VIERTER VORTRAG
Dornach, 8. September 1924
Das
Bild, das der Verfasser der Apokalypse uns zeigt, stellten wir
gestern vor unsere Seelen hin, das Bild der Erscheinung Jesu
Christi, das der Vatergott gegeben hat, und bemerken durfte
ich, wie dann dasjenige, was als Erklärung zum
Verständnis des Bildes führen soll, aufzufassen ist
wie ein Brief von Gott selbst an Johannes.
Es
liegt durchaus im Wesen des Mysteriums und in der Art, wie man
aus dem Mysterium heraus spricht und vorstellt, daß dann
im weiteren der Verfasser der Apokalypse auch selber als der
Briefschreiber aufgefaßt wird. Denn im Wesen des
Mysteriums war es so, daß der Schreiber eines solchen
Dokumentes sich durchaus nicht als dessen Verfasser fühlte
in dem Sinne, wie wir heute den Verfasser eines Werkes
auffassen, sondern er fühlte sich gewissermaßen als
das Werkzeug des geistigen Schreibers. Er fühlte, daß
in dem unmittelbaren Aufschreiben nichts Persönliches mehr
enthalten sei. Deshalb darf Johannes nun durchaus weiter so
handeln, wie wenn er das, was er zu schreiben hat, unter
göttlichem Befehl als eine göttliche Botschaft
schriebe. Das geht in einer wirklich mysterienhaften Art aus
allem folgenden hervor.
Man
kann schon sagen: Die Gegenwart bedarf wieder des
Verständnisses für solche Dinge, wie es der
Übergang ist von der Erscheinung Jesu Christi in den
ersten Versen der Apokalypse zu den folgenden, den sieben
Sendschreiben an die einzelnen Gemeinden. Denn die Gegenwart
hat eigentlich das Verständnis für diese Dinge, das
gang und gäbe war in den Mysterien und das auch durchaus
noch in der Denkweise des ersten Christentums lag, einfach ganz
und gar vergessen.
Das
ist wieder etwas von dem, was an Euch ist, in der weiteren
Entwickelung Eures Priestertums weiterzuführen. Ihr
müßt bedenken, das, was in der Apokalypse gesagt wird
und das inspiriert geschrieben worden ist, das wird gerichtet
an die Engel der Gemeinde zu Ephesus, der Gemeinde zu Thyatira,
der Gemeinde zu Sardes und so weiter. An Engel sollen diese
Briefe gerichtet werden. Das ist etwas, worüber ja das
moderne Verständnis sogleich stolpern muß. Wesentlich
ist, daß wir das folgende richtig auffassen.
Zu
mir kam einmal ein Mann, der eigentlich sich in der letzten
Zeit seines Lebens ungeheuer stark bemüht hatte, zum
vollen Verständnis der anthroposophischen
Geistesanschauung zu kommen. Ihr müßt solche Dinge
gerade in Eurem Priestertum wissen, denn es sind ja
schließlich typische Erscheinungen der Gegen-wart. Es ist
nur ein Beispiel, das ich herausgreife, bei dem die Sache, auf
die es ankommt, besonders eklatant hervortritt, aber es ist
etwas, was Euch auf Euren Priesterwegen immer wieder begegnen
wird; und auf das Wirken auf Eurem Priesterweg kommt es ja an.
Er sagte zu mir: «Es scheint eigentlich so, als ob durch
die Anthroposophie angestrebt würde, die Bibel
wörtlich zu nehmen». - Ich sagte ihm: «Ja».
- Dann brachte er mir allerlei Beispiele vor, von denen er
meinte, daß die Bibel doch nicht wörtlich genommen
werden könne, sondern nur symbolisch. Ich sagte zu ihm:
«Gewiß, es gibt sehr viele sogenannte Mystiker,
Theosophen und so weiter, die suchen in der Bibel allerlei
Symbole und dergleichen, sie lösen die Bibel auf in lauter
Symbole. Das tut Anthroposophie nicht. Sie sucht nur durch das,
was, vielleicht von der symbolischen Sprache ausgehend, dazu
führen kann, den ursprünglichen Text in seiner
wirklichen Bedeutung zu lesen. Und da», sagte ich,
«habe ich noch nie gefunden, daß, wenn man nur den
ursprünglichen Text den im Laufe der Zeit entstandenen
späteren Mißverständnissen gegenüberstellt,
die Bibel nicht überall, wo ich es nachprüfen konnte,
wörtlich zu nehmen wäre.»
