ACHTZEHNTER
VORTRAG
22.
September 1924
Meine lieben Freunde! Wir haben die Apokalypse betrachtet in
ihrem inneren Geiste und wir haben sie betrachtet mit Bezug auf
Euer Priesterwirken, und es ist ja ganz
selbstverständlich, daß in Anknüpfung an die
Apokalypse noch alles mögliche zu sagen wäre,
daß namentlich die ganze Komposition der Apokalypse
entrollt werden könnte. Aber es scheint mir, daß
diese Veranstaltung in Dornach ihren besten Inhalt dadurch
bekommen kann, daß zunächst dasjenige, was hier in
Anknüpfung an die Apokalypse gesagt worden ist, wirklich
praktisch im priesterlichen Wirken weiter zutage tritt.
Wir
haben heute noch an eines anzuknüpfen. Wir müssen
bedenken, daß wir ja leben im Zeitalter der
Bewußtseinsseele, jener Etappe der gesamtmenschlichen
Evolution, in der der Mensch die Intellektualität
sozusagen in die Hand zu nehmen hat, in seine eigene
Individualität hereinzugliedern hat. Natürlich ist
dieses Zeitalter jetzt sozusagen das erste, das auf den Geist
des Menschen noch beschränkte, in welchem die Dinge, die
die Aneignung der Intellektualität betreffen, ablaufen
innerhalb des menschlichen Sinnens und Denkens. Es wird ein
Zeitalter kommen, in dem auch die tieferen Kräfte der
menschlichen Seele ergriffen werden von demjenigen, was sich
jetzt mehr abspielt innerhalb des Sinnens und Trachtens und
Denkens.
Gegenwärtig ist der Mensch noch in der Lage, sich
Vorstellungen darüber zu machen, wie er sich der in seine
eigene Individualität hereinbrechenden
Intellektualität bedienen soll. Aber es wird dieser
Zeitraum der Bewußtseinsseelenentwickelung nicht ablaufen,
ohne daß auch die Seelen selbst in ihren tiefsten
Emotionen, in ihren Gefühlen, in ihren Leidenschaften
ergriffen werden von der Intellektualität, und dann wird
dasjenige eben noch tiefer und gründlicher im Menschen
wohnen, was noch im Mittelalter gesucht worden ist in den
Sternen, als man von engelischen Intelligenzen in den Sternen
redete. Das alles wird ja im Menschen abgeladen. Und wenn dann
später die Jupiterzeit kommt, so wird auch die menschliche
Leiblichkeit ergriffen werden von der Intellektualität.
Gerade gegenwärtig ist es daher noch möglich - weil
die Dinge noch so liegen, daß der Mensch in Gedanken und
Worte fassen kann, um was es sich handelt, weil die Seele noch
nicht in ihrem innersten Gefüge von der
Intellektualität ergriffen ist -, gerade gegenwärtig
ist es daher namentlich im Priesterwirken noch möglich,
dieses Wirken so zu orientieren, daß die Weltenzwecke, die
Weltenziele wirklich erreicht werden können.
Denn sehen Sie, die Sache liegt ja so, daß der Mensch,
indem er die Intellektualität an sich heranreißt aus
dem Weltenall - und das liegt ja schließlich in der
Weltenweisheit, daß er sie heranreißt-, daß der
Mensch die Möglichkeit gibt, in unbewachten Momenten, die
ja immer da sind, diese Intellektualität ergreifen zu
lassen von jener ahrimanischen Macht, die in der christlichen
Tradition der Satan genannt wird und der nicht verwechselt
werden darf mit dem gewöhnlichen Teufel, welcher ja nicht
die Eigenschaften des Satans hat, sondern eine niedrigere Macht
ist. Satan hat den Rang von Urkräften, von Archai, und er
ist derjenige, welcher im Verlaufe der Weltevolution diese
Intellektualität ergriffen hat, lange bevor sie in der
Art, wie es geschildert wurde, an den Menschen herantritt. Er
ist gegenwärtig sozusagen der umfassendste Besitzer der
Intellektualität, und er strebt danach, die menschliche
Intellektualität so stark an die seinige zu binden,
daß der Mensch auf diesem Wege herausfallen kann aus
seiner Evolution. Also das Mysterium von Golgatha unwirksam zu
machen, danach strebt diese ahrimanische Macht.
