SIEBZEHNTER VORTRAG
Dornach, 21. September 1924
Meine lieben Freunde! Außer dem, was wir als Inhaltliches
der Apokalypse besprochen haben, ist ja die Apokalypse, so wie
sie vor uns steht, auch ein Einweihungsbuch, und zwar durch die
Art und Weise, wie sie die Evolution in der Zeit schildert, die
aufeinanderfolgenden Stadien, die eben erlebbar sein werden
für diejenigen, die Ohren haben zu hören und Augen
haben zu sehen, während sie natürlich
vorübergehen werden an den ohren- und augenlosen Menschen.
Diese verschiedenen Stadien werden uns durch das innere Wesen
der Sache so vorgeführt, daß wir die Apokalypse
durchaus als Einweihungsbuch ansehen können.
Wir
müssen uns ja klar sein darüber, daß beim
erkennenden Hineingehen in die Welt - das immer mehr ein
Anschauen werden wird - dasjenige verschwindet, was wir
zunächst als den Inhalt des Seelenlebens haben und was im
wesentlichen eine Art Spiegelbild der äußeren Natur
ist. Also die physisch-sinnliche Welt verschwindet beim
erkennenden Voranschreiten und allmählich tritt wie aus
dem Hintergrund von der anderen Seite her die geistige Welt
hervor. Von dieser Art, sich zur geistigen Welt in ein
Verhältnis zu setzen, hat nun der Apokalyptiker, wie er
deutlich zeigt, eine ganz intensive, richtige Vorstellung, und
das hat es ihm möglich gemacht, so sachgemäß die
Dinge zu finden in seinen imaginativen Visionen, wie er sie
gefunden hat. Denn, meine lieben Freunde, es ist einfach
richtig, daß man auf zwei Wegen zur Anschauung der Welt
kommen kann. Der eine Weg ist derjenige, wenn man sich einfach
im Sinnlich-Physischen ergeht, es nach allen Seiten kennenlernt
mit gewisser liebevoller Hingabe an das Sinnlich-Physische.
Dann lernt man es immer mehr als das Werk der Götter
kennen. Man hat dasjenige vor sich, was man im weitesten
Umfange die Natur nennt, wenn man die Natur nicht bloß
äußerlich-mechanisch, sondern auch innerlich-geistig
betrachtet. Aber man könnte sich vorstellen - und es ist
durchaus eine richtige Vorstellung -, daß man denselben
Weltinhalt auch auf eine rein geistige Weise, von innen heraus
durch die eigene Seele erhält. So daß man durchaus
soweit gehen kann, davon zu sprechen, daß derjenige, der
genügend innere Kraft hat, sehen kann - auch wenn er gar
nichts von historischen Nachrichten hat -, daß an einer
bestimmten Stelle des Weltgeschehens irgend etwas geschehen
ist, das selbst in einer Naturerscheinung besteht. Man kann
durchaus davon sprechen, daß man von innen heraus zu
dieser Erkenntnis kommen kann: In irgendeinem Jahre, wo sich
für die Menschheit etwas abgespielt hat, haben Erdbeben
und so weiter stattgefunden. Diese Empfindung - die ja viele
Menschen leise oder laut haben -, daß der Mensch von innen
heraus die Welt wirklich in ihren konkreten Einzelheiten
kennenlernen kann, ist eine durchaus richtige Empfindung. Nun
handelt es sich darum, was eigentlich vorliegt, wenn der Mensch
auf diesem Wege der Imagination in die geistige Welt
hineinkommt.