Das
ist gerade als letztes Ziel zu erreichen: das
Wörtlichnehmen der Bibel. Man kann geradezu sagen: Wer die
Bibel noch nicht wörtlich nehmen kann, hat ja die Stellen,
wo er die Bibel nicht wörtlich nehmen kann, auch noch
nicht begriffen. Das ist allerdings in der neuen Zeit bei sehr
vielen der Fall.
Hier berühren wir etwas Esoterisches, das vielleicht im
bisherigen Verlauf unseres Zusammenseins überhaupt noch
nicht so stark hervorgetreten ist, das aber doch einmal auch
vor Euren meditativen Sinn treten muß. Denn zuweilen
sprießt und spritzt heute - ich möchte sagen, nicht
wie Blitzesflammen, denn die kommen von oben her, aber wie
Vulkanflammen, denn die kommen von unten her - mancherlei, was
in diesem oder jenem Bekenntnis von alten Mysterien
zurückgeblieben ist. So gab es ja ich habe diese Tatsache
schon öfter erwähnt - einen Hirtenbrief eines
Erzbischofs, welcher nichts Geringeres als das folgende
behauptete. In dem Brief war die Frage aufgeworfen: Wer ist
höher, der Mensch oder Gott? - Und es wurde in diesem
Hirtenbrief, obwohl in einer gewundenen Rede, aber doch auf der
anderen Seite auch wieder unverblümt, darauf aufmerksam
gemacht, daß, wenn der Priester am Altar steht, wenn also
der Mensch als Priester am Altar steht - von den übrigen
Menschen gilt das nicht, aber für die Priester -, er hoher
sei als Gott, mächtiger als Gott, denn er könne Gott
zwingen, irdische Gestalt in Brot und Wein anzunehmen. Wenn der
Priester konsekriert, wenn er die Transsubstantiation
vollzieht, dann müsse der Gott am Altar anwesend sein.
Das
ist eine Auseinandersetzung, die tief in altes Mysterienwesen
zurückgeht, und es ist auch eine Auseinandersetzung, die
innerhalb des esoterischen Brahmanismus im Orient, insofern er
aus dem Mysterienwissen heraus ist, heute durchaus noch
geläufig ist. Es ist geläufig und im Einvernehmen mit
allem Mysterienwesen die Vorstellung, daß der Mensch ein
Wesen ist, das die Gottheit mit umspannt, eigentlich der
Höhere gegenüber der Gottheit. Und es fühlte
sich der Brahmanenpriester, namentlich der von ehemals, in
dieser Verfassung seiner Seele als - wenn ich mich so
ausdrücken darf - überpersönlicher Träger
der Gottheit.
Das
ist eine schwerwiegende Vorstellung, die da hereinleuchtet aus
altem Mysterienwesen. Aber sie muß schließlich
wenigstens einmal dem meditativen Leben der Priesterseele
anvertraut werden. Denn es widerspricht ja vollständig
dem, was sich namentlich im evangelischen Bewußtsein nach
und nach ergeben hat. Dem evangelischen Bewußtsein
gegenüber ist das, was in dem angezogenen Hirtenbriefe
steht, natürlich eine Torheit. Nun, wir werden darauf noch
zurückkommen im Laufe dieser Auseinandersetzungen
über die Apokalypse. Es liegt ja in dem allen nur die ins
Große erhobene Vorstellung von dem, was uns an dieser
Stelle der Apokalypse, auf die ich hier hinweise,
entgegentritt.
Johannes schreibt in göttlichem Auftrage, unter
göttlicher Inspiration, an die Engel der sieben Gemeinden.
