ZWEITER VORTRAG
Bern, 2. September 1910
Es
wird notwendig sein, daß in den Anfangsvorträgen
dieses Zyklus einiges von dem wieder vorkommt, was schon bei
der Beleuchtung des Lukas-Evangeliums gesagt worden ist.
Gewisse Tatsachen im Leben des Christus Jesus sind ja nur
zu verstehen, wenn man diese beiden Evangelien ein wenig
miteinander vergleicht.
Was
in erster Linie von Bedeutung ist zum inneren Verständnis
des Matthäus-Evangeliums, das ist, daß jene
Individualität, von der uns dieses Evangelium
zunächst erzählt, in bezug auf ihre Leiblichkeit
herstammt von Abraham und durch die Vererbung durch
dreimal vierzehn Generationen hindurch sozusagen einen
Extrakt des gesamten Volkstumes der Abrahamiten, der
Hebräer, in sich trägt und daß diese
Individualität für den Geisteswissenschafter dieselbe
ist, welche wir als die des Zoroaster oder Zarathustra
ansprechen. Wir haben gestern gleichsam die
äußerliche Umgebung dargestellt, in welche jener
Zoroaster oder Zarathustra hineinwirkte. Es wird
notwendig sein, auch noch einiges von den Weltanschauungen und
Ideen zu erwähnen, welche die Kreise Zarathustras
beherrschten. Man muß nämlich sagen, daß auf
jenem Gebiete, innerhalb dessen in uralten Zeiten Zoroaster
oder Zarathustra gewirkt hat, eine Weltanschauung
aufblühte, die in ihren großen Zügen tief
Bedeutsames enthält. Man braucht nur einige Sätze
auszusprechen von dem, was ja immerhin als die Lehre des
ältesten Zarathustra angesehen werden darf, um auf
tiefe Grundlagen der ganzen nachatlantischen Weltanschauung
hinzuweisen.
Auch schon äußerlich in der Geschichte wird uns
gesagt, daß jene Lehre, innerhalb welcher auch Zarathustra
wirkte, ausgehe von zwei Prinzipien, welche wir bezeichnen als
das Prinzip des Ormuzd, des guten, lichtvollen Wesens,
und als das Prinzip des Ahriman, des finsteren, des bösen
Wesens. Aber es wird zu gleicher Zeit auch schon in der
äußeren Darstellung dieses religiösen Systems
betont, daß diese beiden Prinzipien - Ormuzd oder Ahura
Mazdao und Ahriman - doch wieder zurückgehen auf ein
gemeinschaftliches Prinzip: Zeruane Akarene.
Was
ist dieses einheitliche, gleichsam Urprinzip, aus dem die
beiden anderen, sich in der Welt bekämpfenden
Prinzipien herstammen? Man übersetzt Zeruane Akarene
gewöhnlich mit den Worten «die un- erschaffene
Zeit». Man kann also sagen: Es führt die Zarathustra-
Lehre zuletzt zurück auf das Urprinzip, in dem wir zu
sehen haben die ruhige, im Weltenlaufe dahinfließende
Zeit. Dabei liegt es allerdings schon in jener Wortbedeutung,
daß man nicht wiederum fragen kann nach dem Ursprünge
dieser Zeit, dieses Zeitenumlaufes. - Es ist wichtig,
daß man sich insbesondere einmal diese Idee deutlich zum
Bewußtsein bringt: daß man von irgend etwas im
Weitenzusammenhange sprechen kann, ohne innerlich berechtigt zu
sein, zum Beispiel nach den Ursachen eines solchen ersten
Prinzips wieder zu fragen. Das äußerliche abstrakte
Denken der Menschen wird es sich ja kaum jemals nehmen lassen,
wenn auf irgendeine Ursache hingewiesen wird, immer wieder und
wieder zu fragen nach der Ursache dieser Ursache, und so
gleichsam die Begriffe in alle Ewigkeit nach
rückwärts herumzudrehen. Man müßte sich
einmal, wenn man wirklich feststehen wollte auf dem Boden der
Geisteswissenschaft, durch gründliche Meditation
klarmachen, daß die Frage nach dem Ursprung, nach
der Ursache, irgendwo haltmachen muß, irgendwo
aufhören muß, und daß, wenn man von einem
gewissen Punkte aus weiter nach den Ursachen fragt, man ein
bloßes Spiel des Denkens treibt.
Ich
habe in meiner «Geheimwissenschaft im Umriß» auf
diese erkenntnistheoretische Tatsache hingewiesen. Ich
habe gesagt: Man könnte wohl fragen, wenn man auf einer
Straße Furchen sieht, woher die Furchen kommen. Man kann
antworten: Von den Rädern eines Wagens. Man kann weiter
fragen, wo sich die Räder an dem Wagen befinden? Man
kann fragen, warum die Furchen von dem Wagen gezogen
worden sind? und kann als Antwort erhalten: Weil er über
die Straße gefahren ist. Man kann weiter fragen: Warum er
über die Straße gefahren ist? und mag als Antwort
bekommen: Weil er einen Menschen über die
Straße fahren sollte. - Man kommt aber bei diesem
Fragen zuletzt zu den Entschlüssen, welche jenen
Menschen dazu geführt haben, den Wagen zu benutzen. Und
wenn man dann nicht dabei stillsteht, daß der Mensch
diese Absicht gehabt hat, wenn man weiter fragt nach den
Ursachen dieser Absicht, dann verfehlt man das eigentlich
Inhaltvolle und bleibt in einem Fragespiel stecken.
So
ist es auch bei den großen Weltanschauungsfragen. Irgendwo
muß haltgemacht werden. Haltgemacht werden muß nach
dem, was den Lehren des Zarathustrismus zugrunde liegt, bei der
Zeit, die im ruhigen Laufe dahinfließt. Nun teilt der
Zarathustrismus die Zeit selbst wieder in zwei Prinzipien, oder
besser gesagt, er läßt aus ihr zwei Prinzipien
hervorgehen: ein gutes, ein Lichtprinzip, das ich Ihnen gestern
ziemlich konkret charakterisieren konnte als das Ormuzdprinzip,
und ein böses, ein Finsternisprinzip, das Ahrimanprinzip.
