ACHTER VORTRAG
Bern, 8. September 1910
In
dem, was wir gestern angeführt haben über das
Heraufheben der beiden Seiten der Initiation auf die Höhe
welthistorischer Vorgänge in dem Christus-Ereignis, liegt
zugleich angegeben, wenn man es ganz durchschaut, das uns
Wesentliche dieses Christus-Ereignisses.
Eine Initiation oder Einweihung, die darin bestand, daß
der Mensch gleichsam das tägliche Erlebnis des Aufwachens
so durchmachte, daß beim Hinuntersteigen in den physischen
Leib und Ätherleib nicht das Wahrnehmungsvermögen
abgelenkt wird auf die äußere physische Umgebung,
sondern erregt wird für die Vorgänge des
Ätherleibes und physischen Leibes, eine solche Art der
Einweihung hatten wir ja besonders in all den Mysterien
und Einweihungsstätten gegeben, die sich auf die
ägyptische heilige Kultur begründeten. Diejenigen,
die eine solche Einweihung im alten Sinne suchten, das
heißt in dem Sinne, daß sie dabei gelenkt und
geleitet wurden, damit die bei einer solchen Einweihung
auftretenden Gefahren vorübergehen konnten, sie
wurden dadurch in gewisser Beziehung zu anderen Menschen,
zu solchen Menschen, die während des Einweihungsaktes
hineinschauen konnten in die geistige Welt, zunächst
in jene geistigen Kräfte und Wesenheiten, die
beteiligt sind an unserem physischen Leib und
Ätherleib.
Wenn wir jetzt die Essäereinweihung von diesem
Gesichtspunkte aus charakterisieren wollen, so können wir
sagen: Wenn ein Essäer die charakterisierten
zweiundvierzig Stufen durchmachte und dadurch zu einer
genaueren Kenntnis seines wahren Inneren kam, seiner wahren
Ich-Natur und alles dessen, was den Menschen befähigt,
durch die äußeren durch die Vererbung dazu bestimmten
Organe zu sehen, so wurde ein solcher Essäer über die
zweiundvierzig Stufen hinausgeführt bis zu
derjenigen geistig-göttlichen Wesenheit, welche als Jahve
oder Jehova jenes Organ bewirkte, das ich Ihnen bei Abraham
charakterisiert habe; das sah er dann im Geiste als
dieses Organ, das wesentlich war für die damalige
Zeit. Der Essäer sah also zurück auf das innere
wesenhafte Gefüge der menschlichen Innenwesenheit, die ja
ein Ergebnis war dieser göttlich-geistigen
Wesenheit. Auf die Erkenntnis des menschlichen Inneren war es
also bei einer solchen Einweihung abgesehen.
Was
nun dem Menschen bevorsteht, wenn er unvorbereitet in sein
Inneres hineindringen kann, das habe ich Ihnen im allgemeinen
gestern charakterisiert. Ich habe gesagt, da erwachen in
dem Menschen zunächst alle Egoismen, alles, was den
Menschen dazu bringt, daß er sich sagt: Alle die
Kräfte, die in mir sind, alle Leidenschaften und
Emotionen, die mit meinem Ich zusammenhängen und die
nichts wissen wollen von der geistigen Welt, ich will sie so in
mir haben, daß ich mich mit ihnen verbinden kann und nur
aus meinem eigenen egoistischen Inneren heraus handle,
empfinde und fühle! - Also das ist die Gefahr, daß
der Mensch bis zum höchsten Maße des Egoismus
hinaufwächst durch solches Hineinsteigen in sein
Inneres. Das ist es ja auch, was als eine bestimmte Art von
Illusion immer wieder über diejenigen kommt, die auch
heute durch eine esoterische Entwickelung dieses Hineinsteigen
in das eigene Innere anstreben wollen. Bei solcher
Gelegenheit machen sich mancherlei Egoismen beim Menschen
geltend; und wenn sie dann da sind, glaubt der Mensch in der
Regel gar nicht, daß es diese Egoismen sind. Er glaubt
eigentlich alles eher, als daß es diese Egoismen sind. Der
Weg in die höheren Welten wird ja genugsam als ein
solcher geschildert, zu dem, selbst wenn er in unserer Zeit
gesucht wird, Überwindungen notwendig sind. Und manche von
denjenigen Menschen, die, auch in unserer Zeit, gern den
Weg in die höheren Welten hinauf gehen wollen, aber keine
solche Überwindungen haben wollen, die zwar gern
schauen möchten in höheren Welten, aber nicht erleben
wollen, was eigentlich dazu führen kann, solche
