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Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken

Schmidt-Nummer: S-5938

Online seit: 31st December, 2016

ZWÖLFTER VORTRAG

Dornach, 16. September 1924

Meine lieben Freunde! Wir dürfen ja natürlich heute gedenken, daß es ein günstiger karmischer Fall ist, daß wir während der Zeit wieder beisammen sind, in welcher vor zwei Jahren die erste Menschenweihehandlung hier vollzogen werden konnte. Wir haben ein Merkwürdiges in der Anordnung der Hauptpunkte in der Entwickelung unseres geistigen Lebens hier: Die Menschenweihehandlung dazumal vor zwei Jahren, der Brand des Goetheanums, ein Jahr danach die Grundsteinlegung der Anthroposophischen Gesellschaft, und jetzt, nach dem zweiten Jahr, sind wir hier zusammen, um, wie es Ihr Bedürfnis ist, die Apokalypse zu betrachten.

Die Betrachtung der Apokalypse hängt ja, wie ich von Anfang an erwähnt habe, eng zusammen mit demjenigen, was die Menschenweihehandlung in sich schließt, und daher ist eigentlich jeder Tag, den wir jetzt an die Betrachtung der Apokalypse wenden, schon eine Erinnerungsfeier an das, was wir dazumal vor zwei Jahren unter uns haben leben lassen, um in dieses Leben dasjenige hineinzubringen, was sich aus der geistigen Welt als der gegenwärtige moderne Kultus offenbaren wollte.

Nun wird es vielleicht mit Bezug auf die Koinzidenz der Ereignisse gerade richtig sein, daß wir heute diesen Punkt der Apokalypse vor uns haben werden, der dem Verständnis die größten Schwierigkeiten bietet, der aber eigentlich ganz in das Herz der Apokalypse hineinführt und der am allerinnigsten gerade mit dem Mysterium der Menschenweihehandlung deshalb zusammenhängt, weil er ja objektiv mit der Wesenheit des Christus zusammenhängt. Es ist eigentlich nur möglich, über diesen Punkt zu sprechen im Zusammenhang mit der Apokalypse. Denn die Apokalypse trägt so sehr an ihrer Stirne den christlichen Grundcharakter, daß es ganz zweifellos ist, daß wir damit nichts aus der christlichen Betrachtung irgendwie Abirrendes herausbekommen können, wenn wir das betrachten, was mit dieser Apokalypse auf naturgemäße Weise zusammenhängt. Und es darf Ihnen versichert werden, daß dasjenige, was ich in bezug auf diesen Punkt, den wir heute besprechen wollen, werde zu sagen haben, sich auf eine ganz eklatante Weise aus den Gesichten des Apokalyptikers ergibt.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, wir befinden uns seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts in dem fünften nachatlantischen Zeitraum, und innerhalb dessen am Beginn des erneuten Kampfes, den Michael wird zu führen haben innerhalb alles desjenigen, was in der nächsten Zeit zu geschehen hat, und wir blicken zurück von da aus auf den vierten nachatlantischen Zeitraum, der dem unsrigen unmittelbar vorangegangen ist.

Wir wissen ja, daß dieser vierte nachatlantische Zeitraum ungefähr begonnen hat um das Jahr 747 vor dem Mysterium von Golgatha, daß in diesen vierten nachatlantischen Zeitraum hineinfiel das Mysterium von Golgatha, das - zwar nicht ganz genau, weil es doch mehr oder weniger in der ersten Hälfte des vierten nachatlantischen Zeitraums stattfand, also nicht ganz genau -, das aber doch, wenn man jene Verschiebungen berücksichtigt, die immer in der Weltevolution stattfinden bei den Ereignissen, in die Mitte dieses Zeitraumes hineingestellt werden kann. Wir können also das, was mit unserer geistigen Entwickelung zusammenhängt, schematisch etwa so zeichnen, daß wir sagen (es wird gezeichnet): Der fünfte nachatlantische Zeitraum ist da. Ihm gingen voran der vierte, dritte, zweite, erste und so weiter, dann immer weiter zurück bis zur atlantischen Katastrophe, welche die Gestalt unserer Erdoberfläche ja endgültig wesentlich umgestaltet hat, wie wir wissen, welche sozusagen ein neues Antlitz unserer Erde herbeigeführt hat.

