in den
«Kindern des Luzifer» entgegentreten, und in dieses
Arbeiten, in dieses Wirken hinein leuchtet dasjenige, was wir
die Erleuchtung aus den höheren Welten nennen. Und indem
wir ein Drama auf die Bühne stellten, in dem nicht nur
gezeigt wird, wie Menschenstreben und Menschenkräfte im
Herzen und im Kopfe wurzeln, sondern wie hereindringen die
Inspirationen aus den heiligen Stätten, aus den
Weihestätten der Tempel, wie die unsichtbaren Mächte
die menschlichen Herzen durchglühen und durchgeisten
— indem wir dieses Ineinander-sich-Verweben
übersinnlicher Welten mit unserer Sinneswelt zeigten,
haben wir einen Markstein hinstellen dürfen in unserer
anthroposophischen Bewegung.
Denn das darf ich auch in diesem Jahre beim Ausgangspunkte
unseres Vortragszyklus wiederholen: Das Allerwichtigste, das
Allerwesentlichste bei einer solchen Unternehmung, das sind die
Herzen derer, die Verständnis haben, ein solches Werk
aufzunehmen. Das ist der große Irrtum unserer Zeit,
daß man glauben kann, ein Werk könne geschaffen
werden und es müsse wirken. Es kommt nicht nur darauf an,
daß die gewaltigen Werke Raffaels oder Michelangelos in
der Welt sind; es kommt darauf an, daß in der Welt Herzen
leben, Seelen existieren, welche den Zauber aus diesen Werken
in sich beleben können. Raffael und Michelangelo haben
nicht für sich allein geschaffen, sie haben geschaffen im
Widerhall mit denen, die von jener Kultur erfüllt waren,
die fähig waren entgegenzunehmen, was sie der Leinwand
anvertrauten. Unsere Gegenwartskultur ist chaotisch, unsere
Gegenwartskultur hat keine Einheitlichkeit der Empfindung.
Lassen Sie die größten Werke auf eine solche Kultur
wirken: sie werden die Herzen unberührt lassen. Das
muß das Eigenartige unserer anthroposophischen Bewegung
sein, daß wir als ein Kreis von Menschen uns versammeln,
in denen gleichartige Empfindungen leben, die beseelt sind von
gleichartigen Gedanken, in denen möglich wird eine
gleichartige Begeisterung. Auf den Brettern spielt sich ein
Drama im Bilde ab; in den Herzen der Zuschauer spielt sich ab
ein Drama, dessen Kräfte der Zeit angehören. Das, was
die Herzen im Zuschauerraum fühlten, was in jedem Herzen
wurzelte, das ist ein Keim für das Leben der Zukunft.
Fühlen wir das, meine lieben Freunde, und fühlen wir
vor allen Dingen nicht allein eine Befriedigung darüber,
das wäre vielleicht billig, fühlen wir die
Verantwortung, die wir damit auf unsere Seele laden. Jene
Verantwortung, die uns sagt: Seid vorbildlich für das, was
geschehen muß, für das, was möglich werden
muß, daß die Zeitkultur der Menschheit
imprägniert wird von dem Bewußtsein, daß der
Mensch hier auf dem physischen Plan der Mittler ist zwischen
physischen Taten, physischem Werden und dem, was nur durch ihn
einströmen kann aus den übersinnlichen Welten in
diese Welten des physischen Planes herunter.
So
sind wir in gewissem Sinne erst eine geistige Familie dadurch,
daß wir uns zuneigen dem gemeinsamen väterlichen
Urprinzip, das in unseren Herzen lebt und das eben in diesem
Augenblick von mir versucht worden ist zu charakterisieren. Und
wenn wir in dieser Weise mit unserem Herzen, mit unserer ganzen
Seelenstimmung auffassen, was wir erleben, wenn wir es
auffassen, indem wir es als Zugehörige unserer
anthroposophischen Familie fühlen, dann empfinden wir auch
im rechten Sinn das Glück und sehen es mit innigster
Befriedigung, daß wir den Autor der «Kinder des
Luzifer» nunmehr bei den beiden Aufführungen und in
den darauffolgenden Tagen unter uns haben durften.
Nehmen Sie das so auf, daß wir dadurch in der Tat
fühlen können: Es leben die lebendigen
anthroposophischen Kräfte der Gegenwart in dem Kreise, aus
dem heraus dasjenige erfließen durfte, was wir in den
letzten Tagen durch unsere Seele haben ziehen lassen.
Meine lieben Freunde, mir ist es schon im vorigen Jahre eine
liebe Pflicht gewesen, hinzuweisen gerade auf diejenige
Arbeitsstätte, auf welcher wir solch einen Markstein
unserer anthroposophischen Tätigkeit entwickeln durften.