Menschen finden es dann immer wieder unbequem, allerlei
in sich auftauchen zu sehen, was nun einmal in der
menschlichen Natur liegt. Sie möchten ohne dieses
Auftauchen von allerlei Egoismen und dergleichen in die
höheren Welten hinaufkommen. Sie merken nicht, daß
oft gerade darin der herbste, der bedeutsamste Egoismus sich
zeigt, daß sich die Unzufriedenheit geltend macht mit dem,
was eigentlich als etwas ganz Reguläres eintritt, und von
dem sie sich fragen sollten: Muß ich denn nicht, da ich
ein Mensch bin, auch allerlei solche Gewalten aufrufen? Sie
finden es merkwürdig, daß solche Dinge da sind,
trotzdem es hundert- und hundertmal erklärt wird,
daß sich so etwas in einer bestimmten Zeit einstellt. Ich
will damit nur hinweisen auf die Illusionen und
Täuschungen, denen sich gewisse Menschen hingeben. In
unserer Zeit ist es ja noch zu berücksichtigen, daß
die Menschheit in einer gewissen Weise bequem geworden ist und
am liebsten mit der Bequemlichkeit, die man sonst im
gewöhnlichen Leben liebt, den Weg in die höheren
Welten hinauf gehen möchte. Aber solche
Bequemlichkeiten, wie man sie auf den gewöhnlichen
Gebieten des Daseins gern schafft, können nicht geschaffen
werden auf dem Wege, der in die geistigen Welten führen
soll.
Derjenige nun, der diesen Weg in die geistige Welt in den alten
Zeiten dadurch gefunden hatte, daß er durch die
Einweihung gegangen war, die in das menschliche Innere
führt, der wurde, weil das menschliche Innere von
göttlich-geistigen Mächten geschaffen ist, damit
hineingeführt in die göttlich-geistigen
Kräfte. Man sieht dann am physischen Leibe und
Ätherleibe die göttlich-geistigen Kräfte
arbeiten. Ein solcher Mensch wurde geeignet, ein Zeuge, ein
Künder zu sein von den Geheimnissen der geistigen Welt. Er
konnte seinen Mitmenschen erzählen, was er durchgemacht
hatte, während er in den Mysterien hineingeführt
wurde in sein eigenes Inneres und dadurch in die geistige Welt.
Was aber war damit verbunden? Wenn ein solcher Eingeweihter
herauskam aus den geistigen Welten, konnte er sagen: Da habe
ich hineingeblickt in das geistige Dasein; aber mir wurde
geholfen! Die Gehilfen des Initiators haben es mir möglich
gemacht, daß ich überdauert habe die Zeit, in
der sonst die Dämonen aus meiner eigenen Natur mich
niedergedrückt haben würden. - Dadurch aber, daß
er in dieser Art den äußeren Hilfen sein
Hineinschauen in die geistige Welt verdankte, blieb er auch
zeitlebens von diesem Einweihungskollegium abhängig,
von denjenigen, die ihm geholfen hatten. Die Kräfte, die
ihm geholfen hatten, gingen mit ihm hinaus in die Welt.
Das
sollte anders werden. Das sollte überwunden werden.
Diejenigen, die initiiert werden sollten, sollten immer
weniger abhängig bleiben von denen, die ihre Lehrer
und Initiatoren sind. Denn mit dieser Hilfe war ein Anderes,
Wesentliches verbunden. Wir haben in unserem
alltäglichen Bewußtsein ein ganz deutliches
Ich-Gefühl, das in einer bestimmten Stunde unseres Daseins
erwacht. Darüber wurde schon öfter gesprochen, und
Sie finden auch in meiner «Theosophie» den Zeitpunkt
charakterisiert, wo der Mensch dazu kommt, sich als ein Ich
anzusprechen. Das ist etwas, was das Tier nicht kann. Wenn das
Tier in sein Inneres schauen würde wie der Mensch, so
würde es nicht ein individuelles Ich, sondern ein
Gattungs-Ich, ein GruppenIch finden: es würde sich
zugehörig fühlen zu einer ganzen Gruppe. Dieses
Ich-Gefühl erlosch in einer gewissen Weise bei den alten
Einweihungen. Während der Mensch also in die
geistigen Welten hineinstieg, trübte sich sein
Ich-Gefühl, und wenn Sie alles zusammennehmen, was
ich gesagt habe, werden Sie es begreiflich finden, daß es
gut war. Denn das Ich-Gefühl ist es ja, mit dem sich alle
die Egoismen, Leidenschaften und so weiter verbinden, die den
Menschen absondern wollen von der äußeren Welt.