Nun, diese ahrimanische Macht, die in der christlichen
Tradition der Satan genannt wird, hat keine Kraft, weiter
hinauf zu wirken in den verschiedenen Weltenniveaus, als bis
zum Menschen. Man kann sich also nicht denken, daß zum
Beispiel die Intelligenz eines Angelos unmittelbar ergriffen
werden könnte von dieser satanischen Macht. Nur in
gewissen Ausnahmefällen kann das geschehen. Und das Wissen
um diese Möglichkeit, daß in der Zukunft Momente
eintreten könnten, wo es der satanischen Macht auch
möglich sein könnte, nicht nur die Menschen an sich
zu binden auf dem Umweg durch die Intellektualität,
sondern wo die satanische Macht auch Wesen aus dem Gebiete der
Angeloi, namentlich der Archangeloi, an sich binden
könnte, das gehört gegenwärtig noch zu den
höheren Geheimnissen des Okkultismus, über die
vorläufig nicht gesprochen werden kann, und die nur unter
gewissen Bedingungen enthüllt werden können. So
daß wir nur andeuten können, daß eben in der
Zukunft einmal selbst eine Verführung und Versuchung von
Wesen aus der Hierarchie der Angeloi und namentlich der
Archangeloi möglich sein könnte. Heute haben wir
zunächst damit zu rechnen, daß die in der
christlichen Tradition Satan genannte Macht die Gabe hat, sich
sozusagen an dasjenige anzuhängen, was im Innern des
Menschen mit einer solchen Selbständigkeit auftritt wie
die Intellektualität; und dann, wenn gewissermaßen
die im Menschen enthaltene Intellektualität ergriffen wird
von der ahrimanischen Macht, dann kann der Mensch aus seiner
Evolution herausgerissen werden in eine ganz andere Bahn, indem
einfach sein Wesen nachgerissen wird von seinem Intellekt, bei
dem Satan in der Lage ist anzuknüpfen. Das wäre bei
keiner anderen seelischen oder geistigen Kraft, bei keiner
anderen leiblichen Kraft im Menschen möglich als lediglich
bei dem Intellekt, denn der Intellekt sitzt so im Menschen,
daß er im Menschen das Allerselbständigste vorstellt;
alles übrige hängt an gewissen göttlichen
Mächten. Daher hat Satan es dann, wenn er sich zum
Beispiel an das Fühlen, an das Empfinden, an das Begehren
und Wünschen der Menschen heranmachen würde, immer
noch zu tun mit den in diesen Seelenfähigkeiten
darinsteckenden übermenschlichen Kräften. Die
Intellektualität ist das erste, mit dem der Mensch sich
ganz loslösen kann von den Wesenheiten, die seine
persönliche Evolution bewirken, sie ist das erste, wo der
Mensch durch seine ganz ureigene freie Kraft anknüpfen
muß an diejenigen Mächte, die von Anfang an bei
seiner Entwicklung gestanden haben.
So
muß der Mensch verstehen lernen, daß er sich
freiwillig zu identifizieren hat mit den letzten Zielen der
Apokalypse, wo deutlich angedeutet wird von dem Apokalyptiker,
daß da erscheinen wird diejenige Macht, die das Alpha und
Omega der durchgehenden Schöpferkräfte, das
durchgehende Schöpferwesen der Evolution darstellt, und
daß der Mensch aus eigener Entschließung sich
anzuschließen hat an dasjenige Wesen, das ihn geleitet
hat, solange er noch nicht kosmosmündig war.
