ERSTER
VORTRAG Torquay, 11. August 1924
Die
Natur ist die große Illusion «Erkenne dich selbst»
Warum forschen wir überhaupt nach einem Geistigen?
Tafel 1, 11. August 1924
Es
ist mir der Wunsch
ausgedrückt worden, in diesen Vorträgen zu sprechen
über die Wege in die übersinnliche Welt, in das
geistige Leben hinein, die Wege, welche zu übersinnlichen
Erkenntnissen führen und die sich vereinigen können
mit den in so großer, schöner Weise in der neueren
Zeit gegangenen Wegen zur Erkenntnis der sinnlichen, der
physischen Welt. Denn nur derjenige Mensch kann die
Wirklichkeit erkennen, der zu den großen,
bewunderungswürdigen Erkenntnissen, welche die
Naturwissenschaft, die historische Wissenschaft, welche anderes
Erkennen in der neueren Zeit geleistet hat, hinzufügt
dasjenige, was man in bezug auf die geistige Welt wissen kann.
Überall, wo uns die Welt entgegentritt, ist sie in
Wahrheit geistig und physisch, und es gibt nirgends ein
Physisches, das nicht hinter sich in irgendeiner Weise als den
eigentlichen Akteur ein Geistiges hätte. Und es gibt nicht
irgendein Geistiges, das, nur um sich zu langweilen in der
Welt, ein wesenloses, tatenloses Dasein führte, sondern
jedes Geistige, das irgendwo gefunden werden kann, wird auch
bis ins Physische hinein zu irgendeiner Zeit oder an
irgendeinem Orte wirksam.
Wie
man innerhalb der physischen Tatsachen auf der einen Seite, wie
man durch die Anschauung des Geistigen auf der anderen Seite
die Welt, in der der Mensch lebt, in ihrer Totalität
erkennen kann, darüber soll gesprochen werden, gesprochen
werden so, daß die richtigen und die falschen Methoden
dieser Erkenntnis hier in diesen Vorträgen zur Darstellung
kommen.
Heute möchte ich, bevor ich den eigentlichen Gegenstand,
mit dem ich morgen anfangen werde, bespreche, eine Art
Einleitung geben, damit Sie sehen, was eigentlich von diesen
Vorträgen zu erwarten ist, was mit ihnen beabsichtigt ist.
Es wird sich darum handeln, zunächst die Frage uns
nahezulegen: Warum forschen wir denn überhaupt nach einem
Geistigen? Warum befriedigen wir uns als Menschen, die in der
Welt denken, in der Welt fühlen, die in der Welt etwas
tun, warum befriedigen wir uns nicht damit, die
sinnlich-physische Welt einfach aufzufassen, in ihr zu wirken?
Warum streben wir nach der Erkenntnis eines Geistigen?
Ich darf dabei auf eine
alte Anschauung, ein altes Wort hinweisen, das aber eine immer
erweiterte Wahrheit enthält, das herübertönt aus
Urzeiten menschlichen Denkens und menschlichen Strebens, das
wir aber auch finden, wenn wir heute forschen nach dem Wesen
der Welt. Ohne daß hier auch nur das geringste gebaut
werden soll auf fremde alte Anschauungen, möchte ich aber
immer da, wo es am Platze ist, auf solche alten Anschauungen
hinweisen.
Da
tönt uns mit einem Alter von Jahrtausenden aus dem Orient
herüber das Wort: Die Welt, die wir mit den Sinnen sehen,
ist Maja. Diese Welt, die wir mit den Sinnen sehen, ist die
große Illusion, denn Maja ist ja die große Illusion.
Und wenn — so fühlte man immer im Verlaufe der
menschlichen Entwickelung — diese Welt die große
Illusion ist, so muß der Mensch über diese große
Illusion hinaus zur wahren Wirklichkeit kommen.
Aber warum faßt denn der Mensch diese Welt, die er mit
seinen Augen sieht, mit seinen Ohren hört, mit seinen
übrigen Sinnen wahrnimmt, als die große Illusion auf?
Warum taten sich denn auf, gerade in den ältesten Zeiten
der Menschheit, wo der Mensch dem Geist nähergestanden hat
als heute, Mysterienstätten, die zu gleicher Zeit zur
Pflege der Wissenschaft, der Religion, der Kunst, des
praktischen Lebens da waren, und die auf die Realität, auf
die Wahrheit hinweisen wollten gegenüber dem, was im nur
äußeren Leben die große Illusion darstellt, in
der der Mensch erkennt und in der er mit seinem
gewöhnlichen Wirken zunächst auch lebt? Warum die
überragenden Weisen, die ihre Schüler ausbildeten in
den heiligen Mysteriender alten Zeiten, die zur Wahrheit
führen wollten gegenüber der Illusion — warum
das? Ja, diese Frage, sie beantwortet sich nur, wenn man etwas
unbefangener, vorurteilsloser auf den Menschen selber
hinsieht.
