Die lemurische Rasse
Hier wird ein Stück aus der Akasha-Chronik
mitgeteilt, das sich auf eine sehr ferne Urzeit in der
Menschheitsentwickelung bezieht. Diese Zeit geht derjenigen voraus,
welche in den vorhergehenden Darstellungen geschildert worden ist. Es
handelt sich um die dritte menschliche Wurzelrasse, von
welcher in theosophischen Büchern gesagt wird, daß sie den
lemurischen Kontinent bewohnt hat. Dieser Kontinent lag — im
Sinne dieser Bücher — im Süden von Asien, dehnte sich
aber ungefähr von Ceylon bis Madagaskar aus. Auch das heutige
südliche Asien und Teile von Afrika gehörten zu ihm.
— Wenn auch beim Entziffern der ,,Akasha-Chronik" alle
mögliche Sorgfalt angewendet worden ist, so muß doch betont
werden, daß nirgends für diese Mitteilungen irgendwelcher
dogmatischer Charakter in Anspruch genommen werden soll. Ist schon
das Lesen von Dingen und Ereignissen, welche dem gegenwärtigen
Zeitalter so fernliegen, nicht leicht, so bietet die Übersetzung
des Geschauten und Entzifferten in die gegenwärtige Sprache fast
unübersteigliche Hindernisse. — Zeitangaben werden
später gemacht werden. Sie werden besser verstanden
werden, wenn die ganze lemurische Zeit und auch noch diejenige
unserer (fünften) Wurzelrasse bis zur Gegenwart durchgenommen
sein werden. — die Dinge, die hier mitgeteilt werden, sind auch
für den Okkultisten, der sie zum ersten Male liest,
überraschend — obgleich das Wort nicht ganz zutreffend
ist. Deshalb darf er sie nur nach der sorgfältigsten
Prüfung mitteilen.
*
Der vierten (atlantischen)
Wurzelrasse ging die sogenannte lemurische voran. Innerhalb
ihrer Entwickelung vollzogen sich mit Erde und Mensch Tatsachen von
der allergrößten Bedeutung. Doch soll hier zuerst etwas
über den Charakter dieser Wurzelrasse nach diesen
Tatsachen gesagt und dann erst auf die letzteren eingegangen werden.
Im großen und ganzen war bei dieser Rasse das
Gedächtnis noch nicht ausgebildet. Die Menschen konnten
sich zwar Vorstellungen machen von den Dingen und Ereignissen;
aber diese Vorstellungen blieben nicht in der Erinnerung haften.
Daher hatten sie auch noch keine Sprache im eigentlichen Sinne. Was
sie in dieser Beziehung hervorbringen konnten, waren mehr Naturlaute,
die ihre Empfindungen, Lust, Freude, Schmerz und so weiter
ausdrückten, die aber nicht äußerliche Dinge
bezeichneten. — Aber ihre Vorstellungen hatten eine ganz andere
Kraft als die der späteren Menschen. Sie wirkten durch diese
Kraft auf ihre Umgebung. Andere Menschen, Tiere, Pflanzen und selbst
leblose Gegenstände konnten diese Wirkung empfinden und durch
bloße Vorstellungen beeinflußt werden. So konnte der
Lemurier seinen Nebenmenschen Mitteilungen machen, ohne daß er
eine Sprache nötig gehabt hätte. Diese Mitteilung bestand
in einer Art «Gedankenlesen». Die Kraft seiner
Vorstellungen schöpfte der Lemurier unmittelbar aus den Dingen,
die ihn umgaben. Sie floß ihm zu aus der Wachstumskraft der
Pflanzen, aus der Lebenskraft der Tiere. So verstand er
Pflanzen und Tiere in ihrem inneren Weben und Leben. Ja, er verstand
so auch die physischen und chemischen Kräfte der leblosen Dinge.
