DRITTER VORTRAG
Dornach, 7. September 1924
Wir
haben gestern hingewiesen auf den bedeutenden Einschnitt, der
dadurch in der Menschheitsentwickelung entstanden ist, daß
ja von der dritten Mysterienepoche an die Teilnahme des
Menschen am Kosmischen innerhalb der Menschenweihehandlung, die
Transsubstantiation, sich vollzieht im astralischen Leibe. Das
ist in demjenigen Glied der menschlichen Wesenheit, welches
für das gewöhnliche Bewußtsein während des
Schlafes herausgeht aus dem physischen Leibe, und das
während der Zeit des Getrenntseins vom physischen Leibe
nicht empfänglich ist für Wahrnehmungen aus der
Umgebung.
Nun
machen wir uns einmal klar, wie dieser astralische Leib
eigentlich im heutigen Menschen wirkt. Er ist es ja, der
eigentlich die Gedanken über die Umgebung, die Gedanken,
durch die wir die Welt begreifen, dem Menschen vermittelt. Denn
in dem Augenblick, wo der astralische Leib aus dem physischen
und dem ätherischen Leib fort ist, sind Gedanken über
die Umgebung nicht mehr da.
Wir
können diesen Gedanken noch dadurch ergänzen,
daß wir uns klarmachen, daß die Ich-Organisation, das
eigentliche Ich im Menschen, wie er heute ist, der
Empfänger der Sinneseindrücke ist. Die
Sinneseindrücke ersterben wiederum, wenn die
Ich-Organisation herausschlüpft aus dem physischen und dem
Ätherleib. So daß wir zeichnen können: Hier ist
der physische Leib des Menschen, hier ist der
Ätherleib des Menschen. Der Tafel 2 astralische Leib und
die Ich-Organisation sind ja während des Schlafes
außerhalb. Diese Ich-Organisation liefert die
Sinnesempfindungen, die Sinneswahrnehmungen, wenn der Mensch
wacht. Die Sinneswahrnehmungen sind daher nicht da im Schlaf,
weil die Ich-Organisation nicht im physischen und im
Ätherleib ist, und weil, während der Mensch
schläft, die Ich-Organisation nicht für die
Eindrücke der Umgebung empfänglich ist. Der
astralische Leib liefert die Gedanken nur, wenn er im
physischen und im Atherleib ist. Wenn er aus diesen heraus ist,
ist er unempfindlich für die Dinge der Welt und liefert
keine Eindrücke.
Dieser astralische Leib war es aber, der in der dritten
Mysterienepoche - als der Mensch durch das Kultuswort sich in
Verbindung setzen sollte mit den göttlich-geistigen
Wesenheiten - durch alles dasjenige, was der Priester
durchmachte an vorbereitenden Übungen, empfänglich
wurde für das, was ich Ihnen beschrieben habe,
empfänglich wurde dafür, in der Kommunion die
Transsubstantiation selber in sich zu verarbeiten, und nach
Verarbeiten dieser Transsubstantiation empfänglich zu
werden für das Apokalyptische.
Dieselbe Art des Vorganges muß nun von unserer
gegenwärtigen Epoche an stattfinden bei den Menschen in
der Ich-Organisation. Diese Ich-Organisation muß so
beschaffen werden, daß die Transsubstantiation von ihr
erlebt werden kann, obwohl im gewöhnlichen Bewußtsein
durch die Ich-Organisation nur Sinneseindrücke erlebt
werden können; und sie muß so beschaffen sein,
daß sie durch die Transsubstantiation teilnehmen kann an
dem Apokalyptischen.
Dafür kann der Mensch wirklich heute empfänglich
werden, das heißt, es kann der Mensch wirklich zum
Priester werden, wenn er diejenigen Vorstellungen in sich
aufnimmt, die wahrhaft spirituelle Abbilder der
übersinnlichen Welt sind. Und damit haben wir im Grunde
den inneren Zusammenhang gekennzeichnet zwischen der heute zu
Recht bestehenden Esoterik und demjenigen, was in der
Priesterseele leben muß. Wir haben das gekennzeichnet, was
die Christengemeinschaft zum Träger eines wesentlichen
Teils der neuen Mysterien machen kann. Wir müssen nur
bedenken, wie eigentlich das beschaffen ist, was heute als
Anthroposophie an die Menschen herantritt.