Diesen großen Moment in der Menschheitsevolution kann
allerdings Satan benützen, um in dieser Weise mit dem
Intellekt den Menschen mit hinüberzuziehen in seinen
eigentlichen Bereich. Jetzt schon können wir sehen, wie
die satanische Macht bemüht ist, den Menschen in dieser
Weise in ihre Evolution hineinzubringen. Der Weg dazu
ist der, daß man die Menschen zusammenfaßt in solchen
Verbänden, wie wir sie ja überall heute im Keim
entstehen sehen, wo die alten Gruppenseelen aufhören und
eine neue Gruppenseelenhaftigkeit beginnen kann. Daher ist das,
was zum Beispiel gegenwärtig im europäischen Osten
geschieht, so furchtbar satanisch, weil alles darauf
hinführt, dort mit aller Kraft Menschen so
zusammenzufassen, daß Gruppenseelen notwendig würden.
Wenn dann die Intelligentesten so hinübergenommen werden
in das niedere Gebiet des Ahrimanischen, dann können die
Gruppen, die da gebildet werden, als Gruppen nur ahrimanischen
Mächten zugeteilt werden; und dann wäre das der Weg
für die satanischen Mächte, um die Menschheit aus der
Erdenevolution herauszureißen und in eine andere
planetarische Evolution hineinzubringen. Die
Gruppenseelenhaftigkeit kann eben nur dann gelingen, wenn das
intellektuelle Element in einer gewissen Weise vollständig
emanzipiert wird. Dazu werden im Osten heute die
allerraffiniertesten Ansätze gemacht. Und gerade für
das Priesterwirken sollten Sie dies deshalb verstehen, weil
diese Ansätze dort im Osten in der stärksten Weise
hervortreten; es kommt aber durchaus in Mittel- und Westeuropa
überall auch vor.
So
muß zum Beispiel etwas besprochen werden, das als mehr
oder weniger harmlos erscheint, das aber doch mit einem sehr
bitteren Ernst im exoterischen Leben gesehen werden muß,
das ist das Hineinlaufenlassen der Psychologie, der
Seelenkunde, in eine Experimentalbeobachtung. Das ist einer der
Wege, welche dahin führen, daß das Seelische nicht im
Sinne der alten göttlichen Mächte von Mensch zu
Mensch wirkt, sondern daß es in emanzipierter
Intellektualität vom äußerlich
Zahlenmäßigen oder in sonstiger äußerlicher
Weise bestimmt wird. Diese Dinge sind noch harmlos in
Mitteleuropa. Aber Sie sollten bedenken, daß im Westen -
namentlich bei William James, aber auch bei anderen aufgekommen
ist, eine statistische Betrachtungsweise, also eine
intellektualistische, vom Seelenleben emanzipierte
Betrachtungsweise anzuwenden selbst für die innere Umkehr
des Menschen, für dasjenige, was man nennen könnte
das innerlich religiöse Sichfinden, das bei vielen
Menschen heute in einem gewissen Moment eintritt so gegen das
zwanzigste Jahr. Gegen das zwanzigste Jahr hin tritt ja heute
bei vielen Menschen der Moment eines innerlichen, eines rein
aus dem Innern heraus eintretenden Bekehrtwerdens auf; die
Menschen werden da von etwas erfaßt, das wie ein
Aufwirbeln der Gottheit aus der eigenen Seele ist. In Amerika
wird statistisch aufgenommen, wieviel Prozent der
Bevölkerung solche inneren Bekehrungen durchmachen. Die
Sache wird statistisch behandelt. Was daran satanisch ist, das
ist eben das statistische Behandeln, das Zusammenstellen dieser
Dinge durch den emanzipierten Intellekt. Diese Bekehrungen sind
ja alle nichts anderes als karmische Auslebungen, und deshalb
muß man sie für jeden einzelnen Fall betrachten.
Sehen Sie, es wird heute auf dem Gebiete der
Naturwissenschaften überall außerordentlich die
statistische Methode gerühmt. Wer den Gang der heutigen
Naturwissenschaft verfolgt, findet überall eine ungeheure
Lobrede auf die statistische Methode gesungen. Die Menschen
können gar nicht mehr an das Innere heran und suchen
überall, aus den Statistiken Gesetze zu gewinnen. Am
schwersten ist das zu bekämpfen auf medizinischem Gebiet,
wo es in der furchtbarsten Weise eingerissen ist, wo alle
klinischen Methoden darauf ausgehen, bei Heilmitteln einfach in
Statistiken zu registrieren, ob sie positiv oder negativ
gewirkt haben und so weiter. Da nistet sich dieses statistische
Element ein, und gerade da ist es ganz wertlos, denn es besagt
im Grunde genommen gar nichts, ob man weiß, wieviele
Fälle so ausgehen und wieviele Fälle so ausgehen.