Wenn er etwas baute, brauchte er nicht erst die Tragkraft eines
Holzstammes, die Schwere eines Bausteines zu berechnen, er sah
dem Holzstamme an, wieviel er tragen kann, dem Baustein, wo er durch
seine Schwere angebracht ist, wo nicht. So baute der Lemurier ohne
Ingenieurkunst aus seiner mit der Sicherheit einer Art Instinktes
wirkenden Vorstellungskraft heraus. Und er hatte dabei seinen
Körper in hohem Maße in seiner Gewalt. Er konnte seinen Arm
stählen, wenn es nötig war, durch bloße Anstrengung
des Willens. Ungeheure Lasten konnte er zum Beispiel heben durch
bloße Willensentwickelung. Diente später dem Atlantier die
Herrschaft über die Lebenskraft, so diente dem Lemurier die
Bemeisterung des Willens. Er war — der Ausdruck soll nicht
mißverstanden werden — auf allen Gebieten niederer
menschlicher Verrichtungen der geborene Magier.
Auf die Ausbildung des
Willens, der vorstellenden Kraft war es bei den Lemuriern abgesehen.
Die Kindererziehung war ganz darauf angelegt. Die Knaben wurden in
der kräftigsten Art abgehärtet. Sie mußten lernen,
Gefahren bestehen, Schmerzen überwinden, kühne Handlungen
vollziehen. Diejenigen, welche Martern nicht ertragen, Gefahren nicht
bestehen konnten, wurden als keine nützlichen Mitglieder der
Menschheit angesehen. Man ließ sie unter den Strapazen zugrunde
gehen. Was die Akasha-Chronik in bezug auf diese Kinderzucht zeigt,
übersteigt alles, was sich der gegenwärtige Mensch in der
kühnsten Phantasie auszumalen vermag. Das Ertragen von Hitze bis
zur versengenden Glut, das Durchstechen des Körpers mit spitzen
Gegenständen waren ganz gewöhnliche Prozeduren. —
anders war die Mädchenzucht. Zwar wurde auch das weibliche Kind
abgehärtet; aber es war alles übrige darauf angelegt,
daß es eine kräftige Phantasie entwickele. Es wurde
zum Beispiel dem Sturm ausgesetzt, um seine grausige Schönheit
ruhig zu empfinden; es mußte den Kämpfen der Männer
zusehen, angstlos, nur durchdrungen von dem Gefühle für die
Stärke und Kraft, die es vor sich sah. Die Anlagen zur
Träumerei, zum Phantasieren entwickelten sich dadurch bei dem
Mädchen; aber diese schätzte man besonders hoch. Und da ein
Gedächtnis nicht vorhanden war, so konnten diese Anlagen auch
nicht ausarten. Die betreffenden Traumoder Phantasievorstellungen
hielten nur solange an, als die entsprechende äußere
Veranlassung vorlag. Sie hatten also insofern ihren guten Grund in
den äußeren Dingen. Sie verloren sich nicht ins Bodenlose.
Es war sozusagen die Phantastik und Träumerei der Natur selbst,
die in das weibliche Gemüt gesenkt wurde.
Wohnungen in unserem Sinne
hatten die Lemurier, ausgenommen in ihrer letzten Zeit, nicht. Sie
hielten sich da auf, wo die Natur selbst dazu Gelegenheit gab.
Erdhöhlen zum Beispiel, die sie benutzten, gestalteten sie nur
so um, statteten sie mit solchen Zutaten aus, wie sie dies brauchten.
Später bauten sie sich auch aus Erdreich solche Höhlen; und
dann entwickelten sie bei solchen Bauten eine große
Geschicklichkeit. Man darf sich aber nicht vorstellen, daß sie
nicht auch künstliche Bauten aufführten. Nur dienten diese
nicht zur Wohnung. Sie entsprangen in der ersten Zeit dem
Bedürfnis, den Naturdingen eine durch den Menschen
herbeigeführte Form zu geben. Hügel wurden so umgeformt,
daß der Mensch seine Freude, sein Behagen an der Form hatte.
Steine wurden aus demselben Grunde zusammengefügt, oder auch
darum, bei gewissen Verrichtungen zu dienen. Die Orte, an denen man
die Kinder abhärtete, wurden mit Mauern dieser Art umgeben.