Es liegt dieser urpersischen Auffassung wirklich ein ungeheuer
tief Bedeutungsvolles zugrunde, nämlich das, daß
alles Böse, alles Üble in der Welt, alles, was in
seinem physischen Bilde als das Dunkle, als das Finstere
bezeichnet werden muß, nicht ursprünglich ein
Böses, ein Finsteres, ein Übles ist. Gerade darauf
machte ich aufmerksam, daß das urpersische Denken zum
Beispiel den Wolf, der in einer gewissen Weise etwas Wildes,
etwas Schlimmes darstellt, etwas, woran das
Ahrimanprinzip arbeitet, so ansieht, daß er sich
herunterentwickelt hat, als er sich selbst überlassen
blieb und das Ahrimanprinzip in ihm wirksam sein konnte,
daß also in diesem Sinne der Wolf ursprünglich
heruntergeglitten ist von einem Wesen, dem wir das Gute nicht
absprechen dürfen. Das liegt nach urpersischer, nach
urarischer Auffassung allem Werden zugrunde: daß
Schlimmes, Übles, Böses dadurch entsteht, daß
etwas, was in einem früheren Zeitpunkt in seiner damaligen
Gestalt ein Gutes war, diese Gestalt in einen späteren
Zeitraum hinein bewahrt hat, daß dieses also, statt sich
zu ändern, statt fortzuschreiten, die Gestalt sich bewahrt
hat, welche einem früheren Zeitpunkt angemessen war. Alles
Schlimme, alles Finstere und Böse leitet die urpersische
Anschauung einfach davon ab, daß die Gestalt eines
Wesens, welche in einem früheren Zeitpunkt eine gute
war, in eine spätere Zeit hinein so geblieben ist, anstatt
sich entsprechend zu verändern. Und aus dem
Zusammenstoß einer solchen, aus einem früheren
Zeitraum hereingetragenen Wesensform in eine spätere Zeit
mit demjenigen, was fortgeschritten ist, daraus entsteht
der Kampf des Guten mit dem Bösen. So ist der Streit
zwischen Gut und Böse nach urpersischer Auffassung kein
anderer als der Streit zwischen dem, was seine richtige Gestalt
in der Gegenwart hat, und dem, was seine alte Gestalt in die
Gegenwart hineinträgt. Es ist also das Böse nicht ein
absolutes Böses, sondern nur ein versetztes Gutes, etwas,
das gut war in einer früheren Zeit. So erscheint das
Böse, welches sich in die Gegenwart hineinstellt,
als ein Geschehnis, das eine frühere Zeit hereinbewahrt in
die Gegenwart. Da, wo das Frühere und das Spätere
noch nicht miteinander in Kampf treten, fließt noch die
ungeschiedene, nicht in ihre einzelnen Momente real
auseinandergetretene Zeit dahin.
Das
ist eine tief bedeutsame Anschauung, die wir hier auf dem Grund
der ersten nachatlantischen Volkstümer im Zarathustrismus
finden. Und diese Anschauung, die wir eigentlich auch als das
Grundprinzip des Zarathustrismus ansehen können,
schließt in sich, wenn sie in der richtigen Art betrachtet
wird, gerade dasjenige, was wir gestern von einer gewissen
Seite her charakterisieren konnten, und was wir so stark
hervortreten sehen gerade bei jenen Völkern, welche sich
anlehnten an die Lehren des Zarathustra. Wir sehen
überall bei diesen Völkerschaften Einsicht in die
Notwendigkeit, daß diese zwei, gleichsam aus dem
gleichförmigen Strom der Zeit herausgewachsenen
Momente sich einander gegenübertreten in der Zeit
selbst und erst im Laufe der Zeit überwunden werden. Wir
sehen die Notwendigkeit, daß das Junge entstehe und
daß das Alte erhalten bleibe, und daß im Ausgleich
des Alten mit dem Jungen das Weltenziel, insbesondere das
Erdenziel nach und nach erreicht werde. So, wie wir sie jetzt
charakterisiert haben, liegt aber diese Anschauungsweise
auch zugrunde aller Höherentwickelung, wie sie auftrat
innerhalb dessen, was aus dem Zarathustrismus herstammt.
Nachdem der Zarathustrismus in den gestern
charakterisierten Zeiten sich seinen Ursitz in jenen Gegenden
hat anweisen lassen, wirkte er überall, wo er auftrat. Und
wir werden gleich sehen, wie unermeßlich stark er auf alle
Folgezeit wirkte. Er wirkte in der Weise, daß er den
Gegensatz des Alten und des Jungen hineinträufeln
ließ in alles, was er wirkte. Und er wirkte tief.
Zarathustra konnte so tief auf alle Folgezeit wirken, weil er
in der Zeit, wo er aufgestiegen war zu der höchsten der
Initiationen, die zu seiner Zeit zu erreichen war, zwei
Schüler sich herangezogen hatte.
Ich
habe sie schon erwähnt. Den einen lehrte er alles, was
sich bezieht auf die Geheimnisse des Raumes, der sich um uns
herum sinnlich ausbreitet, also alles, was die
Geheimnisse des Gleichzeitigen sind; dann lehrte er den anderen
Schüler alles, was die Geheimnisse der
dahinfließenden Zeit sind, die Geheimnisse der
Evolution, derEntwickelung. Auch darauf habe ich schon
hingewiesen, daß in einem bestimmten Zeitpunkt einer
solchen Schülerschaft, wie sie bestand bei diesen
beiden großen Schülern gegenüber dem
Zarathustra, etwas ganz Besonderes eintritt: daß der
Lehrer hinopfern kann etwas von seiner eigenen Wesenheit
für seine Schüler. Und Zarathustra, wie er war in
seiner Za- rathustra-Zeit, hat aus seiner eigenen Wesenheit
für seine beiden Schüler hingeopfert seinen
eigenen Astralleib und seinen eigenen Ätherleib. Die
Individualität des Zarathustra, seine innerste Wesenheit,
blieb ja in sich geschlossen erhalten zu immer wiederkehrenden
Inkarnationen. Aber, was gleichsam das astralische Kleid war
des Zarathustra, der astralische Leib, in dem er als
Zarathustra in uralten Zeiten der nachatlantischen
Entwicklung gelebt hat, dieses astralische Kleid war so
vollkommen, so durchdrungen von der ganzen Wesenheit des
Zarathustra, daß es nicht zerstob wie andere
astralische Kleider der Menschen, sondern in sich geschlossen
blieb. Im Weltenwerden können solche durch die Tiefe der
Individualität, die sie getragen hat, in sich
zusammengeschlossene menschliche Hüllen erhalten
bleiben. Und der astralische Leib des Zarathustra blieb
erhalten. Und der eine der Schüler, der von Zarathustra
erhalten hatte die Raumeslehre und die Geheimnisse alles
dessen, was gleichzeitig unseren Sinnesraum durchdringt, dieser
Schüler wurde wiedergeboren in jener Persönlichkeit,
welche in der Geschichte genannt wird Thoth oder Hermes der
Ägypter. Dieser wiederinkarnierte Schüler des
Zarathustra, der dazu ausersehen war - so lehrt die okkulte
Forschung -, jener ägyptische Hermes oder Thoth zu werden,
er sollte nicht nur in sich alles befestigen, was er in einer
früheren Inkarnation von Zarathustra überkommen
hatte, sondern er sollte es noch dadurch zur Festigkeit
bringen, daß ihm in jener Art, wie es durch die heiligen
Mysterien möglich ist, einverleibt wurde,
eingegossen, einfiltriert wurde der erhalten gebliebene
astralische Leib des Zarathustra selber. So wurde die
Individualität dieses Zarathustra-Schülers
wiedergeboren als der Inaugurator der ägyptischen Kultur,
und einverleibt wurde diesem Hermes oder Thoth der astralische
Leib des Zarathustra selbst. Wir haben also direkt ein Glied
der Zarathustra- Wesenheit in dem ägyptischen Hermes. Und
mit diesem Glied und mit dem, was er sich mitgebracht hatte von
seiner Schülerschaft des Zarathustra, wirkte Hermes
alles, was wir an Großem und Bedeutungsvollem in der
ägyptischen Kultur haben.