Sondern es muß sich immer darum handeln, den einzelnen
Fall durch und durch zu verstehen, gleichviel wie er ausgeht.
Erst dann, wenn die ganzen Erkenntnis methoden wieder dahin
gelangt sind, den einzelnen Fall in seiner individuellen
Gestaltung zu studieren, kann man die ganze Statistik - die ja,
wie Sie wissen, gerade in sozialen Betrachtungen in der
Sozialdemokratie eine riesige Rolle gespielt hat - nur insoweit
gelten lassen, als sie, ich möchte sagen, zuletzt
eingeführt werden kann, wenn man alles übrige
individuell betrachtet hat; dann kann man sagen, in soundsoviel
Fällen ist die Sache günstig oder sie ist
ungünstig verlaufen.
Ebenso hat die statistische Betrachtungsweise einen ungeheuren
Unsinn angerichtet als Selbstmordstatistik oder als
Verrücktenstatistik. Man stellt fest, wieviel Prozent der
Menschen in bestimmten Berufen durch Selbstmord enden oder
wahnsinnig werden. Es hat gar keinen Wert für wirkliche
Erkenntnis, dies zu wissen. Denn das Wesentliche ist, wie der
einzelne zum Selbstmord kommt, wie der einzelne wahnsinnig
wird.
Und
so ist es mit dieser statistischen Betrachtungsweise, die heute
überall eine große Rolle spielt, wo
Naturwissenschaftler über Erkenntnistheorie schreiben, es
ist mit dieser statistischen Betrachtungsweise wirklich so, wie
wenn Satan los wäre. Es ist schon ganz schrecklich. Sehen
Sie, diese Betrachtungsweise, die das Wirken der satanischen
Macht eben in Mitteleuropa und im Osten gezeigt hat, ist
Philosophie geworden bei Avenarius und bei Mach, bei denen
wieder die führenden bolschewistischen Philosophen ihre
Studien gemacht haben, die die Sache praktisch nach
Rußland gebracht haben. Auch auf Seiten derjenigen, die
gutmütig die fortschreitende Evolution der Menschheit
sehen wollen, sieht man heute gewöhnlich diese Dinge so -
nun ja, sie gehen so vor, aber man kümmert sich nicht
darum -, daß in Mitteleuropa schon vor Jahrzehnten die
Keime zum Bolschewismus gelegt wurden und nur nach Rußland
hinübergetragen worden sind. Es ist, wie wenn man einen
Keim nimmt und wegträgt, der dann irgendwo aufgehen
soll.
So
ist jene satanische Macht heute schon überall durchaus am
Werk und wendet sich überallhin, zu appellieren an den
emanzipierten Intellekt, der die Dinge irgendwie ohne inneren
Zusammenhang mit der Sache betrachtet, so bei Seelischem, bei
Geistigem, bei inneren Bekehrungen und so weiter. Wenn es Satan
gelingen würde, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die
Sache soweit gebracht zu haben, wie er es haben will, dann
würde eben in einer die Evolution der Menschheit
schädigenden Weise dasjenige verlaufen, was ja dann
herankommen muß. Denn sehen Sie, die Ereignisse, von denen
der Apokalyptiker spricht, die kommen ja. Es handelt sich
bloß darum, wie sie verlaufen. Und in den Ereignissen der
Zukunft gibt es ja eigentlich überall noch zwei
Eventualitäten: die eine ist der mögliche Verlauf im
Sinne der von den Göttern bedachten Menschheitsevolution,
die andere Eventualität - dagegen.
Nun, die Intellektualität bricht herein, die Menschen
werden immer intelligenter und intelligenter, nicht durch
Inspiration, sondern durch eigene Kraft. Das bricht herein.
Aber auf der anderen Seite ist durch Einflüsse, die
wiederum von luziferischer Seite herkommen, doch die Menschheit
schwach erhalten worden.