Und es war mir eine liebe Pflicht — und ich betone dabei
das Wort «liebe» und möchte ausdrücklich
bemerken, daß Sie «Pflicht» nicht in trivialem
Alltagssinn nehmen dürfen —, es war mir und es ist
mir eine liebe Pflicht, auch in dieser Stunde darauf
hinzuweisen, wie hier zum Zustandekommen dieser unserer
anthroposophischen Veranstaltungen unsere Freunde nicht nur mit
Eifer, sondern mit Hingebung aller ihrer Kräfte
arbeiteten.
Wer
solche Aufführungen sieht, denkt vielleicht nicht immer
daran, daß es lange dauert, bis das, was zuletzt sich dem
Auge in wenigen Stunden darbietet, wirklich auf der Bühne
steht. Und die Art und Weise, wie unsere lieben Freunde hier an
diesem Orte zusammenarbeiteten, um das Werk zustande zu
bringen, sie darf in einer gewissen Beziehung immer wieder
für die anthroposophische Arbeit, vielleicht auch für
das menschliche Zusammenwirken, als Vorbild bezeichnet werden.
Insbesondere deshalb, weil es einem richtigen
anthroposophischen Empfinden widerstreben würde, bei
dieser Arbeit in irgendeiner Weise zu kommandieren. Da ist ein
Fortschritt nur dann möglich, wenn die einzelnen Freunde
mit ihrem Herzen voll dabei sind, in ganz anderer Weise, als
das auf einem ähnlichen künstlerischen Felde jemals
der Fall sein könnte. Und dieses Voll-dabei-Sein, nicht
nur in den wenigen Wochen, die uns zur Verfügung stehen,
um die Aufführungen vorzubereiten, sondern dieses
Voll-dabei-Sein, dieses freie herzliche Zusammenwirken, es
dauerte Jahre hindurch. Und da wir ja bei dieser Gelegenheit
aus den verschiedensten Gegenden uns versammelt haben und die
Anthroposophen sich nicht nur dadurch kennenlernen sollen,
daß sie sozusagen ein paar Worte miteinander wechseln,
sondern daß sie voneinander wissen, was einem jeden in der
Arbeit heilig ist, deshalb darf wohl gerade bei dieser
Gelegenheit mit einigen Worten darauf hingewiesen werden, wie
Jahre hindurch hier gearbeitet worden ist, um im entsprechenden
Augenblick zusammen-zugruppieren, was notwendig war, um eine
anthroposophische Leistung auf die Füße zu stellen,
wie wir sie in den letzten Tagen geben durften. Und wenn es
auch nicht allein durch äußere Umstände geboten
wäre, so würde mein Herz mich drängen, in dieser
Stunde hinzuweisen auf die hingebungsvolle Arbeit unserer
Freunde, die uns das ermöglicht hat, was wir erleben
durften. Denn Sie dürfen es glauben: nur durch diese
hingebungsvolle Arbeit ist es möglich geworden.
Ich
sagte, ich will den Vortragszyklus beginnen mit einer Art
familiärer Besprechung dessen, was uns auf dem Herzen
liegen kann. Da dürfen wir vor allen Dingen der
jahrelangen hingebungsvollen Arbeit der beiden Damen gedenken,
die hier zielbewußt und in innigem Einklang wirken mit
dem, was man auf anthroposophischem Felde nur wollen kann. Seit
vielen Jahren haben Fräulein Stinde und die Gräfin
Kalckreuth ihre Gesamtkräfte der anthroposophischen Arbeit
hier an diesem Orte gewidmet. Und daß nur durch dieses
hingebungsvolle, zielbewußte Wirken im innigen Einklang
mit den anthroposophischen Impulsen das möglich geworden
ist, was wir zu unserer Befriedigung geben durften, das
weiß vor allen Dingen ich am allerbesten. Und daher werden
Sie es um so begreiflicher finden, daß ich bei dieser
Gelegenheit aus dankerfülltem Herzen heraus diese Worte
für die beiden Mitarbeiterinnen hier in München
spreche. Dann kommen dazu die hingebungsvollen Arbeiten derer,
die sozusagen unmittelbar ihre Kräfte exponieren in
denjenigen Wochen, die unseren Arbeiten gewidmet sind.
Wir
versuchten gestern in einem künstlerischen Bilde vor Ihre
Augen hinzustellen den Weg zu den Höhen, auf denen der
Mensch erfahren kann das, was durch die anthroposophische
Entwickelung fließen soll, das, was sozusagen der
Seelenforscher erleben muß. Es wird sich vielleicht in
Anknüpfung an mancherlei, was in diesem Vortragszyklus zu
sagen ist, Gelegenheit finden, auf dieses oder jenes
hinzuweisen, was gestern vor Ihr Seelenauge geführt werden
sollte. Es mußte das Leben dessen, der zu der geistigen
Erkenntnis hinaufstrebt, gezeigt werden, es mußte gezeigt
werden, wie er aus dem physischen Plan herauswächst, wie
schon hier auf dem physischen Plan alles das, was um ihn herum
geschieht und was vielleicht einem anderen Menschen als etwas
recht Alltägliches erscheinen könnte, ihm bedeutsam
wird. Herauswachsen muß die Seele des Geistsuchers aus
Ereignissen des physischen Planes. Und dann mußte gezeigt
werden, was diese Seele erleben muß in sich selber, wenn
sich in sie ergießt alles, was an Menschenschicksal, an
Menschenleid, an Menschenlust, an Menschenstreben und an
Menschenillusionen um uns herum vorgeht; wie diese Seele
zermalmt und zerschmettert werden kann, wie die Kraft der
Weisheit sich hindurchringen kann durch diese Zerschmetterung,
und wie dann erst, wenn der Mensch glaubt, in einer gewissen
Beziehung fremd geworden zu sein der sinnlichen Welt, die
großen Täuschungen an ihn herantreten.
