Die Erde und ihre Zukunft
Die vierte Hauptstufe der menschlichen
Entwickelung wird auf der Erde durchlebt. Es ist dies derjenige
Bewußtseinszustand, in dem sich der Mensch gegenwärtig
befindet. Bevor er aber zu diesem gekommen ist, mußte er und mit
ihm die ganze Erde erst in drei kleineren Kreisläufen (den
sogenannten «Runden» der theosophischen Literatur)
nacheinander den Saturn-, Sonne- und Mondzustand wiederholen. Jetzt
lebt der Mensch im vierten Erdenkreislauf. Er ist bereits ein
Stück über die Mitte dieses Kreislaufes hinausgelangt. Auf
dieser Bewußtseinsstufe nimmt der Mensch nicht mehr nur Bilder
traumartig wahr, die als Wirkung seiner Umgebung in seiner Seele
aufsteigen, sondern es treten für ihn Gegenstände
«draußen im Raume» auf. Auf dem Monde und auch noch
während der Wiederholungsstufen auf der Erde stieg zum Beispiel
ein Farbenbild auf in seiner Seele, wenn ihm ein entsprechender
Gegenstand nahekam. Das ganze Bewußtsein bestand aus solchen in
der Seele auf- und abwogenden Bildern, Tönen und so weiter. Erst
beim Auftreten des vierten Bewußtseinszustandes tritt die Farbe
nicht mehr bloß in der Seele, sondern an einem äußeren
räumlich begrenzten Gegenstande auf, der Ton ist nicht mehr
bloß ein inneres Erklingen der Seele; sondern ein Gegenstand im
Raume tönt. Man nennt deshalb in der Geheimwissenschaft diesen
vierten, den irdischen, Bewußtseinszustand auch das
«gegenständliche Bewußtsein». Langsam und
allmählich hat dieser sich im Verlauf der Entwickelung
herausgebildet, indem die physischen Sinnesorgane nach und nach
entstanden sind, und so an äußeren Gegenständen die
mannigfaltigsten sinnlichen Eigenschaften wahrnehmbar machten. Und
außer den schon jetzt entwickelten Sinnen sind andere erst noch
im Keime vorhanden, die in der folgenden Erdenzeit zur Entfaltung
kommen und die Sinneswelt noch in einer viel größeren
Mannigfaltigkeit zeigen werden, als dies schon heute der Fall ist. Im
Vorhergehenden ist das allmähliche Wachsen dieses
Erdenbewußtseins dargestellt worden, und in den folgenden
Ausführungen wird diese Darstellung wesentliche Erweiterungen
und Ergänzungen erfahren.
Die farbige Welt, die
tönende und so weiter, welche der frühere Mensch also in
seinem Innern wahrgenommen hat, tritt ihm während des
Erdenlebens draußen im Raume entgegen. Dafür aber tritt in
seinem Innern eine neue Welt auf, die Vorstellungs oder Gedankenwelt.
Von Vorstellungen und Gedanken kann man beim Mondbewußtsein
nicht reden. Dasselbe besteht lediglich in den gekennzeichneten
Bildern. Ungefähr um die Mitte der Erdentwickelung — die
Sache bereitet sich eigentlich schon etwas früher vor —
tritt in dem Menschen die Fähigkeit auf, sich Vorstellungen und
Gedanken über die Gegenstände zu bilden. Und diese
Fähigkeit bildet auch die Grundlage für das Gedächtnis
und das Selbstbewußtsein. Erst der vorstellende Mensch kann die
Erinnerung an das ausbilden, was er wahrgenommen hat; und erst der
denkende Mensch gelangt dazu, sich als ein selbständiges,
selbstbewußtes Wesen von seiner Umgebung zu unterscheiden, sich
als ein «Ich» kennenzulernen. Die ersten drei geschilderten
Stufen waren also Bewußtseinsstufen, die vierte ist nicht
bloß Bewußtsein, sondern Selbstbewußtsein. Nun
bildet sich aber schon wieder innerhalb des jetzigen
Selbstbewußtseins, des Gedankenlebens, die Anlage zu noch
höheren Bewußtseinszuständen heraus. Diese
Bewußtseinszustände wird der Mensch auf den nächsten
Planeten zu durchleben haben, in welche sich die Erde nach ihrer
gegenwärtigen Gestalt verwandeln wird. Es ist nicht widersinnig,
von diesen zukünftigen Bewußtseinszuständen, also auch
von dem Leben auf den folgenden Planeten etwas auszusagen. Denn
erstens schreitet der Hellseher in seiner Entwickelung seinen
Mitbrüdern — aus gewissen an anderem Orte anzugebenden
Gründen — voran. Es bilden sich bei ihm also schon jetzt
diejenigen Bewußtseinszustände heraus, zu denen die ganze
Menschheit mit fortschreitender Planetenentwickelung gelangen
muß. Man hat also in dem Hellseherbewußtsein schon Bilder
der künftigen Menschheitsstufen. Und dann sind ja drei folgende
Bewußtseinszustände als Keimanlage schon jetzt in allen
Menschen vorhanden; und die hellseherische Forschung hat Mittel, um
anzugeben, was aus diesen Keimanlagen werden kann.
