Die hyperboräische
und die polarische Epoche
Die folgenden Ausführungen aus der
«Akasha-Chronik» führen in die Zeiten zurück, die
dem vorausgehen, was in den letzten Kapiteln geschildert worden ist.
Das Wagnis, das mit diesen Mitteilungen unternommen wird, ist
vielleicht gegenüber der materialistischen Denkweise unserer
Zeit ein noch größeres als das, welches mit dem bereits in
den vorhergehenden Ausführungen Geschilderten verknüpft
war. Der Vorwurf der Phantastik und grundlosen Spekulation liegt
gegenüber solchen Dingen in der Gegenwart so nahe. Wenn man
weiß, wie fern es dem naturwissenschaftlich im Sinne der
heutigen Zeit Gebildeten liegen kann, diese Dinge auch nur ernst zu
nehmen, so kann nur das Bewußtsein zu ihrer Mitteilung
führen, daß man treu im Sinne der geistigen Erfahrung
berichtet. Nichts ist hier gesagt, was nicht sorgfältig mit den
Mitteln der geistigen Wissenschaft geprüft ist. Der
Naturforscher möge nur so tolerant gegenüber der
Geisteswissenschaft sein, wie diese es gegenüber der
naturwissenschaftlichen Denkungsart ist. (Vergleiche meine
«Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert»,
wo ich glaube gezeigt zu haben, daß ich die
materialistisch-naturwissenschaftliche Anschauung zu würdigen
weiß.)
für diejenigen aber, welche diesen geisteswissenschaftlichen
Dingen geneigt sind, möchte ich in bezug auf die diesmaligen
Ausführungen noch etwas Besonderes bemerken. Es kommen im
folgenden besonders wichtige Dinge zur Sprache. Und alles gehört
längstverflossenen Zeiten an. Die Entzifferung der
Akasha-Chronik auf diesem Gebiete ist nicht gerade leicht. Der das
geschrieben hat, macht auch keineswegs den Anspruch auf irgendeinen
Autoritätsglauben. Er will lediglich mitteilen, was nach besten
Kräften erforscht worden ist. Jede Korrektur, die auf
Sachkenntnis beruht, wäre ihm lieb. Er fühlt sich
verpflichtet, diese Vorgänge in der Menschheitsentwickelung
mitzuteilen, weil die Zeichen der Zeit dazu drängen. Zudem
mußte diesmal ein großer Zeitraum in Umrissen geschildert
werden, damit einmal eine Übersicht geschaffen werde. Genaueres
über vieles jetzt bloß Angedeutete wird ja noch später
folgen. — Die Einzeichnungen in der «Akasha-Chronik»
sind nur schwer in unsere Umgangssprache zu übersetzen. Leichter
ist die Mitteilung in der in Geheimschulen üblichen symbolischen
Zeichensprache, deren Mitteilung aber gegenwärtig noch nicht
erlaubt ist. Deshalb möge der Leser manches Dunkle und
Schwerverständliche hinnehmen und sich zu einem
Verständnisse durchwinden, wie sich der Schreiber zu einer
allgemeinverständlichen Darstellungsart durchzuwinden suchte.
Man wird manche Schwierigkeit des Lesens belohnt finden, wenn man auf
die tiefen Geheimnisse, auf die bedeutungsvollen Menschenrätsel
blickt, welche angedeutet sind. Eine wirkliche Selbsterkenntnis des
Menschen ersprießt ja doch aus diesen
«Akasha-Aufzeichnungen», die für den Geheimforscher so
sichere Wirklichkeiten sind wie Gebirge und Flüsse für das
sinnliche Auge. Ein Wahrnehmungsirrtum ist natürlich dort wie da
möglich. — Hingewiesen soll nur darauf werden, daß in
dem vorliegenden Abschnitt nur die Entwickelung des Menschen
zunächst besprochen worden ist. Neben dieser läuft
naturgemäß diejenige der anderen Naturreiche, des
mineralischen, pflanzlichen, tierischen. Davon sollen die
nächsten Abschnitte handeln. Es wird dann auch noch manches zur
Sprache kommen, was die Auseinandersetzungen über den Menschen
in einem verständlicheren Lichte erscheinen lassen wird.