Wir
können das, um was es sich dabei handelt, durchaus im
Zusammenhang mit der Apokalypse erörtern, denn in der
Apokalypse treten uns die aufeinanderfolgenden verschiedenen
Etappen entgegen, in denen der Apokalyptiker etwas sieht, was
immer mehr und mehr in die geistige Welt hineinführt. So
führt er zunächst vor die Briefe, dann die Siegel,
geht dann über zu demjenigen, was sich in der
Menschensprache nur ausdrücken läßt durch
Hörbares, also zu den Posaunen, und geht dann über zu
dem, was ich Ihnen vorgestern charakterisiert habe als die
göttliche Liebe, deren Widerpart der göttliche Zorn
ist. Wenn wir den Apokalyptiker recht verstehen, so will er
sagen: Soweit er dasjenige, was Inhalt der Apokalypse ist,
durch Briefe gibt, die ihm inspiriert sind, bezieht sich dieser
Inhalt auf die physische Welt; in dem Augenblicke, wo er
übergeht zu den Siegeln und die Siegel eröffnet,
bezieht sich das, was er mit diesen Siegeln zu sagen hat, auf
die astralische, die imaginative Welt, auf das, was man die
Seelenwelt nennen kann; wo er übergeht zu den
Posaunenklängen, kommen wir in das Geisterland hinein, und
indem wir erleben göttliche Liebe und göttlichen
Zorn, dem Inhalt der Apokalypse gemäß, kommen wir in
das eigentliche Innere des Geisterlandes hinein. Man muß
nur bedenken, daß, während der Mensch diesen
imaginativen Weg durchmacht, er ja mit seinem Erleben im Grunde
genommen in der Welt drinnensteht, so daß sein Erleben
Welterleben ist. Das bemerkt er nur nicht in den
Anfangsstadien.
Im
Verlaufe des Initiiertwerdens erfährt er es immer mehr,
daß alles, was an ihm, durch ihn, mit ihm, in ihm
geschieht, zu gleicher Zeit Weltgeschehen ist. Er fühlt
sich immer mehr und mehr hinausgegossen in den objektiven
Weltinhalt. Das läßt der Apokalyptiker sehr deutlich
durchblicken. So daß wir also schon sagen können: Der
Inhalt der Briefe bezieht sich auf die physische Welt.
Nehmen wir die physische Welt so, wie sie uns zunächst
entgegentritt. Diese physische Welt ist ja nur scheinbar das,
als was sie uns entgegentritt. Denn diese physische Welt
würde uns nicht die Mannigfaltigkeit ihrer Farbennuancen,
ihrer Wärmenuancen und alles desjenigen, was von allen
Seiten der Weltumgebung auf den Menschen einfließt, so
darbieten, wenn wir bei all dem, wie die Welt uns jetzt in
diesem gegenwärtigen Zeitalter erscheint, nur an den
physischen Inhalt denken und dabei eben übersehen
würden, daß dasjenige, was uns physisch erscheint,
eigentlich geistig ist. Wenn wir uns in die Seele einer solchen
Menschenwesenheit versetzen, wie der Apokalyptiker ist,
müssen wir uns, ich möchte sagen, die Seelensprache
einer solchen Menschenwesenheit aneignen, und diese
Seelensprache muß uns für unseren eigenen
persönlichen spirituellen Gebrauch so zu eigen werden,
daß man mit einem trivialen Ausdruck sagen kann: sie
muß uns in Fleisch und Blut übergehen.
So
möchte ich Ihnen solche Teile der inneren Seelensprache
eines Initiierten geben, die er exoterisch nach außen
nicht immer gebraucht, die aber eigentlich sein Mittel ist, um
seine Vorstellungen, sein besonderes Miterleben der geistigen
Welt innerlich zu formen. Da ist zum Beispiel dieses:
Dämpfe den Blitz und du begreifst die Farbe. - Das ist
Initiiertensprache. Was heißt das? Der Initiierte sieht
den Blitz in seiner Erscheinung, er sieht dieses aus dem
Weltall herauskommende Aufflammen, er betrachtet es als das
Aufglimmen des Geistes innerhalb des Weltenraumes, und er denkt
diesen Blitz abgedämpft und immer abgedämpfter, also
immer milder und milder, und bekommt die Abdämpfung, die
milde Ausgestaltung des Farbigen; der Blitz verbreitet sich
gewissermaßen und wird zur farbigen Fläche. Das ist
die Vorstellung eines Initiierten. Oder der Initiierte sagt:
Lasse den Donner leiser werden, immer leiser und leiser und
höre sein Modulieren, und das Musikalische ersteht. - Und
so sieht der Initiierte dasjenige, was sich gewissermaßen
als Sinnenteppich ausbreitet, als die Offenbarung nach der
einen Seite hin, und es ist für ihn eine durchaus reale
Vorstellung, wenn man so denkt: Man hat den Weltinhalt in
seiner kolorierten Mannigfaltigkeit - das, was ich aufzeichne
(Tafel 12, links), könnte ebensogut wie es Farbe ist, auch
Tö- Tafel 12 nendes sein -, und wie der
Weltinhalt an unsere Sinne herantritt, das ist wie der
sinnlich-physische Schleier, der sich ausbreitet als unsere
Wahrnehmungswelt, in die wir zunächst unsere abstrakten,
scheinhaften Gedanken verweben. Hinter alldem sieht der
Initiierte - also wenn Sie sich die Tafel (Tafel 12, ganz
links) als den Teppich vorstellen, der überall
ausgebreitet ist, es ist das, was in der Welt das Tonliche, das
Farbige, das Wärmige ist -, hinter diesem Teppich sieht
der Initiierte die einfallenden Blitze. Die sind dahinter, und
dasjenige, was man ab und zu als wirklichen Blitz sieht, bricht
einfach durch diesen Sinnenteppich von rückwärts aus
der geistigen Welt durch. In jeder Erscheinung des Blitzes ist
ein Hereinstrahlen der geistigen Welt. Und schauen wir uns
diesen Blitz an, wie er gemildert und gedämpft ist zum
gleichmäßig Farbigen auf der Erde, so haben wir eben
die Erde in ihrem Farbenkolorit vor uns.