Er fühlt sich also in demjenigen Zustand, in dem er da
schreibt, durchaus als derjenige, der den Engeln der sieben
Gemeinden Rat, Mahnung, Mission und so weiter geben soll. Wie
ist das konkret vorzustellen? Auf wen hat man deuten
müssen, wenn zum Beispiel von dem Engel der Gemeinde von
Ephesus oder von Sardes oder von Philadelphia die Rede war? Auf
wen hat man deuten müssen? So wenig das dem heutigen
Menschen verständlich ist, damals gab es durchaus
Menschen, welche man heute gebildete Menschen nennen würde
- christlich gebildete Menschen würde man heute zu den in
analoger Lebensstellung Befindlichen sagen -, es gab damals
durchaus einen Kern von Menschen, die verstanden, was das
heißt: Es schreibt eine prophetische Natur, eine
weissagende Natur wie die des Johannes, der, indem er in dieser
Seelenverfassung ist, in der er schreibt, höher steht als
die Engel; er schreibt an die Engel der Gemeinden. Aber man
hätte unter den Leuten, die das verstanden, gar nicht
einmal hingedeutet etwa auf ein Übersinnliches, indem man
«Engel» sagte. Man hatte die Vorstellung: Christliche
Gemeinden sind gegründet worden, bestehen fort; und der
Schreiber der Apokalypse denkt daran, daß er seine Briefe
richtet an zukünftige Zeiten, in denen das, was er von
diesen Gemeinden sagen muß, kommen wird. Er spricht
durchaus nicht von den gegenwärtigen Zuständen. Er
spricht von zukünftigen Zuständen. Aber hätten
diejenigen, die dazumal aus dem, was sich als traditionelle
Anschauung ergab aus den alten Mysterien heraus, deuten
müssen auf den, der der Briefempfänger sein soll, sie
hätten gedeutet auf den der Gemeinde vorstehenden
Bischof.
Auf
der einen Seite waren sie sich durchaus klar darüber,
daß der eigentliche Leiter der Gemeinde der
übersinnliche Angelos ist, auf der anderen Seite
würden sie gedeutet haben auf den Bischof, den kanonischen
Verwalter der Gemeinde. Denn es war die damalige Vorstellung,
daß jemand, der der Verwalter einer solchen Gemeinde wie
die zu Sardes, zu Ephesus, zu Philadelphia war, als
Würdenträger der wirkliche irdische Träger der
übersinnlichen Angelos-Wesenheit ist. So daß also
tatsächlich Johannes, indem er schreibt, sich innerlich
erfaßt fühlt von einem höheren Wesen als es der
Angelos ist. Er schreibt an die Bischöfe der sieben
Gemeinden als an Menschen, die durchdrungen sind nicht nur von
ihrem eigenen Engel - das ist ja jeder -, sondern die
durchdrungen sind von dem leitenden, führenden Engel der
Gemeinde.
Und
nun spricht er davon, was er diesen Gemeinden zu sagen hat, und
er weist durchaus auf die Zukunft hin. Wir müssen die
Frage aufwerfen: Warum werden sieben Briefe an sieben Gemeinden
gerichtet? Diese sieben Gemeinden sind ja
selbstverständlich die Repräsentanten der
verschiedenen Nuancen des Heidentums und des Judentums, aus
denen Christus hervorgegangen ist. Für Konkreta war in
jenen Zeiten ein viel intensiveres Verständnis als
später. Man wußte in der Zeit, aus der die Apokalypse
stammt, selbstverständlich ganz genau: Da ist zum Beispiel
die Gemeinde zu Ephesus, die einstmals die ganz grandiosen
Mysterien von Ephesus geboren hat, in denen auf die Weise, wie
es in alten Zeiten eben durchaus üblich sein konnte, auf
die künftige Erscheinung Christi hingewiesen worden war.
Einen Kultus gab es in Ephesus, der vermitteln sollte die
Verbindung der in Ephesus Opfernden und der Zeugen des
Opferdienstes mit den göttlich-geistigen Mächten und
auch mit dem kommenden Christus. Die alte heidnische Gemeinde
von Ephesus war wohl diejenige, die mit ihrer Vorprophetie des
künftigen Christentums und mit ihrem heidnischen Kult
diesem Christentum ganz besonders nahegestanden hat.
Daher wird an den Engel der Gemeinde von Ephesus geschrieben
von den sieben Leuchtern. Die Leuchter sind ja die Gemeinden
selber, das wird ausdrücklich ausgesprochen in der
Apokalypse. Gerade der Brief an die Gemeinde von Ephesus
muß in seiner wahren Gestalt genommen werden, so wie es
dasteht.
Deutlich wird darauf hingewiesen, daß eigentlich diese
Gemeinde von Ephesus diejenige war, die am intensivsten das
Christentum aufgenommen hat, die mit der ersten Liebe dem
Christentum zugetan war. Denn es wird ja gesagt, sie habe sich
diese erste Liebe nicht bewahrt. Von der künftigen Zeit,
die in Aussicht steht, von der will der Apokalyptiker in seinem
Brief sprechen. So sehen wir schon an dem Beispiel dieses
Mahnbriefes an die Gemeinde zu Ephesus, daß der
Apokalyptiker die Entwicklung, welche die Gemeinde nimmt, so
charakterisiert, daß in der Gemeinde auf das geschaut
wird, was aus alten Zeiten herauflebt.