Wollte man nicht die Leidenschaften, die Emotionen bis zu einer
gewissen Stärke treiben, so mußte das Ich-Gefühl
unterdrückt werden. Es war daher zwar nicht ein
Traumbewußtsein, aber doch ein Zustand
herabgedrückten Ich-Gefühls bei den Einweihungen in
den alten Mysterien vorhanden. Immer mehr und mehr sollte aber
darnach gestrebt werden, daß der Mensch fähig werde,
die Initiation durchzumachen unter völliger
Aufrechterhaltung seines Ich, desjenigen Ich, das der Mensch im
Wachbewußtsein vom Aufwachen bis zum Einschlafen mit sich
trägt. Jene Trübung des Ich, wie sie in den alten
Mysterien immer mit der Initiation verbunden war, sollte
aufhören. Das ist etwas, was ja überhaupt im Laufe
der Zeit nur langsam und allmählich erreicht werden kann,
was aber heute schon in einem wesentlich höheren Grade in
allen zu Recht bestehenden Initiationen erreicht wird:
daß das Ich-Gefühl bis zu einem hohen Grade nicht
erlischt, wenn der Mensch sich hinauflebt in die
höheren Welten.
Nun
belauschen wir einmal noch genauer eine solche alte Initiation,
zum Beispiel eine Essäerinitiation der vorchristlichen
Zeit. Verbunden war auch diese Essäerinitiation in
einer gewissen Weise damit, daß das Ich-Gefühl
herabgestimmt war. Dasjenige also, was dem Menschen in
unserem Erdensein sein Ich-Gefühl gibt, was herausblickt
auf die äußeren Wahrnehmungen, das mußte damals
auch unterdrückt werden. Sie brauchen ja nur auf das
Trivialste im Alltagsleben zu sehen, so werden Sie sich sagen:
In jenem andersgearteten Zustand, wo der Mensch während
des Schlafbewußtseins in der geistigen Welt ist, hat er
sein Ich-Gefühl nicht; er hat es nur im
Tagesbewußtsein, wenn er abgelenkt wird von der geistigen
Welt und sein Blick hinausgeht in die physisch-sinnliche Welt.
So ist es beim jetzigen Erdenmenschen, und auch bei dem
Erdenmenschen, für den der Christus auf der Erde gewirkt
hat. Für die andere Welt ist beim Menschen der
gegenwärtigen Erdenzeit überhaupt das Ich
für die normalen Zustände nicht geweckt. Nun
soll eine Christus-Initiation eben darinnen bestehen, daß
das Ich in den höheren Welten so erwacht bleibt, wie es
erwacht ist in der äußeren Welt.
Betrachten Sie nun einmal - nur damit wir etwas damit
charakterisieren können - den Moment des Aufwachens
ganz genau. Dieser Moment stellt sich uns so dar, daß also
der Mensch aus einer höheren Welt herauskommt und
untertaucht in seinen physischen Leib und Ätherleib. In
diesem Moment des Untertauchens sieht er aber nicht die
Innenvorgänge des physischen Leibes und Ätherleibes,
sondern es wird gleichsam sein Wahrnehmungsvermögen
abgelenkt auf die Umgebung. Alles nun, wohin der Blick
des Menschen im Moment des Aufwachens fällt, was der
Mensch überschaut, ob nun mit dem physischen
Wahrnehmen der Augen oder mit dem physischen Wahrnehmen der
Ohren, oder ob er es überdenkt mit dem an das physische
Organ des Gehirns gebundenen Verstand, alles, was er in der
physischen Umgebung wahrnimmt, das bezeichnete man in dem
Sprachgebrauch der althebräischen Geheimlehre als
«das Reich», Malchuth. So könnten wir fragen:
Was war also im althebräischen Sprachgebrauch verbunden
mit dem Ausdruck «das Reich»? Alles das war damit
verbunden, in dem sich bewußt aufhalten konnte das
menschliche Ich. Das ist auch die genaueste Definition für
das, was man im hebräischen Altertum mit dem Ausdruck
«das Reich» verband: das, wobei das menschliche Ich
anwesend sein kann. Wenn wir einmal diesen Ausdruck festhalten,
so müssen wir sagen: Es ist mit dem, was «das
Reich» ist, im althebräischen Sprachgebrauch
zunächst bezeichnet die Sinnenwelt, die Welt, in der der
Mensch ist im Wachzustande bei völliger Aufrechterhaltung
seines Ich.
