ZWEITER VORTRAG
Dornach, 6. September 1924
Den
Zusammenhang zwischen der Menschenweihehandlung und dem
Apokalyptischen wollen wir zunächst näher betrachten,
um dann an die Apokalypse des Johannes und ihre Bedeutung
für das gegenwärtige und zukünftige
Priesterwirken selbst herangehen zu können.
Wir
mußten gestern hinweisen auf drei vergangene Epochen der
Mysterien, insofern diese Mysterien versuchten, durch
dasjenige, was im Priester vorging, den Priester zur
apokalyptischen Stimmung zu bringen. Wir haben auf sehr alte
Mysterien hingewiesen, in denen die Götter selbst
herabstiegen, um in den Mysterien mit den Menschen zusammen zu
wirken, und wir haben auf halbalte Mysterienzeiten hingewiesen,
in denen die Götter ihre Kräfte herabschickten und so
den Menschen ermöglichten, dadurch, daß sie in dem
Bereich der Götterkräfte lebten, mit den Göttern
zusammen im Weltall zu wirken.
Ich
sagte: Der Weg kehrte sich völlig um in der dritten
Epoche, in den halbneuen Mysterien. Da handelte es sich darum,
daß der Mensch diejenigen Kräfte, die er
zunächst selbst entwickeln mußte, so gestaltete,
daß sie zu den Göttern hinaufführen konnten. Und
wir sehen da, wie der Mensch durch die Intonierung des
magischen Wortes in der Kultuszeremonie den Weg zu den
göttlich-geistigen Kräften der Welt suchte - sei es,
daß er dieses magische Wort in den Rauch sprach auf die
gestern angedeutete Weise und durch das Wort aus dem Rauch die
Imaginationen hervorholte, sei es, daß das Wort
unmittelbar in der ganzen Seelenstimmung des Menschen wirkte -,
so daß er im Worte gewahr wurde des
göttlich-geistigen Wirkens.
Und
diesem Entwickeln eines gewissen religiösen Sinnes durch
den Menschen - den man eigentlich nur gesondert beschreiben
kann -, ging ja immer parallel das, was notwendige
Voraussetzung war: eine gewisse Form der Transsubstantiation,
die der Mittelpunkt der heiligen Menschenweihehandlung war. Die
Priester der Gegenwart und der nächsten Zukunft sind dazu
berufen, diese Transsubstantiation und damit alles, was
eigentlich im priesterlichen Wirken liegt, in einer neuen Form
zu erleben. Das wird nicht gut möglich sein, ohne
gründlich zu verstehen, worin die Transsubstantiation und
die Apokalypse in den vier aufeinander folgenden Perioden der
Menschheitsentwickelung eigentlich dem Leben nach bestehen.
Das
eine haben wir gesehen: Die Menschenweihehandlung mit der
Transsubstantiation - ist ein Handeln der Menschen in
Gemeinschaft mit der göttlich-geistigen Welt. Ohne das
Bewußtsein, daß der Mensch gemeinschaftlich mit den
Göttern handeln kann, ohne dieses Bewußtsein ist ein
priesterliches Wirken überhaupt nicht möglich.
Werfen wir noch einmal den Blick auf die älteste Form der
Menschenweihehandlung und auf die älteste Form des
Transsubstantiierens, dann finden wir, daß zu gewissen
Zeiten, die eigentlich Differenzzeiten darstellen zwischen dem,
was der Mensch als Zeitfolge im Jahreslauf berechnen kann und
dem, was im Kosmos sich vollzieht, die Götter den Weg zu
den Menschen finden. Die Götter stiegen herab in solchen
ausgesparten Zeiten, in den heiligen Zeiten, in denen der
Mensch in die von ihm berechnete Zeit gewissermaßen etwas
einfügen mußte, weil der Gang des Kosmos nicht mit
seinen Berechnungen übereinstimmt. In diesen Zeiten also,
in denen der Mensch sich unmittelbar unter kosmischen
Einfluß stellen mußte, um die Transsubstantiation zu
vollziehen, bewahrte er dann etwas von diesen Substanzen auf,
die aus dem Kosmos heraus eine Verwandlung erfahren hatten, um
mit diesem Aufbewahrten die Transsubstantiation in den
folgenden Zeiten zu vollziehen.
In
diesen Zeiten war der angemessene Aufenthalt der Priester und
der Laiengläubigen für die Transsubstantiation die
Erdhöhle, die Felsenhöhle. Und in der Tat,
überall in den alten Mysterienzeiten, in denen ein volles
Bewußtsein von der Anwesenheit der Götter und der
Bedeutung der Transsubstantiation entwickelt wurde, sehen wir,
daß erstrebt wird, die heilige Handlung zu verlegen in
Felsentempel, in Erdtempel, in das Unterirdische der Erde.