Es
war in der Tat so, daß die einzelnen Gemeinden, von denen
hier die Rede ist, verschiedene Nuancen des Heidnischen oder
des Jüdischen darstellen, daß sie verschiedene Kulte
hatten und durch diese verschiedenen Kulte sich in
verschiedener Weise den göttlichen Welten näherten.
Und jeder Brief beginnt immer so, daß man sieht, in jeder
dieser Gemeinden hat sich das Christentum auf besondere Art aus
den alten heidnischen Diensten herausentwickelt.
Man
muß sich nur klar darüber sein, daß in den
ersten Zeiten der christlichen Entwickelung noch eine
Seelenverfassung der Menschen da war, die wirklich ganz
verschieden ist von der heutigen Seelenverfassung, insbesondere
der von Europa - im Orient ist es ja nicht so. Dieses Sehen des
Religiösen in einem begrifflichen Inhalt, den man logisch
charakterisieren kann, das war den alten Mysterienvorstellungen
der ersten christlichen Jahrhunderte noch ganz, ganz fremd,
wirklich ganz fremd. Da sagte man sich etwa: Der Christus ist
eine Erscheinung des gewaltigen Sonnenwesens. Hinstreben zu ihm
aber muß die Gemeinde von Ephesus, die Gemeinde von
Sardes, die Gemeinde von Thyatira und so weiter, jede auf ihre
Art, aus ihrem Kultus heraus. Jede kann auf ihre besonders
nuancierte Weise sich ihm nähern. Und daß das
durchaus zugegeben wird, das ist ja überall
angedeutet.
Man
nehme eine solche Gemeinde wie die von Ephesus, die fortsetzen
mußte die alten tiefen Mysterien von Ephesus; sie
mußte anders sein als zum Beispiel die Gemeinde von
Sardes. Die Gemeinde von Ephesus hatte einen Kultus, der tief
durchdrungen war von der Anwesenheit göttlich-geistiger
Substanzen im irdischen Leben. Der Priester, der in Ephesus
herumging, hätte sich ebenso gut als Gott wie als Mensch
bezeichnen können. Er wußte sich als Träger des
Gottes. Das ganze Bewußtsein des Religiösen in
Ephesus wurzelt eigentlich in Theophanie, in der Erscheinung
des Gottes in den Menschen. Die Priesterschaft von Ephesus
stellte jeweilig den entsprechenden Gott dar, und es war sogar
eine bestimmte Aufgabe, dieses Theophanische, dieses
Zur-Erscheinung-Bringen des Göttlichen so recht in die
Seelen hineinzubringen.
Nehmen wir an, unter den Priesterinnen von Ephesus ging in der
Verrichtung der Kulthandlungen diejenige herum, die im
wesentlichen die lebendige menschliche Ausgestaltung der
Artemis, der Diana, der Mondgöttin war. Verlangt wurde von
den Leuten, daß die irdische Erscheinung nicht
unterschieden wurde von der Göttin selber, also daß
in der irdisch-menschlichen Erscheinung die Göttin gesehen
wurde. Alte Mysterienveranstaltungen, sagen wir zum Beispiel
öffentliche Aufzüge, stellten hintereinandergehende
Menschen dar, die die Götter waren. Und wie man heute
lernen muß, adäquate Begriffe von den Dingen zu
haben, so mußte man dazumal die Seelenvorstellungen und
Seelenempfindungen sich beibringen, in dem Menschen, der
Priester oder Priesterin war, den Gott zu sehen.
Daher ist es auch kein Wunder, daß, nachdem nun einmal der
Apokalyptiker, wie ich es angedeutet habe, in der
Mysteriensprache spricht, er sich gerade an die Gemeinde von
Ephesus wendet, wo diese besondere Art zu denken, zu
fühlen, zu empfinden am intensivsten ausgebildet war.
Daher war es der Gemeinde von Ephesus natürlich, das
wesentlichste Symbol des Kultus in den sieben Leuchtern zu
sehen. Diese stellten das Licht dar, das auf Erden lebt, das
aber göttliches Licht ist.