Und
so wird es Gruppenbildungen geben, trotzdem im Zeitalter der
Individualität, dem eigentlichen christlichen Zeitalter,
das Individuelle das für die Menschheit Heilsame ist. Es
wird Gruppenbildungen geben, aber diese Gruppenbildungen
müssen aus der Gefahr herausgehoben werden, in der sie
sind.
Und
so wird der Zeitpunkt eintreten, wo in der Tat die satanische
Macht durch dasjenige, was sie an Anstrengungen entwickelt hat,
um die Intelligenzkräfte der Menschheit zu gewinnen, wo
diese satanische Macht so groß sein wird, daß sie an
alle Gruppen, die sich gebildet haben, herantreten wird; so
daß es wirklich so kommen wird, daß Satans Macht nach
den vier Ecken der Welt wirken wird. Und diese Gruppen,
kleinere Gruppen: Gog, oder größere Gruppen: Magog,
sie werden der Versuchung, der Verführung der satanischen
Macht ausgesetzt sein. Und ob dann diejenigen, die die
Spiritualität mittlerweile in die Hand genommen haben,
eine solche Intensität entwickeln, daß die
menschliche Intellektualität mit Hilfe der Michael-Kraft
dahin geführt werden kann, wo sie hingehört - an die
Ursprungsmächte, die im Ausgang der menschlichen
Entwickelung da waren, und die dasjenige, was Menschen bisher
geworden sind, weiterführen wollen mit der menschlichen
Freiheit -, das ist dasjenige, was sich dann entscheiden wird.
Davon wird ungeheuer viel abhängen, ob die Menschen dazu
kommen werden, wirkliche Spiritualität, wirkliche
Geistigkeit mit einer inneren Ordnung auch gründlich zu
verstehen.
Auf
diese ganze Angelegenheit der Menschheit muß eben heute
schon hingeschaut werden beim priesterlichen Wirken, weil nur,
wenn es uns gelingt, alles in die Bahnen zu lenken, die in
dieser Linie laufen, die große Verführungsszene, die
Satan beabsichtigt mit Gog und Magog, in einer solchen Weise
ausgehen wird, daß es für die menschliche
Entwickelung heilsam ist.
Sonst aber kann nichts anderes geschehen, als daß eines
Tages in der Zukunft alles dasjenige herausgerissen wird aus
der Menschheit, was die Menschen erlebt haben etwa seit dem 7.
Jahrhundert der nachchristlichen Entwickelung, seit dem Jahre
666, alles das, was sie erlebt haben schon unter dem
Einfluß der entwickelten Individualität. Über
alle früheren Inkarnationen der Menschheit würde
Finsternis verbreitet, und es würde eine neue
Weltevolution an die Stelle der irdischen gesetzt werden. Wir
können heute schon klar die Anfänge davon sehen und
wir können auch die große Gefahr sehen, die für
die Menschheit heute durchaus schon besteht. Es werden alle
Schwächen der Menschen dazu benützt - weil eben die
denkbar größte Intellektualität bei den
ahrimanischen Mächten ist -, es werden alle Schwächen
der Menschen, namentlich ihre Eitelkeit und ihre
Unwahrhaftigkeit, dazu benützt, um die Menschen
herüberzubekommen. Was im Ausgangspunkte des Weltkrieges
da alles gewirkt hat, das ist eigentlich etwas Furchtbares. Es
ist furchtbar, wie Eitelkeiten der Menschen dazu benutzt worden
sind von den satanischen Mächten, um, nachdem zuerst ein
ungeheurer Schlafzustand da war, in wenigen Tagen [1914] einen
Wirbel heraufzubringen, der die Menschen in einen furchtbaren
Taumel versetzte, so daß sie heute noch nicht klar sind,
was eigentlich dazumal geschehen ist.