Ich
habe oftmals ein Bild gebraucht. Ich sagte: Der Mensch ist ja
heute geneigt, alles das als Inhalt der Erkenntnis in sich
aufzunehmen, was irgendwie durch die äußere
Wahrnehmung, durch das äußere Experiment
gestützt ist. Er will aber alles das nicht als Erkenntnis
aufnehmen, was nicht durch äußere Wahrnehmung oder
durch Experiment gestützt ist. Wer sich so verhält,
der gleicht aber einem Menschen, der sagte: Auf der Erde
muß jeder Stein, damit er nicht herunterfällt,
gestützt werden; also müssen auch die Planeten im
Weltall gestützt werden, damit sie nicht herunterfallen. -
Daß die Planeten sich ohne Stützen gegenseitig tragen
im Weltall, ist heute selbstverständlich, weil es
traditionell und autoritativ gelehrt wird. Daß die
anthroposophischen Wahrheiten auch solche sind, die nicht durch
äußere Beobachtung oder durch das Experiment
gestützt zu werden brauchen, sondern sich gegenseitig
stützen und tragen, das wird vielfach bezweifelt.
In
dem Augenblick, wo man gewahr werden kann, anthroposophische
Wahrheiten gelten dadurch, daß eine Wahrheit die andere
stützt, so daß diese Wahrheiten sich gegenseitig
stützen, in dem Augenblick fängt man auch an, die
übliche Redensart nicht mehr zu gebrauchen: Ich sehe noch
nicht selber hinein in die geistige Welt und kann daher nicht
begreifen, was Inhalt der Anthroposophie ist. - In dem
Augenblick beginnt man damit, Anthroposophie zu verstehen durch
das gegenseitige Sich-Stützen ihrer Wahrheiten und kann
sich dann weiter hineinarbeiten.
Diese Aufgabe, das, was durch die Anthroposophie gegeben wird
an Erkenntnissen über die geistige Welt, zu durchdringen,
das ist es ja, was die Priesterschaft zunächst auf ihren
inneren Weg bringen kann, auch bringen muß. Wir brauchen
ja nur uns klarzumachen, daß die Seelenverfassung, die
Seelenstellung, in die der Mensch wirklich hineinkommt, wenn er
in ehrlicher Weise Anthroposophie zu seinem Besitz macht,
geeignet ist, an so etwas wie die Apokalypse heranzutreten, so
daß man sich sagen kann: Zwar ist die Apokalypse einmal
vorliegend, aber diese Apokalypse, indem ich sie auf mich
wirken lasse, wird in jedem ihrer Bilder, in jeder Imagination,
eins mit meinem eigenen Ich. - Und es kommt dann der
Augenblick, wo diese Apokalypse nicht nur eigene Erfahrung,
sondern eigenes Erzeugnis des menschlichen Ichs sein kann. Wir
müssen nur versuchen, an die Apokalypse in einem
anthroposophischen Sinn heranzutreten. Einen anderen Zugang zu
ihr gibt es heute nicht.
Nun
werden wir einmal versuchen, zunächst einige Hauptpunkte
der Apokalypse spirituell zu begreifen.
Den
Satz «Ich bin das Alpha und das Omega» (Apk. 1, 8)
versteht man nur, wenn man weiß, daß der Laut A -
Alpha - in alten Zeiten nicht jener abstrakte, gesonderte,
nichtsbedeutende Bestandteil des Wortes war, als den wir ihn
heute empfinden, sondern der Laut war wirklich wert, eine
Benennung zu tragen.
Die
Menschheit hat ja die Laute der Sprache, die eigentlich ein so
großes Mysterium umschließen, in einer
merkwürdigen Weise behandelt. Die Menschheit hat die Laute
der Sprache behandelt wie ein Polizeisoldat einen Verbrecher
behandelt. Sie hat die Laute der Sprache numeriert, wie wir die
Verbrecher numerieren, wenn sie in ihre Zelle kommen. Und wie
sie da ihre Namen verlieren und Nummern bekommen, so haben auch
die Laute durch die Numerierung ihre Wesenheit überhaupt
verloren. Es ist das bildlich gesprochen, aber es ist eine
volle Wahrheit.
Denn gehen wir zurück hinter jene römisch-lateinische
Zeit, in der man die Laute numeriert hat, dann finden wir in
der Menschheit das volle Bewußtsein davon - was ja im
Hebräischen durchaus der Fall war -, daß der Laut mit
vollem Recht einen Namen tragen kann, daß man zu ihm sagen
kann: Alpha - oder Aleph im Hebräischen -, weil er eine
Wesenheit ist, weil er ein Göttliches ist, ein
übersinnlich Wesenhaftes. Und schauen wir uns diesen
ersten Laut des sogenannten Alphabets an, so haben wir schon
eine Art von geistiger Begriffsentwickelung durchzumachen, wenn
wir darauf kommen wollen, was das Alpha eigentlich ist.