Nehmen wir jetzt die Stufen der Initiation beim Hinuntergehen
in das eigene Innere. Die erste Stufe, bevor der Mensch in
seinen Ätherleib hineindringen und dessen
Geheimnisse wahrnehmen kann, ist etwas, was man leicht erraten
kann. Die äußere Hülle des Menschen
besteht ja, wie wir wissen, aus dem Astralleib,
Ätherleib und physischen Leib. Das ist nun auch noch
etwas, wo der Mensch hindurchgehen muß: er muß seinen
astralischen Leib sozusagen bewußt von innen
durchschauen, wenn er diese Art von Initiation erleben
will. Zunächst muß er das Innere seines astralischen
Leibes erleben, wenn er in das Innere seines physischen Leibes
und Ätherleibes hineinsteigen will. Das ist die Pforte,
durch die er durchgehen muß. Das sind immer aber neue
Erlebnisse, durch die er gehen muß. Der Mensch erlebt da
auch etwas, was objektiv ist, wie die Gegenstände der
äußeren Welt objektiv sind.
Wenn wir die Gegenstände der Sinnenwelt um uns herum, die
wir vermöge der gegenwärtigen menschlichen
Organisation erleben, als « das Reich» bezeichnen, so
könnten wir nach unserem Sprachgebrauch - der
althebräische Sprachgebrauch hat das noch nicht so genau
unterschieden - dabei wieder unterscheiden drei Reiche,
das Mineralreich, das Pflanzenreich und das Tierreich. Das
alles ist im althebräischen Sprachgebrauch ein
Reich und faßt sich zusammen unter dem einen Begriff des
Reiches überhaupt als die Gesamtheit der drei Reiche.
Geradeso wie wir die Tiere, Pflanzen und Mineralien
überblicken, wenn wir den Blick hinausrichten in die
Sinnenwelt, wo unser Ich dabei sein kann, so fällt
für denjenigen, der hinuntertaucht in sein eigenes
Innere, der Blick auf alles, was er wahrnehmen kann im
astralischen Leibe. Das sieht der Mensch jetzt nicht
durch sein Ich, sondern das Ich bedient sich dabei der
Werkzeuge des astralischen Leibes. Und was der Mensch sieht,
wenn er also ein anderes Wahrnehmungsvermögen hat,
wo er mit seinem Ich anwesend ist in derjenigen Welt, mit der
er verbunden wird durch die astralischen Organe, das bezeichnet
allerdings schon der althebräische Sprachgebrauch mit drei
Ausdrük- ken. Wie wir ein tierisches, ein pflanzliches und
ein mineralisches Reich haben, so bezeichnet der
althebräische Sprachgebrauch die Dreiheit, die man
überblickt durch das Anwesendsein in seinem astralischen
Leibe, mit Nezach, Jesod und Hod.
Wenn man diese drei Ausdrücke einigermaßen konform in
unsere Sprache übersetzen wollte, müßte man
wieder tief hineingreifen in das althebräische
Sprachgefühl; denn die gewöhnlichen lexikalen
Übersetzungen mit dem Wörterbuche helfen da gar
nicht. Wenn man verstehen wollte, worauf es jetzt
ankommt, müßte man recht sehr zu Hilfe nehmen das
Sprachgefühl der vorchristlichen Zeit. Da müßte
man zum Beispiel vor allem in Betracht ziehen, daß
dasjenige, was wir mit dem Lautgefüge Hod bezeichnen
können, ausdrücken würde «Geistiges nach
außen erscheinend». Also beachten Sie wohl: dieses
Wort würde bedeuten ein Geistiges, das nach außen
sich kundgibt, ein nach außen strebendes Geistiges, aber
ein Geistiges, das als Astralisches aufzufassen ist.