Aber das ist ja nur eine Phase. Die noch viel
schlimmeren Phasen spielen sich heute vorläufig ab
innerhalb rein intellektueller sogenannter Geisteskämpfe
der Gegenwart. Denn wo ist eigentlich noch Wahrheit? Man sieht
überall, wie ja die Dinge so eingeleitet werden, daß
Wahrheit des Wirkens für die Menschen immer weniger und
weniger in Betracht kommt. Denken Sie nur daran, daß immer
mehr und mehr gestrebt wird, das geistige Leben in die Bahnen
des Staates hineinzubringen. Wieviel ist vom Geistesleben in
den Bahnen des Staates! Alle diese Dinge setzen die Menschheit
einer großen Gefahr aus, aber die Menschen sind nicht
geneigt, nach dieser Richtung hin wirkliches Verständnis
zu entwickeln. Das konnten Sie sehen, als mit der
Dreigliederungsbewegung sozusagen der erste Vorstoß
gemacht werden sollte gegen die Verführung von Gog und
Magog, um dasjenige, was in der Zukunft einmal eintreten soll,
in solche Bahnen zu leiten, daß dann die weitere
Entwickelung in einem für die Menschheit günstigen
Sinne verlaufen könnte. Aber die Art und Weise, wie die
Dreigliederungsidee aufgenommen wurde, die eigentlich die
Menschheit über diese Schwelle der Entwickelung hätte
hinüberführen sollen, die zeigt eben, in welch
ungeheuren Gefahren die Menschheit in bezug auf diese Dinge
schwebt. Deshalb ist es vor allen Dingen notwendig, daß
man in der Priesterschaft auch diese Dinge völlig ernst
nimmt.
Sehen Sie, es hat einmal eine solche Individualität
gegeben - das war in den ersten Jahrhunderten der christlichen
Entwickelung, so daß sie mitmachte das Jahr 666 -, die mit
einer gewissen hellseherischen Kraft sah, was da eigentlich
sich abspielte und was es bedeutete, daß die satanische
Macht sich vorbereitete schon dazumal zu einer solchen Mission.
Diese Individualität, die dazumal an der Stätte
gelebt hat, wo der eigentliche kirchliche Kampf sich abspielte,
in Rom, und die dann in Europa vorbereitete das Christentum,
erkannte das dazumal geistig klar. Später verwechselte sie
nur, wie es so vielen gegangen ist, diese satanische Macht -
von der ich Ihnen sagte, daß selbst Michael sie anerkennt
in ihrer höheren Position - mit dem Teufel des
Mittelalters und sprach vom Teufel, aber sie sprach vom Teufel
so, daß man wirklich sieht, die satanische Macht ist
gemeint. In Berlin ist diese Individualität
wiederverkörpert in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts, Trahndorff hieß er, ein gewöhnlicher
Gymnasiallehrer. Ja, er trat für die Existenz des Teufels
ein, das heißt, eigentlich des Satans, er hat eine Schrift
geschrieben: «Ist der Teufel ein Hirngespinst?», aber
nicht nur das, er hat auch eine Ästhetik geschrieben.
Befassen Sie sich mit dieser Ästhetik. Man hat keine
Möglichkeit, bei Theologen auf Trahndorff hinzuweisen,
weil er unberücksichtigt geblieben ist; die
Konsistorialräte und Oberkonsistorialräte in Berlin
waren seine Feinde.
Diese Dinge laufen alle auf die Frage hinaus: Wird die
Priesterschaft in der Lage sein, die geistige Welt in ihrer
vollen Realität zu vertreten, nicht bloß in der
sentimentalen Art, wie das in den letzten Jahrhunderten
überall geworden ist, daß man, sobald es sich um den
Geist handelt, die böse Macht gar nicht hereinbringen
will? Also darum handelt es sich, ob die Energie vorhanden ist,
die Spiritualität wirklich zu vertreten. Das ist
schließlich unter uns, meine lieben Freunde, wirklich die
Hauptsache. Es ist die Hauptsache, daß solche Dinge wie
Karmaerkenntnis, ehrliches Hinschauen auf frühere
Erdenleben, dieselbe Seelenverfassung voraussetzen wie das
Anschauen des Zelebrierens der Transsubstantiation während
der Menschenweihehandlung. Diese Vorstellungen müssen
wiederum real werden innerhalb der Menschheit. Nur wenn sie
real werden, wird es eine Möglichkeit geben, meine lieben
Freunde, alles das, was gerade dem Apokalyptiker so sehr am
Herzen gelegen hatte, hinzustellen als eine Perspektive
für die Menschheit und das alles in die richtigen Bahnen
zu bringen. Man möchte schon sagen, gerade die Dinge, die
hier besprochen worden sind im Anschluß an die Apokalypse,
sie sind solche Wahrheiten, die man nicht empfangen sollte,
ohne den ganzen Men-sehen mit ihnen zu verbinden, die man nicht
empfangen sollte, ohne sie selber wie eine Art Kommunion zu
betrachten.