Sie
wissen, Anthroposophie geht zurück bei der Darstellung der
Evolution des Irdischen zu den vorirdischen planetarischen
Daseinsstufen Mond, Sonne, bis zum Saturnzustand, und es wird
versucht, dasjenige heraufzuholen innerhalb der Betrachtung der
Weltentwickelung, was mit der Evolution des Menschen
zusammenhängt. Denn auf dem alten Saturn finden wir den
ersten kosmischen Menschenkeim, der dann, nach den
mannigfaltigsten Transformationen durch die Daseinsstufen von
Sonne, Mond und Erde, der heutige physische Menschenleib
geworden ist. Der Mensch ist schon auf dem alten Saturn in
seiner ersten Keimanlage vorhanden.
Vielleicht ist für denjenigen, der mit ernster Ehrlichkeit
die Wahrheit auf diesem Gebiete durchschauen will, doch von
großer Bedeutung, einmal die Frage auf zuwerfen: Wie war
das Erleben dieses Menschenkeimes auf dem alten Saturn? Das
Leben auf dem alten Saturn war in Wärmezuständen
verlaufend. Wärme- und Kältedifferenzen nahm der
Mensch in sich auf. Der Mensch lebte in solchen Zuständen,
die ihm von den Wärmeverhältnissen des Kosmos viel
sagten, die ihm auch viel Geistiges sagten, die ihm aber nur
ein gewisses Gebiet des Geistigen erschlossen, das wirkte in
Wärme- und Kältedifferenzen.
Wenn wir dann vorschreiten von dem alten Saturn zur alten
Sonne, so finden wir, daß nun der Mensch innerhalb seines
physischen Körpers so lebte, daß dieser physische
Körper nun differenziert ist in Wärme und Luft, so
daß der Mensch im Sonnendasein einen aus
Wärmeäther und dem Luftelement bestehenden Organismus
hatte. Wir haben da schon im Menschen selber eine
Differenzierung. Der Mensch wird innerlich reicher. Er nimmt
nicht nur Wärmedifferenzen wahr, wie er es während
des Saturnzustandes der Erde erlebte, sondern es taucht auch
etwas auf, was man ein Innerliches nennen kann. Was Wärme
ist, nimmt der Mensch auf der Sonne wahr, aber er nimmt auch
einen innerlichen Atmungsrhythmus in sich wahr, der wiederum
Geheimnisse des Kosmos ausdrückt, der ein Spiegelbild ist
von Geheimnissen des Kosmos.
Wir
brauchen nur darauf hinzuschauen, wie die menschliche Wesenheit
reicher wird, indem sie sich entwickelt in der Zeit vom
Saturnzustand zum Sonnenzustand der Erde, und wiederum reicher
wird, während die Erde vom Sonnenzustand zum Mondzustand
sich entwickelt, und vom Mondzustand zur Erde. Und noch reicher
wird die menschliche Wesenheit werden, indem sie sich
weiterentwickelt durch die zukünftigen planetarischen
Zustände hindurch bis zum Jupiter und weiter bis zum
Vulkan.
Fragen wir uns: Wie war das Verhältnis des Menschen zur
Welt auf dem alten Saturn? Das Verhältnis des Menschen zur
Welt war auf dem alten Saturn so, daß er von der Welt zwar
quantitativ unendlich viel in Wärmedifferenzen wahrnahm,
aber qualitativ zunächst noch wenig. Noch wenig Welt war
in dem Menschen. Der Mensch war zwar als Mensch vorhanden, aber
er war sozusagen bloß Mensch, es war noch nicht viel Welt
in ihm. Indem er vorrückt durch Sonne, Mond, Erde, bis zum
Jupiter, wird sein Inneres mehr und mehr von Welt erfüllt.
Immer reicher wird sein Leben an Welt. Hier auf der Erde haben
wir schon ein großes Stück Welt in uns. Und wenn
einst die Erde angekommen ist in dem Stadium, wo sie wieder
vergehen wird, dann wird der Mensch ein großes Stück
Makrokosmos in irdischen Abbildern verarbeitet in sich
tragen.