Umgekehrt aber kann im geisteswissenschaftlichen Sinne von der
Entwickelung der anderen irdischen Reiche nicht gesprochen werden,
bevor das allmähliche Fortschreiten des Menschen dargestellt
worden ist.
*
Wenn man in der
Erdentwickelung noch weiter zurückgeht, als dies in den
vorhergehenden Aufsätzen geschehen ist, so kommt man auf immer
feinere stoffliche Zustände unseres Himmelskörpers. Die
Stoffe, die später fest geworden sind, waren vorher in
flüssigen, noch früher in dunst- und dampfförmigen,
und in weiterer Vergangenheit in feinsten (ätherischen)
Zuständen. Erst die abnehmende Wärme hat die Verfestigung
der Stoffe bewirkt. Hier soll nun zurückgegangen werden bis zu
dem feinsten ätherischen Zustande der Stoffe unseres irdischen
Wohnplatzes. Als sich die Erde in einer solchen Entwickelungsepoche
befand, betrat sie der Mensch. Früher gehörte er anderen
Welten an, von denen später gesprochen werden soll. — Nur
auf die unmittelbar vorhergehende soll noch gedeutet werden. Sie war
eine sogenannte astrale oder seelische Welt. Die Wesen dieser Welt
führten kein äußeres (physisches), leibliches Dasein.
Auch der Mensch nicht. Er hatte bereits das im vorhergehenden Aufsatz
erwähnte Bilderbewußtsein ausgebildet. Er hatte
Gefühle, Begierden. Doch alles das war in einem Seeleneib
beschlossen. Nur dem hellseherischen Blick wäre ein solcher
Mensch wahrnehmbar gewesen. — Und allerdings hatten alle
höher entwickelten damaligen Menschenwesen ein solches
Hellsehen, obgleich es ganz dumpf und traumartig war. Es war nicht
selbstbewußtes Hellsehen. — Diese Astralwesen sind die
Vorfahren des Menschen in einem gewissen Sinne. Was man heute
«Mensch» nennt, trägt ja bereits den
selbstbewußten Geist in sich. Dieser vereinigte sich mit
dem Wesen, das aus jenem Vorfahren in der Mitte der lemurischen Zeit
entstanden war. (Auf diese Vereinigung ist in den früheren
Aufsätzen bereits hingedeutet. Wenn hier der Entwickelungsgang
der Menschenvorfahren bis in diese Zeit dargelegt sein wird, soll die
Sache noch einmal genauer zur Sprache kommen.) — Die Seelenoder
Astralvorfahren des Menschen wurden in die feine oder Äthererde
hereinversetzt. Sie sogen den feinen Stoff gleichsam — wie ein
Schwamm, um grob zu sprechen — in sich auf. Indem sie sich so
mit Stoff durchdrangen, bildeten sie sich ätherische Leiber.
Dieselben hatten eine länglich elliptische Form, doch waren
durch zarte Schattierungen des Stoffes Gliedmaßen und andere
später zu bildende Organe bereits veranlagt. Der ganze Vorgang
in dieser Masse war aber ein rein physisch-chemischer; nur war er
geregelt und beherrscht von der Seele. — Hatte eine solche
Stoffmasse eine bestimmte Größe erreicht, so spaltete sie
sich in zwei, von denen eine jede dem Gebilde ähnlich war, aus
dem sie entstanden war, und in der auch dieselben Wirkungen sich
vollzogen wie in jenem. — Es war ein jegliches solches neue
Gebilde wieder so seelenbegabt wie das Mutterwesen. Das rührte
davon her, daß nicht etwa nur eine bestimmte Anzahl von
Menschenseelen den irdischen Schauplatz betrat, sondern gleichsam ein
Seelenbaum, der ungezählte Einzelseelen aus seiner gemeinsamen
Wurzel hervorgehen lassen konnte. Wie eine Pflanze aus
unzähligen Samenkörnern immer aufs neue ersprießt, so
das seelische Leben in den zahllosen Sprossen, die sich aus den
fortdauernden Spaltungen ergaben. (Allerdings war vom Anfang an eine
engbegrenzte Zahl von Seelenarten vorhanden, wovon später
gesprochen werden soll. Doch innerhalb dieser Arten ging die
Entwickelung in der beschriebenen Weise vor sich. Jede Seelenart
trieb ungezählte Sprossen.)