Ja,
mit den Worten, die Welt sei Maja oder Illusion, oder:
«Durch die Erkenntnis dringen wir zur Wahrheit», mit
diesen Worten ist vieles und doch auch wieder recht wenig
gesagt. Das, was damit gesagt wird, muß jeder auf
individuelle Weise erleben. Daher konnte auch das, was im
allgemeinen gilt, so recht, man möchte sagen, seelisch
bluterfüllt nur gezeigt werden, indem man es im Durchleben
einer einzelnen Gestalt zeigte. Nicht wie ein jeder zur
Initiation hinauf sich nähert, sondern wie die ganz
individuelle Gestalt des Johannes Thomasius aus ihren
Bedingungen heraus der Pforte der Erkenntnis sich nähern
kann, das sollte gezeigt werden. Und es wäre durchaus
unrichtig, wenn jemand glauben wollte, daß er das
Ereignis, das im Meditationszimmer gezeigt ist, den Aufstieg
der Maria aus dem irdischen Leib heraus in das Devachan, als
ein allgemeines Ereignis hinstellen dürfte. Das Ereignis
ist absolut real, spirituell-real, aber es ist ein Ereignis,
durch das gerade eine so geartete Persönlichkeit, wie der
Johannes Thomasius sie darstellt, den Impuls erhalten sollte,
hinaufzusteigen in die geistigen Welten.
Und
ich möchte Ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf den
Augenblick hinlenken, wo gezeigt wird, wie die Seele dann, wenn
sie im Grunde genommen schon die Kraft gefunden hat, über
die gewöhnliche Illusion hinwegzugehen, wie sie dann erst
der Möglichkeit der großen Täuschungen
gegenübersteht. Nehmen Sie an, daß Johannes Thomasius
nicht in der Lage wäre, zu durchschauen — wenn er es
auch gar nicht bewußt tut, sondern es nur mit einem
inneren Auge durchfühlt -, daß in der Gestalt, die im
Meditationszimmer zurückbleibt und dem Hierophanten den
Fluch entgegenschleudert, nicht mehr dieselbe
Individualität enthalten ist, der er zu folgen hat. Nehmen
Sie an, es könnte der Hierophant oder auch Johannes
Thomasius einen Augenblick darüber in Unruhe kommen. Dann
wäre es für unabsehbare Zeiten unmöglich, den
Erkenntnispfad für Johannes Thomasius in irgendeiner Weise
weiterzuführen. Dann würde in diesem Augenblicke das
Ganze aus sein, und nicht nur für Johannes Thomasius,
sondern auch für den Hierophanten, der dann nicht imstande
gewesen wäre, die starken Kräfte in Johannes
Thomasius zu entfalten, welche ihn über diese Klippe
hinwegführen können. Abtreten müßte der
Hierophant von seinem Amte, und verloren wären ungeheure
Zeiträume für Johannes Thomasius in seinem Aufstiege.
Wenn Sie versuchen, die Szenen, die gerade diesem Momente
vorangehen, und die Gefühle, die in der Seele des Johannes
Thomasius gewirkt haben, sich vor Augen zu rücken, die
besondere Art der Schmerzen, die besondere Art der Erlebnisse:
dann werden Sie vielleicht zu dem Urteil gelangen, daß die
Kraft der Weisheit, ohne daß er selbst es vielleicht
weiß, so stark in ihm geworden ist, daß er diesen
gewaltigen Ruck in seinem Leben überstehen kann. All diese
Erlebnisse, die sich abspielen, ohne daß vor dem
Seelenauge etwas sichtbar schwebt, die müssen vorausgehen,
bevor in einer richtigen Weise das folgen darf, was uns
objektiv vor die Seele, zunächst in bildhafter Art, die
geistige Welt vor das geistige Auge stellt. Das geschieht dann
in den nächsten Szenen. Der Schmerz ist es, der
zunächst den Menschen ganz durchrüttelt; die Gewalt
des Impulses ist es, die davon herrührt, daß er der
Möglichkeit einer größten Täuschung
widersteht. Das alles entwickelt sich zu einer Spannkraft in
der Seele, welche unser Schauen, wenn wir so sagen dürfen,
umkehrt und das, was vorher nur subjektiv war, mit der Gewalt
des Objektiven vor unsere Seele hintreten läßt.