Schauen wir zum Himmel und nach den Sternen, so haben wir in
den Sternen Punkte, die uns ebenfalls erscheinen wie aus dem
Geistigen herauskommend, nur in dauernd lebender Offenbarung
des Blitzenden. Aber in alldem sieht ja der Initiierte die
äußere Offenbarung desjenigen, was dahinter ist, und
er sagt sich: Eigentlich mußt du sehen - und er sieht es
auch, wenn seine Seele immer aktiver und aktiver wird - die
rote Rose. Sie beginnt ihr Rot nach oben und unten wie in
leisen Blitzen zu verspritzen, und während das Vordere
sich abstumpft, greift nach rückwärts das Rot ein in
die Sphäre der Seraphim, ebenso wie alles Tonliche
eingreift in die Sphäre der Cherubim, und wie alles, was
wir tasten, eingreift in die Sphäre der Throne. Und wenn
man die Natur um sich sieht, hat man eigentlich in der
physischen Welt alles als Illusion vor sich, denn in Wahrheit
sind es die abgedämpften Werke der Seraphim, Cherubim und
Throne. Schauen wir, meine lieben Freunde, in die farbige Welt,
so wie sie erscheint, so ist sie nur die gleichmäßig
abgetönte Blitzwirkung der Seraphim. Das ist eigentlich
dasjenige, was in uralten Zeiten der Maja-Charakter der
sinnlich-physischen Welt genannt worden ist, daß man nicht
weiß, daß da in Wirklichkeit überall Seraphim,
Cherubim, Throne da sind.
Nun
gehen wir etwas weiter in der Initiation. Gehen wir über
zu dem, wo der Apokalyptiker den Hauptwert auf das
SiegelEröffnen legt. Ja, was geschieht denn da? Da
löst sich ab das Farbige der Welt, das Wärmeartige
löst sich ab, und immer mehr und mehr treten Wirkungen
auf, die geistig sind und die schon ähnlich werden den
wahren Gestalten des Blitzartigen, die sich formen. Statt das
Zickzack-Hervorbrechen der Blitze zu sehen, sehen wir beim
Durchbrechen durch den Sinnesteppich dasjenige, was dahinter
ist als geistige Welt; wir sehen dahinter sanftverlaufende
Blitze. Wir wissen, daß darin zunächst diejenigen
Wesen leben, die die Diener sind der Seraphim, der Cherubim und
der Throne. Ähnlich ist es mit dem Tonlichen, ähnlich
ist es mit dem Wärmehaften, ähnlich ist es mit dem
Faßbaren, Tastbaren. Und so, wie dasjenige verlöscht,
was ja zunächst uns als der irdische Sinnenteppich
erscheint und dahinter diese Welt von solchen blitzartigen
Gebilden erscheint und solche in sich geschlossene Figuren aus
dem Astralfeuer bildet und sich immer mehr und mehr erweitert,
in demselben Maße beginnen die Sterne herunterzustrahlen;
so daß wir so wie Fäden des Lichtes dasjenige
verfolgen, was sie sind, und es mischen sich in die Dinge, die
elementar wirken, Sternenfäden, Sternenstrahlungen,
Lichter hinein. Es verbindet sich das Irdische mit dem
Himmlischen, und wir wissen, wir kommen in den ersten Zustand
der zweiten Welt hinein, wo alles noch naturhaft leuchtend ist,
wo wir nur ahnen, daß dahinter Wesenheiten sind. Wir
gewahren höchstens Elementarwesenhaftes, aber wir sehen in
diesen Elementarwesenheiten gewissermaßen die
Wirkungsorgane von starken, bedeutsamen, erhabenen Wesenheiten.