Mit dem Eintritt in die
irdische Stofflichkeit war aber in den Seelen selbst eine
bedeutungsvolle Veränderung vor sich gegangen. Solange die
Seelen selbst nicht Stoffliches an sich hatten, konnte auch kein
äußerer stofflicher Vorgang auf sie wirken. Alle Wirkung
auf sie war eine reine seelische, hellseherische. Sie lebten so das
Seelische in ihrer Umgebung mit. Alles, was damals vorhanden war,
wurde in dieser Art miterlebt. Die Wirkungen der Steine, Pflanzen,
Tiere, die ja in dieser Zeit auch nur als astrale (seelische) Gebilde
existierten, wurden als innere Seelenerlebnisse empfunden. —
Dazu kam nun beim Betreten der Erde etwas ganz Neues.
Äußere stoffliche Vorgänge übten eine Wirkung auf
die selbst in stofflichem Kleide auftretende Seele aus. Zunächst
waren es nur die Bewegungsvorgänge dieser stofflichen
Außenwelt, die im Innern des Ätherleibes selbst Bewegungen
hervorriefen. Wie wir heute das Erzittern der Luft als Schall
wahrnehmen, so diese Ätherwesen die Erschütterungen des sie
umgebenden ätherischen Stoffes. Ein solches Wesen war im Grunde
ein einziges Gehörorgan. Dieser Sinn entwickelte sich zuerst.
Aber man sieht hieraus, daß das abgesonderte Gehörorgan
sich erst später bildete.
Mit der fortschreitenden
Verdichtung des irdischen Stoffes verlor das Seelenwesen
allmählich die Fähigkeit, diesen zu gestalten. Nur die
schon gebildeten Leiber konnten noch ihresgleichen aus sich
hervorbringen. Eine neue Art der Fortpflanzung tritt auf. Das
Tochterwesen erscheint als ein beträchtlich kleineres Gebilde
als das Mutterwesen und wächst erst allmählich zu dessen
Größe heran. Während früher keine
Fortpflanzungsorgane vorhanden waren, treten jetzt solche auf.
— Aber nunmehr spielt sich auch nicht mehr bloß ein
physisch-chemischer Vorgang in dem Gebilde ab. Ein solcher
chemisch-physischer Vorgang könnte jetzt die Fortpflanzung nicht
bewirken. Der äußere Stoff ist eben wegen seiner
Verdichtung nicht mehr so, daß die Seele ihm unmittelbar Leben
geben kann. Es wird daher im Innern des Gebildes eine besondere
Partie abgesondert. Diese entzieht sich den unmittelbaren
Einwirkungen des äußeren Stoffes. Nur der außer dieser
abgesonderten Partie befindliche Leib bleibt diesen Einwirkungen
ausgesetzt. Er ist noch in derselben Verfassung wie früher der
ganze Leib. In der abgesonderten Partie wirkt nun das Seelische
weiter. Hier wird die Seele der Träger des Lebensprinzipes (in
der theosophischen Literatur Prana genannt). So erscheint jetzt der
leibliche Menschenvorfahr mit zwei Gliedern ausgestattet. Das eine
ist der physische Leib (die physische Hülle). Sie ist den
chemischen und physischen Gesetzen der umgebenden Welt unterworfen.