Das, was Sie in den nächsten Szenen sehen, was mit
spirituell-realistischer Art zu schildern versucht ist, stellt
dar, was der nach und nach in die höheren Welten
Hinaufwachsende fühlt als das äußere Spiegelbild
dessen, was er zuerst in seiner Seele selber an Gefühlen
durchlebt hat, und was wahr ist, ohne daß derjenige, der
es erlebt, schon voll wissen kann, wieviel davon wahr ist. Da
wird der Mensch zunächst hinaufgeführt, zu sehen, wie
die Zeit, in der wir als Sinnesmenschen leben, in bezug auf
ihre Ursachen und Wirkungen überall angrenzt an anderes.
Da sieht man nicht bloß jenen kleinen Ausschnitt, den die
Sinneswelt vorführt, sondern da lernt man begreifen,
daß das, was uns in der Sinneswelt vor Augen tritt, nur
der Ausdruck eines Geistigen ist. Daher sieht Johannes
Thomasius mit seinem geistigen Auge den Mann, der ihm zuerst
auf dem physischen Plan entgegengetreten ist, Capesius, nicht
wie er jetzt ist, sondern wie er Jahrzehnte vorher war als
junger Mann. Und er sieht den anderen, den Strader, nicht in
der Gestalt, die er in der Gegenwart hat, sondern er sieht ihn
prophetisch voraus, wie er werden muß, wenn er sich in
derselben Art weiterentwickelt, wie er eben in jener Gegenwart
ist. Erst dann verstehen wir den Augenblick, wenn wir diesen
Augenblick über die Gegenwart hinauszudehnen verstehen in
die Vergangenheit und in die Zukunft hinein. Dann aber tritt
uns entgegen dasjenige, woran wie mit Geistesfäden alles
Geschehen der Gegenwart hängt: dann tritt uns entgegen die
geistige Welt, mit der der Mensch immer in Beziehung ist, wenn
er es auch mit seinem äußeren physischen Verstand,
mit seiner äußeren Sinnlichkeit nicht zu durchschauen
vermag.
Glauben Sie es mir, es ist nicht etwa ein Bild, nicht etwa ein
Symbol, es ist realistisch geschildert, wenn in der Szene, wo
der junge Capesius aus voller, für die Sinneswelt
berechtigter Herzensempfindung heraus seine Ideale entwickelt
— die aber gegenüber der geistigen Welt das eine
haben, daß sie eben bloß in der äußeren,
durch die Sinne wahrnehmbaren Welt wurzeln —, wenn da
gezeigt wird, daß das, was er und was Strader sagen, die
Elemente aufrüttelt, den Blitz und Donner entfesselt. Der
Mensch ist kein isoliertes Wesen. Das, was der Mensch in seinem
Worte ausspricht, in seinem Gedanken wirksam hat, was in des
Menschen Gefühlen lebt, das steht mit dem ganzen Kosmos im
Zusammenhang, und jedes Wort, jedes Gefühl, jeder Gedanke
setzt sich fort. Ohne daß es der Mensch weiß, ist
sein Irrtum, sein falsches Gefühl zerstörerisch in
den Elementarreichen unseres Daseins. Und was sich dem, der den
Weg zur Erkenntnis geht, vor allen Dingen auf die Seele legt
aus diesen ersten Erfahrungen in der geistigen Welt heraus, das
ist das große Verantwortlichkeitsgefühl, das uns
sagt: «Was du als Mensch tust, das ist nicht bloß auf
dem isolierten Platze getan, auf dem sich deine Lippen bewegen,
auf dem du denkst, auf dem dein Herz schlägt: das
gehört der ganzen Welt an. Ist es fruchtbar, so ist es
fruchtbar in der ganzen Welt; ist es ein zerstörender
Irrtum, so ist es eine zerstörende Kraft in der ganzen
Welt.»
Alles das, was wir in dieser Weise durchleben können beim
Aufstieg, das wirkt wiederum weiter in unserer Seele. Hat es in
der richtigen Weise gewirkt, dann drängt es uns hinauf in
höhere Regionen des geistigen Lebens, wie sie versucht
worden sind zu schildern in dem devachanischen Gebiete, in das
die Seele der Maria mit ihren Genossinnen dem Johannes
Thomasius vorausgegangen ist. Nehmen Sie es nicht als
abstrakten Gedanken, sondern als eine spirituelle
Realität, wenn ich sage, daß diese drei Helferinnen,
Philia, Astrid und Luna, die Kräfte sind, die wir in
abstracto, wenn wir für den physischen Plan reden, als
Empfindungsseele, Verstandesseele und Bewußtseinsseele
bezeichnen. Aber geben Sie sich nicht jener Illusion hin,
daß damit etwas getan ist, wenn man in einem
künstlerisch gedachten Werk die einzelnen Gestalten mit
abstrakten Begriffen zu symbolisieren versucht. So sind sie
nicht gemeint. Sie sind als reale Gestalten, als wirksame
Kräfte gedacht. Sie finden im Devachan nicht etwa Tafeln,
auf denen steht Empfindungsseele, Verstandesseele,
Bewußtseinsseele; Sie finden dort wirkliche Wesenheiten,
so real für die Geisteswelt, wie nur immer ein Mensch in
Fleisch und Blut auf dem physischen Plan sein kann. Der Mensch
sollte sich bewußt sein, daß er den Dingen ihren
Reichtum nimmt, wenn er alles mit symbolischen Abstraktionen zu
belegen versucht. Johannes Thomasius hat in der Welt, die er
bis dahin durchschritten hat, nur das durchlebt, was man nennen
könnte: in Bildform breitete sich vor seinem Seelenauge
aus die geistige Welt. Ob er nun selbst als subjektive
Wesenheit der Veranlasser ist dieser Welt, ob sie eine in sich
begründete Wahrheit hat, das konnte er bis dahin nicht
entscheiden. Wieviel von dieser Welt Illusion, wieviel
Wirklichkeit ist, das mußte er erst in jenem höheren
Gebiete, in dem er der Seele der Maria begegnete, zur
Entscheidung bringen.