Damit so etwas geschehen konnte, was durch diesen Missionar,
durch diesen Sendboten Zarathustras geschah, mußte
natürlich ein Volkstum in entsprechender Weise vorhanden
sein. Nur bei diesen Völkerschaften, wo Menschen
waren, die auf dem mehr südlichen Wege aus den
atlantischen Gegenden herübergezogen waren und sich
im Osten Afrikas niedergelassen hatten und die sich vieles von
ihrer atlantischen Art des Hellsehens bewahrt hatten, nur dort
konnte fruchtbaren Boden finden, was Hermes, der Schüler
Zarathustras, einpflanzen konnte. Da stieß zusammen das
Wesen der Seele in der ägyptischen Bevölkerung mit
dem, was Hermes geben konnte, und dadurch bildete sich die
ägyptische Kultur aus.
Das
war nun eine ganz besondere Art von Kultur. Denken Sie nur
einmal an alles, was als die Geheimnisse des gleichzeitig im
Räume Bestehenden dem Hermes als ein teures Gut von
seinem Lehrer Zarathustra übergeben worden war.
Dadurch hatte Hermes in seiner Wesenheit gerade das
Allerwichtigste, was Zarathustra beherrschte. Wir haben
öfter darauf hingewiesen, daß es zum
Charakteristischsten der Za- rathustra-Lehre gehörte,
daß Zarathustra seine Leute hinwies nach dem Sonnenleib,
nach dem äußeren Licht und dem äußeren
physischen Lichtkörper der Sonne und ihnen zeigte, wie
dieser Sonnenkörper nur die äußere Hülle
einer hohen geistigen Wesenheit ist. Also, was durch die
Räume als Wesenheit zugrunde liegt der ganzen Natur, was
gleichzeitig ist, aber durch die Zeit immer fortschreitet
von Epoche zu Epoche und sich in einer bestimmten Epoche immer
neu zeigt, dies hatte Zarathustra in bezug auf seine
Geheimnisse dem Hermes anvertraut. Was von der Sonne ausgeht
und sich von der Sonne weiterentwickelt, das beherrschte
Hermes. Das konnte er legen in die Seelen derer, die
herübergekommen waren aus der atlantischen
Bevölkerung, weil diese Seelen wie durch natürliche
Gaben selbst einst hineingesehen hatten in die
Sonnengeheimnisse und sich in derErinnerung etwas davon bewahrt
hatten. Es war ja alles in fortschreitender Linie
inEntwickelung. Sowohl die Seelen derer, welche die
Hermes-Weisheit empfangen sollten, haben sich in
fortschreitender Art entwickelt, wie auch Hermes selber.
Anders war es bei dem zweiten Schüler des Zarathustra. Er
hatte diejenigen Geheimnisse empfangen, welche sich auf den
Zeitlauf beziehen, und er mußte daher mitempfangen,
was wie die Stauung des Alten und des Jungen, wie etwas
Gegensätzliches, polarisch Wirkendes in der
Evolution darinnen steht. Aber auch für diesen
Schüler hatte Zarathustra einen Teil seiner eigenen
Wesenheit hingeopfert, so daß auch dieser zweite
Schüler bei der Wiedergeburt empfangen konnte das Opfer
des Zarathustra. Während also die Individualität des
Zarathustra erhalten blieb, wurden die Hüllen von
ihm getrennt; sie blieben aber, weil sie von einer so
mächtigen Individualität zusammengehalten
waren, intakt und zerstoben nicht. Dieser zweite Schüler,
welcher die Zeitenweisheit - im Gegensatz zur
Raumesweisheit - erhalten hatte, empfing zu einer bestimmten
Zeit seiner Wiederverkörperung den Ätherleib des
Zarathustra, welchen Zarathustra ebenso hingeopfert hatte
wie seinen astralischen Leib. Kein anderer ist dieser
wiedergeborene Zarathustra-Schüler als Moses. Moses
erhält einverleibt in ganz früher Kindheit den
erhalten gebliebenen Ätherleib des Zarathustra. In
einer geheimnisvollen Weise ist in den religiösen
Urkunden, die wirklich auf Okkultismus gebaut sind, alles
enthalten, was uns auf solche Geheimnisse, wie sie uns die
okkulte Forschung lehrt, hinweisen kann. Wenn Moses der
wiederinkarnierte Schüler des Zarathustra war und
einverleibt erhalten sollte den erhalten gebliebenen
Ätherleib des Zarathustra, dann mußte mit ihm etwas
ganz Besonderes geschehen. Bevor er die entsprechenden
Eindrücke aus der Umgebung wie ein anderer Mensch erhalten
sollte, bevor in seine Individualität herabsteigen
konnten die Eindrücke der Außenwelt, mußte in
seine Wesenheit hineinfiltriert werden, was er als ein
Wunder-Erbstück von Zarathustra erhalten sollte. Das wird
erzählt in jener Symbolik: daß er in ein
Kästchen gelegt und in den Fluß versenkt worden
ist, was sich wie eine merkwürdige Initiation ausnimmt.
Eine Initiation besteht ja darin, daß ein Mensch
abgeschlossen bleibt für eine bestimmte Zeit von der
Außenwelt, und während dessen dasjenige, was er
erhalten soll, in sich hineinfiltriert erhält. Damals
also, als Moses so abgeschlossen war, konnte ihm in einem
bestimmten Moment der aufbewahrte Ätherleib des
Zarathustra einverleibt werden. Da konnte in ihm aufblühen
jene wunderbare Zeitenweisheit, die ihm einst Zarathustra
früher vermittelt hatte, mit der er jetzt begabt wurde,
und die er herausbringen konnte, indem er in Bildern, die
wieder für sein Volk geeignet waren, darstellte die
Weisheit der Zeit hintereinander. Daher können uns bei
Moses die großen Bilder der Genesis entgegentreten
als äußere Imaginationen der Zeitenweisheit,
die von Zarathustra herstammte. Sie waren das
wiedergeborene Wissen, die wiedergeborene Weisheit, die er von
Zarathustra empfangen hatte. Das war nun in seinem Inneren
dadurch befestigt, daß er die Ätherhülle
des Zarathustra selber empfangen hatte.