Tafel 9

Nun schauen wir uns einmal diesen vierten Zeitraum, den atlantischen an, was er darstellt. Ihm ging voran dasjenige, was ich öfter genannt habe den lemurischen Zeitraum in der Erdenentwikkelung, dann dasjenige, was wir als den zweiten und als den ersten Zeitraum der Erdenentwickelung bezeichnen können. Allein diese drei ersten Zeiträume der Erdenentwickelung bis zum atlantisehen Zeitraum hin sind ja Wiederholungen: der erste des Saturnzeitalters, der zweite des Sonnenzeitalters, der dritte des Mondenzeitalters. Erst der vierte, der atlantische Zeitraum, stellt etwas Neues dar. Die vorhergehenden Zeiträume sind durchaus Wiederholungen, Wiederholungen allerdings auf einer höheren Stufe, aber eben Wiederholungen.

Der atlantische Zeitraum, also dieser vierte Zeitraum, stellt etwas Neues dar. Und dasjenige, was damals geschehen ist während des atlantischen Zeitraumes, das traf ja ein, als die Erde noch wesentlich andere Formen hatte, als die späteren sind. Eine feste Erdkruste war ja namentlich in der Mitte der atlantischen Zeit nicht in demselben Sinne vorhanden wie heute. Die geologischen Zeiträume, die für diese Dinge angenommen werden, sind ja Illusionen. Die Zeiten, in denen sich die Erde verfestigt hat aus verhältnismäßig fest-flüssiger Beschaffenheit, sie liegen ja noch in der atlantischen Zeit. Und das Menschengeschlecht war während der atlantischen Zeit ein ganz anderes. Es hatte in der Mitte der atlantischen Zeit noch nicht das heutige feste Knochengerüst. Die Menschen in ihrer damaligen Bildung glichen eigentlich substantiell mehr oder weniger niederen Tieren, nicht in ihrer Form - in ihrer Form waren sie sehr edel gebildet -, aber substantiell glichen sie niederen quallenartigen Tieren in weicher, sich verknorpelnder Substanz.

Wir können also sagen: Alle physischen Verhältnisse auf der Erde sind seit jenen Zeiten anders geworden und zeigen nicht mehr jene radikalen Metamorphosen, jene radikalen Umwandlungen, die in der Mitte der atlantischen Zeit noch möglich waren. Wir hatten dort zum Beispiel in der jeweiligen unmittelbaren Gegenwart die Möglichkeit des Metamorphosierens so, daß der Mensch, der von weicher Materie war, bald größer, bald kleiner, bald so und bald so gestaltet war, je nachdem sein Seeleninneres war. Denn jede Seelenregung prägte sich sogleich im physischen Leibe aus. Wer dazumal in der Mitte der atlantischen Zeit die Sehnsucht hatte, etwas weit weg Liegendes zu ergreifen, dessen Wille wirkte in seine quallenartigen Organe so hinein, daß diese sich weit verlängerten. Es war also das ganze physische Geschehen ein anderes, die physischen Vorgänge in der jeweiligen Gegenwart waren in ihrem ganzen Verlauf andere. Es zeigte sich in allen physischen Vorgängen, in allen Transformationen, Metamorphosen ein Bild des wirklichen geistigen Geschehens.