Wir
tragen schon einen Teil des Kosmos in uns, aber mit dem
gewöhnlichen Erkennen weiß man es nicht. Indem der
Mensch aufrückt durch Imagination, Inspiration, Intuition
zum GeistErkennen, wird zugleich sein inneres Erleben immer
großartiger und großartiger im Seelischen. Ach, was
ist das Auge des Menschen, wie es heute das gewöhnliche
Bewußtsein kennt! Aber dieses Auge des Menschen ist in
jeder seiner Einzelheiten ein Kosmos, großartig und
gewaltig wie der Makrokosmos. Wunderbar enthüllt sich
jedes einzelne Organ im Menschen schon im physischen Leib als
eine Welt. So daß der Mensch, wenn er um sich blickt als
Initiierter, eine Welt sieht, eine Welt da unten mit ihren
Elementen, oben mit den Sternen, mit Sonne und Mond. Schaut er
in sich: Jedes Organ, Auge, Ohr, Lunge, Leber und so weiter ist
für sich eine Welt, und ein großartiges
Ineinanderwirken von Welten ist dieser physische Leib des
Menschen: Welten, die fertig sind, Welten, die erst im Keime
sind, Welten, die sinnlich sind, die halb übersinnlich,
die ganz übersinnlich sind. Der Mensch trägt
wahrhaft, indem er sich durch Evolutionen hindurch entwickelt,
immer mehr Welten in sich.
So
können wir unterscheiden den Menschen im Beginn der alten
Saturnentwickelung, wo er ganz im Anfang des Menschseins ist,
aber noch nicht Welt in sich trägt. Das erste, was der
Mensch während der alten Saturnentwickelung erhalten hat,
war die Empfindung, daß er Wärmekörper war,
daß er den Umfang dieses Wärmekörpers wahrnahm.
So daß wir sagen können, schematisch:
Der
Mensch empfand sich auf dem alten Saturn als Wärme, aber
er empfand nach und nach, nachdem er sich zuerst als eine Art
Wärmemolluske gefühlt hatte, etwas wie eine
Ansammlung von Wärme, dann etwas wie eine äußere
Haut, eine Wärmehaut, eine etwas kältere
Umhüllung, als die Wärme in ihm war. Das Innere
fühlte er etwas wärmer, in mannigfaltiger
Differenzierung, außen die Wärme von der geringsten
Intensität als Wärmehaut.
Wir
sprechen das in unserer Sprache heute aus, aber unsere Sprache
hat etwas Abstraktes, unsere Sprache zaubert nicht das
Großartige einer solchen Vorstellung vor unsere Seele,
wenn wir hineinsehen in die vergangenen Zeitenläufe bis
zum alten Saturn zurück. Aber diejenigen, die nur ein
wenig von dieser Anschauung berührt werden, werden
wiederum berührt von der heiligen Scheu, in der diese
Dinge angesehen wurden in den alten Mysterien. Noch in den
altgriechischen chthonischen Mysterien sprach man von diesen
Dingen so, daß man in einer gewissen Weise den
Saturnmenschen kannte, der noch nicht die Wärmehaut hatte,
und man wußte von diesem Saturnmenschen, daß er als
erstes von der umgebenden Welt die Wärmehaut angenommen
hat, die in ihrer Konfiguration die Welt nachahmte. Das war das
erste, was der Mensch von der Welt angenommen hat.
Wie
schaute damals seelisch-subjektiv das aus, was der Mensch, als
er noch ein Wärmemensch war, in sich erlebte? Er erlebte
in sich reine Verwunderung über die Welt. Wenn es
ausgedrückt werden soll, was er erlebte, so war es reine
Verwunderung. Denn man kann die Wärme nicht anders
begreifen denn als reine Verwunderung. Äußerlich ist
es Wärme, innerlich wird es empfunden als reine
Verwunderung. Bloß weil die Menschen so unendlich
tolpatschig geworden sind mit ihren Begriffen, sprechen sie von
der Unerklärbarkeit des «Dinges an sich» wie der
alte Kant. Das «Ding an sich» der Wärme ist
Verwunderung; und der Mensch war als Saturnmensch ebensogut
Verwunderung, wie er Wärme war. Er lebte in Verwunderung,
in Staunen über sein eigenes Dasein, denn er kam nun erst
in dieses Dasein. Das ist Alpha: Der in Verwunderung lebende
Wärmemensch, der Saturnmensch. Und das erste, was der
Mensch als Welt, als das Gehäuse der Welt empfand, die
Haut, das ist Beta, das Haus, dieses Haus des Menschen. Der
Mensch in seinem Haus, in seinem Tempel. Und das Haus war das
erste, was der Mensch von der Welt bekommen hat; die Haut -
Beta.