Aber nicht nur das eine ist bei einem solchen, für die
Entwickelung der Menschheit so bedeutungsvollen Vorgang
notwendig, daß ein Initiierter als Inaugurator da ist
für eine Kulturbewegung, sondern das andere ist auch
notwendig, daß dasjenige, was eine solche große
Individualität als Kulturkeim zu versenken hat, in den
entsprechenden, das heißt passenden Volkskeim
hineinversenkt werden kann. Und wenn wir den Volkskeim, den
Volksgrund betrachten wollen, in welchen Moses
hineinversenken konnte, was ihm von Zarathustra
übertragen worden war, da ist es gut, daß wir
uns mit einer gewissen Eigenart der Moses-Weisheit selbst
befassen.
Moses war also in einer früheren Inkarnation Schüler
Zarathustras. Er hat damals die Zeitenweisheit erhalten und
jenes Geheimnis, welches wir dadurch angedeutet haben,
daß in allen Zeiten ein Früheres mit einem
Späteren zusammenstößt und dadurch eine
Gegensätzlichkeit entsteht. Sollte sich Moses mit
dieser Weisheit hineinstellen in die Menschheitsentwickelung,
dann mußte er selbst sich mit der andersgearteten
Weisheit, als es die Hermes-Weisheit war, wie ein Gegensatz
hineinstellen in die Entwickelung. Das geschah. Wir können
sagen: Hermes hat von Zarathustra die direkte Weisheit
empfangen, sozusagen die Sonnenweisheit, das heißt
das Wissen von dem, was geheimnisvoll wesenhaft lebt in
der äußeren physischen Hülle des Lichtes und des
Sonnenleibes, dasjenige also, was einen direkten Weg geht.
Anders Moses. Moses hatte diejenige Weisheit erhalten, die der
Mensch mehr in dem dichteren Ätherleib bewahrt, nicht in
dem astralischen Leib. Er hatte diejenige Weisheit erhalten,
die nicht nur hinaufschaut zur Sonne und fragt, was alles
fließt von dem Sonnenwesen aus, sondern die auch das
begreift, was sich dem Sonnenlicht, der Sonnenglut
entgegenstellt; was in sich verarbeitet, obwohl es sich
nicht davon verschlechtern läßt, dasjenige, was
erdenhaft, was dicht geworden ist, was sich aus der Erde
heraushebt als das Altgewordene, als das Verfestigte :
Erdenweisheit also, die in der Sonnenweisheit zwar lebt, die
aber doch Erdenweisheit ist. Die Geheimnisse vom Erdenwerden,
von der Art und Weise, wie sich der Mensch auf der Erde
entwickelt und die Erdensubstantiaütät evolviert hat,
als sich die Sonne von der Erde getrennt hat, das hatte Moses
erhalten. Das macht es aber gerade aus, wenn wir jetzt die
Sache nicht äußerlich, sondern innerlich
betrachten, warum uns in den Hermes-Lehren etwas wie der
krasse Gegensatz zu der Moses-Weisheit entgegentritt.
Es
gibt nun allerdings gewisse Anschauungen in der Gegenwart, die
bei der Betrachtung solcher Dinge nach dem Prinzip vorgehen: In
der Nacht sind alle Kühe graul Die sehen dann überall
nur das gleiche und sind sehr entzückt, wenn sie zum
Beispiel im Hermestum das gleiche wie im Mosestum finden: hier
einmal eine Dreiheit, da eine Dreiheit, dort eine Vierheit und
hier eine Vierheit. Damit ist aber nicht viel getan. Denn
das wäre ungefähr ebenso, wie wenn jemand einen
anderen zum Botaniker erziehen wollte und ihn nicht die
Unterschiede lehrte, wodurch sich zum Beispiel die Rose von der
Nelke unterscheidet, sondern nur auf dasjenige hinweisen
würde, was bei beiden gleich ist. Damit kommen wir
nicht durch. Wir müssen wissen, wodurch sich die
Wesenheiten unterscheiden und auch die Weisheiten. Und so
müssen wir auch wissen, daß die Moses-Weisheit eine
ganz andere war als die Hermes-Weisheit. Beide gingen zwar von
Zarathustra aus; aber wie gerade sich auch die Einheit trennt
und in verschiedener Weise manifestiert, so gab auch
Zarathustra zweien seiner Schüler so
verschiedenartige Offenbarungen.
Wenn wir die Hermes-Weisheit auf uns wirken lassen, finden wir
alles, was uns die Welt lichtvoll macht, was uns zeigt, wie der
Weltenursprung ist und wie das Licht hineinwirkt. Aber
wir finden in der Hermes-Weisheit nicht die Begriffe, die uns
zugleich zeigen, wie in allem Werden ein Früheres in
ein Späteres hineinwirkt, wie dadurch die Vergangenheit
mit der Gegenwart in Streit kommt und wie Finsternis sich dem
Licht entgegenstellt. Erdenweisheit, die uns begreiflich macht,
wie sich die Erde nach der Trennung von der Sonne entwickelt
hat mit dem Menschen, das ist im Grunde genommen in der
HermesWeisheit gar nicht enthalten. Das aber sollte
insbesondere die Mission der Moses-Weisheit sein: die Erde nach
ihrer Trennung von der Sonne in ihrem Werden dem Menschen
begreiflich zu machen. Erdenweisheit ist das, was Moses
zu bringen hatte, Sonnenweisheit, was Hermes zu bringen hatte.
In Moses also, indem er sich erinnert an alles, was er von
Zarathustra erhalten hat, leuchtet auf das Erdenwerden, die
Erdenevolution des Menschen. Er geht gleichsam vom
Irdischen aus. Aber dieses Irdische ist ja von der Sonne
getrennt, es enthält in einer gewissen Weise abschattiert
das Sonnenhafte. Das Irdische kommt ihm entgegen und begegnet
sich mit dem Sonnenhaften. Daher mußte sich die
Erdenweisheit des Moses mit der Sonnenweisheit des Hermes in
der Tat auch im konkreten Dasein begegnen. Diese beiden
Richtungen mußten aufeinanderstoßen. Das wird uns in
seiner Tatsächlichkeit ganz wunderbar in dem
Zusammenstoß des Moses und seiner Initiation mit der
Hermes-Weisheit auch äußerlich dargestellt. In dem
Geborenwerden in Ägypten, in dem Hingezogensein
seines Volkes nach Ägypten, in dem
Zusammenstoßen des Moses-Volkes mit dem ägyptischen
Hermes-Volk liegt der äußerliche Abglanz des
Zusammenstoßes von Sonnenweisheit mit Erdenweisheit, wie
sie beide von Zarathustra herstammen, wie sie sich aber
beide in ganz verschiedenen Evolutionsströmen
über die Erde ergießen, wie sie zusammenwirken
müssen und zusammenfallen.