Heute ist das ja nicht so. Heute sehen wir hinaus, und in dem, was da draußen geschieht, selbst im Verlauf der Jahreszeiten, gewahrt ja der Mensch das Wirken des Geistes nicht mehr. Bei jenen schnellen Transformationen im alten atlantischen Zeitalter gab es für den Menschen keinen Zweifel, daß in dieser Welt GöttlichGeistiges enthalten war. Wenn auch der atlantische Kontinent damals im wesentlichen schon in seinen Formen blieb, er war etwas außerordentlich Bewegliches, ringsum von webender dichter Flüssigkeit eingeschlossen, er war etwas, man kann nicht sagen Halbflüssiges, aber doch Zähflüssiges, das die noch so weich organisierten Körper tragen konnte, die damals noch nicht auf dem Erdboden befestigten Pflanzen, die durchaus noch in dem substantiell Weichen, Beweglichen mehr oder weniger schwebenden oder gleitenden Pflanzen. Also es waren ganz andere physische Verhältnisse. Man kann sagen: Meer und Land waren noch nicht in der Weise geschieden wie später, sie gingen noch ineinander über. Es war so, daß diejenigen, die damals die Verhältnisse sehen konnten, davon sprachen: In dem unmittelbar angrenzenden Meer, wo mehr und stärker das sich Metamorphosierende sich ausdrückt als auf dem fest-flüssigen Lande, da walten die Götter stärker. Rings um die Atlantis sah man die waltenden Götter. Man hatte keinen Zweifel, daß da diese Götter walteten, man nahm überall das Geistige und das Seelische zugleich mit dem Physischen wahr; und man schaute im Physischen das Seelische und das Geistige.

Nun kann man es durchaus als die Eigentümlichkeit des vierten nachatlantischen Zeitraumes ansehen - gewiß, in den Jahrhunderten, in denen er sich dem neuen fünften nachatlantischen Zeitraum näherte, war das nicht mehr so deutlich, aber in den griechischen Zeiten war das ganz deutlich -, daß man in all dem, was in der Luft spielt, durchaus das göttliche Walten schaute. Im FestFlüssigen sah man das göttliche Walten in der alten Atlantis, in dem Flüssig-Luftförmigen der Wolkenbildung, der Dämmerungsbildung und so weiter schaute man das göttliche Walten im vierten nachatlantischen Zeitraum. Es war das Bewußtsein der Menschen in diesem vierten nachatlantischen Zeitraum noch nicht so deutlich, so daß wir keine definitionsähnlichen Beschreibungen davon finden, aber da war es; denn ich möchte wissen, wie der unbefangene Menschensinn jene wunderbaren Wolkenmalereien auf den Bildern der Frührenaissance anders verstehen kann, als daß gefühlt wurde, wie herausgeboren wird ein Geistiges, wie gefühlt wird im Lüfte-Wolken-Wesen, im luft-wässrigen Wesen das göttlich-geistige Wirken.

Sehen Sie, der Mensch ist in diesem Zeitalter so gewesen, daß er nicht das Physische der Wolkenbildung ins Auge faßte, sondern dasjenige, was er als das sich durch die Wolken Offenbarende empfand. Die Empfindung ist eine ungemein schöne, aber für das moderne Bewußtsein schwer zu rekonstruierende. Wenn der Mensch - sogar noch des 8., 9. nachchristlichen Jahrhunderts den Morgenhimmel ansah, wie die Dämmerung, die im Dämmerschein glimmernde Wolkenbildung da vor seiner Seele stand, da fühlte er tatsächlich noch die Aurora, die Morgenröte als ein Lebendiges; und ebenso fühlte er in der Abenddämmerung.

So daß wir sagen können: In der alten Atlantis sah man das Geistige physisch. Nun folgte auf Atlantis die nachatlantische Zeit mit ihren sieben Zeiträumen. Die Wiederholung des Atlantischen, die Wiederholung dessen, was physisch vorgegangen ist in der Atlantis, ging in diesem vierten nachatlantischen Zeitraum seelisch vor sich. Jene mächtigen Erschütterungen, von denen ich gesprochen habe: Den Jahren 333, 666, die seelische Erschütterungen in der Entwickelung der Menschheit sind, entsprechen durchaus physische Erschütterungen in der atlantischen Zeit. Und die Seher des griechisch-lateinischen Zeitalters spürten durchaus, daß, wenn sie so etwas sahen wie die Offenbarungen im Flüssig-Luftförmigen, sich in ihren Seelen etwas zeigte wie eine Wiederholung früherer Erdzustände, die damals im Physischen verliefen. Es war das Bewußtsein dafür schon vorhanden, wenn auch in jenem herabgedämpften Zustande, wie das Bewußtsein damals überhaupt war.