Denken Sie sich einmal, Sie würden in einer Nacht, wenn
Sie eingeschlafen sind, plötzlich in eine ganz andere Welt
versetzt und Sie könnten nichts, aber auch gar nichts in
dieser anderen Welt finden, was Ihnen einen
Anknüpfungspunkt böte an das, was Sie vorher schon
erlebt haben. Da wären Sie überhaupt nicht derselbe
Mensch, dasselbe Wesen. Sie müssen die Möglichkeit
haben, irgend etwas hinüberzunehmen in die andere Welt und
es dort wiederzuschauen, so daß Ihnen die Wahrheit
verbürgt ist. Das kann man für die Geisteswelt nur
dadurch, daß man sich schon in dieser Welt einen festen
Stützpunkt erwirbt, der einem Wahrheits-Sicherheit gibt.
In dramatischer Darstellung sollte das so gegeben werden,
daß Johannes Thomasius auf dem physischen Plane nicht nur
mit seinen Affekten, mit seinen Leidenschaften, sondern mit
seinen Herzenstiefen verbunden ist der Wesenheit der Maria, so
daß er ein Geistigstes in dieser Verbindung erlebt schon
auf dem physischen Plan. Nur daher konnte das jener Schwerpunkt
auch in der geistigen Welt sein, von dem aus sich alles
übrige in der geistigen Welt bewahrheitet. Dadurch
strömt Wahrheits-Sicherheit über alles übrige in
der geistigen Welt aus, daß Johannes Thomasius einen
Stützpunkt findet, den er schon in der physischen Welt
anders als durch die bloßen Trugbilder der Sinnlichkeit
oder des Verstandes kennengelernt hat. Dadurch verknüpfen
sich ihm die beiden Welten, dadurch wird er reif, in realer
Weise sein Gedächtnis auszudehnen über verflossene
Lebensläufe und damit seelisch hinauszuwachsen über
die Sinneswelt, wie sie uns umgibt.
Deshalb tritt an diesem Punkte etwas auf, was, wenn man so
sagen darf, ein gewisses Mysterium der geistigen Welt
umschließt. Theodora, die auf dem physischen Plan in die
Zukunft sieht und das bedeutsame Ereignis, vor dem wir stehen,
die neue Erscheinung der Christus-Gestalt, vorauszusehen in der
Lage ist — auf dem geistigen Plane ist sie fähig,
die Bedeutung des Vergangenen vor die Seele zu rufen. Alles
muß, wenn es realistisch dargestellt wird, in der
spirituellen Welt so dargestellt werden, wie es wirklich
verläuft. Die Vergangenheit wird mit ihren Kräften in
ihrer Bedeutung für die Wesen, die im Devachan leben,
dadurch bedeutsam, daß die entgegengesetzten Kräfte
dort entfaltet werden, die wir hier auf dem physischen Plan als
prophetische Kräfte wahrnehmen. Es ist eine realistische
Schilderung, daß die Theodora auf dem physischen Plan die
Seherin in die Zukunft, auf dem geistigen Plan das Gewissen und
die Gedächtnis-Erweckerin für das Vergangene ist und
so jenen Moment herbeiführt, durch den Johannes Thomasius
in seine eigene Vergangenheit zurückschaut, in der er
schon verbunden war mit der Individualität der Maria. So
ist er vorbereitet, dann in seinem weiteren Leben alles das
durchzumachen, was ihn zu einem bewußten Erkennen der
geistigen Welt führt. Und Sie sehen, wie auf der einen
Seite die Seele zu etwas ganz anderem wird, wenn sie
durchflossen, durchströmt ist mit den Erfahrungen der
geistigen Welten, wie alle Dinge in einem neuen Licht
erscheinen. Wie das, was uns sonst Qualen und Schmerzen
verursacht, wenn wir es als anderes Selbst im eigenen Selbst
erleben, uns Trost und Hoffnung gibt, wie das Ausgeflossensein
in die Welt uns groß und bedeutsam macht; und wir sehen,
wie der Mensch sozusagen hineinwächst in jene Teile des
Weltenalls. Wir sehen aber auch, wie der Mensch durchaus nicht
hochmütig werden darf, wie der Irrtum, die
Irrtumsmöglichkeit durchaus noch nicht von seiner Seite
gewichen ist und wie es möglich ist, daß Johannes
Thomasius, der schon vieles, vieles erkannt hat von den
geistigen Welten, dennoch in dem Augenblick geistig so
empfinden konnte, als wenn der leibhafte Teufel zur Tür
hereinkäme, während ihm sich nähert sein
größter Wohltäter, Benedictus.