Nun
drückt sich eine gewisse Weisheit, die im Zusammenhang
steht mit den Methoden der Mysterien, immer in einer ganz
besonderen Art aus über die tiefsten Geheimnisse des
menschlichen und auch des sonstigen Geschehens. Ich habe
schon in München bei den Vorträgen über die
«Geheimnisse der biblischen
Schöpfungsgeschichte» darauf hingewiesen, wie es
gegenüber diesen großen Wahrheiten, welche nicht nur
den Menschen in seinen tiefsten Geheimnissen, sondern auch die
Weltentatsachen überhaupt umfassen, wie es in bezug auf
diese Geheimnisse außerordentlich schwierig ist, in
irgendeiner gangbaren, äußeren Sprache solche Dinge
auszudrücken. Unsere Worte sind wirklich für
uns oft Fesseln, denn sie haben ihren prägnanten Sinn, der
ihnen seit langen Zeiten zubereitet ist. Und wenn wir mit den
großen Weistümern, die sich uns in unserer Seele
enthüllen, an die Sprache herantreten und in Worte
gießen wollen, was sich uns innerlich enthüllt,
dann entsteht ein Kampf gegen dieses so schwache Instrument der
Sprache, das wirklich in gewisser Beziehung ungeheuer
unzulänglich ist.
Die
größte Trivialität, welche wohl im Laufe des 19.
Jahrhunderts und der neueren Kultur überhaupt gesagt
worden ist, die aber unzählige Male wiederholt wurde
im Zeitalter des Löschpapiers, das ist die: daß eine
jede wirkliche Wahrheit in einfacher Weise sich ausdrücken
lassen müsse, und daß die Sprache mit ihren
Ausdrucksformen geradezu ein Maßstab dafür
wäre, ob jemand irgendeine Wahrheit besäße oder
nicht. Aber dieser Satz ist nur ein Ausdruck dafür,
daß diejenigen, die ihn aussprechen, nicht im Besitze der
eigentlichen Wahrheit sind, sondern nur im Besitze derjenigen
Wahrheiten, die ihnen durch die Sprache im Laufe der
Jahrhunderte übermittelt sind, und die sie nur ein wenig
anders gestalten. Für solche Leute reicht die Sprache dann
aus, und sie fühlen nicht den Kampf, den man manchmal mit
der Sprache führen muß. Dieser Kampf tritt uns aber
da, wo etwas Großes und Gewaltiges zu sagen ist, nur allzu
stark vor die Seele.
Ich
habe schon in München darauf hingewiesen, wie in dem
Rosen-kreuzermysterium «Die Pforte der Einweihung»
das Ende der ersten Szene im «Meditationszimmer»
einen harten Kampf mit der Sprache abgegeben hat. Was darin von
dem Hierophanten zum Schüler gesagt werden sollte, das ist
etwas, was nur zum allergeringsten Maße in das schwache
Instrument der Sprache hineingegossen werden konnte.
Nun
wurden aber in den heiligen Mysterien gerade die tiefsten
Geheimnisse zum Ausdruck gebracht. Daher empfand man in
den Mysterien zu allen Zeiten, ein wie schwaches
Instrument die Sprache ist, und wie ungeeignet sie ist, Bilder
herzugeben für das, was man eigentlich sagen will. Daher
der Drang aller Zeiten in den Mysterien nach
Ausdrucksmitteln für dasjenige, was die Seele
innerlich erlebte. Und als die schwächsten erwiesen sich
jene Ausdrucksmittel, welche der Mensch für den
äußeren Gebrauch, für den äußeren
Umgang jahrhundertelang bewahrt. Dagegen erwiesen sich als
geeignet die Bilder, die sich ergaben, wenn man den Blick
hinausrichtete in die Raumes weiten: die Sternenbilder,
das Aufgehen eines bestimmten Sternes in einem gewissen
Zeitpunkt, die Bedeckung eines Sternes durch einen anderen in
einem bestimmten Zeitpunkt. Kurz, die Bilder, die sich auf
diese Weise ergaben, konnte man gut brauchen, um das
auszudrücken, was in einer bestimmten Weise sich in der
Menschenseele vollzieht. Ich will das kurz
charakterisieren.
Nehmen wir an, in einem bestimmten Zeitpunkt sollte ein
großes Ereignis dadurch geschehen, daß eine
Menschenseele in diesem Zeitpunkt reif wurde, etwas
Großes zu erleben und dies den Völkern zu
überbringen, oder man wollte ausdrücken, daß das
betreffende Volk selbst oder ein ganzer Teil der Menschheit
einen besonderen Reifezustand erlangt hatte und in der
Evolution zu einer bestimmten Stufe hinaufgestiegen war, und
zeigen, wie sich hineinstellte in dieses Volk eine
Individualität, vielleicht von einer ganz anderen Seite
her. Da fiel also zusammen der Höhepunkt der Entwicklung
dieser Individualität mit dem Höhepunkt der
Entwickelung der Volksseele, und dieses Zusammenfallen wollte
man ausdrücken in seiner Einzigartigkeit. Alles, was man
in solchem Falle mit der Sprache sagen konnte, wirkte nicht
großartig genug, um die Bedeutung eines solchen
Ereignisses in unser Gefühl hineinzugießen. Daher
drückte man es in dieser Weise aus: Das Zusammenfallen der
höchsten Stärke einer einzelnen
Individualität mit der höchsten Stärke
einer einzelnen Volksseele ist so, wie wenn die Sonne steht im
Sternbild des Löwen und uns von dort ihr Licht zustrahlt.
Da wurde das Bild des Löwen genommen, um in einem
bildhaften Ausdruck darzustellen, was angedeutet werden sollte
in seiner Stärke in der Menschheitsevolution. Was sich so
äußerlich darbot im Weltenraum, das wurde zum
Ausdrucksmittel für dasjenige, was in der Menschheit vor
sich geht. Von dorther rührten die Ausdrücke,
die gebraucht wurden in der Menschheitsgeschichte und die
hergenommen sind von dem Lauf der Gestirne. Das waren
Ausdrucksmittel für die geistigen Tatsachen in der
Menschheit.
Wenn von so etwas gesprochen wird, daß zum Beispiel die
Sonne im Zeichen des Löwen steht, und daß durch ein
Himmelsereignis, wie das Sich-Decken der Sonne mit einem
bestimmten Sternbild, symbolisch ausgedrückt wird
ein Ereignis in der Menschheitsentwickelung, dann kann es wohl
sein, daß die Triviallinge so etwas umkehren und meinen,
daß alle auf die Menschheitsgeschichte sich beziehenden
Ereignisse früher mythisch gehüllt worden
wären in Vorgänge, die von den Sternen hergenommen
sind, während man in Wahrheit dasjenige, was in der
Menschheit vor sich ging, dadurch ausdrückte, daß man
die Bilder hernahm von der Konstellation der Gestirne. In
Wahrheit ist das Richtige immer umgekehrt von dem, was die
Triviallinge lieben.
Dieser Zusammenhang mit dem Kosmos ist etwas, was uns mit
einer gewissen Ehrfurcht erfüllen sollte
gegenüber allem, was uns gesagt wird über die
großen Ereignisse der Menschheitsevolution, und was
ausgedrückt wird in den Bildern, die hergenommen sind von
dem kosmischen Dasein. Aber es besteht doch ein geheimer
Zusammenhang zwischen dem ganzen kosmischen Dasein und
demjenigen, was sich im Menschendasein vollzieht. Es ist das,
was auf der Erde sich vollzieht, ein Spiegelbild dessen,
was im Kosmos geschieht.