Das zweite ist die Summe von Organen, die dem besonderen
Lebens-Prinzip unterworfen sind. — Nun ist aber dadurch ein
Teil der Seelentätigkeit freigeworden. Diese hat keine Macht
mehr über den physischen Teil des Leibes. Dieser Teil der
Seelentätigkeit wendet sich nun nach innen und gestaltet einen
Teil des Leibes zu besonderen Organen aus. Und dadurch beginnt ein
Innenleben des Leibes. Dieser lebt nicht mehr bloß die
Erschütterungen der Außenwelt mit, sondern er fängt
an, sie im Innern als besondere Erlebnisse zu empfinden. Hier
liegt der Ausgangspunkt der Empfindung. Zuerst tritt diese Empfindung
als eine Art Tastsinn auf. Das Wesen fühlt die Bewegungen
der Außenwelt, den Druck, den die Stoffe ausüben und so
weiter. Auch die Anfänge einer Wärme- und
Kälteempfindung treten auf.
Damit ist eine wichtige
Entwickelungsstufe der Menschheit erreicht. Dem physischen
Körper ist die unmittelbare Einwirkung der Seele entzogen. Er
ist ganz der physischen und chemischen Stoffwelt überantwortet.
Er zerfällt in dem Augenblicke, in dem die Seele in ihrer
Wirksamkeit, von den anderen Teilen aus, seiner nicht mehr Herr
werden kann. Und damit tritt eigentlich erst das auf, was man
«Tod» nennt. In bezug auf die Zustände vorher kann von
einem Tode nicht die Rede sein. Bei der Teilung lebt das
Muttergebilde restlos in den Tochtergebilden fort. Denn in diesen
wirkt die ganze umgebildete Seelenkraft wie vorher in dem
Muttergebilde. Es bleibt bei der Teilung nichts übrig, in dem
nicht Seele wäre. Jetzt wird das anders. Sobald die Seele keine
Macht mehr über den physischen Leib hat, unterliegt dieser den
chemischen und physischen Gesetzen der Außenwelt, das heißt
er stirbt ab. Als Seelenwirksamkeit bleibt nur, was in der
Fortpflanzung und in dem entwickelten Innenleben tätig ist. Das
heißt: es entstehen Nachkommen durch die Fortpflanzungskraft,
und zugleich sind diese Nachkommen mit einem Überschuß an
organbildender Kraft begabt. In diesem Überschuß lebt immer
von neuem das Seelenwesen auf. Wie früher der ganze Leib von
Seelentätigkeit erfüllt wurde bei der Teilung, so jetzt die
Fortpflanzungs- und Empfindungsorgane. Man hat es also mit einer
Wiederverkörperung des Seelenlebens in dem neu
entstehenden Tochterorganismus zu tun.
In der theosophischen
Literatur werden diese beiden Entwickelungsstufen des Menschen als
die beiden ersten Wurzelrassen unserer Erde beschrieben. Die erste
heißt die polarische, die zweite die hyperboräische
Rasse.
Man muß sich
vorstellen, daß die Empfindungswelt dieser Menschenvorfahren
noch eine ganz allgemeine, unbestimmte war. Nur zweierlei von unseren
heutigen Empfindungsarten waren doch schon geschieden: die
Gehör- und die Tastempfindung. Durch die Veränderung sowohl
des Leibes wie auch der physischen Umgebung war aber nicht mehr das
ganze Menschengebilde geeignet, sozusagen «Ohr» zu sein.
Ein besonderer Teil des Leibes blieb geeignet, die feinen
Erschütterungen fortan mitzuerleben. Er lieferte das Material,
aus dem sich dann allmählich unser Gehörorgan
entwickelte. Doch Tastorgan blieb so ziemlich der ganze übrige
Leib.