Und
gehen wir so durch das Alphabet, so gehen wir damit durch die
Welt. Indem der Mensch alles, was Welt ist, nach und nach
aufnimmt und mit seinem ganzen Wesen vereint, bis er dereinst
auf dem Vulkan den ganzen Umfang der Welt, dieses ganze
große All, zu dem er gehört, mit sich vereinigt haben
wird, da wird er derjenige sein, der er war im Beginn der
Saturnentwickelung und die ganze Welt. Er wird sein
Alpha und Omega, der Mensch, und in ihm alles vereinigt, was
Welt ist. Mit dem «Ich bin das Alpha und das Omega»
der Apokalypse des Johannes haben wir das bezeichnet,
was der Mensch sein wird am Ende der Vulkanzeit. Am Ende der
Vulkanentwickelung wird auch der Mensch sagen dürfen: Ich
bin das Alpha und das Omega.
Schauen wir von dem aus, was wir uns vorgestellt haben als
Anfang, Mitte und Ende der Menschheitsevolution, zu dem
Mysterium von Golgatha. Wir haben jene Wesenheit, die in Jesus
sich verkörperte durch das Mysterium von Golgatha,
ungefähr in der halben Weltzeit der menschlichen
Entwickelung auf dem Standort in der Weltenevolution, auf dem
der Mensch am Ende der Vulkanentwickelung sein wird. Wir haben
da die Wesenheit als Gott, die der Mensch als Mensch am Ende
der Vulkanentwickelung sein wird.
Worin besteht das Gott-Sein gegenüber dem Menschsein? Das
Gott-Sein gegenüber dem Menschsein besteht darin, daß
in der Zeitenreihe der Gott vorher das ist, was der Mensch
später sein wird. Sagen Sie nicht, dadurch würde der
Gott zum Menschen heruntergeholt oder zum Menschen gemacht. Das
wird er nicht. Denn für die übersinnliche Anschauung
ist zwar die Zeit - wenn ich mich des paradoxen Ausdruckes
bedienen darf - gleichzeitige Realität. Der Abstand
zwischen dem Menschen und Gott aber erscheint in dem, was zur
Zeit des Mysteriums von Golgatha stattfindet. Man darf, wenn
man diese Verhältnisse ins Auge fassen will, nicht
verschiedene Zeiten und nicht Wesen verschiedener Zeiten
miteinander in ein Verhältnis bringen.
Sehen Sie, in solchen Schriften, wie die Apokalypse des
Johannes eine ist, ist vieles noch ausgedrückt in der
Mysteriensprache und kann nur verstanden werden, wenn es aus
der Mysteriensprache herausgeholt wird. Und es darf durchaus
nicht überraschen, daß der Verfasser der Apokalypse
in der Mysteriensprache spricht, denn in seiner Zeit war das
den Menschen noch geläufig. Sie wußten damals noch,
daß die Laute übersinnliche Wesenheiten sind,
daß Alpha der Mensch als übersinnliche Wesenheit an
seinem Anfang ist, und daß, wenn man vom Alpha zum Beta
kommt, man sich vom Menschen zur Welt, das heißt auch zur
göttlichen Welt wendet, und daß, wenn man durch alle
Laute des Alphabets hindurch bis zum Omega kommt, man die ganze
göttliche Welt in sich schließt.
Das
ist im Grunde genommen das Erschütternde, daß wir
heute die Laute nur so erleben, daß sie für uns
Trivialitäten sind. Denn was sind alle die Laute anderes
für uns als Trivialitäten? Wer nur das Abc kennt,
kennt nicht viel. Das sind Trivialitäten. Aber diese
Trivialitäten, sie weisen im Ausgangspunkt hin auf
göttlich-geistige Wesenheiten, und unsere trivialen
Buchstaben sind die Abkömmlinge von dem, was für die
Menschheit einstmals göttlich-geistige Wesenheiten waren.
Das ganze Alphabet war eine Summe von solchen
göttlich-geistigen Wesenheiten. Götter waren die
Laute, die von allen Seiten an den Menschen herantönten.
Die Laute A, B - Alpha, Beta -: der Mensch, der Mensch in
seinem Haus und so weiter. Alpha und Omega: der Mensch mit der
ganzen Welt. Die Laute empfand der Mensch als dasjenige, was -
wenn er es aussprach - ihn durchdrang mit Geistigkeit.
Was
in dem Intonieren der Kultussprache in der dritten
Mysterienepoche noch da war, das war der letzte Rest dieses
Lebens des Göttlich-Geistigen in den Lauten. Das wurde in
den allerältesten Zeiten noch voll verstanden. Wenn der
Mensch nacheinander das intonierte, was heute unser abstraktes
traditionelles Alphabet ist, da intonierte er das Weltenwort.