So
ist auch das Entgegenschreiten der Sonnenweisheit des Hermes
und der Erdenweisheit des Moses, wie es in Ägypten zum
Ausdruck kommt, in gewisser Beziehung ein Abbild, ein
Spiegelbild von Wirkungsweisen im Kosmos draußen.
Denken Sie sich gewisse Wirkungen von der Sonne
ausstrahlend zur Erde und andere Wirkungen von der Erde
zurückstrahlend in den Weltenraum, so wird es nicht
einerlei sein, wo sich diese beiden Wirkungen im Raum begegnen;
sondern je nachdem sie sich näher oder ferner begegnen,
wird auch die Wirkung des Zusammentreffens der ausgesendeten
und zurückgesendeten Strahlen eine verschiedene
sein. Nun stellte man das Zusammenstoßen der
Hermes-Weisheit mit der Moses-Weisheit im alten Ägypten in
den Mysterien in der Weise dar, daß es sich vergleichen
ließ mit etwas, was im Grunde genommen im Kosmos auch
schon dagewesen ist nach unserer
geisteswissenschaftlichen Kosmologie. Wir wissen, daß
ursprünglich eine Trennung von Sonne und Erde
stattgefunden hat, daß dann die Erde noch eine Zeitlang
mit dem Monde verbunden war, und daß dann ein Teil von der
Erde sich hinausbewegte in den Raum und sie als unser heutiger
Mond wieder verlassen hat. Da hat also die Erde einen Teil von
sich als Mond wieder zurückgeschickt in den
Weltenraum, der Sonne zu. Wie ein solches
«Herausstrahlen» der Erde gegen die Sonne zu,
war auch der eigentümliche Vorgang, als sich die
Erdenweisheit des Moses im Ägyptertum begegnete mit
der Sonnenweisheit des Hermes.
Es
war die Moses-Weisheit in ihrem weiteren Verlaufe etwas, von
dem man sagen kann, sie entwickelte sich als die Wissenschaft
der Erde und des Menschen - eben als Erdenweisheit - nach der
Trennung von der Sonnenweisheit weiter, aber in der Weise,
daß sie der Sonne entgegenwuchs und aufnahm, was von der
Sonne als direkte Weisheit kam und mit dem sie sich jetzt
durchdrang. Aber nur bis zu einem gewissen Grade sollte
sie sich mit der direkten Sonnen Weisheit durchdringen;
dann sollte sie allein weiterschreiten und sich
selbständig entwickeln. Daher bleibt die
Moses-Weisheit nur so lange in Ägypten, bis sie genugsam
aufnehmen konnte, was sie brauchte; dann erfolgte der
«Auszug der Moseskinder aus Ägypten», damit
dasjenige, was als Sonnenweisheit von der Erden Weisheit
aufgenommen worden ist, verdaut und jetzt
selbständig weitergebracht wird.
Wir
haben also innerhalb der Moses-Weisheit zwei Glieder zu
unterscheiden: ein Glied, wo sich die Moses-Weisheit im
Schöße der Hermes-Weisheit entwickelt, gleichsam von
allen Seiten von ihr umgeben ist und immerfort die
Hermes-Weisheit aufnimmt; dann trennt sie sich von ihr und
entwickelt sich abgesondert von ihr nach dem Auszug aus
Ägypten, entwickelt in ihrem eigenen Schoß die
HermesWeisheit weiter und erreicht bei dieser
Weiterentwickelung drei Etappen. Wohin soll sich die
Moses-Weisheit entwickeln? Was ist ihre Aufgabe? - Ihre
Aufgabe soll sein, daß sie den Weg wieder
zurückfindet zur Sonne. Sie ist Erdenweisheit geworden.
Moses wird geboren mit dem, was ihm Zarathustra gegeben hat als
Erdenweiser. Er soll den Weg wieder zurückfinden. Und er
sucht ihn zurück auf seinen verschiedenen Etappen,
indem er sich imprägniert in der ersten Etappe mit der
Hermes-Weisheit; dann entwickelt er sich weiter. Was er auf
diesem Wege durchmacht, läßt sich wieder am besten
darstellen in Bildern kosmischer Vorgänge. Wenn das,
was auf der Erde geschieht, wieder zurückstrahlt in den
Raum, dann begegnet es auf dem Wege zur Sonne zuerst dem
Merkur. Wir wissen ja, daß dasjenige, was in der
gewöhnlichen Astronomie Venus ist, nach der okkulten
Terminologie Merkur genannt wird, und ebenso ist das, was
gewöhnlich Merkur genannt wird, im okkulten Sinne Venus.
Man trifft also, wenn man von der Erde ausgeht der Sonne zu,
zunächst das Merkurartige, dann auf dem weiteren Wege das
Venusartige und dann das Sonnenhafte. Daher sollte Moses in
inneren Seelenvorgängen das von Zarathustra Ererbte so
entwickeln, daß es beim Rückzug wieder das
Sonnenhafte finden konnte. Es mußte sich also bis zu einem
bestimmten Grade heranentwickeln. Was er als Weisheit
gepflanzt hat in die weltliche Kultur, das mußte sich so
entwickeln, wie es seinem Volke gegeben war. Daher war
sein Weg so, daß er dasjenige, was Hermes direkt brachte,
wie in Radienstrahlen von der Sonne, auf dem Rückweg neu
entwickelte, umgekehrt, nachdem er zunächst etwas von der
Hermes-Weisheit aufgenommen hatte.
Nun
wird uns gesagt, daß Hermes, der später Merkur,
Thoth, genannt wurde, seinem Volke Kunst und Wissenschaft
gebracht hat, äußeres Weltwissen, äußere
weltliche Kunst, in der Art, wie es sein Volk brauchen konnte.
In anderer Art, gleichsam entgegengesetzt, sollte bis zu diesem
Hermes-Merkur-Standpunkt Moses selber weiterdringen, die
Hermes-Weisheit rückläufig selber ausbilden. Das ist
dargestellt in dem Fortgang des hebräischen Volkes
bis zu dem Punkte des Zeitalters und der Regierung des David,
der uns entgegentritt als der königliche
Psalmensänger, als göttlicher Prophet, der als
Gottesmann wirkte wie als Schwertträger und auch als
Träger des Musikinstrumentes. David, der Hermes, der
Merkurius des hebräischen Volkes, so wird er uns
geschildert. So weit hat es jetzt jener Strom des
hebräischen Volkstumes gebracht, daß er ein
selbständiges Hermes- tum oder Merkurtum hervorbrachte.
Die aufgenommene Hermes-Weisheit war also im davidischen
Zeitalter bis in die Region des Merkur gelangt.