Wie
das möglich ist, so sind auf dem geistigen Plane
unzählige Täuschungen der verschiedensten Art
möglich. Das darf niemanden kleinmütig machen; das
muß aber jeden so stimmen, daß er auf der einen Seite
die Vorsicht gebrauchen muß gegenüber der geistigen
Welt, daß er auf der anderen Seite Mut voll und kühn
auch der Möglichkeit eines Irrtums entgegenschauen
muß und keineswegs kleinmütig werden darf, wenn
irgendwie sich etwas darbietet, was wie ein irrtümlicher
Bericht aus einer geistigen Welt heraus sich zeigt. Durch alle
diese Dinge muß der Mensch ganz real durchgehen, wenn er
sich wirklich dem nähern will, was man nennen kann den
Tempel der Erkenntnis, wenn er zum wirklichen Verständnis
derjenigen vier großen Gewalten der Welt aufsteigen will,
welche das Weltenschicksal in einer gewissen Beziehung lenken
und leiten und die repräsentiert sind durch die vier
Hierophanten des Tempels.
Wenn wir ein Gefühl davon erhalten, daß die Seele
solches durchmachen muß, ehe sie fähig ist, zu
schauen, wie aus der geistigen, aus der spirituellen Welt
heraus die sinnliche fließt, und wenn wir uns so stimmen,
daß wir die Urgründe der Welt nicht in banaler Weise
mit alltäglichen Worten bezeichnen wollen, sondern
daß wir den inneren Wert der Worte uns erst aneignen
wollen, dann nur können wir eine Ahnung davon erhalten,
wie die Urworte gemeint sind, mit denen uns im Beginn der Bibel
die Schöpfung charakterisiert wird. Wir müssen
fühlen, daß wir uns abgewöhnen müssen die
gewöhnliche Bedeutung, die wir in unserer Seele tragen von
den Worten «Himmel und Erde», «schaffen»,
«Licht und Finsternis» und all den anderen Worten.
Wir müssen uns abgewöhnen die Empfindungen, die wir
im Alltage gegenüber diesen Worten hegen, und wir
müssen uns ein wenig entschließen, für diesen
Vortragszyklus neue Empfindungsnuancen, neue Wortwerte in
unsere Seele zu legen, damit wir nicht bloß das
hören, was in den Ideen liegt, sondern damit wir es so
hören können, wie es gemeint ist und wie es nur
aufgefaßt werden kann, wenn wir dem, was aus dunklen
Weltgebieten zu uns hereinspricht, mit einer eigens dazu
gestimmten Seele begegnen.
In
einer ganz kurzen Wortskizze versuchte ich Ihnen zu sagen, was
wir Ihnen gestern gezeigt hatten. Daß wir das unter
verhältnismäßig schwierigen Umständen
zeigen konnten, das war wiederum nur möglich durch die
treue, hingebungsvolle Arbeit vieler unserer anthroposophischen
Freunde. Und lassen Sie mich es auch aussprechen, was mir das
tiefste Herzensbedürfnis ist, daß ich selbst und wohl
alle, die etwas davon wissen, nicht genug danken können
allen, welche mit uns zusammen gearbeitet haben, um diesen
Versuch, denn ein Versuch sollte es nur sein, einmal wagen zu
dürfen. Er wurde wirklich nicht unter den leichtesten
Verhältnissen gewagt; es mußten diejenigen, die
mitarbeiteten, durch Wochen hindurch und insbesondere noch in
der letzten Woche mit vollem Einsatz ihrer Kräfte
arbeiten, hingebungsvoll arbeiten. Und wir dürfen es als
eine schöne Errungenschaft unseres anthroposophischen
Lebens bezeichnen, daß wir in unserer Mitte Künstler
haben, welche uns jetzt schon durch zwei Jahre hindurch treu
mit ihrer künstlerischen Kraft zur Seite stehen. Da lassen
Sie mich vor allen Dingen unseres lieben Freundes Doser
gedenken, der nicht nur im vorigen und in diesem Jahre sich der
schwierigen Aufgabe unterzogen hat, den Phosphoros auf die
Bühne zu bringen, sondern der es auch übernommen hat,
in diesem Jahre diejenige Gestalt darzustellen, die mir ganz
besonders auf dem Herzen lag und die für das, was wir
gestern zu zeigen versuchten, unendlich wichtig ist: die
Gestalt des Capesius. Vielleicht werden Sie erst nach und nach
spüren, warum gerade diese Capesius-gestalt eine ganz
besonders wichtige ist. Und auch die andere Gestalt, die
Gestalt des Strader, die unser lieber Seiling brachte, der uns
nun schon zwei Jahre treu zur Seite steht, auch diese Gestalt
ist insbesondere in diesem Zusammenhang von großer
Wichtigkeit. Dabei darf ich nicht unerwähnt lassen, wie
unser lieber Herr Seiling durch seine ganz eigenartige
Stimmbegabung, ich kann sie nicht anders nennen, uns da zur
Seite steht, wo es sich darum handelt, sinnbildlich
hereinspielen zu lassen die geistige Welt in die physische. All
das Liebe und herrlich Befriedigende, das Sie in den
Geisterstimmen vernehmen konnten, verdanken wir ja dieser ganz
außerordentlichen Begabung insbesondere nach dieser
Richtung hin.