Daß das versucht wurde, hängt zusammen mit den
Erfahrungen und Erlebnissen, die der Priester bei der
Transsubstantiation machte. Die Transsubstantiation besteht ja
in der Verwandlung der in der irdischen Materie gegebenen
Substantialität. Und man kann, wenn man den Prozeß
vollständig überschauen will, die Kommunion, das
Aufnehmen des Transsubstantiierten in die eigene
Menschenwesenheit, dazurechnen, so daß eigentlich die zwei
letzten Hauptteile der Menschenweihehandlung, die
Transsubstantiation und die Kommunion, in dieser Beziehung eine
Einheit bilden, und das Evangeliumlesen und das Offertorium die
Vorbereitung dazu darstellen. Wenn wir in diesem Zusammenhang
in der Transsubstantiation und in der Kommunion eine
einheitliche priesterliche Handlung, eine einheitliche
Kultushandlung sehen, so können wir auf jene Auffassung
deuten, die in den ältesten Mysterien jene Initiierten
hatten, die man auch wohl die «Väter» nannte.
Die «Väter», das bezeichnete einen Grad des
Initiiertseins, den Grad des «Vaters». Daher ist ja
der Name geblieben, den heute noch die Priester vieler
Konfessionen tragen: Pater.
Nun, der Priester erlebte, während er die
Transsubstantiation im Erdtempel, im Felsentempel vollzog, das
Einswerden seines physischen Organismus mit der ganzen Erde.
Deshalb der Felsentempel, deshalb der Erdtempel. In Wahrheit
müssen wir uns ja auch wenn wir in unserem heutigen
gewöhnlichen Erdenbewußtsein leben zwischen Geburt
und Tod - in der Wirklichkeit eins fühlen mit dem, was uns
im Kosmos umgibt. Und so war es ja während der ganzen
irdischen Entwickelung der Menschheit.
Die
Luft, die Sie jetzt in ihrem Leib haben, war ja kurz vorher
außerhalb des Leibes, und sie wird kurze Zeit nachher
wieder außerhalb des Leibes sein. Die Luft, die
außerhalb Ihres Leibes ist, und die Luft, die innerhalb
Ihres Leibes ist, ist ein Ganzes. Die ganze Erscheinung ist
diese: Es ist ein Luftmeer da, und indem der Mensch einatmet,
verwandelt sich ein Teil dieses Luftmeeres in den Menschen. Die
Luft ist aufgenommen, sie dringt überall hinein, sie
füllt den Menschen aus, sie wird selbst menschliche Form.
Diese Form löst sich beim Ausatmen sogleich wieder auf in
das Luftmeer. Es ist ein fortwährendes Entstehen und
Vergehen des luftförmig gestalteten Menschen. Es
fällt uns nur nicht ins Bewußtsein.
Wenn der alte indische Yogi seine Atemübungen bewußt
vollzogen hat, war das jedesmal auch in seinem Bewußtsein.
Er fühlte sich nicht abgesondert, sondern eins mit dem
ganzen Luftmeer der Erde, er fühlte das fortwährende
Entstehen und Vergehen des luftförmigen Menschen in jeder
Systole und Diastole. Das kann man ohne weiteres durch
bloße Atemübungen erleben, die nur heute nicht mehr
angemessen sind für die Menschen.
Aber der Mensch ist ja nicht bloß im Physischen irdischer
Mensch. Er ist irdischer Mensch, indem vorzugsweise das
tätig ist, was wir den physischen Leib nennen, er ist aber
auch Flüssigkeitsmensch. Der ganze Mensch ist
ausgefüllt von der in ihm zirkulierenden Flüssigkeit,
wodurch irdischer Mensch und Flüssigkeitsmensch
aufeinander wirken und sich gegenseitig beeinflussen. Der
Flüssigkeitsmensch ist vorzugsweise abhängig von dem
Ätherleib, denn die Kräfte des Ätherleibes
wirken weniger in dem, was fest ist, sondern mehr in dem, was
flüssig ist.
Und
dann tragen wir noch den Luftmenschen und den
Wärmemenschen in uns. Der Luftmensch, der die Atmung
besorgt, steht unter den Kräften des astralischen Leibes,
und der Wärmemensch ist vorzugsweise unter die Wirkung der
Ich-Organisation gestellt. Sie brauchen nur sich daran zu
erinnern, daß, wenn Sie mit dem Thermometer an irgendeiner
Stelle des Körpers messen, außen oder innen, diese
Temperatur differenziert ist. Schon bei dieser groben Art der
Wärmemessung zeigt sich, daß der Mensch ein
differenzierter Wärmeorganismus ist.