Wir kommen sozusagen in den ersten Bezirk der Kyriotetes,
Dynameis, Exusiai. Die sind gleichsam noch dahinter, aber sie
treten herein in diese Wesenheiten, und wir kommen, indem wir
weiter auf dem Initiationswege kommen, allmählich dazu,
daß diese Wesen Kyriotetes, Dynameis, Exusiai sich
allmählich immer mehr in ihrer eigenen Wesenheit
enthüllen. Das ist verknüpft damit, daß die
weltentönende Sphärenharmonie hereintritt, aber die
einzelnen Töne dieser Weltenharmonie, die jetzt erklingen
und die sich eigentlich nur in großen Zeiträumen zu
Harmonien und zu Melodien zusammensetzen, die sich auch in der
Zeit nur zu Harmonien bilden, wenn die Zeit eine Einheit wird,
die führt der Apokalyptiker als Posaunenklänge an, so
daß wir in den Tönen der Posaunen das reine Leben der
zweiten Hierarchie haben, während die erste Hierarchie in
ganz großer Mächtigkeit dem eigentlichen
Sinnenerleben zugrundeliegt.
Und
weiter gelangen wir dazu, aus dieser Welt, in der, ich
möchte sagen, alle Sinneswirkungen flutend und grandios
und majestätisch geworden sind und damit sich nicht nur
über die Dinge und Vorgänge der physischen Welt
hinlagern, sondern der eigentliche Ausdruck des Wesenhaften
sind, das in der zweiten Hierarchie in den Elementarwesen wirkt
-, wir gelangen immer mehr dazu, aus dieser Welt in eine dritte
Region hineinzukommen, wo wir gar nichts Naturhaftes mehr, auch
nicht in Elementarisches aufgelöstes Naturhaftes mehr
wahrnehmen, sondern wo wir alles, was wir wahrnehmen wollen,
geistig wahrnehmen müssen. Wir kommen hinein in einen
Bezirk der geistigen Welt, von dem wir in der folgenden Weise
sprechen müssen; wir müssen uns sagen: Indem wir
dasjenige durchgemacht haben, was wie die sich
auflösenden, aber zu gleicher Zeit in Formen sich
gestaltenden Sinneswahrnehmungen der Erde ist, die ergriffen
werden von der sich erweiternden Sinneswahrnehmung der Sterne,
sind wir dazu gelangt, wie in letzten Residuen der
Sinneswahrnehmung alles, was in Kyriotetes, Exusiai, Dynameis
im Weltenall wirkt, so zu erkennen, daß diese Wesenheiten
wie innerlich gebunden sind an die wahre Substantialität
der Sterne. Die Sternenwelt hat sich uns in die Wesenheiten der
Hierarchien verwandelt. Wir leben, statt daß wir im
Sinnenscheine aufblicken zu den Sternen, in der Welt der
Hierarchien. Da sind die Hierarchien noch durchtränkt mit
dem, was ich nennen möchte verspritzte und aufgelöste
Sinneserkenntnis. Jetzt gelangen wir in den dritten Bezirk, wo
wir nicht mehr sinnlich alles Irdische wahrnehmen, wo wir das
SeelischÜbersinnliche wahrnehmen müssen ohne den
Einschlag des Sinnlichen; wir gelangen in den Bezirk der
eigentlichen geistigen Welt und lernen sie zuerst kennen in
Angeloi, Archangeloi, Archai. Diese Wesenheiten kann man in
ihrer Geistigkeit erkennen, und man muß wissen, wenn man
ihnen als Maler und dergleichen Gestalt gibt, daß sie
diese sinnliche Gestalt nur dadurch haben, daß sie in die
seelisch-geistigen Elemente eingewoben sind, in die Wesenheit
der höheren Hierarchien. Wir müssen wissen, wenn wir
ihnen zum Beispiel Flügel malen, daß diese
Flügel von den Wesenheiten der zweiten Hierarchie sind,
die ihnen ihre Substantialität leihen, daß sie aber
ein Haupt von der ersten Hierarchie erhalten, die ihnen diese
Gestaltung und deren Inhalt leihen. Wir müssen uns nur
durchaus bewußt sein, daß wir das, was innerhalb der
dritten Hierarchie ist - Angeloi, Archangeloi, Archai -, nur im
Geiste erblicken können.