Ganz etwas anderes war es bei der Gemeinde von Sardes. Diese
Gemeinde war die christliche Fortsetzung eines alten, sehr
ausgebildeten astrologischen Sternendienstes, wo man wirklich
wußte, wie der Gang der Sterne mit den irdischen
Angelegenheiten zusammenhängt, und wo man alles, was im
Irdischen geschah, was etwa höhere oder niedere
Häupter befahlen, aus den Sternen ablas. Die Gemeinde von
Sardes war herausentwickelt aus einem Mysterienwesen, das in
höchstem Grade zählte auf die Erforschung der
Lebensgeheimnisse und Lebensimpulse aus dem nächtlichen
Sternenhimmel. Bevor man von der Gemeinde von Sardes als einer
christlichen Gemeinde reden konnte, mußte man gerade von
ihr sprechen als derjenigen, die am meisten festhielt an dem
alten traumhaften Hellseherzustand, denn gerade diesem
traumhaften Hellsehertum ergab sich das nächtliche
Geheimnis des Makrokosmos. Und da, wo festgehalten wurde an dem
alten traumhaften Hellsehertum, das als Tradition fortbewahrt
wurde, wurde wenig gesehen auf das, was der Tag gibt.
In
dieser Beziehung ist schon wirklich sehr bezeichnend der
Unterschied des Sonnendienstes und der Sonnenlehre zu Ephesus
und zu Sardes, insofern man wirklich bei Ephesus wie bei Sardes
von den alten Weistümern sprechen kann. Man lehrte ja in
allen diesen alten Mysterien - und die Lehre der Mysterien ging
hinaus zu den Laien - das, was für die damalige Zeit auch
Wissenschaft war, denn eine von den Mysterien getrennte
Wissenschaft gab es nicht. In Ephesus war die Sonnenlehre eine
solche, daß man schon unterschied zwischen den fünf
Planeten, die man annahm auf der einen Seite: Saturn, Jupiter,
Mars, Venus, Merkur, und auf der anderen Seite die Sonne mit
dem Mond. Man zeichnete die Sonne aus, die wir ja heute
gegenüber den Planeten einen Fixstern nennen, indem man
sie abtrennte von den Planeten und sie als Tagesgestirn
verehrte - vor allem in Ephesus -, weil man in der Sonne von
ihrem Aufgang bis zum Niedergang das lebenspendende Prinzip
sah.
So
war es nicht in den alten Zeiten in Sardes. In Sardes gab man
nichts auf die Tagessonne, man empfing ihr Licht als eine
Selbstverständlichkeit, aber man gab nichts auf die
Tagessonne in der Stadt Sardes, sondern da galt nur die
Nachtsonne, die man in den alten Mysterien die
«Mitternachtssonne» nennt und die als gleichbedeutend
mit den Planeten angesehen wurde. Den Mond unterschied man
nicht von den übrigen Planeten, und die Sonne wurde
angesehen als ein wirklich mit den anderen Planeten
gleichstehender Planet.
In
Sardes zählte man so auf: Saturn, Jupiter, Mars, Venus,
Merkur, Sonne, Mond. - So hätte man es in Ephesus nicht
gemacht. In Ephesus sagte man: Saturn, Jupiter, Venus, Merkur
auf der einen Seite, auf der anderen Seite die dem Erdenleben
nahestehenden Tag- und Nachtgötter Sonne und Mond. - Das
ist also der große Unterschied, und darauf bezog sich
alles Kultische in Sardes.
Es
war in dieser ersten christlichen Zeit sogar so, daß in
Ephesus der alte heidnische Kult fortlebte, der nur nach dem
Christlichen hin orientiert war, während in Sardes
fortlebte die Nuance des alten heidnischen Kultes, der nach dem
Astrologischen hin orientiert war, wie ich das eben dargestellt
habe. Daher ist es natürlich, daß der Apokalyptiker
schreibt von Sardes: «das da hat die sieben Geister Gottes
und die sieben Sterne» (Apk. 3, 1). Jetzt sind es nicht
die Leuchter, welche auf dem Altar stehen, nicht das Licht, das
mit der Erde verbunden ist, sondern es ist das Licht,
das oben steht im Makrokosmos.
Wie
tief der Apokalypseschreiber noch im alten Mysterienwesen
steht, könnt Ihr entnehmen, wenn Ihr Euch die Frage
beantwortet: Was wirft der Apokalypseschreiber der Gemeinde von
Sardes vor, worauf sie besonders zu achten hat? Der Gemeinde
von Sardes wirft er in erster Linie vor, daß sie wachen
soll, daß sie den Übergang finden soll zur
Tagessonne, der Ausgangsstätte des Christus.