Weiterschreiten sollte die Weisheit des Moses auf der
rückläufigen Bahn bis zu dem Punkte, wo die
Venusregion ist, wenn man so sagen darf. Die Venusregion kam
für den Hebräismus in jener Zeit, als die
Moses-Weisheit, das heißt das, was durch Jahrhunderte als
diese Moses-Weisheit heruntergeströmt war, sich verbinden
mußte mit einem ganz anderen Element, mit einer
Weisheitsrichtung, die gleichsam von der anderen Seite
hergestrahlt war. So wie das, was von der Erde
zurückstrahlt in den Raum, auf dem Weg zur Sonne in einem
Punkt die Venus trifft, so traf die Moses-Weisheit zusammen mit
dem, was auf der anderen Seite von Asien herübergestrahlt
war, in der babylonischen Gefangenschaft. Was sich wie in
abgeschwächter Form kundgab in den Mysterien Babylons und
Chaldäas, mit dem traf die Weisheit des hebräischen
Volkes in ihrer besonderen Entwickelung zusammen in der
babylonischen Gefangenschaft. Wie wenn ein Wanderer, der
ausgegangen wäre von der Erde und gewußt hätte,
was auf der Erde ist, die Region des Merkur durchdrungen
hätte und gekommen wäre in die Region der
Venus, um auf der Venus das auf sie fallende Sonnenlicht
zu empfangen, so empfing die Moses-Weisheit dasjenige,
was direkt ausgegangen war aus den Heiligtümern des Zara-
thustrismus und sich in abgeschwächter Gestalt
fortgepflanzt hatte in den Mysterien und Weistümern der
Chaldäer und Babylonier. Das empfing die Moses-Weisheit
jetzt während der babylonischen Gefangenschaft. Da
verband sich die Moses-Weisheit mit dem, was bis in die Gebiete
des Euphrat und Tigris hinübergedrungen war.
Da
geschah abermals ein anderes. In der Tat war Moses
zusammengetroffen mit dem, was einst von der Sonne
ausgegangen war. Moses, nicht er selbst, aber das, was er
seinem Volke mit seiner Weisheit hinterlassen hatte,
floß zusammen in den Stätten, welche die Weisheit der
Hebräer betreten mußte während der babylonischen
Gefangenschaft, es floß zusammen direkt mit dem
Sonnenhaften dieser Weisheit. Denn dort lehrte während
dieser Zeit in den Mysterienstätten am Euphrat und Tigris,
mit denen damals die hebräischen Weisen bekannt wurden,
der wiederinkarnierte Zarathustra. Ungefähr zur Zeit der
babyloni- sehen Gefangenschaft war Zarathustra selber
inkarniert, und dort lehrte er, der einen Teil seiner Weisheit
abgegeben hatte, um einen Teil davon wiederzubekommen. Er
selber inkamierte sich ja immer wieder, und wurde so, in seiner
Inkarnation als Zarathas oder Nazarathos, der Lehrer der in die
babylonische Gefangenschaft hinabgeführten Juden, die mit
den Heiligtümern dieser Gegenden bekannt wurden.
So
kam die Moses-Weisheit in ihrem Fortfließen, in ihrem
Fortströmen zusammen mit dem, was Zarathustra selbst
hat werden können, nachdem er von den weiter abgelegenen
Mysterienstätten hingezogen war in die Stätten
Vorderasiens. Denn dort wurde er der Lehrer der initiierten
Schüler Chaldäas, sowohl einzelner eingeweihter
Lehrer als auch der Lehrer derjenigen, die jetzt empfingen die
Befruchtung ihrer Moses-Weisheit mit jenem Strome, der ihnen
dadurch entgegenkommen konnte, daß sie das, was
Zarathustra einst ihrem Ahnherrn, dem Moses, gelehrt hatte,
jetzt wiederempfangen konnten von Zarathustra selbst in seiner
Inkarnation als Zarathas oder Nazarathos. Diese Schicksale
hatte die Moses-Weisheit durchgemacht. Sie hatte in der Tat
ihren Ursprung bei Zarathustra; sie war versetzt worden in ein
fremdes Gebiet. Es war, wie wenn ein Sonnenwesen mit
verbundenen Augen herabgetragen wurde auf die Erde und nun im
Rückmarsch alles wieder suchen mußte, was es verloren
hatte.
So
war Moses der Schüler Zarathustras. Er fand sich in seinem
Dasein in der ägyptischen Kultur so, daß alles,
was ihm Zarathustra einst gegeben hatte, aufgeleuchtet war in
seinem Inneren. Aber es war so, wie wenn er nicht gewußt
hätte, woher es ihm, abgesondert auf dem Erdeninselfelde
aufleuchtete. Und entgegen ging er demjenigen, was einstmals
Sonne war. Entgegen ging er innerhalb Ägyptens der
Hermes-Weisheit, die auf direkte Weise brachte, was
Zarathustra-Weisheit war, nicht auf dem reflektierten
Wege wie Moses. Und nachdem er genügend davon aufgenommen
hatte, entwickelte sich der Strom der Moses-Weisheit in
direkter Weise weiter. Und indem er im davidischen
Zeitalter ein direktes Hermestum, eine eigene Wissenschaft und
Kunst begründete, ging er der Sonne entgegen, von der er
ausgegangen war in einer Gestalt, in der er sich zuerst
verhüllt zeigen mußte.
In
den altbabylonischen Lehrstätten, wo er auch der Lehrer
des Py- thagoras war, da konnte Zarathustra nur so lehren, wie
es überhaupt möglich ist zu lehren in einem
bestimmten Körper, da man angewiesen ist auf die
Werkzeuge dieses betreffenden Körpers. Sollte
Zarathustra die volle Sonnenhaftigkeit, die er einstmals
zum Ausdruck gebracht hatte und übertragen hatte an
Hermes und Moses, in einer neuen Gestalt zum Ausdrucke bringen,
welche dem Fortschritte der Zeit angemessen war, dann
mußte er eine körperliche Hülle haben, die ein
würdiges Instrument war, die dem fortgeschrittenen
Zeitalter angemessen war. Nur in einer Gestalt, die
bedingt war durch einen Körper, wie er im alten Babylon
hervorgebracht war, konnte Zarathustra alles dasjenige wieder
hervorbringen, was er übertragen konnte auf Pytha- goras,
auf die hebräischen Gelehrten und auf die
chaldäischen und babylonischen Weisen, die damals im 6.
vorchristlichen Jahrhundert imstande waren, ihn zu hören.
Es war mit dem, was Zarathustra lehren konnte, wirklich so, wie
wenn das Sonnenlicht erst aufgefangen würde von der Venus
und nicht direkt auf die Erde kommen könnte; es war, wie
wenn die Zarathustra-Weisheit nicht in ureigener Gestalt,
sondern erst in abgeschwächter Gestalt sich zeigen konnte.
Denn damit die Zarathustra-Weisheit in ureigener Gestalt
wirksam sein konnte, dazu mußte sich Zarathustra
erst umgeben mit einem geeigneten Körper. Dieser geeignete
Körper konnte nur zustande kommen auf eine ganz eigene
Weise, die man etwa in folgender Art charakterisieren
könnte.