— immer gewaltiger und kunstvoller wurden aber gegen das Ende
dieses Zeitalters die Bauten, welche der Pflege der
«göttlichen Weisheit und göttlichen Kunst»
dienten. Diese Anstalten waren in jeder Art verschieden von dem, was
der späteren Menschheit die Tempel waren, denn sie waren
zugleich Unterrichtsanstalten und Wissenschaftsstätten. Wer dazu
geeignet befunden wurde, durfte hier eingeweiht werden in die
Wissenschaft von den Weltgesetzen und in der Handhabung dieser
Gesetze. War der Lemurier ein geborener Magier, so wurde hier diese
Anlage zur Kunst und zur Einsicht ausgebildet. Nur diejenigen, welche
im höchsten Maße durch jegliche Abhärtung die
Fähigkeit erworben hatten, zu überwinden, konnten
zugelassen werden. Für alle anderen war das, was in diesen
Anstalten vorging, das tiefste Geheimnis. Man lernte hier die
Naturkräfte in unmittelbarer Anschauung kennen und auch
beherrschen. Aber das Lernen war so, daß die Naturkräfte
beim Menschen sich in Willenskräfte umsetzten. Er konnte dadurch
selbst ausführen, was die Natur vollbringt. Was die spätere
Menschheit durch Überlegung, durch Kombination vollbrachte, das
hatte damals den Charakter einer instinktiven Tätigkeit. Doch
darf man das Wort «Instinkt» hier nicht in demselben Sinne
gebrauchen, wie man gewohnt ist, es auf die Tierwelt anzuwenden. Denn
die Verrichtungen der lemurischen Menschheit standen turmhoch
über allem, was die Tierwelt durch den Instinkt hervorzubringen
vermag. Sie standen sogar weit über dem, was sich seither die
Menschheit durch Gedächtnis, Verstand und Phantasie an
Künsten und Wissenschaften angeeignet hat. Wollte man einen
Ausdruck für diese Anstalten gebrauchen, der das
Verständnis erleichtert, so könnte man sie
«Hochschulen der Willenskräfte und der hellsehenden
Vorstellungsgewalt» nennen. — Aus ihnen gingen die
Menschen hervor, welche zu Herrschern der andern in jeder Beziehung
wurden. Eine richtige Vorstellung von all diesen Verhältnissen
ist heute in Worten schwer zu geben. Denn alles hat sich seither auf
der Erde geändert. Die Natur selbst und alles menschliche Leben
waren anders; daher waren ganz verschieden von dem heute
üblichen die menschliche Arbeit und das Verhältnis von
Mensch zu Mensch.
Noch viel dichter als
später in atlantischen Zeiten war die Luft, noch viel
dünner das Wasser. Und auch das, was heute unsere feste
Erdkruste bildet, war noch nicht so verhärtet wie später.
Die Pflanzen- und die Tierwelt waren erst vorgeschritten bis zur
Amphibien-, Vogelwelt und den niederen Säugetieren, ferner bis
zu Gewächsen, die Ähnlichkeit haben mit unseren Palmen und
ähnlichen Bäumen. Doch waren alle Formen anders als heute.
Was jetzt nur in kleinen Gestalten vorkommt, war damals riesig
entwickelt. Unsere kleinen Farne waren damals Bäume und bildeten
mächtige Wälder. Die gegenwärtigen höheren
Säugetiere gab es nicht. Dagegen war ein großer Teil der
Menschheit auf so niedriger Entwickelung, daß man ihn durchaus
als tierisch bezeichnen muß. Überhaupt gilt nur von einem
kleinen Teil der Menschen das, was hier von ihnen beschrieben ist.
Der andere Teil lebte ein Leben in Tierheit. Ja, diese Tiermenschen
waren in dem äußeren Bau und in der Lebensweise durchaus
verschieden von jenem kleinen Teil. Sie unterschieden sich gar nicht
besonders von den niederen Säugetieren, die ihnen in gewisser
Beziehung auch in der Gestalt ähnlich waren.