Es ist ersichtlich,
daß der ganze bisherige Entwickelungsvorgang des Menschen mit
einer Veränderung des Wärmezustandes der Erde
zusammenhängt. Die in seiner Umgebung befindliche Wärme war
es in der Tat, welche den Menschen bis zu der geschilderten Stufe
gebracht hat. Nun war aber die äußere Wärme auf einem
Punkte angelangt, bei dem ein weiteres Fortschreiten des
Menschengebildes nicht mehr möglich gewesen wäre. Es tritt
nunmehr im Innengebilde eine Gegenwirkung gegen die weitere
Abkühlung der Erde ein. Der Mensch wird zum Erzeuger einer
eigenen Wärmequelle. Bisher hatte er den Wärmegrad seiner
Umgebung. Jetzt treten Organe in ihm auf, die ihn fähig machen,
sich den Wärmegrad selbst zu entwickeln, den er für sein
Leben nötig hat. Bisher war sein Inneres von zirkulierenden
Stoffen durchzogen, die in dieser Richtung von der Umgebung
abhängig waren. Jetzt konnte er für diese Stoffe
Eigenwärme entwickeln. Die Leibessäfte wurden zum warmen
Blute. Damit war er als physisches Wesen zu einem weit höheren
Grade von Selbständigkeit gelangt, als er ihn früher hatte.
Das ganze Innenleben wurde gesteigert. Die Empfindung hing noch ganz
von den Wirkungen der Außenwelt ab. Die Erfüllung mit
Eigenwärme gab dem Körper ein selbständiges
physisches Innenleben. Nun hatte die Seele einen Schauplatz im
Innern des Leibes, auf dem sie ein Leben entwickeln konnte, das nicht
mehr bloß ein Mitleben der Außenwelt war.
Durch diesen Vorgang ist
das Seelenleben in den Bereich des Irdisch-Stofflichen hineingezogen
worden. Vorher konnten Begierden, Wünsche, Leidenschaften,
konnten Lust und Leid der Seele nur wieder durch Seelisches
entstehen. Was von einem anderen seelischen Wesen ausging, erweckte
in einer bestimmten Seele Neigung, Abneigung, erregte die
Leidenschaften und so weiter. Kein äußerer physischer
Gegenstand hätte eine solche Wirkung tun können. Jetzt erst
trat die Möglichkeit ein, daß solche äußere
Gegenstände für die Seele etwas zu bedeuten hatten. Denn
sie empfand die Förderung des mit der Eigenwärme erwachten
Innenlebens als Wohlgefühl, die Störung dieses Innenlebens
als Mißbehagen. Ein äußerer Gegenstand, der geeignet
ist, zur Unterhaltung des leiblichen Wohlbehagens beizutragen, konnte
begehrt, gewünscht werden. Das, was man in der
theosophischen Literatur «Kama» — den Wunschleib
— nennt, war mit dem irdischen Menschen verbunden. Die
Gegenstände der Sinne wurden Gegenstände des
Begehrungsvermögens. Der Mensch wurde durch seinen Wunschleib an
das irdische Dasein gebunden.
Nun fällt diese
Tatsache mit einem großen Weltereignisse zusammen, mit dem es
ursächlich verknüpft ist. Bisher war zwischen Sonne, Erde
und Mond keine materielle Trennung. Diese drei waren in ihrer Wirkung
auf den Menschen ein Körper. Jetzt trat die Trennung ein;
die feinere Stofflichkeit, die alles in sich schließt, was
vorher der Seele die Möglichkeit gegeben hatte, unmittelbar
belebend zu wirken, sonderte sich als Sonne ab; der derbste Teil trat
als Mond heraus; und die Erde hielt mit ihrer Stofflichkeit die Mitte
zwischen beiden. Natürlich war diese Trennung keine
plötzliche, sondern der ganze Prozeß vollzog sich
allmählich, während der Mensch von dem Zustande der
Fortpflanzung durch Teilung bis zu dem zuletzt geschilderten
vorrückte. Ja, gerade durch die genannten Weltprozesse wurde
diese Fortentwickelungsvorgang des Menschen bewirkt. Zuerst zog die
Sonne ihre Stofflichkeit aus dem gemeinsamen Weltkörper heraus.