So
daß man wirklich sagen möchte: Eine richtige Ecclesia
umfaßt in ihrer äußeren Realität die
Gläubigen, und die Priesterschaft muß sich ansehen
als diejenige Wesenschaft innerhalb der Ecclesia, über
deren Wirken das Geistige in die Menschheit fließt. Dazu
bedarf es schon mit richtigem Verständnis auch der kleinen
Sakramentenkapelle mit dem Sanktissimum, dem Sanktissimum, wo
eben enthalten ist das Geheimnis der Transsubstantiation.
Stellen wir uns vor, wir haben den Kelch, innerhalb dessen die
Transsubstantiation sich vollzieht. Die Menschen suchen durch
die Transsubstantiation den Weg zum Vater, zu jener
Urwelt-Schöpfermacht, die in aller Realität darin
weset, die daher nicht gefunden werden kann, wenn man einseitig
nur nach dem Geistigen oder einseitig nur nach dem Materiellen
geht, sondern die gefunden wird, wenn man die Einheit des
Geistigen mit dem Materiellen unmittelbar entdeckt. Es ist eben
heute wirkliches Verständnis für die Welt nur
vorhanden, wenn auf dem Altar die Transsubstantiation vollzogen
wird. Da vollzieht sich in der Tat das Heilige, daß der
Vater gesucht wird und der Sohn den Menschen den Weg weist zu
dem Vater, der Sohn, der nun eben den Weg vermittelt zum
Geiste.
Und
so kann der Mensch, indem er hinblickt auf dasjenige, was sich
überall im Physischen darstellt, bei der
Transsubstantiation finden das ganz verborgene Geistige im
Physischen, das Walten der Seraphim, der Cherubim, der Throne,
deren verborgenes Walten erscheint als physische Substanz. Will
man es als Geistiges haben, so muß man den Weg zum Vater
gehen. Den Weg zum Vater weist der Sohn, der dann dazu
führt, daß das Geistige erscheint aus dem
Physischen.
Das
Brot — wenn wir nur von diesem ausgehen, denn es kann
auch für den Wein gezeigt werden -, das Brot ist Brot,
aber der Vater kann in ihm gesucht werden. Christus weist den
Weg, das Brot umgibt sich mit der Aura durch die
Transsubstantiation, der Mensch erlebt in der Aura den Geist.
Es ist so, daß der Wein nur die Verstärkung
desjenigen ausmacht, was im Brote liegt.
Und
so kann gesagt werden: Die Sehnsucht nach dem Vater lebt im
sinnlichen Anblick, wo verborgen sind Seraphim, Cherubim,
Throne. Christus führt den Menschen auf den Weg, so
daß vor ihm in der gestern angedeuteten Weise wirksam
werden Kyriotetes, Dynameis, Exusiai, und er aufsteigt in
dasjenige Gebiet, wo er heute die geistige Welt in ihrer
Geistigkeit nur betrachten kann, wo aber der Heilige Geist
mitten drinnen ist: Angeloi, Archangeloi, Archai.