Durch das, was er intonierte, verband er sich mit allen
Göttern: Im Urbeginne war das Wort. Das heißt
dasselbe, wie wenn der Christus sagt: Ich bin das Wort -, oder
wenn er sagt: Ich bin das Alpha und das Omega.
Sehen Sie, die Apokalypse ist noch in der Mysteriensprache
abgefaßt und sie bedient sich noch solcher Bezeichnungen,
die an die große Zeit erinnern, wo der Mensch den
Makrokosmos als sprechendes Weltall gefühlt hat. Wir haben
heute das, was in alten Zeiten ein höchstes Geistiges war
für die Menschen, die Laute der Sprache, abgeschattet zur
Trivialität. Wir müssen fühlen können, was
da geschehen ist. Was ist denn geschehen? Die Laute sind da,
aber die Götter sind für den Menschen nicht mehr in
den Lauten da. Die Götter haben die Laute verlassen. Und
die ahrimanischen Wesenheiten stecken auf dämonische Art
in unseren Lauten. Die Volksvorstellung, daß die Laute
unserer Sprache, wenn sie nurmehr fixiert werden, etwas von
schwarzer Magie in sich enthalten, ist durchaus nicht
unbegründet. Darin ist eine gesunde Volksvorstellung
enthalten. Denn die göttlichen Laute von ehemals sind
ahrimanisiert. Die Götter von ehemals haben die Laute
verlassen, ahrimanische Wesenheiten sind eingezogen. Und wenn
wir nicht wieder den Weg zurück finden auf diesem Gebiet,
dann wird der Mensch schon durch die Sprache sich immer mehr
mit ahrimanischen Mächten durchdringen.
So
fühlend gegenüber der Sprache müssen wir an die
Apokalypse herantreten. Dann wird uns erst in aller
Größe und Gewalt dasjenige erscheinen, was in der
Apokalypse vor unsere Seele gestellt ist. Denn was will der
Verfasser der Apokalypse? Er will das, was auch alle anderen
wollen, die zu Recht von Christus so sprechen, daß sie aus
der Erkenntnis heraus sprechen.
Johannes will den Christus vor die Menschheit hinstellen. Er
macht aufmerksam darauf, daß der Christus da ist. Er
beginnt die Apokalypse damit, daß der Christus da ist.
Denn nimmt man die ersten Worte der Apokalypse und
übersetzt sie sinngemäß in unsere Sprache, so
heißt es nicht anders als: Sieh die Erscheinung Jesu
Christi! Sieh hin, ich will sie dir zeigen, diese Erscheinung
Jesu Christi, die Gott gegeben hat!
Zuerst also wird durch den Verfasser der Apokalypse in seiner
Art, eben auf apokalyptische Art, darauf hingewiesen, daß
der Christus vor der Menschheit erscheinen will. Aber er macht
zugleich darauf aufmerksam, daß er nicht bloß von der
Erscheinung, von der Imagination Jesu Christi, die
gewissermaßen ein Schauen voraussetzt, berichten will,
sondern er will auch darauf aufmerksam machen, daß die
göttliche Weltenmacht, die diese Erscheinung
hereingestellt hat in die Welt, dasjenige, was sie in die
Sichtbarkeit gestellt hat, auch in Worten zum Ausdruck
bringt.
Diese Worte, die von Gott selbst sind, sie sind die
Interpretation der Erscheinung Jesu Christi und Gott hat sie
geschickt durch einen Engel an seinen Diener Johannes. So
müssen wir den Anfang der Apokalypse auffassen.
Es
ist da eigentlich von einem Zweifachen die Rede: Es ist die
Rede von einem Imaginativen, von einem Bilde des Christus, und
von dem, was die Botschaft des Christus ist. Und das,
wovon in dem zweiten Satz gesprochen wird, daß es von
Johannes bekräftigt und bezeugt wird, das ist die
Erscheinung des Christus und die Interpretation dieser
Erscheinung: Der Christus im Bilde und der Christus im Worte.
Den Christus im Bilde und den Christus im Worte will der
Verfasser der Apokalypse vor den Menschen hinstellen.
Damit werden wir zugleich auf etwas hingewiesen, was dazumal
den Menschen ganz selbstverständlich war, was aber heute
vollständig für den Menschen verlorengegangen ist.
Wir sprechen heute in unserer ärmlichen Psychologie von
Sinneswahrnehmung und von Vorstellung. Und damit die Sache
möglichst arm wird, lassen die Leute die Sinneswahrnehmung
durch die Sinne entstehen, und die Vorstellung läßt
man den Menschen im Innern machen. Alles ist nur subjektiv, es
ist gar nichts von Kosmischem da. Die Leute machen aus einer
reichen Welt eine «kantige», und es wird
vollständig vergessen, daß der Mensch im Weltall
darinsteht.