Das, was ich jetzt auseinandersetze, meine lieben Freunde, hat
eine ungeheuer große historische Bedeutung, weil Sie, wenn
Sie Schriften aus alter Zeit übernehmen, die sozusagen
intim von diesen geistigen Welten handeln, diese überhaupt
nicht lesen können, ohne sich des Umstandes bewußt zu
sein, daß durch das Hineinleben in die geistige Welt wir
zunächst gewissermaßen die niedrigste Hierarchie auf
geistige Art wahrnehmen, während wir die höheren
Hierarchien noch mit den Ingredienzien der Sinneswelt
wahrnehmen. Und Sie müssen sich bewußt sein, daß
die alte Initiationsweisheit, die das durchaus ganz richtig so
geschildert hat, wie ich es jetzt schildere, allmählich in
den Zeiten der Dekadenz des Spirituellen in allerlei
Mißverständnisse hineingekommen ist. So finden wir
bei den mehr weltlich gearteten Initiierten des Mittelalters
die Sache immer so geschildert, daß der Erde nahestehen
als die niedrigsten Hierarchien die Seraphim, Cherubim, Throne,
und daß man aufsteigt durch Dynameis, Kyriotetes, Exusiai
zu den Engeln, Erzengeln und Urkräften. Sehen Sie sich nur
einmal mittelalterliche Bücher an, die illustriert sind,
so werden Sie sich nicht auskennen und werden fragen, warum die
Engel über den Seraphim sitzen. Das ist, weil man diese
Vorgänge nicht mehr genau intim kannte und nicht mehr ganz
organisch sich vorstellte. Der Irrtum entstand namentlich, als
die ursprünglich ganz reine Lehre schon während der
Zeit der jüdisch-babylonischen Gefangenschaft in der
vorchristlichen Zeit durch die Berührung der Juden mit den
Babyloniern sich verunreinigt hat an den Symbolen der
Babylonier, und durch die Kabbala, durch die mittelalterliche
jüdische Mystik, hat dieser Irrtum von der Rangordnung der
geistigen Hierarchien sich weiter ausgebreitet. Wenn man
überhaupt die Entwickelung der Vorstellungen über das
Geistige im menschlichen Entwickelungsgang verstehen will,
muß man mit solchen Sachen bekannt sein, und es ist hier
der richtige Ort, im Zusammenhang mit dem
Verständlichmachen der Apokalypse diese Dinge zu
besprechen.
So
kommen wir hinaus in die geistige Welt. Die ersten Wesenheiten,
die uns im wirklich Geistigen entgegentreten, sind eigentlich
die der dritten Hierarchie. Der Apokalyptiker zeigt, wie er
intim vertraut ist mit alledem, denn immer mehr ist sein
Bestreben ein solches, daß er für alles, was er nun
schildert, Engel erscheinen läßt, die die
Erscheinungen tragen. Das ganz Phänomenale ist, daß
Erdgebiete etwas widerspiegeln können, was die Engel als
Boten der höheren Hierarchien hereintragen, und namentlich
kommen wir mit diesem Engelerscheinen hinein in das Gebiet, wo
wir wirklich erblicken, wie da durchaus die göttliche
Liebe waltet als die eigentliche Ingredienz der Welt, zu der
wir Menschen gehören. Denn zunächst gewahren wir, wie
die gewissermaßen normalen Angeloi, Archangeloi, Archai
etwas sind wie die Verleiblichung der höheren Hierarchien.
So wie wir, wenn wir Hände, Arme, Füße, Beine
und den übrigen Leib des Menschen anschauen, die
Empfindung haben: Das ist der Leib des Seelisch-Geistigen -, so
bekommt man, indem man aufsteigt in die Welt der dritten
Hierarchie, den Eindruck: Das sind Engel, aber sie sind wie
Glieder, eigentlich wie die Leiblichkeit der höheren
göttlichen Geister; sie sind geistig-seelische
Leiblichkeit. So daß man empfindet, meine lieben Freunde,
man ist in reiner Geistigkeit, aber mit dieser Geistigkeit in
der Leiblichkeit Gottes. Das ist das, zu dem man aufsteigt.
Und
nun muß man sich mit einer solchen Vorstellung befassen.