Aber in all dem, was da lebte in solchen Schulen wie zum Beispiel in der Schule von Chartres, die ich jetzt in den anthroposophischen Vorträgen erwähnte, da lebten durchaus noch solche Darstellungen, die zeigen, wie das seelische Erleben dieses griechisch-lateinischen Zeitraumes eine seelische Wiederholung des dichteren physischen Erlebens und Geschehens in der atlantischen Zeit war.

Und jetzt stehen wir im Zeitalter der Bewußtseinsseele. Das unmittelbare seelische Erleben im Luftförmig-Flüssigen ist erloschen. Aber, man möchte sagen, wie durch eine Art Katastrophe, mit der der fünfte, der nachatlantische Zeitraum begonnen hat, bereitet sich ja zunächst die weitere Entwickelung der Bewußtseinsseele der Menschheit vor. Wir stecken immer noch ein wenig im Chaos dieser Entwickelung der Bewußtseinsseele in bezug auf die äußere Zivilisation. Aber gerade der Anbruch des Michaelzeitalters soll in dieses Chaos ordnende Anschauung bringen. Diese Anschauung, sie wird darin bestehen, daß, so wie Erinnerungen in den Menschen heraufkommen, ganz geistig - nicht mehr wie in der atlantischen Zeit physisch, in der griechisch-lateinischen Zeit seelisch, sondern ganz geistig - Bilder auftauchen werden, etwas wie gedankliche Fata-Morgana-Bildungen, namentlich nach der Erscheinung des ätherischen Christus, In den Gedanken der Menschen werden innerlich eine Art von inneren Fata-Morgana-Bildern auftauchen, die einen visionären Charakter haben, die aber im Zeitalter der Bewußtseinsseele vollständig bewußt sein werden. Und so wie man in der Wüste, durch die Wärme der Luft bewirkt, die Fata Morgana sieht - sie wird ja durch die Wärme der Luft bewirkt -, so wird der menschliche Gedanke getragen werden zum Verständnis desjenigen, was luftförmig-feurig, luftförmig-wärmeartig ist.

Wir können sagen: In der atlantischen Zeit nimmt der Mensch das Göttliche wahr im Fest-Flüssigen, das heißt mehr in der äußeren physischen Materie, im vierten nachatlantischen, im griechisch-lateinischen Zeitraum, nimmt der Mensch das Geistige wahr in den wunderbaren Gebilden des Flüssig-Luftförmigen, und jetzt - also im fünften nachatlantischen Zeitraum, wo es die Bewußtseinsseele wahrnehmen wird - werden wir erleben, wie immer mehr und mehr im Bewußtsein auftauchen wird dasjenige, was luftförmig-feurig, was luftförmige Wärme ist; das wird vor dem Menschen in gewaltigen geistigen Bildern dasjenige aufsteigen lassen, was die Griechen seelisch erlebt haben und was die Bewohner der Atlantis physisch erlebt haben.

Ein Zeitraum steht also in der Menschheitsentwickelung bevor, in dem mit der Klarheit der Gedanken Visionen über die Erdenvorzeiten und über die Herkunft des Menschen und alles, was damit zusammenhängt, auftauchen werden. Die darwinistische Anschauung, die ganz und gar aus reinen Schlußfolgerungen heraus den Menschen eine niedere Abkunft gab, geht voran der Entwickelung des inneren Anschauens, der Entwickelung der wunderbaren Imaginationen, die aus der menschlichen Innenwärme, verbunden mit dem Atemprozeß, wie konkrete, kolorierte, inhaltsvolle visionäre Gedanken auftauchen werden. Der Mensch wird wissen, was er war, indem er zuerst wie in einer Spiegelung schauen wird in den griechisch-lateinischen Zeitraum, und dann dahinter, was da war in der Atlantis.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, dieses Schauen, das geht uns eigentlich recht unmittelbar an, weil es in der nächsten Epoche der Menschheit eintreten wird; dieses Schauen ist dasjenige, wo wir, weil es uns so naheliegt, geradezu den Apokalyptiker im Herzen schauen. Denn das Schauen, das unmittelbar bevorsteht, ist das, was er in dem Bilde andeutet: Das Weib, mit der Sonne bekleidet, den Drachen unter ihren Füßen, ein Knäblein gebärend (Apk. 12, 1).