So
finden wir im Menschen die vier Elemente: die Erde unter dem
Einfluß des physischen Leibes, das Wasser unter dem
Einfluß des Ätherleibes, die Luft unter dem
Einfluß des astralischen Leibes, und die Wärme, das
Feuer, unter dem Einfluß der IchOrganisation.
Das, was durch die Transsubstantiation im Verein mit der
Kommunion bei den alten Vätern bewirkt worden ist, ist
das, daß sie nun die physische Organisation in
Zusammenhang mit der Erde fühlten, wenn sie sich in den
Felsen- oder Erdtempel begeben hatten, um unmittelbar
zusammenzuwachsen mit dieser irdischen Entwickelung.
Alles, was der Mensch heute denkt über seine eigene
Wesenheit - wie er sagt: wissenschaftlich denkt -, ist ja
eigentlich grundfalsch, ist ja im Grunde genommen Unsinn.
Alles, was sich auf den Menschen bezieht, muß ganz anders
vorgestellt werden. Und diese Vorstellungen ergaben sich
für die alten Väter aus dem heiligen
Menschenweiheopfer durch eine unmittelbare Anschauung infolge
der Transsubstantiation. Sie wußten, wir atmen nicht nur
Luft durch unsere Atmungsorgane, wir nehmen fortwährend
aus dem Kosmos alle möglichen Stoffe durch unsere
Sinnesorgane auf; durch das Haar, durch die Haut werden
fortwährend alle möglichen Stoffe aus dem Kosmos
aufgenommen. Und so, wie der bewußt Atmende die Luft
einziehen fühlt in seine Atmungsorgane, so fühlte der
alte Priester aus der Kieselumgebung, in der er im
unterirdischen Weihetempel war, die Substanzen in sich
übergehen und seine Nerven-Sinnesorganisation
durchdringen. So wie der Luftmensch die Luft weitergehen
fühlt, wenn er bewußt atmet, so durchdringen diese
Substanzen den ganzen Organismus. Der alte Priester wußte,
daß der Stoffwechsel-Gliedmaßen-Mensch in seiner
substantiellen Zusammensetzung nichts hat von dem, was man
ißt. Nichts von dem, was man ißt, geht in den
Stoffwechsel-Gliedmaßen-Menschen hinein.
Substantielles wird aufgenommen aus dem Kosmos. Die ganze
Ernährungstheorie von heute ist in Wahrheit unwahr.
Dasjenige, was gegessen wird und umgewandelt wird durch die
Verdauungsorganisation, das fühlte der zelebrierende Vater
den Weg nehmen vom Stoffwechsel-Menschen zum
Nerven-Sinnes-Menschen, vorzugsweise zum Kopf, und er
wußte: Was du ißt, wird in dir verwandelt zur
Substanz des Hauptes und desjenigen, was damit
zusammenhängt. Gerade das aber, was in dir die Organe
bildet, welche den Stoffwechsel besorgen, wird aus dem Kosmos
durch eine feinere Atmung aufgenommen. Und so fühlte er
die Substantialität des Kosmos von allen Seiten
aufgenommen durch die Sinne und Nerven und konstituieren seinen
Stoffwechsel-Gliedmaßen-Menschen. Er fühlte die nach
unten gehende Strömung, die von allen Seiten des Kosmos
ihren Ursprung nimmt und von oben nach unten in seinen
Organismus strömt. Und er fühlte, daß das, was
der Mensch unmittelbar als Nahrung aufnimmt und was im
Körper verwandelt wird, den umgekehrten Weg nimmt und
gerade den oberen Menschen konstituiert.
Eine abwärtsfließende und eine
aufwärtsfließende Strömung hatte der Vater in
sich, indem er die Transsubstantiation vollzog. Vollzog er dann
die Kommunion, so wußte er, weil sein physischer Leib ihm
in diesen Strömungen bewußt geworden war, sich in
Zusammenhang mit dem Kosmos. Er einverleibte das, was er eben
durch das Zelebrieren auf dem Altar erhalten hatte, der von
oben nach unten gehenden und der von unten nach oben gehenden
Strömung in sich; er einverleibte, indem er eins geworden
war mit der Erde, das, was er auf dem Altar zubereitet hatte,
mit Strömungen, die gemeinsam der Erde und seinem Leib
angehören, mit dem Göttlichen auf der Erde, das ein
Spiegel ist des Universums. Er wußte sich eins mit dem
Universum, mit dem, was außerhalb war. Er wußte,
daß diese Mahlzeit, die er auf diese Weise eingenommen
hatte, eine Mahlzeit war, die sein kosmischer Mensch vollzog.