Das, was bei uns zur Armut der Vorstellung zusammengeschrumpft
ist, ist das intuitive Element des Wortes: das zweite, was
Johannes bekräftigt, wovon er Zeugnis gibt, Mitteilung
macht. Das, was wir Wahrnehmung mit Bezug auf
Übersinnliches nennen, stellt der Apokalyptiker als die
Erscheinung des Christus hin. So daß wir sagen
müssen:
Sieh die Erscheinung Jesu Christi, gegeben von Gott, dessen
Dienern zu zeigen, was im Laufe kurzer Zeiten geschehen
soll;
Ich
werde das Wort später deuten.
Gott hat sie ins Wort gebracht und gesandt durch seinen Engel
an den Diener Johannes. Dieser hat bekräftigt Gottes Wort
und die Erscheinung Jesu Christi, die er gesehen hat.
Das, was Johannes im Brief von Gott empfangen hat, und das, was
er gesehen hat, das will er den Menschen geben.
Es
ist notwendig, daß wir in dieser Weise wieder konkret auf
das Schrifttum des Christentums eingehen. Und es ist Ihre
Aufgabe als Priester, die das nun wiederum aus dem tiefsten
ehrlichsten Impuls ihrer Herzen sein wollen, darauf zu dringen,
daß Konkretheit in das Schrifttum hineinkommt. Denn es ist
doch so, daß der Mensch, wenn er mit dem, was heute seine
Sprache ist, die Evangelien liest, er im Grunde genommen
unehrlich zu Werke geht, wenn er sagt, er verstehe sie. Das,
was ich Ihnen gesagt habe, steht so im Beginn der
Apokalypse.
«Dies ist die Offenbarung Jesu Christi» - so steht es
in einer Übersetzung -, «die ihm Gott gegeben hat,
seinen Knechten zu zeigen, was in der Kürze geschehen
soll; und hat sie gedeutet und gesandt durch seinen Engel zu
seinem Knechte Johannes.» - So steht es da, und es wird in
aller Welt dies als Wortlaut der Apokalypse den Leuten gesagt.
Aber niemand kann in Wirklichkeit sich darunter etwas
vorstellen. Und so ist es bei dem größten Teil der
Evangelien. Weil man mit dem Wortlaut, der nichts mehr gibt von
dem, was ursprünglich dasteht, den Leuten klarzumachen
versucht, daß dieser Wortlaut etwas sei, dadurch ist
allmählich die Vorstellung entstanden, daß man
überhaupt nicht tiefer eindringen solle in die Evangelien.
Denn wie sollte man das auch machen? Wenn man die Evangelien in
irgendeiner modernen Sprache liest, so versteht man, wenn man
ehrlich ist, nichts mehr. Denn was da in den modernen Sprachen
steht, drückt nichts mehr aus. Man muß erst wieder
zurückgehen auf das, was ursprünglich da ist, wie wir
es in bezug auf die zwei ersten Sätze gemacht haben und
wie wir es für weitere machen werden.
Man
sagt auch, für gewisse Partien der Evangelien müsse
man zum Griechischen zurückgehen. - Nun, ich habe allen
schuldigen Respekt vor dem Griechisch-Können unserer
Zeitgenossen, die sich redlich Mühe geben mit dem
Verständnis des Griechischen. Aber die Wahrheit ist,
daß heute kein Mensch mehr richtig Griechisch versteht,
weil wir überhaupt nicht mehr das in uns haben, was der
Grieche in sich hatte, wenn er sprach oder wenn er
zuhörte. Wenn wir jemandem zuhören oder selbst
sprechen, sind wir ja im Grunde genommen wie Mehlsäcke.
Wir bleiben innerlich so ruhig, wie das Mehl im Sack ruhig
bleibt, wenn es ordentlich verpackt ist. Das war bei dem
Griechen nicht der Fall. In dem Griechen vibrierte sein
Bewußtsein, wenn er zuhörte, er wurde innerlich
lebendig, und aus der Lebendigkeit heraus sprach er. Die Worte,
die er hörte und die, die er sprach, waren für ihn
noch lebendige Körper, sie waren für ihn lebendig.