Durch das, was in diesem Bilde sich ausdrückt, werden in der Tat viele Menschen sehend werden noch im Laufe dieses Jahrhunderts. Von diesem Bild strahlt vieles aus, das den Menschen ein Verständnis bringen wird. Zunächst leuchtet dieses Bild zurück in das griechisch-lateinische Zeitalter, wo auf seelische Art sich vorbereitet hat das Verständnis für die Gestalt des Bildes, wie es in der nächsten Zukunft erscheinen wird. Es hat die mannigfaltigsten Formen angenommen: Isis mit dem Horuskind, die ChristusGebärerin mit dem Christus-Kind; diese Dinge haben wunderbar tief gerade im griechisch-lateinischen Zeitalter gelebt in vielen Metamorphosen, die noch traditionell erhalten sind.

In der nächsten Zukunft werden die Menschen zurückschauen auf die Art des Schauens, wie die Menschen des vierten nachatlantischen Zeitraumes in den Wolken, das heißt im Luftförmig-Flüssigen dieses Bild gesehen haben. Und weiter wird zurückgeschaut werden auf dasjenige, was in den physischen Vorgängen der Atlantis lebte. Es wird geradezu so sein, wie wenn dieses Bild des sonnebekleideten Weibes, das ein Knäblein gebiert und den Drachen unter seinen Füßen hat, wie durch eine Art geistiges Fernrohr, eine Art Okular hinwiese auf eine weit zurückliegende Zeit, in der das Irdisch-Physische zusammenhing mit dem Überirdisch-Kosmischen. Es war dazumal ein viel innigerer Kontakt, der sich zwischen Erde und Planetenwelt und Sonnenwelt abspielte.

Denn sehen Sie, wir wissen ja: In der Zeit, als sich die alte Saturnzeit wiederholte, da war in der Erdenentwickelung viel von der Eigentümlichkeit des alten Saturns, wenn auch in einem verdichteten Zustand. Als der zweite Zeitraum in der Erdenentwikkelung die Wiederholung der alten Sonnenzeit brachte, trennte sich die Sonne von der Erde, die während der Saturnentwickelung noch mit ihr verbunden war, und mit ihr alle Wesen, die zur Sonne gehörten. In der dritten Zeit der Erdenentwickelung, der lemurischen, trennte sich auch der Mond von der Erde, so daß diese Dreiheit: Erde, Sonne und Mond, die nächste irdische Realität ist. Wie die Planeten dazukamen, finden Sie in meinem Buche «Die Geheimwissenschaft» charakterisiert. Aber wir müssen dann hinblicken auch auf alle die Vorgänge, die ich geschildert habe in bezug auf das Wiederzurückkommen der Menschenseelen während der atlantischen Zeit. Das sind Erdenvorgänge, von der Erdenperspektive aus gesehen.

Wir wollen jetzt noch ein anderes hinzufügen. Sehen Sie, meine lieben Freunde, seit dem Mysterium von Golgatha wurde von denjenigen, die als Initiierte die Weltengeheimnisse erfaßten, der Christus als das Sonnenwesen angesehen, das vor dem Mysterium von Golgatha mit der Sonne verbunden war. Die Mysterienpriester der vorchristlichen Zeit sahen zur Sonne hinauf, wenn sie sich mit dem Christus verbinden wollten. Christus ist seit dem Mysterium von Golgatha Erdengeist geworden. Im Erdenleben, im Erdenwirken haben wir ihn zu suchen: Christus, den Sonnengeist. Die ihn schauen wollten, die mit ihm Gemeinschaft haben wollten vor dem Mysterium von Golgatha, mußten sich zur Sonne erheben.