Allerdings, wenn hier
gesagt wird, der Hellseher entwickele in sich schon jetzt die
Bewußtseinszustände, zu denen in der Zukunft die ganze
Menschheit fortschreiten wird, so ist dies mit einer
Einschränkung zu verstehen. Der Hellseher bildet zum Beispiel
heute innerhalb der seelischen Welt ein Schauen aus, das in Zukunft
beim Menschen in einer physischen Art auftreten wird. Aber dieser
zukünftige physische Zustand des Menschen wird das getreue
Abbild sein des entsprechenden gegenwärtigen seelischen beim
Hellseher. Die Erde selbst wird sich ja entwickeln, und dadurch
werden in ihren kommenden physischen Bewohnern ganz andere Formen
auftreten als heute da sind; aber diese physischen Formen bereiten
sich in den heutigen seelischen und geistigen vor. Was zum Beispiel
heute der Hellseher als eine Licht- und Farbenwolke um den physischen
Menschenkörper herum sieht als sogenannte «Aura», das
wird sich später in eine physische Form verwandeln; und andere
Sinnesorgane als die heutigen werden dem Zukunftsmenschen die
Fähigkeit geben, die anderen Formen wahrzunehmen. Der Hellseher
aber sieht eben die geistigen Vorbilder der späteren Sinneswesen
(also zum Beispiel die Aura) mit seinen geistigen Sinnen schon heute.
Ihm ist ein Blick in die Zukunft möglich, von dessen
Eigenart allerdings nur sehr schwer eine Anschauung durch die heutige
Sprache und für die gegenwärtigen menschlichen
Vorstellungen gegeben werden kann.
Die Vorstellungen des
jetzigen Bewußtseinszustandes sind schattenhaft, blaß im
Verhältnis zu den farbigen und tönenden Gegenständen
der Außenwelt. Der Mensch spricht daher auch von den
Vorstellungen als von etwas, das «nicht wirklich» ist. Ein
«bloßer Gedanke» wird in Gegensatz gebracht zu einem
Ding oder Wesen, das «wirklich» ist, weil es durch die
Sinne wahrgenommen wird. Aber die Vorstellungen und Gedanken tragen
die Anlage in sich, wieder wirklich, bildhaft zu werden. Wenn heute
der Mensch von der Vorstellung «rot» spricht, ohne daß
er einen roten Gegenstand vor sich hat, so ist diese Vorstellung
gleichsam nur ein Schattenbild der wirklichen «Röte».
Später wird der Mensch dazu gelangen, nicht nur die
schattenhafte Vorstellung des «Roten» in seiner Seele
aufsteigen zu lassen, sondern wenn er «Rot» denkt, wird
wirklich auch «Rot» vor ihm sein. Er wird Bilder, nicht
bloß Vorstellungen schaffen können. Etwas
Ähnliches wird damit für ihn erreicht sein, was schon
für das Mondbewußtsein da war. Aber die Bilder werden nicht
traumhaft in ihm auf- und abwogen, sondern er wird sie wie die
heutigen Vorstellungen mit vollem Selbstbewußtsein in
sich hervorrufen. Ein Gedanke an eine Farbe wird die Farbe selbst
sein; eine Vorstellung von einem Tone wird der Ton selbst sein und so
weiter. Eine Bilderwelt wird künftig durch des Menschen eigene
Macht in seiner Seele auf- und abwogen, wogegen während des
Monddaseins eine solche Bilderwelt ohne sein Zutun ihm das Innere
ausfüllte. Und nicht verschwinden wird der räumliche
Charakter der gegenständlichen Außenwelt. Die Farbe, welche
mit der Farbenvorstellung zugleich entsteht, wird nicht bloß ein
Bild in der Seele sein, sondern sie wird sich draußen im Raume
entfalten. Und die Folge davon wird sein, daß der Mensch Wesen
und Dinge höherer Art wird wahrnehmen können, als
diejenigen seiner jetzigen Umgebung sind. Das sind Dinge und Wesen,
welche von feinerer geistiger und seelischer Art sind, so daß
sie sich in die gegenständlichen Farben, die für die
heutigen physischen Sinneswerkzeuge wahrnehmbar sind, nicht kleiden,
die sich aber durch die feineren seelischen und geistigen Farben und
Töne offenbaren, welche der Mensch der Zukunft aus seiner Seele
heraus wird erwecken können.