Wir
haben gestern gesagt, daß es drei verschiedene Volks
seelenarten in Asien gab: die indische im Süden, die
iranische und die nord- asiatisch-turanische. Wir haben darauf
hingewiesen, daß diese drei Seelenarten dadurch entstanden
sind, daß der nördliche Strom der atlantischen
Bevölkerung nach Asien sich hinüberbewegt hat und
dort ausgestrahlt ist. Ein anderer Strom ging aber durch Afrika
hindurch und sandte seine letzten Ausläufer bis in das
turanische Element hinüber. Und wo der
nördliche Strom, der von der Atlantis nach Asien zog, und
die andere Strömung, die sich von der Atlantis durch
Afrika ausbreitete, zusammenstießen, da entstand eine
eigentümliche Mischung, da bildete sich ein Volkstum
heraus, aus dem das spätere Hebräertum entstanden
ist. Mit diesem Volkstum geschah etwas ganz Besonderes. Alles
das, wovon wir gesagt haben, daß es wie ein astra-
üsch-ätherisches Hellsehen in der Dekadenz
zurückgeblieben war bei gewissen Völkerschaften und
in dieser Gestalt ein Schlimmes geworden war, indem es
als äußerliches Hellsehen wie in einer letzten Phase
auftrat, das alles schlug sich innerhalb derjenigen Leute, die
zum hebräischen Volke wurden, nach innen. Es nahm
eine ganz andere Richtung an. Statt daß es in
äußerer Wirkung als die Reste des alten adan- tischen
Hellsehens sich in einem niederen astralischen Hellsehen
zeigte, trat es bei diesem Volke so auf, daß es im Inneren
des Leibes organisierend wirkte. Was äußerlich
etwas Dekadentes war, was deshalb, weil es konservativ
geblieben war, ein dekadentes Element des Hellsehens, etwas mit
ahrimanischem Element Durchzogenes geworden war, das war in
richtiger Weise fortgeschritten, indem es eine im Inneren des
Menschen wirksame Kraft geworden war, die im Inneren des
Menschen organisierte. Es lebte sich beim
hebräischen Volke nicht aus in einem
zurückgebliebenen Hellsehertum, sondern es organisierte
die Leiblichkeit um und machte sie dadurch in bewußter
Weise vollkommener. Alles, was im Turaniertum dekadent
war, das wirkte fortschaffend und umgestaltend beim
hebräischen Volke.
Deshalb dürfen wir sagen: In der Leiblichkeit des
hebräischen Volkes, die sich durch die Vererbung in
der Blutsverwandtschaft fortgepflanzt hatte von
Generation zu Generation, wirkte alles, was als
äußere Anschauung seine Zeit erfüllt
hatte, was nicht mehr äußere Anschauung sein
sollte, was auf einen anderen Schauplatz treten sollte, um in
seinem rechten Element zu sein. Was den Atlantiern die Kraft
gegeben hatte, geistig hineinzuschauen in den Raum und in
geistige Gebiete, was verwildert war bei den Turaniern als
hellseherischer Rest, das alles wirkte bei diesem kleinen
hebräischen Volke so, daß es nach innen schlug.
Alles, was beim Atlantiertum göttlich-geistig war, wirkte
beim hebräischen Volke im Inneren, bildete Organe, wirkte
leibgestaltend und konnte daher aufblitzen innerhalb des
Blutes des hebräischen Volkes als das göttliche
Bewußtsein im Inneren. Es war beim hebräischen Volke
so, wie wenn alles, was der Adantier gesehen hat, wenn er den
hellseherischen Blick in alle Richtungen des Raumes schickte,
wie wenn das aufgetreten wäre, ganz nach innen geschlagen,
im Innersten als Organbewußtsein des hebräischen
Volkes, als das Jahve- oder Jehova-Bewußtsein, als das
Gottesbewußtsein im Inneren. Mit seinem Blute vereinigt
fand dieses Volk den Gott, der ausgebreitet war im Raum, fand
sich durchdrungen, imprägniert mit dem Gott, der im Raum
ausgebreitet war, und es wußte, daß dieser Gott in
seinem Inneren, in der Pulsation seines Blutes lebt.
Indem wir also auf der einen Seite Iraniertum und Turaniertum
entgegengestellt sehen, wie wir es gestern
charakterisiert haben, und indem wir nun Turaniertum und
Hebräertum einander gegenüberstellen, sehen wir
dasjenige, was bei den Turaniern dekadent ist, in seinem
Fortschritt und in seinem Elemente, wie es später sein
mußte, im Blut des hebräischen Volkes pulsieren. So,
daß es innerlich gefühlt wird, lebt alles das auf,
was der Atlantier gesehen hat. Und in einem einzigen
Worte schließt es sich zusammen, in dem Worte Jahve oder
Je- hova. Wie in einem einzigen Punkt, wie in ein einziges
Zentrum des Gottesbewußtseins zusammengedrängt, lebt
durch die Generationen Abrahams, Isaaks, Jakobs und so weiter
heruntergehend, im Blute der Generationen, unsichtbar, aber
innerlich gefühlt, der Gott, der hinter allen Wesen sich
gezeigt hat für das atlantische Hellsehen, der jetzt der
Gott im Blute Abrahams, Isaaks und Jakobs war und diese
Generationen führte von Schicksal zu Schicksal. Es
war auf diese Weise das Äußere innerlich geworden; es
wurde erlebt, nicht mehr geschaut, und es wurde nicht mehr mit
einzelnen verschiedenen Namen bezeichnet, sondern mit einem
Einzelnamen, mit dem: «Ich bin der Ich-bin!» Es hatte
eine ganz andere Gestalt angenommen. Während es der Mensch
in der atlantischen Zeit überall fand, wo er nicht war -
draußen in der Welt fand es der Mensch jetzt da, wo er
sein Zentrum hatte, in seinem Ich, und fühlte es in
dem Blute, das durch die Generationen rinnt. Es ist der
große Gott der Welt jetzt geworden jener Gott des
hebräischen Volkes, der Gott Abrahams, Isaaks und
Jakobs, der im Blute durch die Generationen rinnt.
So
wird jenes Volkstum begründet, das wir in seiner
eigentümlichen inneren Mission für die
Menschheitsevolution morgen betrachten werden. Wir haben
heute nur andeuten können den allerersten Punkt der
Blutsbeschaffenheit dieses Volkes, wo zusammengedrängt ist
im Inneren alles, was einst der Mensch in der atlantischen Zeit
von außen hat auf sich eindringen lassen. Wir werden
sehen, welche Geheimnisse sich in dem vollziehen, was
damit nur angeschlagen ist, und wir werden die
eigentümliche Natur jenes Volkes kennenlernen, aus welchem
Zarathustra seinen Körper nehmen konnte zu dem Wesen, das
wir als den Jesus von Nazareth bezeichnen.
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