Dieser Sonnengeist, den wir in der Art, wie er zur Erde gekommen ist, durchaus zu Recht als ein männliches Wesen ansprechen, der ist in dieser Form - obwohl ähnliche Ereignisse auch für frühere Zeiträume geschildert werden können, wie ich es wiederholt getan habe - glänzend geschildert im Gesichte des Apokalyptikers, in jener tiefen Schauung, jener Vision, die unmittelbar, wie materiell, in der Mitte des atlantischen Zeitraumes in glänzender physischer Erscheinung dasteht. Nach diesem Zeitpunkt sahen die Mysterienweisen, wenn sie hinauf zur Sonne sahen, in der Sonne den Christus sich heranentwickeln und reif werden, bis zu dem Punkte, wo er durch das Mysterium von Golgatha gehen konnte. Sahen sie hin zu jenem Punkt der Entwickelung in der atlantischen Zeit, so sahen sie in dieser atlantischen Zeit eine Geburt sich vollziehen im Kosmos draußen innerhalb der Sonne.

Die Priester, die in der Mitte der atlantischen Zeit die Geburt des Christus als männliches Wesen in der Sonne sahen, sie sahen vorher in der Sonne ein weibliches Wesen. Das ist der bedeutungsvolle Umschwung, der sich vollzog in der Mitte der atlantischen Zeit, daß man vor der Mitte der atlantischen Zeit innerhalb der geistigen Sonnenaura das kosmische Weib sah, «das Weib, mit der Sonne bekleidet». Dies ist wirklich dasjenige, was dazumal dem Geschehen im Überirdischen, im Himmel entsprach: «das Weib, mit der Sonne bekleidet, das dann ein Knäblein gebiert». Es wird von dem Apokalyptiker richtig bezeichnet als die Geburt eines Knäbleins, das dieselbe Wesenheit ist, die dann durch das Mysterium von Golgatha ging und die früher andere Formen durchgemacht hat. Eine Art Geburt, die allerdings eine komplizierte Art von Metamorphose war, ging damals in der atlantischen Zeit vor sich. Man konnte sehen, wie die Sonne ihr Männliches, ihr Sohnhaftes gebar. Nun, was bedeutet das für die Erde? In der Mitte der atlantischen Zeit empfand man so etwas wie das Sonnendasein natürlich ganz anders als heute. Heute schaut man die Sonne so an, wie wenn sie eine Ansammlung von Kratern und brennenden Massen wäre; es ist das ein greulicher Anblick, den die heutigen Physiker beschreiben. Aber dazumal sah man so etwas, wie ich es jetzt beschrieben habe. Man sah wirklich das mit der Sonne bekleidete Weib, den Drachen unter ihren Füßen, ein Knäblein gebärend. Diejenigen, die so etwas sahen und verstanden, sagten sich: Das ist für den Himmel die Geburt des Christus, das ist für uns die Geburt unseres Ich - auch wenn dieses Ich erst viel später in das Innere des Menschen einzog.

Seit diesem Zeitpunkt in der Mitte der Atlantis spielte sich die Entwickelung so ab, daß die Menschen sich ihres Ichs immer bewußter wurden. Allerdings waren sie sich ihres Ichs nicht so bewußt wie wir heute, sondern mehr auf elementare Art, aber sie wurden sich ihres Ichs immer bewußter, indem sie von den Mysterienpriestern darauf aufmerksam gemacht wurden: Die Sonne entzündet im Menschen das Ich. - Und durch diese Geburt, wie sie der Apokalyptiker im Bilde zeigt, entzündete sich fortwährend von außen durch die Sonneneinwirkung das Ich, bis zum vierten nachatlantischen Zeitraum, wo im Menschen das Ich eingezogen war. Das fühlte man; man fühlte den Menschen eigentlich als der Sonne angehörig. Das war eine dazumal ganz tief in die menschliche Natur einschneidende Empfindung.