«Erkenne dich selbst», so tönt ja ein anderes
altes Wort wiederum zu uns. Und ich möchte sagen, aus dem
Zusammenfügen dieser beiden Worte: «Die Welt ist
Maja», aus dem Orient, «Erkenne dich selbst»,
aus dem alten griechischen Wort — erfloß der ganzen
neueren Menschheit ihr Streben nach einer spirituellen
Erkenntnis. Aber in allen alten Mysterien erfloß auch das
Streben nach der wirklichen Wahrheit aus diesem
Zusammenempfinden, daß die Welt eigentlich Illusion ist,
daß der Mensch sich selbst erkennen müsse.
Aber erst im Leben kommt
man zurecht mit dieser Frage; nicht im Denken, sondern im
Wollen und im vollen Drinnenstehen in der uns Menschen
zunächst zugänglichen Wirklichkeit. Nicht im vollen
Bewußtsein, nicht in deutlicher Erkenntnis, aber in einem
intensiven Fühlen sagt sich jeder Mensch innerhalb jeder
Erdenlokalität: So wie die äußere Welt, die du
siehst, die du hörst, kannst du selbst nicht sein.
Diese Empfindung ist eine tiefgehende, meine verehrten
Anwesenden. Man muß nur einmal sich das ganz klar vor die
Seele stellen, was das bedeutet, wenn der Mensch sich sagt: So
wie die äußere Welt, die du siehst, die du
hörst, mit deinen übrigen Sinnen wahrnimmst, kannst
du selbst nicht sein. — Wir betrachten die Pflanzen, wir
sehen sie im Frühling mit ihren grünen Blättern
aus der Wurzel aufsprießen. Wir sehen sie im Laufe des
Sommers zur Blüte, gegen den Herbst zu als Frucht sich
entfalten. Wir sehen sie entstehen und vergehen. Wir sehen das
Leben eingespannt in einen Jahreslauf. Wir sehen allerdings,
wie manche Pflanzen aus dem Irdischen Härteres, wenn ich
so sagen darf, aufnehmen, sich mit Härterem durchdringen,
einen Baumstamm sich bilden. Und als wir im Auto hierher
gefahren sind, um schnell noch hierherzukommen gestern abend,
sahen wir unterwegs recht, recht alte Pflanzen, die viel von
dem Irdischen aufgenommen haben, um nicht in einen Jahreslauf
ihr Leben zu bannen, sondern um länger ihr Dasein zu
führen und immer wieder neue und neue Sprossen an
ihremStamme hervorzubringen. Aber der Mensch hat Gelegenheit,
auch das Entstehen und Vergehen solcher Pflanzen zu
beobachten.
Der
Mensch betrachtet die Tiere. Er sieht sie entstehen, er sieht
sie vergehen. Er tut es zuletzt auch mit den Mineralien. Er
beobachtet dasjenige, was sich in der Erde abgelagert hat an
Mineralien, an den mächtigen, grandiosen
Gebirgszügen. Er ist in der neueren Wissenschaft darauf
gekommen, daß auch diese grandiosen Gebirgszüge
entstehen und vergehen. Und endlich wendet sich der Mensch zu
irgendeiner Anschauung, sei sie ptolemäisch oder
kopernikanisch, oder zu irgendeinem der alten oder der neueren
Mysterien, und der Mensch kommt zu der Anschauung: Was du
siehst in den majestätischen Sternen, was dir
entgegenleuchtet aus Sonne und Mond mit all den wunderbaren,
verwickelten Bahnen, all das entsteht und vergeht ja auch.
— Und außer dem Entstehen und Vergehen trägt es
Eigenschaften, die so sind, daß der Mensch, wenn er sich
selbst erkennen soll, nicht annehmen darf, daß er gleich
sei mit all dem, was da entsteht und vergeht, mit Pflanzen,
Mineralien, mit Sonne, Mond und Sternen. Dann kommt der Mensch
aber zu der Anschauung: Ich trage ja etwas in mir, was anders
ist als das, was ich in meiner Umgebung sehe, was ich in meiner
Umgebung höre. Ich muß auf die Wahrheit meines
eigenen Wesens kommen. Das finde ich nicht in dem, was ich sehe
und höre.
Und
es war in allen alten Mysterien der Drang, nach der Wahrheit
des Menschenwesens zu kommen. Dieser Wahrheit des
Menschenwesens gegenüber, die man suchte, empfand man
dasjenige, was draußen im Räume und in der Zeit
entsteht und vergeht, als die große Illusion. Und so
suchte man um der Erkenntnis des Menschenwesens willen ein
anderes, als die äußeren Sinne geoffenbart haben. Und
dieses andere empfand man als eine geistige Welt. Wie diese
geistige Welt eben richtig gesucht werden kann, das wird der
Gegenstand der Vorträge sein. Denn Sie können sich ja
denken, zunächst wird der Mensch dasjenige, was er
gewöhnt ist, als Weg zu haben, um in der Sinneswelt zu
suchen, fortsetzen wollen. Er wird gerade so, wie er das Wesen
der äußeren Sinneswelt sucht, sein Suchen auch in die
geistige Welt hinein fortsetzen wollen. Wenn aber die Forschung
über die Sinneswelt imgewöhnlichen Leben Illusionen
gibt, dann steht ja zu erwarten, daß die Illusion nicht
kleiner, sondern größer wird, wenn man dieselben
Wege, die man zur Erkenntnis in die Sinneswelt wählt, auch
in die geistige Welt zur Erkenntnis wählt. Und so ist es
auch. Das wird sich uns zeigen. Forscht man in der geistigen
Welt so, wie man forscht in der Sinneswelt, kann die Illusion
nicht kleiner werden, sondern muß größer werden,
und wir leben uns, indem wir die sinnliche Forschung fortsetzen
in die geistige Welt hinein, nur in eine um so
größere, stärkere Illusion hinein.
