20. Optimismus und Pessimismus
Der Mensch hat sich uns als der Mittelpunkt der Weltordnung erwiesen.
Er erreicht als Geist die höchste Form des Daseins und vollbringt im
Denken den vollkommensten Weltprozeß. Nur wie er die Sachen
beleuchtet, so sind sie wirklich. Das ist eine Ansicht, der zufolge
der Mensch die Stütze, das Ziel und den Kern seines Daseins in sich
selbst hat. Sie macht den Menschen zu einem sich selbst genugsamen
Wesen. Er muß in sich den Halt finden für alles, was an ihm ist.
Also auch für seine Glückseligkeit. Soll ihm die letztere werden, so
kann er sie nur sich selbst verdanken. Jede Macht, die sie ihm von
außen spendete, verdammte ihn damit zur Unfreiheit. Es kann dem
Menschen nicht etwas Befriedigung gewähren, dem diese Fähigkeit nicht
zuerst von ihm verliehen wurde. Soll etwas für uns eine Lust
bedeuten, so müssen wir ihm erst jene Macht, durch die es solches
kann, selbst verleihen. Lust und Unlust sind für den Menschen im
höheren Sinne nur da, insofern er sie als solche empfindet. Damit
fällt aller Optimismus und aller Pessimismus in sich zusammen. Jener
nimmt an, die Welt sei so, daß in ihr alles gut sei, daß
sie den Menschen zur höchsten Zufriedenheit führe. Soll das aber sein,
dann muß er ihren Gegenständen selbst irgend etwas abgewinnen,
wonach er verlangt, das heißt, er kann nicht durch die Welt
sondern nur durch sich glücklich werden.
Der Pessimismus hinwiederum glaubt, die Einrichtung der Welt sei eine
solche, daß sie den Menschen ewig unbefriedigt lasse, daß
er nie glücklich sein könne. Der obige Einwand gilt natürlich auch
hier. Die äußere Welt ist an sich weder gut noch schlecht, sie
wird es erst durch den Menschen. Der Mensch müßte sich selbst
unglücklich machen, wenn der Pessimismus begründet sein sollte. Er
müßte Verlangen nach dem Unglücke tragen. Die Befriedigung
seines Verlangens begründet aber gerade sein Glück. Der Pessimist
müßte folgerichtig annehmen, daß der Mensch im Unglücke
sein Glück sieht. Damit würde seine Ansicht aber doch wieder in nichts
zerfließen. Diese einzige Erwägung zeigt deutlich genug die
Irrtümlichkeit des Pessimismus.
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