Heute, wo wir in bezug auf das seelische Erleben solche Zärtlinge geworden sind, können wir gar nicht ermessen, wie wogend und stürmend die Seelenerlebnisse der Menschen in früheren Zeiten waren. Denn gegenüber dieser Tatsache, daß dem Menschen das Ich aus dem Kosmos geschenkt wurde, empfand der Mensch dazumal auf der Erde so, daß alles das, was seine frühere Natur gewesen war, nun eine andere wird. Früher war er ja im wesentlichen auf seinen astralischen Leib angewiesen, auf dasjenige, was im Astralischen lag, und das wirkte in dem Seelisch-Geistigen so, daß der Mensch während dieser alten Zeit die Vorstellung hatte: Hier (siehe Zeichnung auf Tafel 9, Tafel 9 links) steht er, da oben ist die Sonne, das Ich ist noch nicht da, aber von der Sonne wirkt herunter das Astralische. Der Mensch trägt von der Sonne den astralischen Leib in sich, den astralischen Leib, der noch nicht durch das Ich beherrscht wird, der innerlich noch zwar verfeinerte, aber tierähnliche Emotionen trägt. - Jetzt ist er ein ganz anderer Mensch geworden, der IchGewordene, der vorher nur von dem astralischen Leib durchsprudelt war. Das alles kam von der Sonne her.

Nun stellen wir uns einmal vor das Auge - ich will es ganz schematisch zeichnen (Tafel 9, unten links) -, wie das Bild, das Tafel 9 Sonnenbild der ältesten atlantischen Zeit, durchdrungen war mit lebendigem Lichtschein, der sich sprudelnd in der unteren Hälfte des Sonnenwesens bewegte. Da heraus wird oben etwas geboren, man fühlte unbestimmt etwas von dem Antlitz hier. Da drunten im Sonnenwesen fühlte der Mensch den Ursprung dessen, was im eigenen astralischen Leib als Emotionen brodelte, aber auch alles dasjenige, was dem Menschen überhaupt sein seelisches und geistiges Wesen gab. Die nächste Phase, wie man die Sonne später gesehen hat, würde diese gewesen sein (siehe Tafel 9, unten Mit- Tafel 9 te): Deutlich sich herausschöpfend, das Antlitz klarer werdend, die Figur eines Weibes annehmend, noch undeutlich dasjenige, was dem Menschen bringen soll die Beherrschung durch das Ich. Immer kleiner wird der Raum, dasjenige, was sich da unten tierisch windet; endlich kommt die Zeit, wo eben das Weib da ist in der Sonne, das Knäblein gebiert, und unter den Füßen des Weibes nun dasjenige, was früher da war (Zeichnung), also wo das Ichgebärende Weib von der Sonne aus das Bild zeigt, den Drachen zu beherrschen: die astralische Welt der früheren Epoche, die jetzt unter ihren Füßen ist.

Da begann dazumal in der Sonne der Streit Michaels mit dem Drachen, und der führte dazu - das sah man durchaus in physischer Erscheinung -, daß alles dasjenige, was da in der Sonne war, sich langsam zur Erde hinbewegte und Erden-Ingredienz wurde, Erdeninhalt wurde, dadurch den Menschen nun in seinem Unbewußten beherrschend, während in sein Bewußtsein immer mehr einzog das Ich.

Das, was da kosmisch vorging im atlantischen Zeitalter, das hatte sein mythologisches Gegenbild im griechisch-lateinischen Zeitalter. Das frühere Bild der Isis mit dem Horuskinde, das dann das Bild der Jungfrau mit dem Jesusknaben wurde, das wird von der Menschheit rückschauend als Vision erlebt werden können im nächsten Zeitalter, das uns unmittelbar bevorsteht. Der Mensch wird in diesem Bilde das sonnenbekleidete Weib sehen, das den Drachen unter den Füßen hat, der von Michael auf die Erde geworfen wurde, so daß er nicht mehr im Himmel zu rinden ist. Dieses Bild, das sich dann verwandeln wird, wird erscheinen in dem Zeitalter, wo der Drache los sein wird und wo dasjenige eintritt, was ich Ihnen gestern beschrieben habe. Es ist tatsächlich so, daß der Menschheit ein vertieftes Schauen der Erdenvorzeit, des Menschheitsursprunges und zugleich ein ätherisches Schauen der Christus-Wesenheit bevorsteht, denn im Michaelzeitalter wird dasjenige eintreten, worauf der Apokalyptiker hindeutet, wenn er davon spricht, daß Michael das Drachengetier herabgeworfen hat auf die Erde, wo es in der Menschennatur wirkt. Aber Michael wird sich wiederum kümmern um dasjenige in der Menschennatur, was er da als das Drachengetier herabgeworfen hat.