Und
wiederum, wenn wir ahnen vom Geistigen, wenn wir unbestimmt in
dunkler Mystik vom Geistigen ahnen, träumen vom Geistigen,
ja, dann bleibt uns das Geistige eben unbekannt. Wir ahnen es
nur. Wir glauben nur; wir wissen nichts davon. Wenn wir diese
Mystik, diesen Glauben, dieses Ahnen gegenüber der
geistigen Welt bloß fortsetzen wollen, dann wird sie uns
nicht bekannter, sondern immer unbekannter, so daß der
Mensch sozusagen zwei falsche Wege finden kann.
Auf
der einen Seite: er benimmt sich gegenüber der geistigen
Welt so wie gegenüber der sinnlichen Welt. Da liefert ihm
die sinnliche Welt zunächst die Illusion. Sucht er
denselben Weg in die geistige Welt hinein fortzusetzen, wie es
etwa die gewöhnlichen Spiritisten tun, so kommt er nicht
etwa zu einer geringeren, sondern zu einer größeren
Illusion.
Und
es ergibt sich der andere Weg, nicht mit durchdringlicher, mit
klarer Forschung in die geistige Welt eindringen zu wollen,
sondern glauben zu wollen, mystisch ahnen zu wollen. Dann
bleibt die geistige Welt unbekannt. Wenn man sich noch so
anstrengt, um diesen Weg des Ahnens, des Mystizierens
fortzusetzen, wird sie immer unbekannter und unbekannter. In
beiden Fällen kommt man nicht in die geistige Welt hinein.
In dem einen Fall wird die Illusion größer, in dem
anderen Fall wird die Ignoranz größer. Gegenüber
diesen beiden falschen Wegen ist eben der richtige zu
suchen.
Die
wahren Wege in das geistig wirkliche Erkennen
Man
muß sich vor
Augen halten, wie unmöglich es ist, von der Erkenntnis der
Illusion in dem angegebenen Sinne zu der Erkenntnis des wahren
Selbstes zu kommen, und auch wiederum von dem Ahnen des wahren
Selbstes, von dem mystischen Fühlen des wahren Selbstes zu
dem Durchschauen der Wirklichkeit in der Illusion zu kommen,
wenn man sich vorbereiten will, die wahren, die echten Wege in
das geistig wirkliche Erkennen hinein zu finden.
Betrachten wir einmal ganz unbefangen, was da vorgeht. Man kann
eigentlich mit materialistischem Sinn niemals ein so
großer Verehrer sein von all den neueren
naturwissenschaftlichen Forschern, Darwin, Huxley,
Spencer und so weiter, wie man es sein kann als Erkenner
der geistigen Welt, denn diese Menschen und viele andere seit
der Giordano Bruno-Zeit haben wirklich Unendliches
getan, um dasjenige zu erkennen, was man zu allen Zeiten in den
Mysterien als die große Illusion durchschaute. Man braucht
sich gar nicht bei Darwin, Huxley, Spencer, bei Kopernikus,
Galilei und so weiter an die Theorien zu halten. Mögen
die Menschen theoretisch über das Weltenall denken, was
sie wollen, wir wollen uns darauf gar nicht einlassen; aber wir
wollen uns einmal klarmachen, welche Anregung gegeben worden
ist durch alle diese Menschen, um im einzelnen dieses oder
jenes Organ im Menschen, in der Pflanze, im Tier, dieses oder
jenes Geheimnis, das im Steine waltet, rein materiell zu
durchschauen. Man soll sich nur vorstellen, was wir alles
über Drüsen-, Nerven-, Herz-, Hirn-, Lunge-,
Leberleben und so weiter in der neueren Zeit durch die Anregung
dieser Forschung beobachtet haben. Man wird schon die
nötige Hochschätzung bekommen. Allein der Mensch
kommt mit allen diesen Erkenntnissen im ganzen wirklichen Leben
nur bis zu einem Punkte. Das möchte ich Ihnen an drei
Beispielen zeigen.
Man
kann außerordentlich minuziös erkennen, wie der erste
Eikeim des Menschen sich bildet, wie sich nach und nach in
wunderbarer Weise dieser Keim zum menschlichen Embryo
gestaltet, wie er Organe nach und nach ansetzt, wie aus
peripherisch angeordneten kleinen Organen zuletzt das
wunderbare Herz- und Zirkulationssystem sichaufbaut. Man kann
das alles erkennen. Man kann erkennen, wie wunderbar sich in
der Pflanze von der Wurzel auf bis zur Blüte und zum Samen
alle die Dinge materiell entwickeln, und kann sich daraus eine
Welt aufbauen nach den Anschauungen, die man sich gebildet hat,
eine Welt, die bis zu den Sternen reicht. Es haben unsere
astronomischen, unsere astrophysischen Theoretiker das getan.