Aufgehen fühlte er durch das, was einströmte in die
nach abwärts und in die nach aufwärts gehende
Strömung, den göttlichen Menschen selber, der ein
Genosse der herabgestiegenen Götter sein durfte. Er
fühlte sich von den Göttern in seinem physischen
Leibe zum göttlichen Menschen umgestaltet, selber
transsubstantiiert. Und in diesem Augenblick war es, daß
er aus dem tiefsten Herzen das aussprach: Ich bin jetzt nicht
der, der da herumgeht in der physischen Welt; ich bin der, in
dem der Gott, der herabgestiegen ist, lebt; ich bin der, dessen
Name alle Laute umfaßt, der gewesen ist im Anfang, der ist
in der Mitte, der sein wird am Ende. Ich bin das Alpha und das
Omega.
Und
es hing dann ab von der Art und Weise, wie sein Inneres durch
dieses Erfühlen sich gestaltete, wieweit er wirklich
teilnehmen konnte an den Geheimnissen des Kosmos, an dem
göttlichen Wirken und Schaffen im Kosmos, an dem
Sich-Offenbaren der Kräfte und Substanzen und Wesenheiten
im Kosmos unter dem göttlich-geistigen Schaffen. Das war
das Wirken des Priesters in den alten Mysterien.
Gehen wir in die halbalten Mysterien, dann finden wir, daß
da innerhalb der Tempel, die nun nicht mehr aus denselben
Sehnsuchten heraus in das Unterirdische der Erde verlegt wurden
- oder wenn sie dahin verlegt wurden, so geschah es aus
Tradition, es wurde nicht mehr lebendig verstanden, aber es
lebte gerade dadurch die Tradition weiter, auch wenn sie den
lebendigen Inhalt verloren hatte -, daß da in den Tempeln,
die bereits über die Erde herauf sich erhoben hatten,
namentlich alles das eine große Rolle spielte, was
Weihwasser ist, was Waschungen sind, was solche Opferhandlungen
sind, die mit dem Wasser zusammenhängen.
Es
sind ja noch solche Traditionen vorhanden geblieben in dem
Vollziehen der Taufe, in dem Untertauchen ins Wasser beim
Taufen. Es handelt sich hier darum, daß nun dasjenige, was
der Priester vollzog, weniger mit dem unmittelbaren Elemente
zusammenhing, sondern daß schon durch die aufgewandte
innere Kraft der Opferhandlung nunmehr eins wurde mit dem
Universum der Flüssigkeitsmensch, der Mensch, in dem die
Kräfte des Ätherleibes wirken. Es war so, daß
jetzt, wenn die Transsubstantiation vollzogen wurde und wenn
alles das in der Weihehandlung vorausging und folgte, was in
irgendeiner Weise zu tun hat mit dem flüssigen Element,
daß dann der Mensch wieder fühlte, wie in ihm nunmehr
zeitlich arbeitete die Organisation des ätherischen
Leibes. Und im Vollzug der Transsubstantiation fühlte der
Mensch, wie gewissermaßen sein Wachstum von Kindheit auf
sich gestaltete unter dem Einfluß des flüssigen
Elementes in ihm, wie es sich weitergestaltete und wie in
diesem Strömen von der Vergangenheit durch die Gegenwart
bis in die Zukunft hinein der Ätherleib wirkt.
Wie
sich durch den physischen Leib die alten Priester eins
fühlten mit dem irdischen Element, so fühlte sich der
Transsubstantiierende in den halbalten Mysterien der zweiten
Mysterienepoche eins mit dem, was als Wäßriges im
ganzen Kosmos lebt. Er fühlte die Wachstumskräfte von
allen Wesen in sich selbst aufkeimen, sprossen, wachsen, sich
entfalten zu dem entwickelten Organismus und sich wieder
zusammenziehen zum Keim. Er fühlte diese sprossende,
sprießende, lebende, sterbende Tätigkeit, indem er
die Transsubstantiation vollzog. Er konnte sich in jedem Moment
sagen: Jetzt weiß ich, wie Wesen in der Welt entstehen,
wie Wesen in der Welt sterben. - Denn die aufsteigenden und die
absteigenden Kräfte des Ätherischen waren in ihm
tätig. Er fühlte sozusagen die Ewigkeit in der
heiligen Transsubstantiation.