Dadurch wurde dem Seelischen die Möglichkeit entzogen, die
zurückbleibende Erdmaterie unmittelbar zu beleben. Dann fing der
Mond an, sich herauszubilden. Dadurch kam die Erde in den Zustand,
der das charakterisierte Empfindungsvermögen gestattete. —
Und im Verein mit diesem Fortgang entwickelte sich auch ein neuer
Sinn. Die Wärmeverhältnisse der Erde wurden solche,
daß die Körper allmählich die feste Begrenzung
annahmen, die Durchsichtiges von Undurchsichtigem trennte. Die aus
der Erdmasse herausgetretene Sonne erhielt ihre Aufgabe als
Lichtspenderin. Im Menschenleibe entstand der Sinn des Sehens.
Zunächst war dieses Sehen nicht ein solches, wie wir es heute
kennen. Licht und Dunkelheit wirkten als unbestimmte Gefühle auf
den Menschen. Er empfand zum Beispiel das Licht unter gewissen
Verhältnissen als behaglich, sein Leibesleben fördernd, und
suchte es auf, strebte ihm zu. Dabei verlief das eigentliche
Seelenleben noch immer in traumhaften Bildern. In diesem Leben
stiegen Farbenbilder auf und ab, die sich nicht unmittelbar auf
äußere Dinge bezogen. Diese Farbenbilder bezog der Mensch
noch auf seelische Wirkungen. Helle Farbenbilder erschienen ihm, wenn
ihn angenehme seelische Wirkungen trafen, finstere Bilder, wenn er
von unangenehmen seelischen Einflüssen berührt wurde.
— Es ist in dem bisherigen das, was durch das Auftreten der
Eigenwärme bewirkt worden ist, als «Innenleben»
bezeichnet worden. Man sieht aber, daß es ein Innenleben im
Sinne der späteren Menschheitsentwickelung noch nicht ist. Alles
geht stufenweise vor sich, auch die Entwickelung des Innenlebens. In
dem Sinne, wie das im vorigen Aufsatz gemeint ist, tritt dieses wahre
Innenleben erst auf, wenn die Befruchtung mit dem Geiste kommt, wenn
der Mensch beginnt zu denken über das, was von außen auf
ihn wirkt. — Aber alles, was hier geschildert wurde, zeigt, wie
der Mensch hineinwächst in den Zustand, der im vorigen Abschnitt
dargestellt worden ist. — Und man bewegt sich eigentlich schon
in der Zeit, die dort charakterisiert worden ist, wenn man das
folgende beschreibt: Immer mehr lernt die Seele das, was sie vorher
in sich erlebt und nur auf Seelisches bezogen hat, auf das
äußere körperliche Dasein anwenden. Das geschieht nun
mit den Farbenbildern. Wie früher ein sympathischer Eindruck
eines Seelischen mit einem Farbenbilde von heller Art in der eigenen
Seele verknüpft wurde, so jetzt ein heller Lichteindruck von
außen. Die Seele fing an, die Gegenstände um sich her
farbig zu sehen. Das war verknüpft mit der Ausbildung neuer
Sehwerkzeuge. Zu dem unbestimmten Fühlen des Lichtes und der
Dunkelheit in früheren Zuständen hatte der Leib ein heute
nicht mehr vorhandenes Auge. (Die Sage von den Zyklopen mit dem einen
Auge ist eine Erinnerung an diese Zustände.) Die beiden Augen
entwickelten sich, als die Seele anfing, die äußeren
Lichteindrücke intimer mit ihrem Eigenleben zu verbinden. Es
verlor sich damit das Wahrnehmungsvermögen für das
Seelische in der Umgebung. Die Seele wurde immer mehr und mehr zum
Spiegel der Außenwelt. Diese Außenwelt wird als
Vorstellung im Innern der Seele wiederholt. — Hand in
Hand damit ging die Trennung der Geschlechter. Auf der einen Seite
wurde der Menschenleib nur empfänglich für die Befruchtung
durch ein anderes Menschenwesen, auf der anderen entwickelten sich
die körperlichen «Seelenorgane» (Nervensystem), durch
welche die sinnlichen Eindrücke der Außenwelt in der Seele
abgespiegelt wurden. — Und damit war der Einzug des denkenden
Geistes in den Menschenleib vorbereitet.
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