Man hat sich eine Welt aufgebaut aus einem Nebel-Sternsystem
heraus, die zu immer deutlicherer und deutlicherer Struktur
gekommen ist, Leben aus sich entwickeln konnte und so
weiter.
Man
kann sich das alles aufbauen. Aber zuletzt steht man da und
fragt nun doch wiederum nach dem eigenen menschlichen Wesen,
nach dem, was Antwort sein soll auf die Frage: «Erkenne
dich selbst.» Und wenn man sich nur in demjenigen Selbst
erkennt, das beschlossen ist in dem, was man erkennt an den
Steinen, Pflanzen, Tieren, an den menschlichen Organen, am
menschlichen Drüsen-, am menschlichen Zirkulationssystem
— was erkennt man? Diejenige Welt erkennt man, die man
bei der Geburt betritt, mit dem Tode verläßt. Nichts
anderes.
Das
aber erfühlt der Mensch in der Tiefe seines eigenen
Wesens, daß das nicht seine wahre, letzte Grenze ist. Und
so muß der Mensch aus dem Innersten seines Wesens alldem
entgegenrufen, was in so großer Vollendung, in so
großer Majestät an äußerer Erkenntnis an
ihn herantreten kann: Das alles nimmst du nur an zwischen der
Geburt und dem Tode. Was bist du in deinem wahren Wesen?
— In dem Augenblick, wo die Frage der Naturerkenntnis und
der Menschenerkenntnis sich religiös wendet, in dem
Augenblicke kommt der Mensch mit dem, was hineinschaut in die
Welt der großen Illusion, nicht weiter. Die Frage: Erkenne
dich selbst, so daß du weißt, woher du stammst im
Innersten deines Wesens, wohin du gehst mit dem Innersten
deines Wesens — diese Frage, die Erkenntnisfrage ins
Religiöse gewendet, bleibt unbeantwortet.
Das
war es, was die alten Mysterien ihren Schülern schon an
den Pforten klarmachten: Du magst erkennen, was du willst mit
deinen äußeren Sinnen, wendest du die Frage
religiös, dann bleibt dir die große Menschheitsfrage,
das große Menschenrätsel unbeantwortet. Und weiter.
Wir mögen noch so genau hinschauen können auf die
Art, wie ein menschliches Gesicht geformt ist, wir mögen
noch so genau hinschauen können, wie ein Mensch seine Arme
und Hände bewegt, wie er geht und steht, wir mögen
uns ein noch so feines Gefühl aneignen für die
Gestalt eines Tieres, die Gestalt der Pflanzen, so weit wir das
mit den Sinnen erkennen können — in dem Augenblick,
wo wir dieses unser Fühlen, wo wir dasjenige, was wir so
auffassen, künstlerisch wenden wollen, bleibt uns wiederum
eine Frage unbeantwortet. Denn wie haben die Menschen das, was
sie von der Welt wußten, von jeher künstlerisch
gewendet? Die Mysterien, sie haben in alten Zeiten dazu
angeregt. Man wußte das oder jenes über die Natur
nach den Erkenntniskräften, die da waren. Aber man
vertiefte dasjenige, was man so wußte, in die Anschauung
des Geistigen.
Man
braucht nur ins alte Griechenland zurückzugehen. Wenn wir
heute einen Bildhauer, einen Maler sehen, er greift —
wenigstens war das vor kurzer Zeit noch ganz der Fall, heute
ist es schon weniger der Fall —, er greift nach dem
Modell. Er will etwas nachmachen. Er will etwas imitieren. Das
hat der Grieche nicht getan. Man glaubt das nur, daß es
der Grieche getan habe. Der Grieche hat den geistigen Menschen
in sich gefühlt. Wollte er bildhauerisch einen Arm in
seiner Bewegung modellieren, dann wußte er: In dem, was
ich da außen am Modell anschaue, da steckt das Geistige
darinnen. — Er wußte, daß alles Materielle nach
dem Geistigen geschaffen ist, und er strebte danach, dieses
Geistige nachzuschaffen.
Der
Maler noch zur Renaissancezeit stellte sich nicht hin und
schaute das Modell an; es war ihm nur Anregung. Dasjenige, was
er von innen heraus wußte, daß es im Arm, in der Hand
lebte, das brachte er in die Bewegung hinein. Wie der Mensch
innerlich mit dem Geiste lebte, das brachte er hinein.
Bloß das Äußere anschauen in der großen
Illusion, in der Maja, bloßes Imitieren des Modelies
läßt uns da stehenbleiben, wo wir stehen, nicht im
Menschen, sondern vor dem Menschen. Künstlerisch die Frage
gewendet, stehen wir, wenn wir bei der Illusion stehenbleiben,
vor der großen Menschheitsfrage, vor den gewaltigen
Menschenrätseln, die unbeantwortet bleiben.
Wiederum war es schon an der Pforte der alten Mysterien, wo man
nun dem Schüler, der eingeweiht werden sollte, klarmachte:
Willst duinnerhalb der äußeren Welt der Illusion
stehenbleiben, kannst du nicht in die menschliche Wesenheit,
aber auch nicht in die Wesenheit eines anderen Naturreiches
eindringen. Du kannst kein Künstler werden. — Man
war wiederum auch auf dem Wege der Kunst in die Notwendigkeit
versetzt, an den Menschen das anschauliche «Erkenne dich
selbst» heranzubringen. Da fühlte man die
Notwendigkeit der spirituellen Erkenntnis.