Und
wenn wir wiederum zusammennehmen die Transsubstantiation mit
der Kommunion als eine einheitliche Opferhandlung,
Weihehandlung, dann wußte der kommunizierende Priester von
dem Aufgehen der auf diese Art verwandelten Substanzen, wie es
gestern geschildert worden ist, in seinem ätherischen
WasserMenschenwesen. Eins fühlte er sich da mit allem, was
bewahrt die Unsterblichkeit, was entsteht und vergeht, geboren
wird und stirbt im Weltenall. Geburt und Tod wehten über
den Altar und vom Altar in die Schar der Gläubigen hinein.
Es war ein Durchströmtwerden mit Ewigkeitsgefühlen.
Und dieses Durchströmtwerden mit Ewigkeitsgefühlen
war eben dasjenige, das an die Stelle des Alten getreten war,
das ein Sich-Einsfühlen war mit dem gesamten Kosmos durch
die Erde.
Und
als dann das dritte Zeitalter heraufkam, sollte gerade der
Mensch in der heiligen Weihehandlung bewußt miterleben
sein Einswerden mit dem Luftelement und durch das Luftelement
mit dem Kosmos.
In
einer anderen Weise wurde drüben im Orient bei dem als
Menschenindividualität einsam strebenden Yogi bewirkt,
daß er sich bewußt wurde des Strömens
göttlich-geistiger übersinnlicher Weltenkräfte
im Einatmen und im Ausatmen. Der Yogi ergriff direkt den Atem.
Schon in Westasien, noch mehr in Europa, wurde nicht mehr
direkt, unmittelbar der undifferenzierte Atem ergriffen,
sondern es wurde in den Atem hinein intoniert das magische
Wort. Dadurch wurde im magischen Wort, im Kultwort, der Atem,
die im Menschen ein- und ausströmende Luft erfaßt.
Daher kam es, daß in dem, was entweder in den Opferrauch
gesagt wurde oder was unmittelbar durch die Intonation des
magischen, des Kultuswortes erlebt wurde, sich offenbarte das
Hinaufstreben der menschlichen Kräfte zu den
göttlichen Kräften. Man fühlte
gewissermaßen: Man selber intonierte das magische, das
Kultuswort, das Gebetswort. - Jedes Gebet hat im Grunde
genommen diesen Sinn: Der Mensch bemüht sich, mit seinen
Kräften hinaufzusteigen in die göttlich-geistige
Region; er begegnet da den Göttern. Und indem er da das
Wort intoniert, spricht nicht mehr er, sondern es spricht im
Kultwort die sich offenbarende Gottheit; sie offenbart sich im
Luftelement. Der Mensch fühlte sich von seinem eigenen
Astralleib aus in demjenigen, was die Kräfte der Luft
beherrscht.
Und
nun müssen Sie sich einmal überlegen, wie groß,
wie stark der Übergang war von den halbalten Mysterien zu
den halbneuen Mysterien, von der zweiten in die dritte Epoche.
Das, was die alten Väter erlebten, wurde ja im physischen
Leib erlebt. Es war eine Steigerung der Tätigkeit des
physischen Leibes. Das, was der Sonnenpriester der zweiten
Epoche erlebte, war eine Steigerung des Ätherleibes, des
Flüssigkeits-Menschenleibes. Das, was der Priester der
dritten Epoche erlebte, indem er das Kultwort intonierte und da
erlebte das Strömen der göttlich-geistigen
Kräfte, das wurde im Astralleib erlebt. Der astralische
Leib ist für das gewöhnliche Bewußtsein da schon
nur mehr zum geringsten Teil ein Vermittler des
Bewußtseins gewesen. Nur in den älteren Zeiten der
dritten Epoche konnten die Priester noch im magisch
gesprochenen Kultwort erfühlen: Indem ich spreche, spricht
der Gott in mir. - Dann aber nahm das ab. Der astralische Leib
blieb in seinen Wirkungen unbewußt dem Bewußtsein,
das immer mehr heraufkam. Er ist ja völlig unbewußt
dem heute vorhandenen Bewußtsein. Daher wurde nach und
nach der verbale Inhalt des Kultus etwas, was bei denjenigen,
die berufen waren, die göttliche Gegenwart bedeuten
konnte, und bei denen, die unberufen waren, das Intonieren
eines ihnen nicht zum Bewußtsein Kommenden war.