Bis
ins Wort hinein ist dasjenige, was dasteht, daher im
eigentlichen Sinn zu nehmen, wenn man nur zu dem
ursprünglichen Sinn wirklich vordringt und weiß, wie
in alten Zeiten mit dem religiösen Leben verfahren worden
ist und wie eigentlich als der Letzte im großen Stil -
Nachwirkungen sind immer da - der Apokalypseschreiber
gesprochen hat. So ist zum Beispiel Alexander der Große
bei seiner Ausbreitung des Griechentums mustergültig mit
dem religiösen Leben verfahren, was uns ja überall
entgegentritt, wenn wir die Ausbreitungszüge Alexanders in
religiöser Beziehung ins Auge fassen. Da ist kein
Überreden der Menschen und da sind keine Dogmen. Da wird
einer Volksgemeinschaft alles das gelassen, was sie hat an
Kultus, an Überzeugung, und nur soviel wird
hineingegossen, wie gerade aufgenommen werden kann. So sind
auch die Sendboten Buddhas verfahren, die heraufzogen nach dem
babylonischen Gebiete und hinüber nach ägyptischem
Gebiete. Nachdem sie gewirkt hatten, konnte man
äußerlich im Kultus und im Gebrauch des Wortes im
wesentlichen nicht unterscheiden die spätere Zeit von der
früheren. Innerlich war sie jedoch gewaltig zu
unterscheiden, denn hineingegossen war in das, was dem Gott
dieser Völker geheiligt war, alles das, was die besondere
Nuance des Kultus, des Opferdienstes, der Überzeugung
aufnehmen konnte. Im Grunde genommen fand etwas Ähnliches
ja auch in den europäischen Gebieten in den älteren
Zeiten statt: nicht ein eigenmächtiges Überfluten der
Menschen mit vielen Dogmen, sondern ein Anknüpfen an das
alte Mysterienwesen der jeweiligen Völker.
Sehen Sie, das sind zunächst Bausteine, die man
kennenlernen muß, damit man so etwas wie die Apokalypse
richtig liest, damit nicht ein auch nur spärlicher Rest
zurückbleibt von dem Absurden, zu dem die heutige
Theologie vielfach in bezug auf die Apokalypse gekommen ist.
Dieses tolerante Hineinbauen in das Bestehende, das zum
Beispiel dem Apokalypseschreiber öfter das Wort in den
Mund gibt: «Ihr wollt Juden sein und seid es nicht»
(Apk. 2, 9; 3, 9), das will er aus den Herzen, aus den Seelen
der dort sitzenden Leute sprechen. Solche Dinge und andere
haben ja dazu geführt, die Apokalypse überhaupt nicht
als christliches Dokument gelten zu lassen, sondern als ein
jüdisches Dokument anzusehen. Man muß es eben
verstehen, wie diese Dinge aus der alten Vorstellungsweise
hervorgegangen sind.
Nun, wir werden auf die Einzelheiten dann noch genauer
einzugehen haben, aber eine Vorstellung muß möglichst
heute schon berührt werden: Derjenige, der dazumal unter
Inspiration geschrieben hat, der war sich klar darüber,
daß man mit einer bestimmten Anzahl typischer
Erscheinungen eine Wirklichkeit erschöpfend darstellen
kann. Sehen Sie sich an, wie wunderbar individuell die sieben
Gemeinden in den sieben Briefen der Apokalypse charakterisiert
werden. Ganz wunderbar. Sie sind da alle so beschrieben,
daß sie sich scharf voneinander abheben, daß sich
jede in ihrer besonderen Eigenart uns darstellt. Der Schreiber
der Apokalypse war sich klar darüber gewesen: Würde
er eine achte Gemeinde beschreiben, so würde er etwas
beschreiben müssen, was wiederum mit einer der vorhandenen
Gemeinden ähnlich wäre. Ebenso würde das bei
einer neunten sein. Mit diesen sieben Nuancen ist zugleich
alles beschrieben, was möglich ist. Darüber war er
sich klar.