Es müssen noch einige
Worte gesagt werden über die Bedeutung der erwähnten
Tempelstätten. Es war nicht eigentlich Religion, was da gepflegt
wurde. Es war «göttliche Weisheit und Kunst». Der
Mensch empfand, was ihm da gegeben wurde, unmittelbar als ein
Geschenk der geistigen Weltkräfte. Und wenn er dieses Geschenkes
teilhaftig wurde, so sah er sich selbst als einen «Diener»
dieser Weltkräfte an. Er fühlte sich «geheiligt»
vor allem Ungeistigen. Will man von Religion auf dieser Stufe der
Menschheitsentwickelung sprechen, so könnte man sie
«Willensreligion» nennen. Die religiöse Stimmung und
Weihe lag darinnen, daß der Mensch die ihm verliehenen
Kräfte als strenges, göttliches ,,Geheimnis" hütete,
daß er ein Leben führte, durch das er seine Macht heiligte.
Die Scheu und Verehrung, mit der man Personen von seiten der andern
begegnete, die solche Kräfte hatten, waren groß. Und sie
waren nicht irgendwie durch Gesetze oder dergleichen bewirkt, sondern
durch die unmittelbare Macht, die von ihnen ausgeübt wurde. Wer
uneingeweiht war, stand ganz selbstverständlich unter dem
magischen Einfluß der Eingeweihten. Und selbstverständlich
war es ja auch, daß diese sich als geheiligte Personen
betrachteten. Denn sie wurden ja in ihren Tempelstätten in
voller Anschauung teilhaftig der wirkenden Naturkräfte. Sie
blickten hinein in die schaffende Werkstatt der Natur. Was sie
erlebten, war ein Verkehr mit den Wesenheiten, die an der Welt selbst
bauen. Man darf diesen Verkehr einen Umgang mit den Göttern
nennen. Und was sich später als «Einweihung», als
«Mysterium» entwickelt hat, ist aus dieser
ursprünglichen Art des Verkehrs der Menschen mit den
Göttern hervorgegangen. In folgenden Zeiten mußte dieser
Verkehr sich anders gestalten, weil das menschliche Vorstellen, der
menschliche Geist andere Formen annahmen.
Von besonderer Wichtigkeit
ist etwas, was mit dem Fortschritte der lemurischen Entwickelung
dadurch geschah, daß die Frauen in der geschilderten Art lebten.
Sie bildeten dadurch besondere menschliche Kräfte aus. Ihre mit
der Natur im Bunde befindliche Einbildungskraft wurde die Grundlage
für eine höhere Entwickelung des Vorstellungslebens. Sie
nahmen sinnig die Kräfte der Natur in sich auf und ließen
sie in der Seele nachwirken. Damit bildeten sich die Keime des
Gedächtnisses. Und mit dem Gedächtnis trat auch die
Fähigkeit in die Welt, die ersten allereinfachsten moralischen
Begriffe zu bilden. — die Willensausbildung des männlichen
Elementes kannte derartiges zunächst nicht. Der Mann folgte
instinktiv entweder den Antrieben der Natur oder den Einflüssen,
die von den Eingeweihten ausgingen. — Aus der Frauenart heraus
entstanden die ersten Vorstellungen von «gut und
böse». Da fing man an, das eine, das auf das
Vorstellungsleben einen besonderen Eindruck gemacht hat, zu lieben,
anderes zu verabscheuen. War die Herrschaft, welche das
männliche Element ausübte, mehr auf die äußere
Wirkung der Willenskräfte, auf die Handhabung der
Naturmächte gerichtet, so entstand daneben in dem weiblichen
Element eine Wirkung durch das Gemüt, durch die inneren,
persönlichen Kräfte des Menschen. Nur derjenige kann die
Entwickelung der Menschheit richtig verstehen, der
berücksichtigt, daß die ersten Fortschritte im
Vorstellungsleben von den Frauen gemacht worden sind. Die mit dem
sinnigen Vorstellungsleben, mit der Ausbildung des Gedächtnisses
zusammenhängende Entwickelung von Gewohnheiten, welche die Keime
zu einem Rechtsleben, zu einer Art von Sitte bildeten, kam von dieser
Seite. Hatte der Mann die Naturkräfte geschaut und
ausgeübt: die Frau wurde die erste Deuterin derselben. Es
war eine besondere neue Art, durch das Nachdenken zu leben, die hier
entstand. Diese Art hatte etwas viel Perönlicheres als diejenige
der Männer. Nun muß man sich vorstellen, daß diese Art
der Frauen doch auch eine Art von Hellsehen war, wenn sie sich auch
von der Willensmagie der Männer unterschied. Die Frau war in
ihrer Seele einer anderen Art von geistigen Mächten
zugänglich. Solchen, die mehr zu dem Gefühlselement der
Seele sprachen, weniger zu dem geistigen, dem der Mann unterworfen
war. So ging von den Männern eine Wirkung aus, die mehr
natürlich-göttlich, von den Frauen eine solche, die mehr
seelisch-göttlich war.