Das
ist ja dann immer mehr so geworden bei einer großen Anzahl
der Priester, die im Katholizismus dienten. Es kam daher so,
daß die Menschenweihehandlung, die Messe, nach und nach
das wurde, was allerdings der Priester zelebrierte, in dem er
aber nicht mehr selbst anwesend war. Aber man kann nicht mit
diesen intonierten Worten zelebrieren, ohne die Inkorporation
von Luftwesenheiten, das heißt, ohne daß Geistigkeit
anwesend ist. Es gibt nirgends ein gestaltetes Materielles, in
dem nicht sofort Geistigkeit Platz greifen würde. Und so
ist, wenn mit dem wirklichen Kultwort die Weihehandlung
zelebriert wird - sei es auch durch den unwürdigsten
Priester -, vielleicht nicht seine Seele, aber immer Geistiges
vorhanden; so daß in der Tat der Gläubige unter allen
Umständen, wenn die Liturgie eine richtige ist, einem
geistigen Vorgang beiwohnt.
Aber nachdem das im letzten Stadium der dritten Epoche immer
mehr dekadent wurde, glaubten die mehr nach dem
Rationalistischen hin arbeitenden Bekenntnisse, die
evangelischen Bekenntnisse, das Zelebrieren im Kultus
überhaupt von sich abwerfen zu können. Es war kein
Bewußtsein von der Bedeutung des Kultus mehr vorhanden,
von der unmittelbar realen Zusammenarbeit der Menschen mit den
Göttern. Das hat dann die Zeiten innerlichen Erlebens
herbeigeführt, in denen wir heute leben. Die
Menschenweihehandlung, die unmittelbar das
göttlich-geistige Leben herunterbringt auf die Erde, wurde
allmählich etwas Unverstandenes. Was durch sie erlebt
werden soll, Apokalyptik, wurde etwas Unverstandenes.
Das
waren im Grunde genommen die Erlebnisse, die diejenigen von
Euch gehabt haben, die da eines Tages gekommen sind und gesagt
haben: Es muß eine christliche Erneuerung eintreten. - Sie
empfanden das, was in der heutigen Zivilisation lebt und was
auch im religiösen Leben der heutigen Zivilisation lebt,
sie empfanden das religiöse Leben aller Konfessionen
bereits als getrennt von der wirklichen, realen geistigen Welt.
Sie suchten den Weg wieder zur wirklichen, realen geistigen
Welt.
Das
ist es ja, was wegweisend ist und was uns zugleich in die Tiefe
der Mysterien hineinführen wird, die mit der Apokalypse
zusammenhängen: daß die Transsubstantiation in der
ersten Epoche zusammenhängt durch das Erleben mit dem
physischen Leib, in der zweiten Epoche durch das Erleben mit
dem Ätherleib und in der dritten Epoche durch das Erleben
mit dem Astralleib; und an Euch, an Eurem innerlichen Erleben
des Wirkens und Webens der Geistigkeit in der Welt hängt
es, daß die Weihehandlung und die Apokalyptik von dem Ich
der Menschheit ergriffen werde.
Damit ist aber jede richtige Auffassung von dem, was durch
diese Bewegung für religiöse Erneuerung getan werden
soll, davon abhängig, daß dies zu Tuende unmittelbar
aufgefaßt werde als die Ausführung einer uns
gestellten, einer uns übersinnlich gestellten Aufgabe,
einer Aufgabe, die in den Dienst der übersinnlichen
Mächte das stellt, was sie tut. Denn entweder muß
das, was Ihr tut, in das Wesenlose verrinnen und nur eine Art
von Störung gewesen sein in der jetzigen Evolution des
Weltalls, wenn Ihr nicht die Tiefe Eurer Aufgabe erfaßt;
oder aber Ihr erfaßt die Tiefe Eurer Aufgabe, Ihr
fühlt diese Aufgabe von vornherein verbunden nicht mit dem
Wirken von Menschen, sondern verbunden mit dem Wirken von
Göttern durch die Erdenevolution hindurch. Dann
müßt Ihr Euch sagen: Wir sind dazu berufen, die
vierte Mysterienepoche der menschlichen Erdenentwickelung
mitzugestalten. - Dann allein, wenn Ihr den Mut und die Kraft
und den Ernst und die Ausdauer habt, in dieser Weise Euch in
Eure Aufgabe zu finden, dann allein ist diese Aufgabe in den
Dienst der Mächte gestellt, welche den Inhalt jenes Kultus
haben unmittelbar herunterfließen lassen aus der geistigen
Welt, als wir vor zwei Jahren hier zusammen waren. Dann allein
ist das real, was Ihr durch den Inhalt dieses Kultus, der eine
Offenbarung aus der geistigen Welt ist und der als solcher Euch
überstrahlt hat, übernommen habt.
Und
dann werdet Ihr immer mehr fühlen und empfinden, es war
so: Der Christus ist zunächst in einer kosmisch realen,
tellurisch realen Handlung in das Erdenleben eingezogen. Das
Mysterium von Golgatha ist als reale Handlung da. Der Mensch
muß es in unserer Zeit mit seinem Ich erst vereinigen.