Der Mensch nähert sich
also einem Zustande, in welchem er ein für solche Wahrnehmungen
geeignetes selbstbewußtes Bilderbewußtsein
haben wird. Die
kommende Erdentwickelung wird einerseits das gegenwärtige
Vorstellungs- und Gedankenleben zu immer höherer, feinerer,
vollkommenerer Entfaltung bringen; anderseits aber wird sich
während dieser Zeit allmählich auch schon das
selbstbewußte Bilderbewußtsein nach und nach herausformen.
Zu vollem Leben wird jedoch das letztere im Menschen erst auf dem
nächsten Planeten gelangen, in den sich die Erde umformen wird,
und der in der Geheimwissenschaft der «Jupiter» heißt.
Dann wird der Mensch mit Wesen in Verkehr treten können, welche
seiner gegenwartigen Sinneswahrnehmung vollständig verborgen
bleiben. Begreiflich ist, daß nicht nur das Wahrnehmungsleben
dadurch ein ganz anderes wird, sondern daß sich auch die Taten,
die Gefühle, alle Beziehungen zur Umgebung vollkommen umwandeln.
Der Mensch wird so, wie er heute nur Sinneswesen bewußt
beeinflussen kann, dann auf ganz andere Kräfte und Gewalten
bewußt wirken können; und er selbst wird aus ganz anderen
Reichen als jetzt ihm vollkommen erkennbare Einflüsse empfangen.
Von Geburt und Tod in dem gegenwärtigen Sinne kann auf dieser
Stufe nicht mehr die Rede sein. Denn der «Tod» tritt ja
doch nur dadurch ein, daß das Bewußtsein auf eine
Außenwelt angewiesen ist, mit der es durch die physischen
Sinnesorgane in Verkehr tritt. Versagen diese physischen Sinnesorgane
ihren Dienst, dann hört jede Beziehung zur Umwelt auf. Das
heißt eben, der Mensch «ist gestorben». Wenn nun seine
Seele so weit ist, daß sie die Einflüsse von der
Außenwelt nicht durch die physischen Werkzeuge empfängt,
sondern durch die Bilder, die sie aus Eigenem schafft, dann ist sie
auch auf dem Punkte angelangt, ihren Verkehr mit der Umwelt
willkürlich zu regeln, das heißt, ihr Leben wird nicht ohne
ihren Willen unterbrochen. Sie ist Herr über Geburt und Tod
geworden. Das alles wird also mit dem errungenen selbstbewußten
Bilderbewußtsein auf dem «Jupiter» eintreten. Es wird
dieser Zustand der Seele auch das «psychische
Bewußtsein» genannt.
Der nächste
Bewußtseinszustand, zu dem sich der Mensch auf einem weiteren
Planeten, der «Venus», entwickelt, unterscheidet sich von
dem vorigen dadurch, daß die Seele nun nicht bloß Bilder,
sondern Gegenstände und Wesen selbst erschaffen kann. Es
geschieht dies bei dem selbstbewußten
Gegenstandsbewußtsein oder überpsychischen
Bewußtsein. Durch das Bilderbewußtsein kann der Mensch von
übersinnlichen Wesen und Dingen etwas wahrnehmen, und er kann
diese durch die Erweckung seiner Bildvorstellungen beeinflussen. Aber
damit zum Beispiel dasjenige geschehe, was er von einem solchen
übersinnlichen Wesen will, muß dieses auf seine
Veranlassung hin die eigenen Kräfte in Bewegung setzen. Der
Mensch ist also Herr über Bilder, und er kann durch diese Bilder
Wirkungen veranlassen. Aber er ist noch nicht Herr über die
Kräfte selbst. Wenn sein selbstbewußtes
Gegenstandsbewußtsein ausgebildet sein wird, dann wird er auch
über schöpferische Kräfte anderer Welten Herr sein. Er
wird Wesen nicht nur wahrnehmen und beeinflussen, sondern selbst
schaffen.
Dies ist der Gang der
Bewußtseinsentfaltung: erst beginnt es dämmerhaft; man
nimmt nichts von anderen Dingen und Wesen wahr, sondern nur die
Innenerlebnisse (Bilder) der eigenen Seele; dann wird die Wahrnehmung
entwickelt. Und zuletzt wandelt sich das Wahrnehmungsbewußtsein
in ein schöpferisches um. Bevor sich der Erdenzustand in das
Jupiterleben hinüberwendet, sind — nach dem vierten
irdischen Kreislauf — noch drei kleinere Kreisläufe
durchzumachen. Diese dienen der weiteren Vervollkommnung des
Erdenbewußtseins in einer Art, welche in den folgenden
Aufsätzen beschrieben werden wird, wenn die Entwickelung der
kleineren Kreisläufe und ihrer Unterabteilungen bei allen sieben
Planeten zur Darstellung kommen wird. Hat sich, nach einer Ruhepause
(Pralaya), die Erde in den Jupiter verwandelt, und ist der Mensch auf
diesem Planeten angekommen, dann müssen während vier
kleinerer Kreisläufe wieder die vier vorhergehenden
Zustände — Saturn-, Sonnen-, Mond-, Erdenzustand —
wiederholt werden; und erst während des fünften
Jupiterkreislaufes gelangt der Mensch auf die Stufe, die oben als das
eigentliche Jupiterbewußtsein gekennzeichnet worden ist. In
einer entsprechenden Art kommt das «Venusbewußtsein»
während des sechsten Venuskreislaufes zum Vorschein.