Gar nicht zu reden von den orientalischen Völkern. Heute
sind sie zwar in der Dekadenz, aber sie sind nicht so wie der
europäische Mensch, der nicht mehr innerlich lebendig
vernehmen kann, wenn er spricht oder zuhört. Hören
Sie nur einem Orientalen zu, wie Sie es zum Beispiel bei
Rabindranath Tagore tun können, hören Sie zu, wie
diese Menschen selbst in ihren wenig bedeutenden Exemplaren das
innere Weben und Leben darstellen, das in der Sprache lebt.
Heute ist es so, daß man sogar meint, man hätte die
Sprache, wenn man ein Lexikon nimmt, in dem auf der einen Seite
das englische Wort und auf der anderen Seite das deutsche Wort
steht. In vollkommener Ruhe setzen die Menschen die deutschen
Worte so hin, wie die englischen Worte dastehen. Gar keine
Ahnung haben die Menschen, daß man da über einen
Abgrund schreitet, daß man in eine ganz andere Welt
hineinkommt, und daß wirklich das, was in der Sprache
lebt, behandelt werden muß als ein Göttliches.
Das
muß dem Menschen wieder zum Bewußtsein kommen. Dann
wird er innerlich die Forderung stellen, zurückzukehren zu
dem, was herausschwingt aus solchen alten Mitteilungen wie zum
Beispiel der Apokalypse, die vor unsere Seele hinzaubert die
Erscheinung Jesu Christi. Wie eine gewaltige Erscheinung wird
sie vor uns stehen, wenn wir sie so schauen können, wie
wenn das ganze Wolkenelement sich plötzlich konzentrierte
und uns ganz wunderbare Herrlichkeit hergäbe,
Menschengestalt und Engelgestalt annähme. Wie wenn
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus der Wolkensubstanz
herauswellte und offenbarte den spirituellen Substanzgehalt der
Welt, die den Menschen in sich einschließt, so ist da
hingestellt die Erscheinung Jesu Christi.
Die
Erscheinung, sie ist zunächst so da, daß wir vor ihr
verstummen, daß wir eins mit der Welt werden und
aufhören, für unser Bewußtsein da zu sein. Wir
stehen der Erscheinung so gegenüber, daß die
Erscheinung allein da ist und wir selber nichtig werden. Darauf
gewahren wir hinter der Erscheinung den offenbarenden Gott, den
Vatergott, der die Erscheinung gegeben hat: Er hält hinter
der Erscheinung das inspirierende Wort. Das Wort, das die
Interpretation der Erscheinung ist, es ist sein Geheimnis. Aber
es ist die Zeit da, in welcher das Geheimnis von Gott einem
Engel gegeben wird, der es als die briefliche Botschaft Gottes
herunterbringt zu den Menschen, auf dem Wege, auf dem die
Inspiration von Gott zu den Menschen kommt.
Sobald der Mensch verstummt ist, verschwunden ist, aufgegangen
ist in der Erscheinung und beginnt, nicht nur in sich selbst zu
sein, sondern innerlich aufnimmt den göttlichen Brief, den
er nur erst zu entsiegeln hat, der mit sieben Siegeln
verschlossen ist, den er aufnimmt als den ihm mit sieben
Siegeln von der Gottheit übersandten Brief, dann wird er
das selber, was in dem Brief steht. Dann kommt er dazu, das als
seine eigene Ich-Wesenheit zu sehen, was in dem Brief steht.
Dann steht er mit den göttlichen Ideen, mit dem
göttlichen Begriff, mit der geistigen Vorstellung vor der
Erscheinung.
Wenn Sie sich den Priester Johannes so vorstellen, die
Erscheinung Jesu Christi vor sich, so selbstlos für sich
verschwindend, wenn Sie ihn so von den Engeln empfangen sehen
den siebenfach versiegelten Brief Gottes, und wenn Sie
entstehen sehen den Entschluß, den Brief des Gottes selbst
zu entsiegeln und den Inhalt der Menschheit mitzuteilen -, dann
haben Sie das Bild, die Imagination, die am Ausgangspunkt der
Apokalypse steht. Denn im Aufgenommenen müssen wir das
Wort, das dasteht, deuten, daß es so ist, wie ich es in
der Imagination beschrieben habe. - Das will der Verfasser der
Apokalypse sagen. Deshalb spricht er: Selig ist, wer da lieset
und höret die Worte des Makrokosmos, und der da aufnimmt
und in sich bewahrt, was geschrieben ist in dem Buch - wenn der
Mensch es versteht -, denn die Zeit ist gekommen.
Sie
ist gekommen. Es ist nicht bloße Willkür, es liegt im
Karma der Gemeinschaft für christliche Erneuerung,
daß wir uns jetzt in diesem Zusammenhang über die
Apokalypse besprechen.
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