Denn das erste Angedenken an das heilige Abendmahl war noch
getaucht in die dritte Mysterienepoche, in die Epoche, wo der
astralische Leib die in dem Luftigen sich vollziehenden
Kultwirkungen aufnahm und beherrschte. Jetzt aber handelt es
sich darum, daß mit voller Bewußtheit der Mensch sein
tiefstes Inneres verbindet mit dem Christus und anfängt,
die Apokalypse in einer neuen Weise zu verstehen.
Und
wie verstand man in der ersten Mysterienepoche die Apokalypse?
Man erlebte sie als die Anwesenheit der Götter, die da
sind der Anfang, die Mitte und das Ende, das Alpha und das
Omega.
Wie
verstand man in der zweiten Mysterienepoche die Anwesenheit der
göttlichen Kräfte? Man erlebte sie in dem, was als
Sphärenmusik durch die Welt klang, in dem vom Himmel zur
Erde strömenden Weltenwort, das alles geschaffen hat, das
in allem schafft, in allem lebt. Man erlebte in dieser Zeit
dasjenige wie in einem Augenblick, was im Anfang, in der Mitte
und am Ende ist. Man erlebte in dem kosmischen Weltenwort das
Alpha und das Omega. Und immer, wenn in den verschiedenen
Epochen von dem Alpha und dem Omega gesprochen wurde -
gewiß mit anderen Lauten, aber eigentlich ähnlich
noch den griechischen Lauten -, immer war das Bestreben da, zu
erkennen, was eigentlich in diesem Alpha und Omega enthalten
ist, in dem Ersten und dem Letzten.
Und
in der dritten Mysterienepoche, wie verstand man da die
Apokalyptik? Man verstand die Apokalyptik so, daß der
Mensch das noch halbbewußte Kultwort entfaltete. Wenn der
Mensch dies halbbewußte Kultwort intonierte und dies sich
selber transsubstantiierte, wie ich es durch das folgende
veranschaulichen kann, dann wurde in der dritten Epoche das
Apokalyptische wahrgenommen. Vielleicht hat jemand von Euch -
oder die meisten von Euch - an einem Tage, wo er
empfänglich mit Sinnen und Seele den Eindrücken der
Außenwelt hingegeben sein konnte, irgend etwas
Musikalisches gehört, ist mit diesem musikalischen
Eindruck schlafen gegangen, und ist dann mitten im Schlafen
aufgewacht. Da war es vielleicht so, wie wenn er lebte in einem
Gewoge, aber in einem transformierten Gewoge desjenigen, was er
am Tage als Symphonie gehört hatte. So war es bei den
Priestern in der dritten Mysterienepoche. Es ist das, was
für sie geschah, vergleichbar mit diesem trivialen
Erleben, das ich eben herangezogen habe. Sie zelebrierten die
Weihehandlung mit dem Kultwort, von dem sie erlebten, daß
in ihm anwesend wurde die Gottheit. Sie hatten das Kultwort
hinaufgeschickt, die Gottheit war in das Kultwort
eingeströmt. Sie gingen in jener Stimmung, in der es sich
gebührt von der heiligen Handlung wegzugehen, von ihr weg,
und sie erlebten in dem Transsubstantiierten nicht nur das, was
menschliches Kultwort war, in dem anwesend wurde die
göttliche Geistigkeit, sondern sie erlebten nun dasjenige,
was sie ausgesprochen hatten, transsubstantiiert,
transformiert; sie erlebten das übersinnliche Echo dessen,
was sie selbst intoniert hatten in der Liturgie der Messe,
indem es ihnen transformiert zuströmte und ihnen das
Apokalyptische offenbarte. Der Gott offenbarte als Gegengabe
für die entsprechend zelebrierte Opferhandlung das
Apokalyptische. So empfand man das Apokalyptische in der
dritten Mysterienepoche.
Derjenige, der sich zum Priester gemacht fühlte durch den
Christus Jesus selber, der Verfasser der Apokalypse, die uns
beschäftigen soll, er fühlte gewissermaßen als
der erste, was nachher kaum je oder wenigstens nur von sehr
wenigen wiedererlebt worden ist; er fühlte das Aufgehen
des apokalyptischen Inhaltes in dem eigenen Ich. Denn der
astralische Leib war es, der das Echo in sich aufnahm, von dem
ich gesprochen habe, wo der Gott das Apokalyptische gab als
Gegengabe gegenüber dem Worte.