Sie
werden sagen: Aber es gibt doch recht materialistische
Bildhauer, materialistische Maler, die können doch auch
etwas, die wissen ganz gut dem Modell die Geheimnisse
abzulocken und es in die Gestalten, in die Stoffe
hineinzulegen. — Gewiß, aber woher können sie
das? Sie wissen das gar nicht von sich aus. Man durchschaut das
nur nicht. Sie haben das gelernt von den älteren Malern;
diese wieder von den [noch] älteren Malern. Tradition ist
es. Man weiß, wie Ältere das gemacht haben. Man sagt
sich das nicht immer, weil man doch selber tüchtig sein
will. Aber man ist es nicht. Man weiß nur, wie die
Älteren tüchtig waren und macht es ihnen nach. Aber
die Ältesten von diesen Älteren, die haben eben das
Geheimnis gerade aus den spirituellen Anschauungen der
Mysterien heraus bekommen. Ältere Maler, ältere
Bildhauer haben es von den Mysterien bekommen; Raffael,
Michelangelo haben es von solchen bekommen, die es noch
aus den Mysterien bekamen. Aber wirkliche Kunst muß aus
dem Spirituellen geschöpft sein. Anders geht es nicht.
Sobald man an den Menschen herankommt, läßt einem das
Anschauen der großen Illusion, der Maja, unbeantwortet die
Lebensrätsel, die Menschenrätsel. Wollen wir wiederum
zum Ursprünglichen einer Kunst kommen, zum schaffenden
Künstlerischen, brauchen wir wiederum einen Einblick in
die spirituelle Welt.
Ein
drittes Beispiel: Man kann als Botaniker, als Zoologe wunderbar
kennen jede Form der einem zugänglichen Pflanzen. Man kann
in Chemie, Physiologie die Prozesse beschreiben, die in den
Pflanzen vor sich gehen. Man kann die Prozesse kennenlernen,
wie sich Nahrungsmittel verwandeln in den Verdauungsorganen und
innerhalb des Blutes und weiter bis zu den Nerven hin. Man kann
das alles kennenlernen. Man kann ein sehr kluger, gescheiter
Anatom oder Physiologeoder Botaniker oder Zoologe werden,
vieles erforschen in der Welt der großen Illusion —
will man heilend, medizinisch an den Menschen mit all diesen
Kenntnissen herankommen, will man wiederum den Weg finden von
der Natur des Menschen, ja, von der Innennatur des Menschen zu
seinem Wesen: man kann es nicht.
Sie
werden sagen: Es gibt aber genug materialistisch denkende
Ärzte, die wollen nichts wissen von der geistigen Welt,
die gehen nur nach dem, was man mit der Naturwissenschaft
erforschen kann, und sie heilen doch. — Ja, warum heilen
sie? Sie heilen, weil sie wiederum die Tradition aus einer
alten Weltanschauung haben. Alte Heilmittel waren ja auch aus
den Mysterien heraus entnommen; aber sie haben alle eine
merkwürdige Eigentümlichkeit. Wenn Sie, meine sehr
verehrten Anwesenden, ein altes Rezept in die Hand nehmen: das
ist ungeheuer kompliziert, das erfordert, um es darzustellen
und zu dem anzuwenden, wovon einem gesagt wird nach der
Tradition, daß es angewendet werden soll,
außerordentlich viel.
Wenn Sie nun in die alten Mysterien gegangen wären und
einen Mysterienarzt gefragt hätten, wie solch ein Rezept
zustande kommt, der würde Ihnen nie geantwortet haben: Da
mache ich chemische Versuche, da probiere ich zuerst einmal, ob
die Stoffe miteinander sich so und so verhalten, und dann wende
ich das bei den Kranken an und sehe, was sich da ergibt.
— Das würde Ihnen der alte Mysterienarzt nie
geantwortet haben, ihm wäre dies nicht eingefallen. Die
Menschen wissen nur nicht, wie das in früheren Zeiten war.
Der hätte Ihnen geantwortet: Ich lebe in dem Laboratorium
— wenn wir es so nennen wollen —, das mir im Sinne
des Mysteriums eingerichtet worden ist, und wenn ich zu einem
Heilmittel komme, so haben mir das die Götter gesagt.
— Denn er war sich klar darüber: Durch die ganze
Stimmung, die in seinem Laboratorium erzeugt worden ist, kam er
in lebendigen Verkehr mit der geistigen Welt. Da wurden
geistige Wesen so gegenwärtig für ihn, wie es sonst
die Menschen sind. Und da wurde er sich bewußt: Durch den
Einfluß der geistigen Wesen in der geistigen Welt kann er
mehr sein als ohne solchen Einfluß. Und er setzte seine
komplizierten Rezepte zusammen. Nicht mit Naturerkenntnis, nach
Götterart setzte er sie zusammen. Man wußte innerhalb
dieser Mysterien selber: Will man an den Menschen herankommen,
dann darf man nicht in der Illusion stehenbleiben, dann
muß man zur Wahrheit der göttlichen Welt
vordringen.