Stellen wir uns lebhaft vor, meine lieben Freunde, wie das ist. Man wird wieder hinschauen in die atlantische Zeit. Der Apokalyptiker tut es voraus, er hat die Vision des sonnenbekleideten Weibes, das das Jesusknäblein gebiert und den Drachen unter den Füßen hat. - Dieses Bild wird immer schwächer und schwächer, je mehr die atlantische Entwickelung vorrückt. Und am Ende der atlantischen Entwickelung tritt ein, daß sich aus dem Meere erheben die neuen Kontinente, die Kontinente, welche die Kräfte enthalten, durch die die Menschen der nachatlantischen Zeit in ihre verschiedenen Verirrungen gekommen sind. Aus dem Meere steigt es auf, das Tier mit den sieben Köpfen (Apk. 13, 1) und siebenfaches Land steigt aus dem Meere empor, den Menschen hinunterziehend durch das, was aus seinen Emotionen geistig von der Erde ausdünstet.

In der Form dieses aus dem Meere heraufsteigenden siebenköpfigen Tieres erscheint ja auch dem Apokalyptiker die atlantische Katastrophe, und es wird wieder erscheinen in der Zukunft, wenn dasjenige, worauf der Apokalyptiker hindeutet, in dem Michaelischen Zeitalter wieder eintritt. Es sind durchaus reale Vorgänge, von denen der Apokalyptiker spricht, die uns sehr angehen in bezug auf das geistige Leben der Menschheit. Und gerade das, was hier in diesem Bilde ist, hängt zusammen mit der Wesenheit des Christus.

Wir leben einem Zeitalter entgegen, wo in der Tat wiederum gesehen werden wird, wie im Irdischen der Geist lebt, wo also auch die geistigen Vorgänge der Transsubstantiation vor der Menschenseele werden auftreten können. Dann wird gerade in der Transsubstantiation erscheinen der irdische Abglanz desjenigen, was sich in Himmelsregionen so vollzogen hat, daß das, was seit der Mitte der atlantischen Zeit geschehen ist, ein kleiner Ausschnitt dessen ist, und was alles zusammenhängt mit der Wesenheit des Christus. Da wird man verstehen, wie eben eine solche Metamorphose, wie sie in der Transsubstantiation sich vollzieht, möglich ist, wenn man in demjenigen, was heute physisch und chemisch ist, überhaupt nur eine Episode sehen wird und auch die Transsubstantiation auf ganz etwas anderes und nicht nur auf das scheinbar Materielle beziehen wird.

So dürfen wir schon vertiefen unser Gedenken an die erste Menschenweihehandlung vor zwei Jahren, dieses Gedenken an das wahrhaftig vom Himmel Heruntersteigende, vom Himmel Herunterscheinende der atlantischen Zeit, an das in den Wolken Erscheinende der griechisch-lateinischen Zeit, an den auf Erden wandelnden, von den Menschen in ihren Visionen begriffenen Christus, den in unserem Zeitalter ätherisch auf Erden wandelnden, aber von den Menschen in Imaginationen, in Visionen begriffenen Christus. In der Transsubstantiation ist der Christus anwesend und wird den Menschen immer mehr gegenwärtig sein. In den Vorgängen, die ich heute beschrieben habe, liegen die Wege, in denen der Christus allmählich den Erdenentwickelungsgeschehnissen innewohnend wurde.

Wollen wir das als eine Art Festesvorstellung heute in uns aufnehmen zum Andenken an die erste Menschenweihehandlung, die vor zwei Jahren im Goetheanum vollzogen worden ist.




Zuletzt aktualisiert: 24-Mar-2024
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