Dies ist wiederum eine wunderbare Vorstellung, die aus alten
Zeiten heraufragt. Mir ist das vor kurzer Zeit wiederum so
lebendig entgegengetreten, als wir von Torquay, wo wir unsere
englischen Sommerkurse hatten, hinausfuhren nach der
Stätte, wo einst das Schloß des Königs Artus
stand, des Artus mit seinen zwölf Rittern. Man sieht es
heute dieser Stätte noch an, was sie einmal an lebendigem
Leben bedeutete. Wenn man diese in das Meer hinausgehenden
Landvorsprünge sieht, die besetzt sind mit den
spärlichen noch vorhandenen Ruinen der alten
Artusschlösser, die wunderbare Gestalt hatten, und dort
den Blick hinausrichtet auf das Meer - (es wird an die Tafel
gezeichnet:) in der Mitte ist ein Berg, hier das Meer und da
das Meer -, dann sieht man das Meer diese dortige Gegend so
merkwürdig durchseelend. Ein Bild, das einen Eindruck
darbietet, der fortwährend wechselt.
Während wir dort waren, wechselten in
verhältnismäßig kurzer Zeit rasch hintereinander
Sonnenschein und Regen. Das ist natürlich in der alten
Zeit auch der Fall gewesen. Heute ist es sogar stiller; in
dieser Beziehung hat sich das Klima dort geändert. Nun
schaut man in dieses wunderbare Wechselspiel, in das
Ineinanderspielen der elementarischen Lichtgeister, die
Beziehungen eingehen mit den Wassergeistern, die von unten nach
oben heraufstrahlen, und wiederum sieht man ganz besondere
Geister-Erscheinungen, wenn das Meer anbrandet an das Land und
sich losringend zurückgeworfen wird, oder wenn das Meer
sich aufkräuselt. Nirgends sonst als an dieser Stätte
der Erde findet man dieses eigentümliche Leben und Weben
der elementarischen Weltwesen.
Das, was ich dort sehen durfte, war das Instrument der
Inspiration für die Teilnehmer der Artustafelrunde. Sie
empfingen wirklich die Antriebe zu dem, was sie tun sollten,
aus dem, was ihnen mit Hilfe dieser Meer- und Luftwesen gesagt
wurde. Diese Artusritter wiederum, sie konnten nur zwölf
sein. Ich sage, es trat mir das entgegen, weil man
tatsächlich heute noch wahrnehmen kann, worauf die
Einsetzung dieser Zwölfzahl beruhte. Es gibt eben
zwölf Nuancen des Wahrnehmens, wenn man es in dieser Art
mit durch elementarische Wesen zustande gekommenen
Weltwahrnehmungen zu tun hat, zwölf Arten des
Wahrnehmens.
Wenn man aber als einzelner Mensch alle zwölf erfassen
will, so wird immer eine durch die andere undeutlich. Die
Ritter der Artustafelrunde haben ihre Aufgaben daher so
verteilt, daß jede immer als eine dieser zwölf
Nuancen aufgefaßt werden kann. Sie waren überzeugt,
damit hatte jeder ein von dem anderen scharf differenziertes
Gefühl von dem Weltall, dessen Aufgabe sie
übernahmen. Aber es konnte keinen Dreizehnten geben, denn
der hätte wieder einem von den Zwölfen ähnlich
sein müssen.
Es
liegt hier klar die Vorstellung zugrunde: Wenn Menschen sich
ihre Aufgaben in der Welt teilen wollen, müssen es
zwölf sein. Die bilden ein Ganzes, sie stellen die
zwölf Nuancen dar. Wenn Menschen in Gemeinschaften, in
Gemeinden, der Welt gegenüberstehen, bringt dies die
Siebenzahl. Diese Dinge wußte man dazumal.
Der
Apokalyptiker schreibt noch aus diesem übersinnlichen
Zahlenverständnis heraus, und so spricht er auch im
weiteren Verlauf der Apokalypse. Ich will heute zunächst
nur über das Lesen der Apokalypse reden. Johannes macht
uns darauf aufmerksam, wie da unter den Erscheinungen die ist,
daß er sieht den Stuhl Christi, den Stuhl des
verklärten Menschensohnes, um den herum 24 Älteste
sitzen (Apk. 4, 4). Hier haben wir eine Nuancierung nach der
Zahl Vierundzwanzig. Was bedeutet diese Nuancierung nach der
Zahl Vierundzwanzig?