Derjenige, der die Apokalypse des Johannes verfaßt hat,
der fühlte sein vollbewußtes Ich eins mit jenem
Inhalt, den er niedergelegt hat in der Apokalypse. Das war so,
daß gerade aus dem längst verglommenen Opferdienst
von Ephesus aus inspirierende Anregung kam für den von
Christus Jesus selber sich gesalbt fühlenden Priester, den
Verfasser der Apokalypse, so daß er sich fühlte wie
in einem fortwährenden Zelebrieren der uralt heiligen
Weihehandlung. Er fühlte, wie dieses völlige
Erfülltsein des Ich mit dem Sinn der Weihehandlung nun
auch ein völliges Erfülltsein mit dem Inhalt des
Apokalyptischen war.
So
ist die Apokalypse so aus Johannes herausgesprochen, wie
eigentlich im gewöhnlichen Bewußtsein einzig das
Wörtchen «Ich» herausgesprochen wird aus dem
Menschen. Wenn der Mensch «Ich» sagt, spricht er sein
Inneres aus in diesen wenigen Lauten. Es kann nichts anderes
damit gemeint sein als die eine, individuelle menschliche
Wesenheit. Aber dieses eine enthält einen reichen Inhalt.
Und ein reicher Inhalt ist der Inhalt der Apokalypse.
Wenn wir alles das, was religiöses Fühlen und
Vertiefen der Seele geben kann, wenn alles das, was als
energisch angestrebte Erleuchtung, als Hinstreben zum
Verständnis des Übersinnlichen, im Geiste des
Menschen wirken kann, wenn wir uns anregen lassen durch die
Betrachtung der drei vergangenen Mysterienepochen, wenn
dasjenige, was in der ersten, zweiten und dritten
Mysterienepoche lebte, uns zum lebendigen Inspirator für
die vierte werden kann, und wenn wir die Kraft des Geistes
Gottes in der Seele wirken lassen, wie es heute wiederum
möglich ist -, dann werden wir erleben können,
daß es numerisch nicht nur eine Apokalypse gibt, sondern
daß es so viele Apokalypsen gibt, wie menschliche
Gott-hingegebene Iche aus den einzelnen Priestern zu Christus
sprechen, der durch diese Bewegung für christliche
Erneuerung wiedergefunden werden soll.
Die
Apokalypse bleibt eine ihrer Qualität nach,
numerisch kann sie der Inhalt werden jeder einzelnen
Priesterseele. Umgekehrt, jede einzelne Seele, die die
Menschenweihehandlung vollzieht, kann Priesterseele werden
dadurch, daß sie in sich die Vorbereitung durchmacht, das
Ich zu identifizieren mit dem Inhalt der Apokalypse. Wir sind
als Menschen Iche, wir werden im modernen Sinne des Wortes
Priester, wenn die Apokalypse nicht bloß im Evangelium
steht, wenn die Apokalypse aber auch nicht nur in unseren
Herzen steht als ein fertig Geschriebenes, sondern wenn das Ich
sich bewußt wird, daß es in jedem Augenblick des
Lebens selbsterzeugend einen Abdruck der Apokalypse
hervorbringt.
Nehmen Sie dies als Bild: Jemand schreibt den Inhalt eines
Buches. Es wird in die Druckerei geschickt. Es ist das ein
scheinbar pedantisch-philiströses Bild, das Ihnen aber
doch dienen kann. Das Buch wird gedruckt und geht in
soundsovielen numerisch voneinander verschiedenen, aber
inhaltlich einsseienden Exemplaren in die Welt. Eines
ist es, worauf Ihr hingewiesen werdet gleich im Beginn der
Apokalypse, eines ist es, was von Christus selbst dem
Johannes geoffenbart wird. Denn «dies ist die Offenbarung
Jesu Christi, empfangen von seinem Diener Johannes» (Apk.
1, 1). Eines ist der Inhalt, aber vervielfältigt wird es
im Selbsterzeugen dieses Inhalts aus der Weisheit der
übersinnlichen Welten.
Das
ist Verstehen der Apokalypse des Johannes. Das heißt aber
auch, im tieferen Sinne des Wortes das Wort verstehen: Der
Christus hat uns zu Priestern geweiht. - Ihr habt gefühlt,
was es bedeutet, wenn der Apokalyptiker sagt, ihn habe der
Christus selber zum Priester gesalbt. Die Salbung zum Priester
erfolgt, wenn gefühlt wird, wie in Johannes der Inhalt der
Apokalypse entstanden ist. Wenn gefühlt wird, daß
diese Menschen von heute, die Priester werden wollen, es
dadurch werden, daß sie selbsterzeugend in sich selbst das
Ich in der Apokalypse erleben, wird das Ich apokalyptisch; dann
ist das Ich priesterlich.
Davon dann morgen.
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