Und
das, meine lieben Freunde, steht in der Apokalypse drinnen. Das
zu verstehen und daraus den Schluß zu ziehen, daß das
verstanden wird heute - was bedeutet das? Es bedeutet, daß
derjenige, der es versteht, sein eigenes Verständnis in
der Apokalypse vorgezeichnet findet. Daher darf gesagt werden:
Es kommt nur auf Euch an, meine lieben Freunde, ob Ihr wollt,
daß in der Apokalypse von Euch gesprochen worden ist oder
nicht. Denn wenn Ihr in wahrhaft spirituellem Sinne in Euer
Priesterwirken die Impulse der Apokalypse aufnehmt, dann seid
Ihr diejenigen, von denen in der Apokalypse gesprochen worden
ist, daß sie kommen werden und die Gewalt des Tieres, des
falschen Propheten, des Satans abweisen werden. Und dann werdet
Ihr wenigstens im Geiste immerdar da, wo der Kelch für die
Transsubstantiation steht, unter diesem Kelch Euch das
apokalyptische Buch denken. Und indem Ihr Euch denkt: Der Kelch
steht auf dem apokalyptischen Buch -, werdet Ihr in der Lage
sein, Euch zu sagen: Da drinnen steht meine Berufung, und was
wir darüber tun, das ist die Ausführung meiner
Berufung.
Und
so, meine lieben Freunde, wollte ich nicht eine theoretische
Auseinandersetzung mit dieser Tagung geben, sondern ich wollte
Euch - nachdem der berechtigte Wunsch in Euch entstanden ist,
etwas über die Apokalypse zu hören - das geben, was
ich Euch gegeben habe und Euch damit die Apokalypse im Geiste
unter den Kelch legen. Das ist es, wohin ich diese Betrachtung
führen wollte. Es wird Euch unter allen Umständen
gelingen, dasjenige zu erreichen, was in den Möglichkeiten
liegt, meine lieben Freunde, wenn Ihr die Ideale Eures Wirkens
so stark spannt, wie Ihr sie spannen könnt, gerade dann,
wenn Ihr die ernsten Betrachtungen der Apokalypse zum
innerlichsten Impuls Eures eigenen Wirkens macht.
Das
ist dasjenige, was ich als das Ende dieser Betrachtungen vor
Euch habe hinstellen wollen, meine lieben Freunde. Ihr
könnt Euch denken, daß die intensivsten Gedanken auf
ein intensives, eindringliches und der großen Aufgabe
würdiges Wirken alles das begleiten werden, was Ihr nun
wiederum im Anschluß an diese Betrachtung tun werdet.
Friedrich Rittelmeyer spricht Dankesworte. [Die Worte
Rittelmeyers wurden nicht mitgeschrieben.]
Rudolf Steiner: Wenn wir das verstehen, was in diesen
Worten ausgesprochen ist, die ja nicht ein
äußerliches, sondern ein innerliches
Herzensgelöbnis sind, und wenn wir verstehen, es in den
Lichtschein der recht verstandenen Gnade zu stellen, so wird
dasjenige, was geschehen soll, geschehen. Denn das, um was es
sich handelt, ist, daß die Götter- und Menschenwege
in der Gegenwart sich zusammenfinden. Michael wird der
große Vermittler sein zwischen Götterwegen und
Menschenwegen. Sehen wir auf sein Wirken! Lernen wir aus seinem
vergangenen Anfangswirken das, was durch die Zukunft hin
geschehen soll! Dann dürfen wir nicht nur mit einem
gutgewollten, sondern mit einem mutigen Enthusiasmus in die
Zukunft hineinsehen und werden immer mehr und mehr uns im
Wollen zusammengeführt sehen mit dem göttlichen
Willen, der die Menschen von Anfang an leitet, dann werden wir
unsere Freiheit verbunden fühlen mit der Götter
Freiheit. Das ist es, was wir empfinden müssen. Und dann
werden wir an jedem Tag, wenn wir unser Tagewerk vollbracht
haben, uns auch sagen dürfen, indem wir für den
folgenden Tag nichts Kleineres, sondern Größeres
wollen: Vielleicht schaut der Götter Auge zu uns hernieder
und sagt: Ja, so sei es.
Tafelzeichnungen / Notizbucheintragungen
Chronologische Übersicht
Hinweise der Herausgeber: Zu dieser Ausgabe,
Textunterlagen, Hinweise zum Text / Namenregister
Rudolf Steiner über die Vortragsnachschriften
Übersicht über die Rudolf Steiner Gesamtausgabe
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