Die
Menschen sind heute in ihrem äußeren Erkennen der
Wahrheit der göttlichen Welt noch viel ferner, als die
Alten es waren mit ihren Mysterien. Aber der Weg muß
wieder zurückgefunden werden. Denn das ist das dritte, was
ich Ihnen als Beispiel anführen kann: Wenn man mit der
allerausgebreitetsten Erkenntnis der Natur, das heißt der
großen Illusion, gerüstet ist und will heilen —
man steht wiederum mit unbeantworteten Fragen vor dem
Menschenleben, vor dem Menschenrätsel. Kommt man von der
Illusion an den Menschen heran, von dem «Die Natur ist die
große Illusion» zu dem «Erkenne dich
selbst», wie es auch beim Heilen dargelegt werden
muß: man kann keinen Schritt weitermachen.
Und
so kann man aus diesen drei Beispielen sagen: Der Mensch, der
die Brücke schlagen will zwischen der Welt der großen
Illusion, der Maja, und dem «Erkenne dich selbst»,
der sieht, wie er vor dem Nichts steht, wenn er nur von der
Illusion ausgehen will, sobald er an den Menschen religiös
fühlend, künstlerisch schaffend und helfend als
Heiler, als Arzt herankommen will. Er kann es nicht, wenn er
nicht übergeht zu einer ganz anderen Erkenntnis, als die
Erkenntnis der äußeren Natur, die Erkenntnis der
großen Illusion, der Maja, ist.
Die
Erkenntnis der Welt in ihrer Totalität durch
geistige Anschauung innerhalb der physischen Tatsachen
Wir
wollen nun noch einen Vergleich anstellen zwischen der Art, wie
man in alten Zeiten aus dem Geiste der Mysterien heraus
versucht hat, die Totalerkenntnis von der Welt zu erwerben, und
wie man heute versucht, es zu tun, um daran uns zu orientieren
in bezug auf die Wege zu einer solchen Totalerkenntnis von der
Welt.
Ganz anders sprach man vor einigen Jahrtausenden über die
Welt und ihr Wesen, als heute diejenigen Gelehrten sprechen,
die auf Autorität Anspruch machen. Wollen wir uns einmal
einige Jahrtausende zurückversetzen in die Zeit, wo eine
glänzende, majestätische Erkenntnis in Vorderasien
blühte, aus heiligen Mysterien heraus, wollen wir uns
einmal mit einigen charakteristischen Strichen in die Art
dieser Erkenntnis hinein vertiefen.
Da
wurde etwa im alten Chaldäa, sagen wir, folgendes gelehrt:
Der Mensch erlebt die äußersten Grenzen des Daseins,
bis zu denen er kommen kann mit seinen Seelenkräften, wenn
er den geistigen, den Seelenblick auf den wunderbaren Gegensatz
lenkt zwischen dem Leben, wenn er schläft — das
Bewußtsein ist dumpf, der Mensch weiß nichts von
seinem Leben — , und demjenigen Leben, das er verbringt,
wenn er wach ist — es ist hell um den Menschen herum, der
Mensch weiß von seinem Leben.
Anders wurden diese Wechselzustände zwischen Schlafen und
Wachen vor Jahrtausenden empfunden. Der Schlaf war nicht so
bewußtlos, das Wachen war nicht so bewußtvoll. Im
Schlafe nahm man sich wandelnde, mächtige Bilder,
webend-wellendes Weltenleben wahr; man war unter Wesenhaftem,
wenn man schlief. Daß der Schlaf so bewußtlos
geworden ist, ist erst mit der Entwickelung der Menschheit
geschehen. Dafür aber war vor Jahrtausenden das Wachleben
nicht so durchsonnt, nicht so durchleuchtet wie heute. Die
Dinge hatten nicht feste Grenzen, waren verschwommen. Sie
sprühten noch allerlei Geistiges aus. Es war kein so
schroffer Übergang zwischen Schlafen und Wachen. Aber man
konnte unterscheiden, und man nannte alles das, worinnen man
lebte, im Wachen der damaligen Zeit, etwa «Apsu». Das
war die Welt des Wachens.
Man
nannte dasjenige, worin man war, wenn man schlief, das
Webend-Wellende, das, wodurch man nicht so gut unterscheiden
konnte, wie wenn man wach war, Mineralien, Tiere und Pflanzen,
man nannte das «Tiamat».
Nun
wurde in den chaldäischen Mysterien gelehrt: Mehr ist der
Mensch im Wahren, im Wirklichen drinnen, wenn er im Tiamat
schlafend webt, als wenn er wachend unter den Mineralien,
Pflanzen und Tieren lebt. Tiamat ist ursprünglicher, ist
mehr der Welt des Menschlichen verbunden als Apsu; Apsu ist
unbekannter; Tiamat stellt dasjenige dar, was dem Menschen
naheliegt. Aber es traten Veränderungen ein im Tiamat im
Laufe der Zeit. So sagte man und lehrte man den Schülern
der Mysterien. Aus dem Weben und Leben entstanden
Dämonengestalten, pferdeähnliche Gestalten mit
Menschenköpfen, löwenähnliche Gestalten mit
Engelsköpfen. Sie entstanden aus dem Gewebe des Tiamat.