Die Entwickelung, welche
die Frau während der lemurischen Zeit durchgemacht hatte,
brachte es mit sich, daß ihr beim Auftreten der nächsten
— der atlantischen — Wurzelrasse auf der Erde eine
wichtige Rolle zufiel. Dieses Auftreten fand statt unter dem
Einflusse hochentwickelter Wesenheiten, die bekannt waren mit den
Gesetzen der Rassenbildung und die imstande waren, die vorhandenen
Kräfte der Menschennatur in solche Bahnen zu leiten, daß
eine neue Rasse entstehen konnte. Über diese Wesen soll noch
besonders gesprochen werden. Vorläufig mag es genügen, zu
sagen, daß ihnen übermenschliche Weisheit und Macht
innewohnte. Sie sonderten nun eine kleine Schar aus der lemurischen
Menschheit ab und bestimmten diese zu Stammeltern der kommenden
atlantischen Rasse. Der Ort, an dem sie das taten, lag in der
heißen Zone. Die Männer dieses Häufleins hatten unter
ihrer Anleitung sich in der Beherrschung der Naturkräfte
ausgebildet. Sie waren kraftvoll und verstanden es, der Erde die
mannigfaltigsten Schätze abzugewinnen. Sie konnten den Acker
bebauen und seine Früchte ihrem Leben nutzbar machen. Sie waren
starke Willensnaturen geworden durch die Zucht, die man ihnen hatte
angedeihen lassen. In geringem Maße war bei ihnen Seele und
Gemüt ausgebildet. Diese waren dafür bei den Frauen zur
Entfaltung gelangt. Gedächtnis und Phantasie und alles, was mit
diesem verbunden ist, fanden sich bei ihnen.
Die genannten Führer
bewirkten, daß sich das Häuflein in kleine Gruppen ordnete.
Und sie übertrugen den Frauen die Ordnung und Einrichtung dieser
Gruppen. Durch ihr Gedächtnis hatte die Frau die Fähigkeit
erworben, die Erfahrungen und Erlebnisse, die einmal gemacht worden
waren, für die Zukunft nutzbar zu machen. Was gestern sich als
zweckmäßig erwies, das verwertete sie heute und war sich
klar darüber, daß es auch morgen nutzbringend sein werde.
Die Einrichtungen für das Zusammenleben gingen dadurch von ihr
aus. Unter ihrem Einflusse bildeten sich die Begriffe von «gut
und böse» aus. Durch ihr sinnendes Leben hatte sie sich
Verständnis für die Natur erworben. Aus der Beobachtung der
Natur erwuchsen ihr die Vorstellungen, nach denen sie das Treiben der
Menschen leitete. Die Führer hatten es so eingerichtet, daß
durch die Seele der Frau die Willensnatur, das Kraftstrotzende
der Männer veredelt und geläutert wurde. Natürlich
muß man sich das alles in kindlichen Anfängen denken. Die
Worte unserer Sprache rufen nur zu leicht sogleich Vorstellungen
hervor, die dem Leben der Gegenwart entnommen sind.