Und
es obliegt mir, vor allen Dingen zu danken denjenigen, die in
den Hauptrollen ihre volle Kraft eingesetzt haben, trotzdem sie
auf dem anthroposophischen Felde noch mancherlei anderes in
dieser Zeit und überhaupt die ganzen Jahre hindurch zu tun
hatten. Es darf gesagt werden, daß vielleicht nur auf
anthroposophischem Felde die Kraft so erwachsen kann, die
Fräulein von Sivers instand setzte, in zwei
aufeinanderfolgenden Tagen zwei so große Rollen, wie die
Kleonis und die Maria es sind, auf die Bretter zu bringen.
Derlei ist nur möglich bei Einsetzung der vollen
Kräfte, die ein Mensch einzusetzen hat. Und mit ganz
besonders dankerfülltem Herzen möchte ich der
Darstellerin des Johannes Thomasius selbst an diesem Orte
gedenken, und es wird mir insbesondere eine tiefe Befriedigung
gewähren, wenn diese Gestalt des Johannes Thomasius, in
der ja sehr, sehr viel von dem, was wir anthroposophisches
Leben nennen, liegt, wenn diese Gestalt ein wenig
verknüpft bleibt mit der ersten Darstellerin dieses
Johannes Thomasius. Daß das überhaupt möglich
geworden ist unter den hier nicht weiter zu charakterisierenden
schwierigen Umständen, das ist nur der ganz intensiven,
hingebungsvollen Art zu verdanken, welche unser liebes
Fräulein Waller für die anthroposophische Sache
empfindet. Und wenn ich Ihnen erzählen würde, unter
welchen Schwierigkeiten, wegen der Kürze der Zeit,
Fräulein Waller sich in diese Rolle des Johannes Thomasius
hineinleben mußte, Sie würden wahrscheinlich recht
sehr erstaunen. Alle diese Dinge, die unter uns passieren, die
in unserer anthroposophischen Arbeit sich vollziehen, sie gehen
uns an, da wir in geistigem Sinn eine anthroposophische Familie
sind. Daher sollen wir uns denen zu Dank verpflichtet
fühlen, die sich für uns alle in einer so
hingebungsvollen Weise solcher Aufgabe widmeten, einer Aufgabe,
die in dieser Weise zu lösen vielleicht — ich bitte
immer wieder zu berücksichtigen, daß der
Außenstehende die schwierigen Verhältnisse gar nicht
zu beurteilen vermag — einer anderen Persönlichkeit
überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Und an
diesen Worten mögen Sie die ganze Größe, die
Hingebung, die die Darsteller in den letzten Tagen und Wochen
entwickelt haben, erkennen und ermessen, wie berechtigt es ist,
auch von einem tiefen Danke gerade in diesem Augenblick hier zu
sprechen.
Ich
würde lange, lange sprechen müssen, wenn ich all
derer im einzelnen gedenken wollte, die zu dieser Arbeit des
gestrigen Tages sich mit uns vereint haben. Lassen Sie einmal
vor allen Dingen uns des Mannes gedenken, der da, wo es in
unseren Reihen gilt, etwas im Sinne der Anthroposophie zu tun,
immer mit dem, worauf es ankommt, mit dem vollsten Herzen und
seinem ganzen Können auf dem Platze ist, lassen Sie uns
unseres lieben Freundes Arenson gedenken, der uns sowohl im
vorigen Jahre wie auch diesmal mit seinem schönen
musikalischen Können unterstützt hat und der es
möglich gemacht hat, daß wir sowohl «Die Kinder
des Luzifer» wie auch das, was wir gestern versuchten, an
den entsprechenden Stellen in würdiger Weise
überleiten konnten in etwas, was nur aus der Tonwelt
heraus zu empfinden ist. Und lassen Sie mich gedenken unserer
lieben künstlerischen Freunde hier in München. Sie
hatten reichlich Gelegenheit, in den beiden Tagen zu sehen, wie
versucht worden ist, alles auch für das äußere
Auge in Einklang zu bringen mit dem gesprochenen Worte und der
gehörten Musik. Sie haben gesehen, wie bis auf den letzten
Farbenfleck hin, bis auf die letzte Form hin versucht worden
ist, alles zu einer Einheit zu gestalten. Wenn das in
irgendeiner Weise möglich geworden ist, so danken wir es
der verständnisvollen Art, mit welcher unsere
künstlerischen Freunde hier, Herr Volkert, Herr Linde,
unser lieber Herr Haß, herzlichst bei allem, um was es
sich handelte, mitarbeiteten, um das, was getan werden sollte,
in einer würdigen Art geschehen zu lassen.