Eine Tatache, welche in den
folgenden Aufsätzen eine gewisse Rolle spielen wird, soll hier
nur kurz angedeutet werden. Sie betrifft die Schnelligkeit, mit
welcher die Entwickelung auf den einzelnen Planeten verläuft.
Diese ist nämlich nicht auf allen Planeten gleich. Das Leben
verläuft zunächst mit der größten Schnelligkeit
auf dem Saturn, dann nimmt die Geschwindigkeit auf der Sonne ab, wird
auf dem Monde noch kleiner und bewegt sich am langsamsten auf der
Erde. Auf dieser selbst wird es immer langsamer bis zu dem Punkte, in
dem sich das Selbstbewußtsein entwickelt. Dann wächst die
Geschwindigkeit wieder. Heute hat also der Mensch den Zeitpunkt der
größten Langsamkeit seiner Entwickelung bereits
überschritten. Das Leben hat begonnen, sich wieder zu
beschleunigen. Auf dem Jupiter wird die Schnelligkeit des Mondes, auf
der Venus diejenige der Sonne wieder erreicht sein.
Der letzte Planet, der noch
in die Reihe der irdischen Verwandlungen gezählt werden kann,
der also auf die Venus folgt, wird von der Geheimwissenschaft
«Vulkan» genannt. Auf diesem Planeten wird das
vorläufige Ziel der Menschheitsentwickelung erreicht. Der
Bewußtseinszustand, in welchen da der Mensch eintritt, wird die
«Gottseligkeit» oder auch das spirituelle
Bewußtsein genannt. Der Mensch wird es nach Wiederholung der
sechs vorhergehenden Stufen auf dem siebenten Vulkankreislauf
erlangen. Über das Leben auf diesem Planeten kann
öffentlich nicht viel mitgeteilt werden. In der
Geheimwissenschaft spricht man von ihm so, daß man sagt:
«Über den Vulkan
und sein Leben sollte von keiner Seele nachgedacht werden, die mit
ihrem Denken noch an einen physischen Körper gebunden ist.»
Das heißt, es können nur die Geheimschüler der
höheren Ordnung über den Vulkan etwas erfahren, die ihren
physischen Körper verlassen dürfen und außerhalb
desselben übersinnliche Erkenntnisse sich aneignen
können.
So drücken sich also
im Laufe der Menschheitsentwickelung die sieben Stufen des
Bewußtseins in sieben Planetenentfaltungen aus. Nun hat das
Bewußtsein auf jeder Stufe wieder sieben untergeordnete
Zustände zu durchlaufen. Diese kommen in den bereits
angedeuteten kleineren Kreisläufen zum Dasein. (Die
theosophischen Schriften nennen diese sieben Kreisläufe
«Runden».) Diese untergeordneten Zustände werden von
der Geheimwissenschaft des Abendlandes
«Lebenszustände» genannt, im Gegensatz zu den
übergeordneten «Bewußtseinszuständen». Oder
man sagt auch, jeder Bewußtseinszustand bewege sich durch sieben
«Reiche». Nach dieser Rechnung hat man also in der ganzen
Menschheitsentwickelung siebenmal sieben, das ist neunundvierzig
kleine Kreisläufe oder «Reiche» (nach
gebräuchlicher theosophischer Ausdrucksweise
«Runden»), zu unterscheiden. Und weiter hat wieder jeder
kleine Kreislauf sieben noch kleinere zu durchlaufen, die man
«Formzustände» (in theosophischer Sprache
«Globen») nennt. Das gibt für den vollen
Menschheitskreislauf siebenmal neunundvierzig verschiedene
«Formzustände» oder dreihundertdreiundvierzig.
Die nächsten
Ausführungen, die von dieser Entwickelung handeln werden, sollen
zeigen, daß die Übersicht über das Ganze keine so
komplizierte ist, wie es zuerst bei Nennung der Zahl
dreihundertdreiundvierzig erscheinen könnte. Es wird sich
zeigen, wie der Mensch sich erst recht verstehen kann, wenn er diese
seine Entwickelung kennt.
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