Das, was da lebte als dämonische Gestalten, wurde dem
Menschen feindlich.
Da
aber trat in die Welt ein mächtiges Wesen ein:
«Ea». Wer heute noch Laute fühlt, der fühlt
in dem Zusammenklange von E und A den Hinweis auf jenes
mächtige Wesen, das dem Menschen hilfreich im Sinne dieser
alten Mysterienlehre zur Seite war, als die Dämonen aus
Tiamat mächtig waren: Ea, Ia, was dann später, indem
man die Seinspartikel «soph» voraussetzte, Soph Ea =
Sophia wurde. Ea, ungefähr dasjenige, was wir mit dem
abstrakten Worte: Weisheit, die in allen Dingen waltet,
bezeichnen. Ia = die in allem waltende Weisheit, Sophia. Soph =
eine Partikel, die ungefähr «seiend» bedeutet.
Sophia, Sophea, Sopheia = die waltende Weisheit, die
überall waltende Weisheit schickte dem Menschen einen
Sohn, jenen Sohn, den man dazumal mit dem Namen bezeichnete:
«Marduk», den wir gewohnt worden sind in einer etwas
späteren Terminologie als Michael zu bezeichnen, als den
aus der Hierarchie der Archangeloi heraus waltenden Michael.
Das ist dieselbe Wesenheit wie Marduk, der Sohn von Ea, der
Weisheit, Marduk-Michael.
Und
Marduk-Michael — so ist die Mysterienlehre — war
mächtig, groß und gewaltig. Und alle jene
Dämonenwesen, wie Pferde mit Menschenköpfen,
Löwengestalten mit Engelsköpfen, alle diese webenden,
wogenden Dämonen standen eben in ihrem Zusammenhange als
die große Tiamat ihm gegenüber. Er war mächtig,
Marduk-Michael, den Sturmwind, der durch die Welt wogt, zu
beherrschen. Also Tiamat, alles das wurde wesenhaft
vorgestellt, mit Recht, denn so sah man es, wesenhaft. Alle
diese Dämonen zusammen bildeten einen mächtigen
Drachen, der feuerwütig sich entgegenstellte als die Summe
all der Dämonengewalten, die aus Tiamat, der Nacht,
herausgeboren wurden. Als sein Wesen feuerwütig
Marduk-Michael entgegentrat, da stieß er ihm erst seine
anderen Waffen, dann die ganze Gewalt des Sturmwindes in die
Eingeweide, und das Wesen Tiamat barst undrollte auseinander,
zerbarst in alle Welt. Und Marduk-Michael konnte oben formen
den Himmel und unten die Erde. Und so entstand das Oben und
Unten.
Und
so lehrte man in den Mysterien: Der große Sohn der Ea, der
Weisheit, er hat Tiamat bezwungen und aus einem Teil des Tiamat
das Obere, die Himmel gebildet, aus einem anderen Teil des
Tiamat das Untere, die Erde gebildet. Siehst du hin in die
Himmel zu den Sternen, o Mensch, dann siehst du einen Teil
desjenigen, was aus den furchtbaren Abgründen der Tiamat
Marduk-Michael oben geformt hat zum Heile der Menschen.
Und
siehst du nach unten, wo die Pflanzen aus dem
mineraldurchsetzten Irdischen wachsen, wo die Tiere sich
gestalten, dann findest du den anderen Teil, den der Sohn der
Ea, der Weisheit, aus Tiamat zum Heile der Menschheit umgeformt
hat.
Und
so sah jene alte Menschheitszeit im alten Chaldäa
zurück auf ein Gestalten in der Welt, sah hin auf
Wesenhaftes. Alles das empfand man wesenhaft: diese
Dämonengestalten, die die Nacht bevölkerten, all das,
was aus diesen Nachtgestalten, aus den waltenden, webenden
Wesenheiten in der Tiamat, die ich Ihnen geschildert habe,
Marduk-Michael geformt hat als oben die Sterne, als unten die
Erde — all das, was uns aus den Sternen
entgegenglänzt: umgewandelte, durch Marduk-Michael
umgewandelte Dämonen — all das, was uns aus der Erde
selber herauswächst: durch Marduk-Michael umgewandelte
Haut, umgewandeltes Gewebe von Tiamat, so sah man in alten
Zeiten dasjenige an, was man durch die alten
Seelenfähigkeiten sich vergegenwärtigen konnte. Das
war Erkenntnis.
Und
dann haben die Leiter eines Mysteriums ihre Schüler ganz
im Geheimen vorbereitet, seelenkräftig vorbereitet. Und
wenn die Schüler solche Seelenkräfte entwickelten,
dann haben sie die ersten Elemente desjenigen erkennen
können, was wir heute schon den Kindern in der Schule als
Elementarlehre davon beibringen, daß die Sonne stillsteht,
die Erde sich herumdreht, daß sich aus Nebeln Welten
gebildet haben. Diese Naturlehre, die wir heute in der Schule
den Kindern beibringen, die war das große Geheimnis.