Und
solche Dinge sind ja nur dann möglich, wie ich schon im
Eingang sagte, wenn jeder aus freiem hingebungsvollem Herzen
arbeitet. Auch in diesem Jahre darf in ganz besonderer Weise
gedacht werden der Arbeit, die kaum leicht überschaut
werden kann, die aber durch Wochen einen ganzen Menschen, eine
ganze Seele und ein ganzes Herz in Anspruch nahm, der Arbeit,
all das, was an Kostümen erforderlich war, in der
richtigen Weise zu erstellen. Und das hat ebenso wie im vorigen
Jahre auch diesmal ganz allein auf unserem lieben Fräulein
von Eckardtstein gelastet. Dem hat sie sich gewidmet, und nicht
nur mit Hingebung, sondern, worauf es ankommt, auch mit
intensivstem Verständnis für alles einzelne und
für alles Große, das man dabei niemals aus dem Auge
verlieren darf.
Das
alles sind aber nur kleine Andeutungen dessen, was, wie gesagt,
aus dem anthroposophischen Familiengefühl heraus heute
einmal gesagt werden mußte, damit jeder einzelne von uns
weiß, wie dieses Zusammenarbeiten und dieses
Zusammenwirken gemeint ist. Und wenn Sie vorgestern und gestern
einige Befriedigung für Ihre Seele und für Ihr
Gemüt empfunden haben, dann lassen Sie die Empfindungen,
die Ihre Seele durchdringen, ein wenig hinströmen zu
denen, deren Namen jetzt genannt worden sind, und zu
denjenigen, die Sie als Ihnen wohlbekannte Freunde auf der
Bühne gesehen haben.
Wir
wollten mit diesem, wenn ich so sagen darf, Markstein unseres
anthroposophischen Wirkens gleichsam sagen, wie zu denken ist
das Hineinfließen der anthroposophischen Ideen, des
anthroposophischen Lebens in die Kultur. Und ist die heutige
Menschheit auch noch nicht geneigt, in die übrige
äußere Kultur aufzunehmen das, was aus dem
spirituellen Leben fließen kann, so möchten wir
wenigstens im künstlerischen Bilde zeigen, wie Leben
werden kann, was uns an Gedanken, an innerem Leben in der Seele
strömt und uns in der Seele durchdringt. Entzünden
können sich solche Gefühle an dem Vorgefühle,
daß die Menschheit dennoch aus ihrer Gegenwart einer
Zukunft entgegengehen wird, in der sie wird fühlen
können das Herabströmen spirituellen Lebens durch die
geistigen und seelischen Adern des Menschen auf dem physischen
Plan; daß diese Menschheit entgegengehen wird einer Zeit,
in der sich der Mensch empfinden wird als Vermittler zwischen
der geistigen Welt und der physischen Welt. Und daß dieses
Vorgefühl erwachen könne, dazu waren die
Veranstaltungen gemacht.
Und
wenn wir ein solches Vorgefühl haben, dann werden wir auch
die Möglichkeit finden, abgebrauchte Worte, die den
Menschen heute mit Empfindungswerten vor die Seele treten, die
es ihm unmöglich machen, ihren vollen Hinweis zu
verstehen, wieder zurückzuversetzen in ihr
ursprüngliches Licht, in ihren ursprünglichen Glanz.
Aber niemand wird verstehen das Monumentale, das in den Worten
liegt, die den Ausgangspunkt der Bibel bilden, wenn er den
Worten jene Prägung gibt, die sie heute haben. Wir werden
selbst in Gedanken hinaufsteigen müssen in die Höhen,
zu denen wir Johannes Thomasius versuchten hinaufsteigen zu
lassen, dorthin, wo spirituelles Leben pulst, wenn wir das
physische Leben auf der Erde verstehen wollen. In gewisser
Beziehung muß in diesen geistigen Welten in einer ganz
anderen Sprache gesprochen werden. Wir Menschen aber
müssen den Worten, die uns hier zur Verfügung stehen,
wenigstens neue Werte, neue Empfindungsnuancen geben
können, etwas anderes verspüren können, wenn sie
bedeuten sollen das, wovon uns die ersten Sätze der Bibel
sprechen, wenn wir verstehen wollen den geistigen Ursprung
unserer physischen Welt.
|