Auf dem Umwege durch das
erwachte Seelenleben der Frauen entwickelten die Führer erst
dasjenige der Männer. In der gekennzeichneten Kolonie war der
Einfluß der Frauen daher ein sehr großer. Bei ihnen
mußte man Rat holen, wenn man die Zeichen der Natur deuten
wollte. Die ganze Art ihres Seelenlebens war aber noch eine solche,
die beherrscht war von den «geheimen» Seelenkräften
des Menschen. Man trifft die Sache nicht ganz, aber annähernd,
wenn man von einem somnambulen Anschauen dieser Frauen spricht. In
einem gewissen höheren Träumen enthüllten sich ihnen
die Geheimnisse der Natur und erflossen ihnen die Antriebe zu ihrem
Handeln. Alles war für sie beseelt und zeigte sich ihnen in
seelischen Kräften und Erscheinungen. Sie überließen
sich dem geheimnisvollen Weben ihrer seelischen Kräfte. Das, was
sie zu ihren Handlungen trieb, waren «innere Stimmen» oder
das, was Pflanzen, Tiere, Steine, Wind und Wolken, das Säuseln
der Bäume und so weiter ihnen sagten.
Aus solcher
Seelenverfassung erstand das, was man menschliche Religion nennen
kann. Das Seelenhafte in der Natur und im Menschenleben wurde
allmählich verehrt und angebetet. Einzelne Frauen gelangten zu
besonderer Vorherrschaft, weil sie aus besonderen geheimnisvollen
Tiefen heraus zu deuten wußten, was in der Welt enthalten
ist.
So konnte es kommen,
daß bei solchen Frauen das, was in ihrem Innern lebte, sich in
eine Art Natursprache umsetzte. Denn der Anfang der Sprache liegt in
etwas, was dem Gesange ähnlich ist. Die Kraft des Gedankens
setzte sich in die hörbare des Lautes um. Der innere Rhythmus
der Natur erklang von den Lippen «weiser» Frauen. Man
versammelte sich um solche Frauen und empfand in ihren gesangartigen
Sätzen die Äußerungen höherer Mächte. Der
menschliche Gottesdienst hat mit solchen Dingen seinen Anfang
genommen. — von einem «Sinn» in dem Gesprochenen kann
für die damalige Zeit nicht die Rede sein. Man empfand Klang,
Ton und Rhythmus. Man stellte sich dabei nichts weiter vor, sondern
sog die Kraft des Gehörten in die Seele. Der ganze Vorgang stand
unter der Leitung der höheren Führer. Sie hatten in einer
Art, über welche jetzt nicht weiter gesprochen werden kann,
Töne und Rhythmen den «weisen» Priesterinnen
eingeflößt. So konnten sie veredelnd auf die Seelen der
Menschen wirken. Man kann sagen, daß in dieser Art
überhaupt erst das eigentliche Seelenleben erwachte.
Die Akasha-Chronik zeigt
auf diesem Gebiete schöne Szenen. Es soll eine solche
beschrieben werden. Wir sind in einem Walde, bei einem mächtigen
Baum. Die Sonne ist eben im Osten aufgegangen. Mächtige Schatten
wirft der palmenartige Baum, um den ringsherum die anderen Bäume
entfernt worden sind. Das Antlitz nach Osten gewendet, verzückt,
sitzt auf einem aus seltenen Naturgegenständen und Pflanzen
zurechtgemachten Sitz die Priesterin. Langsam, in rhythmischer Folge
strömen von ihren Lippen wundersame, wenige Laute, die sich
immer wiederholen. In Kreisen herum sitzt eine Anzahl Männer und
Frauen mit traumverlorenen Gesichtern, inneres Leben aus dem
Gehörten saugend. — noch andere Szenen können gesehen
werden. An einem ähnlich eingerichteten Platze «singt»
eine Priesterin ähnlich, aber ihre Töne haben etwas
Mächtigeres, Kräftigeres. Und die Menschen um sie herum
bewegen sich in rhythmischen Tänzen. Denn dies war die andere
Art, wie «Seele» in die Menschheit kam. Die geheimnisvollen
Rhythmen, die man der Natur abgelauscht hatte, wurden in den
Bewegungen der eigenen Glieder nachgeahmt. Man fühlte sich
dadurch eins mit der Natur und den in ihr waltenden
Mächten.