Das ist etwas, was jeder tun muß, der wirklich den
Okkultismus kennenlernen will, wie er dem Geistesleben
zugrundeliegt. Sehen Sie sich einen Menschen auf Erden an in
seiner physischen Leiblichkeit, meine lieben Freunde, und Sie
werden sich unmöglich die Organisation denken können
im bloßen Aufbau, also bloß in dem, was im Menschen
als Sprossendes, Sprießendes im Aufbau vor sich geht. Sie
müssen sich vielmehr Abbauprozesse in den Organismus
hineindenken, die zu Aussonderungen führen. Dieser Abbau,
der die Leiblichkeit in einem fortwährenden
Zerstörungsprozeß zeigt, ist aber dazu bestimmt -
weil er Abbau im Physischen ist -, das Geistige aufzunehmen, so
daß der Geist dann in den physischen Abbauprozessen
leben kann. Es lebt ja im menschlichen Organismus das Geistige
nicht in den Aufbauprozessen. Wenn der Mensch wächst, wenn
die physischen Vorgänge, die physischen Prozesse im
Steigen sind, wird das Geistige unterdrückt, nicht
gefördert. Es ist eine ganz alberne Vorstellung der
Materialisten, daß sie denken, der Mensch brauche in
seinem Gehirn nur das sprießende, sprossende Leben zu
läutern, und die Fortsetzung der Lebensvorgänge
verfeinere, verwandle sich da, und das bedeute Denken. Das
Gehirn, wo es bloße Fortsetzung der
Verdauungsvorgänge darstellen würde, würde nur
dumpfes, pflanzenhaftes inneres Erleben haben. Nur indem
abgebaut wird, indem das Gehirn fortwährend zerfällt,
sozusagen durchlöchert wird von den physischen
Vorgängen, tritt das Geistige in das Gehirn ein. Das
Geistige findet eben auf dem Wege des Abbaues seine Bahn, um
schaffend in das Physische einzugreifen. Und es werden die
Abbauprozesse nun aufgenommen vom Physischen. Wir sehen,
daß in das Wachstum ein Zurückhalten, ein Hemmen des
Wachstums hineingebaut wird.
Es
ist, ich möchte sagen, eine unglaublich interessante
Erscheinung, das im einzelnen zu beobachten. Wenn man zum
Beispiel den geistigen Blick hinwendet auf eine solche
Erscheinung wie diese, so kann man sehen, wie da in einem
elenden Dorfe heruntersteigt die Fichtesche Individualität
in den irdischen Leib, wie sie sich hineinverkörpert in
den physischen Leib, man sieht da, wie der Knabe
heranwächst, man sieht, wie sich Stück für
Stück in sein Wachstum hineinmischen Hemmungen des
Wachstums, etwas zu stark gegenüber dem Normalen; es ist
nicht viel, es ist außerordentlich wenig, aber es ist so.
Da wächst dieser Knabe Fichte heran, wird immer
größer und größer, aber er könnte
schneller wachsen, wenn nicht fortwährend etwas ganz
Winziges dieses Wachstum zurückhielte. In diesem
Zurückhalten des Wachstums Fichtes - bei ihm war es so,
daß er auf Lebenszeit klein blieb -, da entwickelte sich
eben diese besondere Art seiner philosophischen Anlage. Da
tritt das Geistige in Wirksamkeit innerhalb des Physischen. So
daß man in dem Abbau etwas sehen muß, was einen nicht
nur antipathisch berührt, sondern etwas, was einen
sympathisch berührt, worüber man sich tröstet,
etwas, was durchaus mit Liebe betrachtet werden kann, weil
außer dem wachsenden, sprossenden Leben auch das da sein
muß, was Hemmungen darstellt.