Dagegen das, was vor aller Welt entfaltet wurde, das war
dasjenige, was ich Ihnen eben erzählthabe von den Taten
des Marduk-Michael. Wir lernen heute in unseren Schulen —
wenn sie auch nicht mehr mysterienhaft aussehen —, auf
unseren Universitäten, aber auch schon in den niederen
Schulen bis zur Volksschule hin dasjenige, was kopernikanische
Weltanschauung als astrophysisches Weltenwissen ist, das die
alten Weisen sich erst nach langer Vorbereitung erringen
durften und erringen konnten. Was heute jedes Schulkind
weiß, das konnte man in alten Zeiten nur wissen, wenn man
eingeweiht wurde. Heute lernt man alles dieses in der
Schule.
Es gab eine Zeit —
sie liegt noch weiter zurück als die Weisheit des alten
chaldäischen Mysterienwesens —, da redeten die
Menschen nur von solchen Dingen, wie ich sie Ihnen geschildert
habe, von Ea, von Marduk-Michael, von der Apsu und Tiamat, nur
von diesen Dingen redeten diese Menschen. Da verabscheuten sie
alles, was diese schrullenhaften Mysterienlehrer sagten von der
Bewegung der Sterne, von der Bewegung der Sonne, und wollten
nur das Äußere, Sichtbare erforschen, nicht das
Unsichtbare, was sich eben, wenn auch in Form des alten
Hellsehertums, vor die Menschheit hinstellte. Man verachtete
dasjenige, was sich die alten Eingeweihtenlehrer und
-schüler aneigneten.
Dann kam die Zeit, wo sich allmählich vorbereitete aus dem
Orient das uralte Wissen. Da schätzte man beides. Man
schätzte dasjenige, was man in dem Herausleben des
Wesenhaften der geistigen Welt hatte, man schätzte zum
Beispiel dasjenige, was die Taten des geistigen Wesens
Marduk-Michael sind; man schätzte eben das, was man auf
die Tafel zeichnen könnte (es wird gezeichnet): in der
Mitte die Sonne, ringsherum die Sterne, sich bewegend in Zyklen
und Epizyklen. Man schätzte das alles.
Dann kam die Zeit, in der man das Hineinschauen in geistige
Welten, in Dämonen- und Götterwelten nicht mehr
hatte, und in der sich besonders ausbildete das andere, das
intellektuelle Wissen, jenes Wissen, auf das der heutige Mensch
so stolz ist, das sich allmählich bis zur Kulmination
gegen unser Zeitalter hin ausgebildet hat. Wir stehen nun
ungefähr in der äußeren Welt in jenem Zeitalter,
wo man so verachtet das Spirituelle, wie in alten Zeiten das
Materielle vondenjenigen verachtet wurde, denen das Spirituelle
selbstverständlich war. Wir müssen uns hineinleben in
die Zeiten, wo wir wieder imstande sein werden, neben dem, was
Astronomen, Astrophysiker, was Zoologen und Biologen lehren,
dasjenige aufzunehmen, was die spirituelle Erkenntnis an
geistigen Wesensinhalten gibt. Diese Zeit ist gekommen. Dieser
Zeit muß der Mensch entgegenleben, wenn er seine Aufgaben
lösen will, wenn er wiederum zum Religiösen, zur
Kunst, zur Heilkunde und so weiter kommen will.
So
wie in alten Zeiten der Spiritualismus geleuchtet hat unter den
Menschen, das Materielle aber verachtet worden ist, und dann
ein Zeitalter gekommen ist, wo man die materielle Erkenntnis
aufgenommen hat, die dann groß geworden ist und die
Spiritualität verdrängt hat, so wie man also in einem
Irrtum in alten Zeiten mit dem Spirituellen allein gelebt und
die äußere Welt verachtet hat, und so, wie man in der
Zeit, als man das Materielle schätzte,
irrtümlicherweise den Spiritualismus verachtet hat, so
muß jetzt eine Zeit kommen, wo man von der umfassenden und
wunderbaren Erkenntnis der äußeren Welt wiederum zu
einem neuen Mysterienwissen kommen muß.
Wir
müssen, nachdem die materielle Erkenntnis, die so
wunderbar geworden ist, von der alten Spiritualität
Stück für Stück sich abgerissen hat, so daß
wie von uralten Gebäuden nichts mehr vorhanden ist auf der
Erde als höchstens jene Überreste, die man wie die
alten materiellen Gebäude ausgräbt — wir
müssen wiederum zu einer Spiritualität kommen, aber
mit voller Erkenntnis dessen, was wir aufzeigen können,
wenn wir, in alte Erdenzeiten zurückblickend, wie in der
Historie graben. Wir müssen wiederum zu solcher
Spiritualität kommen durch ein neues religiöses
Vertiefen, durch ein neues künstlerisches Gestalten, durch
ein neues, in das Menschenwesen eindringendes Geistwissen durch
Heilpraxis und so weiter.
Das
sind drei Beispiele, die ich heute vor Ihnen ausgeführt
habe, um wiederum Mysterien zu erbauen, vor denen wir dann
stehen werden wie vor etwas, das uns bringen kann Erkenntnis
der Wesenstotalität der Welt und Handeln des Menschen zum
Heile der Menschheit im Sinne der Totalität, nicht
bloß der einseitigen materiellen Wirklichkeit.
|