Der Platz der Erde, an dem
dieser Stamm einer kommenden Menschenrasse herangebildet wurde, war
dazu besonders geeignet. Er war ein solcher, in dem die damals noch
sturmbewegte Erde einigermaßen zur Ruhe gekommen war. Denn
Lemurien war sturmbewegt. Die Erde hatte ja damals noch nicht ihre
spätere Dichte. Überall war der dünne Boden von
vulkanischen Kräften unterwühlt, die in kleineren oder
größeren Strömen hervorbrachen. Mächtige Vulkane
waren fast allerorten vorhanden und entwickelten fortdauernd eine
zerstörende Tätigkeit. Die Menschen waren gewöhnt, bei
allen ihren Verrichtungen mit dieser Feuertätigkeit zu rechnen.
Sie benutzten auch dieses Feuer bei ihren Arbeiten und Einrichtungen.
Die Verrichtungen waren vielfach so, daß das Feuer der Natur so
als Grundlage diente wie heute das künstliche Feuer bei der
menschlichen Arbeit.
Durch die Tätigkeit
dieses vulkanischen Feuers ist auch der Untergang des lemurischen
Landes herbeigeführt worden. Der Teil von Lemurien, aus dem sich
die Stammrasse der Atlantier entwickeln sollte, hatte zwar
heißes Klima, doch war er im großen und ganzen von der
vulkanischen Tätigkeit ausgenommen. — Stiller und
friedlicher als in den übrigen Erdgebieten konnte sich hier die
Menschennatur entfalten. Das mehr herumschweifende Leben der
früheren Zeiten wurde aufgegeben, und die festen Ansiedlungen
wurden immer zahlreicher.
Man muß sich
vorstellen, daß der Menschenleib zu dieser Zeit noch etwas sehr
Bildsames und Geschmeidiges hatte. Er bildete sich noch
fortwährend um, wenn das innere Leben sich veränderte.
Nicht lange vorher waren nämlich die Menschen in bezug auf den
äußeren Bau noch recht verschieden. Der äußere
Einfluß der Gegend, des Klimas waren da noch für den Bau
entscheidend. Erst in der bezeichneten Kolonie wurde der Leib des
Menschen immer mehr ein Ausdruck seines inneren seelischen Lebens.
Diese Kolonie hatte zugleich eine vorgeschrittene äußerlich
edler gebildete Menschenart. Man muß sagen, durch das, was die
Führer getan hatten, haben sie eigentlich erst das geschaffen,
was die richtige menschliche Gestalt ist. Das ging allerdings ganz
langsam und allmählich. Aber es ist so vor sich gegangen,
daß zuerst das Seelenleben in dem Menschen entfaltet wurde, und
diesem paßte sich der noch weiche und schmiegsame Leib an. Es
ist ein Gesetz in der Menschheitsentwickelung, daß der Mensch
mit dem Fortschritte immer weniger und weniger umgestaltenden
Einfluß auf seinen physischen Leib hat. Eine ziemlich feste Form
hat dieser physische Menschenleib eigentlich erst mit der
Entwickelung der Verstandeskraft erhalten und mit der damit
zusammenhängenden Verfestigung der Gesteins-, Mineral- und
Metallbildungen der Erde. Denn in der lemurischen und noch in der
atlantischen Zeit waren Steine und Metalle viel weicher als
später. — (Dem widerspricht nicht, daß noch
Nachkommen der letzten Lemurier und Atlantier vorhanden sind, die
heute ebenso feste Formen aufweisen wie die später gebildeten
Menschenrassen. Diese Überbleibsel mußten sich den
geänderten Umgebungsverhältnissen der Erde anpassen und
wurden so auch starrer. Gerade darin liegt der Grund, warum sie im
Niedergang begriffen sind. Sie bildeten sich nicht von innen heraus
um, sondern es wurde ihr weniger entwickeltes Innere von außen
in die Starrheit gezwängt und dadurch zum Stillstande gezwungen.