Gemeinden haben eine Nuancierung nach Sieben, leibhaftige
Menschen auf dem physischen Erdengrund haben eine Nuancierung
nach Zwölf. Wenn es sich aber darum handelt, den Menschen
als Repräsentanten der menschlichen Entwickelung im
überirdischen Leben anzusehen, dann kommen wir wiederum zu
einer anderen Zahl. Es gab ja Führer der Menschheit, die
von Epoche zu Epoche das zu offenbaren hatten, was die
Menschheit an Offenbarungen aufzunehmen hatte, die einfach
eingeschrieben sind in dem Weltenäther, den man auch die
Akasha-Chronik nennt. Wenn wir die aufeinanderfolgenden
großen Offenbarer der sich entwickelnden Menschheit
nehmen, so können wir finden, wie da im
übersinnlichen Reiche eingeschrieben ist, was die
einzelnen Offenbarer zu geben hatten.
Eigentlich sollte man solch eine Individualität wie zum
Beispiel Moses nicht nur aufsuchen, wie er als der Erden-Moses
war, auch nicht nur, wie er nach den biblischen Dokumenten war,
denn diese sind schon nach der Akasha-Chronik gegeben. Man
sollte Moses aufsuchen, wie er auf dem Stuhle Christi sitzt.
Das, was von seinem Erdensein das Ewige ist, das Bleibende sub
specie aeternitatis, das ist fest eingegraben im
Weltenäther. Es kann aber nur vierundzwanzig solche
für die Ewigkeit gewählte Menschenwirksamkeiten
geben, denn bei der fünfundzwanzigsten würde eine
Wiederholung einer vorhergehenden auftreten. Das war ein Wissen
in der Vorzeit.
Wollen Menschen auf Erden zusammenwirken, müssen es
zwölf sein. Wollen menschliche Gemeinschaften
zusammenwirken, müssen es sieben sein; die achte wäre
eine Wiederholung von einer der sieben. Wirken aber sub specie
aeternitatis die zusammen, die im Laufe der
Menschheitsentwickelung sich vergeistigten, die eine Etappe des
Menschlichen darstellen, müssen es vierundzwanzig sein.
Das sind die 24 Ältesten.
Wenn wir nun diese 24 Ältesten nehmen, von deren
Offenbarungen einzelne schon da sind, andere erst kommen
werden, so haben wir sie um den Stuhl Christi herum wie die
Synthese, wie die Zusammenfassung aller Menschenoffenbarungen.
Aber wir haben vor diesem Stuhl Christi den Menschen selber,
der jetzt als Mensch aufgefaßt wird gegenüber dem,
was als Glied, als einzelne Etappe des Menschlichen dasteht.
Ich möchte sagen: Der Mensch an sich, wie man ihn
auffassen muß, der ist unter dem Bilde der vier Tiere
dargestellt.
Ein
grandioses Bild steht da vor uns. Der verklärte
Menschensohn in der Mitte, auf dem Stuhl die einzelnen Etappen
der Menschheit durch die Zeitenfolgen in den 24 Lenkern der 24
Stunden des großen Weltentages, und, ausgebreitet
über alles das unter dem Bilde der vier Tiere, den
Menschen selber, der alle einzelnen Etappen zu umfassen hat.
Ein Wichtiges, Wesentliches tritt uns da entgegen.
Was
geschieht denn da vor dem sehenden Schauen des Apokalyptikers,
der des Gottes Botschaft den Engeln ihrer Gemeinden
überliefert und damit der ganzen Menschheit
überliefert? Was geschieht da? Als die vier Tiere in
Aktion treten, das heißt, als der Mensch seine Beziehung
zur Gottheit entdeckt, da fallen die 24 Lenker der 24
Tagesstunden des großen Weltentages auf ihr Antlitz. Da
verehren sie dasjenige als das Höhere, was der
ganze Mensch ist, gegenüber dem, was sie
darstellen: eine Etappe der Menschheit. In den Ältesten
sah man wirklich dieses Bild, das dann der Apokalyptiker vor
die Menschheit hinstellt. Nur daß man in jenen
ältesten Zeiten sagte: Derjenige, der auf dem Stuhl sitzt,
wird kommen -, und der Apokalyptiker hat zu sagen: Derjenige,
der auf dem Stuhl sitzt, ist schon dagewesen.
Ich
wollte heute über die Bedeutung des Lesens der Apokalypse
sprechen. Aber richtig lesen lernen wir nur dann, wenn wir in
die Lage kommen, von den alten Mysterien ausgehend eben das
Lesen zu lernen.
Nun
wollen wir versuchen, in der Apokalypse weiter zu leben. Denn
es stehen tiefe Geheimnisse darin, die nicht nur so sind,
daß Ihr sie kennenlernen sollt, sondern die schon so sind,
daß manche derselben von Euch ausgeführt werden
sollen, getan werden sollen.
|