Wenn man nun gewahr wird, wie diese Angeloi-, Archangeloi-,
Archai-Welt eigentlich die Leiblichkeit des göttlichen
Geistes ist und man da dieses Weben und Leben und Treiben und
Tun und Arbeiten von Angeloi, Archangeloi und Archai schaut,
wie da die Welt gewoben wird, wie der einzelne Mensch versorgt
wird in seinem Seelischen von seinem Angelos, wie verschiedene
Menschengruppen von den Archangeloi und Weltenströme des
Geschehens von Zeitalter zu Zeitalter weitergeschoben werden
durch die Archai, wenn man dieses ganze Weben dieses
wunderbaren Gewandes, das da gewoben wird - das so schön
ausgedrückt ist in der Proserpina-Sage, der
Persephone-Sage Griechenlands -, wenn man dieses ganze Gewand
der Welt nimmt, dann flutet darinnen wie das rote Blut im
Körper die göttliche Liebe. Aber es gestaltet sich
als notwendige Beigabe die Strömung des göttlichen
Zornes, der sich immer aus alle dem bildet, was Hemmungen im
Weltgeschehen sind, bewirkt durch wirklich moralisch
empfindende Wesenheiten, die sich erst mit ihrem Moralischen
mit dem Weltengange in Einklang setzen müssen, und wir
sehen gewissermaßen in der göttlichen Liebe die
göttliche Leiblichkeit in ihrem Sprießen und
Sprossen, wir sehen in dem Zusammenhang mit den schwachen
Geschöpfen, die aber doch die Wege kennzeichnen, in denen
die Götter die Welt leiten wollen, wir sehen in dem, was
von schwachen Geschöpfen ausgeht: Diesen Geistleib des
göttlichen Geistes durchsetzt etwas wie die
Absonderungsprodukte im menschlichen physischen Leibe;
dasjenige, was sich im Menschen absondert in Drüsen,
sondert sich da ab. Es erscheinen die Absonderungszentren wie
die göttlichen Zornesschalen, die eingewoben sind in den
Weltengang. Wir erkennen den Zusammenhang gerade innerhalb
dieser drei Welten zwischen göttlicher Liebe und
göttlichem Zorn, und wir bekommen innerlich die Ehrfurcht
gebietende Vorstellung: Ja, was geschieht denn, indem die
Zornesschalen sich ausgießen? Da denken die
göttlich-geistigen Wesenheiten, wie sie unter den
angeregten Untaten der schwachen Geschöpfe, wie sie gegen
die Hemmungen den fortlaufenden Weltengang weiterbringen, und
wie sie diese Hemmungen umformen in Vehikel des
vorwärtsdringenden, geist-erfüllten Geschehens, damit
der Mensch in seinem Abbauwesen die Möglichkeit ergreift,
nicht bloß physisch vegetierend, sondern geistig-seelisch
im Leibe vorzudringen. Das alles stellt der Apokalyptiker ganz
den Wegen der Initiation gemäß vor. Es ist ein
großartiges Hineinleben in den Weltengang durch die
Apokalypse, bis in die konkreten physischen Ereignisse hinein,
wie wir gestern und schon vorher gesehen haben. Es ist zu
gleicher Zeit ein grandioses Hineinleben in die Wege der
Einweihung, der Initiation.
Wenn man so die Apokalypse betrachtet, dann wird sie erst
etwas, was uns in gewisser Beziehung sehend macht für den
Weltengang, so daß wir hineinschauen in dasjenige, was wir
von der Zukunft brauchen und es in unsere Vorstellungen
aufnehmen können. Sie wird aber weiter auch ein
Meditationsbuch; sie ist in einer wunderbaren Weise als
Meditationsbuch zu gebrauchen, sie ist in dieser Beziehung ganz
großartig. Wenn Sie in der Apokalypse an eine Stelle
kommen, die Ihnen zunächst für das Vorstellen,
für das Erfassen etwas Paradoxes bietet, so hören Sie
ja auf zu denken und beginnen Sie zu meditieren, denn das ist
immer auch eine Stelle, wo Sie spiritueller werden können,
indem Sie das, was Sie intellektuell nicht mehr erfassen
können, innerlich aufnehmen und verarbeiten. Wenn also zum
Beispiel ein Satz auftritt, wo vom Erscheinen einer bösen
Drüse die Rede ist (Apk. 16, 2), dann sagt natürlich
der Intellektualist: Drüsen können nur bei Menschen
und Tieren sein. Was soll das? Das ist so ein poetisches Bild.
- Man geht rasch darüber hinweg. Aber es ist nicht so. Der
Apokalyptiker gebraucht das Wort Drüse, weil er weiß,
daß das Reale im Mikrokosmos auch die Berechtigung hat,
vorgestellt zu werden im Makrokosmos. Sie werden schon darauf
kommen, wie das Drüsenhafte, das mit den Absonderungen zu
tun hat, hinüberführt zu den Funktionen des
göttlichen Zornes. So führen gerade die scheinbaren
Paradoxa der Apokalypse dazu, das, was der heutige Mensch ja so
gewöhnt ist, das bloß intellektuelle Verlaufen seines
Seelenlebens, übergehen zu lassen in spirituelles
Verlaufen.