Und dieser Stillstand ist wirklich Rückgang, denn auch das
Innenleben ist verkommen, weil es sich in der verfestigten
äußeren Leiblichkeit nicht ausleben konnte.)
Einer noch
größeren Verwandlungsfähigkeit war das Tierleben
unterworfen. Über die zur Zeit der Menschen-Entstehung
vorhandenen Tierarten und ihr Herkommen, sowie über die
Entstehung neuer Tierformen, nachdem der Mensch schon da war, wird
noch zu sprechen sein. Hier soll nur gesagt werden, daß die
vorhandenen Tierarten sich fortwährend umbildeten und neue
entstanden. Diese Umwandlung war natürlich eine
allmähliche. Die Gründe zur Umwandlung lagen zum Teil in
der Veränderung des Aufenthaltes, der Lebensweise. Die Tiere
hatten eine außerordentlich schnelle Anpassungsfähigkeit an
neue Verhältnisse. Der bildsame Körper änderte
verhältnismäßig schnell die Organe, so daß nach
mehr oder weniger kurzer Zeit die Nachkommen einer gewissen Tierart
ihren Vorfahren nur mehr wenig ähnlich sahen. Dasselbe, ja in
einem noch größeren Maße, war für die Pflanzen
der Fall. Den größten Einfluß auf die Umgestaltung von
Menschen und Tieren hatte der Mensch selbst. Sei es, daß er
instinktiv die Lebewesen in eine solche Umgebung brachte, daß
sie bestimmte Formen annahmen, sei es, daß er durch
Züchtungsversuche solches bewirkte. Der umgestaltende
Einfluß des Menschen auf die Natur war, verglichen mit heutigen
Verhältnissen, damals unermeßlich groß. Insbesondere
war das in der beschriebenen Kolonie der Fall. Denn da leiteten die
Führer in einer den Menschen unbewußten Art diese
Umgestaltung. Es war das in einem Maße der Fall, daß die
Menschen dann, als sie auszogen, die verschiedenen atlantischen
Rassen zu begründen, sich hochentwickelte Kenntnisse über
Züchtung von Tieren und Pflanzen mitnehmen konnten. Die
Kulturarbeit in Atlantis war dann im wesentlichen eine Folge dieser
mitgebrachten Kenntnisse. Doch muß auch hier betont werden,
daß diese Kenntnisse einen instinktiven Charakter hatten. So
blieb es auch im wesentlichen bei den ersten atlantischen Rassen.
Die gekennzeichnete
Vorherrschaft der Frauenseele ist besonders stark in der letzten
lemurischen Zeit und dauert bis in die atlantischen Zeiten, in denen
sich die vierte Unterrasse vorbereitete. Aber man darf sich nicht
vorstellen, daß dies etwa bei der ganzen Menschheit der Fall
war. Wohl aber gilt es für denjenigen Teil der
Erdenbevölkerung, aus welchem später die eigentlichen
fortgeschrittenen Rassen hervorgegangen sind. Und dieser Einfluß
war auf alles das im Menschen am stärksten, was
«unbewußt» in und an ihm ist. Die Bildung gewisser
ständiger Gebärden, die Feinheiten der sinnlichen
Anschauung, die Schönheitsempfindungen, ein guter Teil des den
Menschen gemeinsamen Empfindungs- und Gefühlslebens
überhaupt ging ursprünglich aus von dem seelischen
Einfluß der Frau. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man die
Berichte der Akasha-Chronik so auslegt, daß man behauptet:
«Die Kulturnationen haben eine Leibesbildung und einen
Leibesausdruck, sowie gewisse Grundlagen des leiblich-seelischen
Lebens, die ihnen von der Frau aufgeprägt worden sind.»
Im weiteren Verlaufe wird
auf ältere Zeiten der Menschheitsbildung zurückgegriffen
werden, in denen die Erdbevölkerung noch eingeschlechtlich war.
Es wird dann das Hervortreten des doppelten Geschlechtes dargestellt
werden.
|