Und
da kommen wir an den Punkt, wo es so notwendig ist, gerade bei
priesterlichem Wirken, die Dinge klar und richtig zutreffend zu
sehen. Die Menschen fühlen, daß das heutige Zeitalter
die Seele ganz verintellektualisiert, deshalb bilden sich diese
Reaktionen: sie möchten auch Gemüt und Gefühl
haben, sie ersehnen es auf allen Gebieten. Sehen Sie nur, wie
die religiösen Bekenntnisse aufmucken gegenüber dem
allgemeinen Intellektualismus. Sie wollen nicht mehr in
intellektuellen Formen die Heilswahrheiten gepredigt haben, sie
wollen sie aus dem Gefühl, aus dem Irrationalen heraus
gestaltet haben. Es liegt dem gewiß eine berechtigte
Sehnsucht zugrunde, aber wenn es nur in diesen Bahnen
verläuft, führt es eben doch dazu, mit dem
bloßen Fühlenwollen des religiösen Inhaltes das
Religiöse überhaupt zu verlieren.
So
ist es auch in der Pädagogik, die ja einen ganz
merkwürdigen Gang durchgemacht hat, den die Priesterschaft
wohl beachten sollte. Die Pädagogik ist ja von dem
Instinktleben ausgegangen, sie hat am besten da gewirkt, wo man
überhaupt nicht pädagogisch gedacht hat, sondern
dasjenige gemacht hat, was der Instinkt eingegeben hat. Man hat
in alter Zeit nicht Pädagogik getrieben, sondern gemacht,
was der Instinkt eingegeben hat. Erst seit man das instinktive
Erziehen verlernt hat, redet man viel von Pädagogik, und
unser vieles Reden davon ist das Zeugnis, daß wir die
schlechtesten Pädagogen der ganzen Entwicklung sind. Die
Menschen fangen dann an, am meisten von einer Sache zu reden,
wenn sie sie nicht mehr haben. So fing man auch an, über
die Transsubstantiation zu reden, als man sie und ihr Geheimnis
nicht mehr verstand. Wenn man die oft vorzüglichen
intellektuellen Diskussionsinhalte einer Zeitströmung ins
Auge fassen will, muß man bei dem, was sich da
ausdrückt, fragen: Was fehlt eigentlichen diesen Menschen?
In der Zeit, in der die Arbeiterfrage besonders stark
diskutiert wurde, bedeutete diese Diskussion, daß man
möglichst wenig von dieser Frage verstand in Wirklichkeit.
Das geht natürlich viel weiter in der Zeit, in der in die
Menschheit die Schrift gekommen ist und immer mehr ihr Gebrauch
sich umgewandelt hat in den Druck. Es war das Zeitalter, in dem
die Menschen immer weniger die göttliche Schrift
verstanden, die aus Sternen, Sonne und Wind spricht.
Als
die Teilnehmer der alten Artusrunde noch lesen konnten im
aufsprudelnden Meer, im an die Felsen des Landes
heranspritzenden Wogengetriebe, im Vermischen desjenigen, was
in den aufsprühenden Wogen sich verbindet mit den
lichtgesättigten Luftwellen, in dieser Zeit, in der das
alles abgelesen werden konnte wie eine deutliche Schrift, war
nicht das geringste Bedürfnis da, irgendeine fixierbare
Schrift zu Hilfe zu nehmen. Es ist im Grunde genommen so,
daß man überall von dem Glanze des Sichtbaren auf das
Abglimmen des Unsichtbaren, des Spirituellen schließen
muß, um dann, wenn in der Zeit das Spirituelle besonders
an die Oberfläche tritt, wahrzunehmen, wie die
sinnlich-physische äußere Symbolik
zurücktritt.
Das
ist es, was uns eben darauf aufmerksam macht, daß wir
nicht mit einer Verleugnung des Intellektualismus reagieren
sollen, mit einem dunklen, nebulosen Gemütsleben, sondern
daß wir dieses Gemütsleben dadurch erhöhen, wenn
wir das Intellektuelle immer mehr in die Metamorphose des
Spirituellen einlaufen lassen. Dann werden wir finden, daß
sich unser Gemütsleben mit dem Geistgehalt der
Offenbarungen, die objektiv sind, nicht mehr subjektiv,
wirklich veredeln kann.
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