Dagegen würde das Wort Nezach um eine starke Nuance
gröber dieses Nach-außen-sich-offenbaren-Wollen
ausdrücken. Was sich da kundgibt, das ist etwas, auf das
wir vielleicht das Wort anwenden können, daß es sich
als «undurchdringlich» erweist.
Wenn Sie heute Lehrbücher der Physik in die Hand nehmen,
werden Sie etwas finden, was als ein Urteil angegeben ist, was
aber eigentlich eine Definition sein sollte - aber auf
Logik kommt es ja dabei nicht an -, nämlich die
Definition, daß man die physischen Körper als
undurchdringlich bezeichnet. Es müßte eigentlich als
Definition stehen : Man nennt einen physischen
Körper einen solchen, von dem das gilt, daß an der
Stelle, wo er ist, nicht zu gleicher Zeit ein anderer sein
kann. Also als Definition müßte es gegeben werden.
Statt dessen stellt man ein Dogma auf und sagt: Die Körper
der physischen Welt haben die Eigentümlichkeit, daß
sie undurchdringlich sind - während es heißen
müßte, daß an einer Stelle nicht gleichzeitig
zwei Körper sein können. Das ist aber etwas, was
eigentlich in die Philosophie hineingehört. Das
Sich-Kundgeben im Räume, so daß Ausschließungen
eines anderen stattfinden - was die stark vergröberte
Nuance des Hod sein würde -, das ist mit dem Worte Nezach
gegeben. Und was dazwischen steht, ist im Jesod gegeben.
So
haben Sie drei verschiedene Nuancen. Erst die Manifestation
irgendeiner astralischen Tatsache, die sich nach außen hin
kundgibt, im Hod. Wo die Sache dann schon so vergröbert
ist, daß die Dinge in physischer Undurchdringlichkeit an
uns herantreten, da würde nach dem althebräischen
Sprachgebrauche Nezach stehen. Und für die Zwischennuance
müßte Jesod genommen werden. So können wir
sagen, daß die drei verschiedenen Eigentümlichkeiten,
mit denen in der Tat die Wesenheiten der astralischen Welt
behaftet sind, mit diesen drei Worten bezeichnet
werden.
Nun
können wir sozusagen etwas weiter hineinsteigen mit dem zu
Initiierenden in das menschliche Innere. Wenn er
überschritten hat, was zunächst in seinem Astralleib
zu überschreiten ist, dann kommt er hinein in seinen
ätherischen Leib. Da nimmt der Mensch schon
Höheres wahr als das, was mit diesen drei Worten zu
bezeichnen ist. Sie können fragen, warum denn Höheres
? Das hängt mit etwas Besonderem zusammen, und
darauf müssen Sie achten, wenn Sie das eigentliche
innere Gefüge der Welt verstehen wollen. Sie müssen
darauf achten, daß so, wie uns die äußere
Welt entgegentritt, an demjenigen, was uns als die niedersten
Offenbarungen der Außenwelt erscheint, die höchsten
geistigen Kräfte gearbeitet haben. Ich habe Sie schon
öfter auf das aufmerksam gemacht, was hier in Betracht
kommt, und zwar bei Besprechung der menschlichen Natur
selbst.
Der
Mensch besteht, wenn wir ihn beschreiben, aus physischem Leib,
Ätherleib, Astralleib und Ich. Gewiß ist das Ich des
Menschen in gewisser Beziehung das höchste seiner Glieder;
aber so wie es heute ist, ist es das Baby unter den vier
Gliedern der menschlichen Natur. Es ist das, was die Anlage
enthält im Menschen zum Höchsten, was er werden
kann, aber es ist jetzt in seiner Art auf der niedersten Stufe.
Dafür ist der physische Leib in seiner Art das
vollkommenste Glied, allerdings nicht durch das Verdienst
des Menschen selber, sondern dadurch, daß durch
Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit hindurch
göttlichgeistige Wesenheiten am Menschen gearbeitet
haben. Und auch der Astralleib ist bereits vollkommener
geworden als das Ich des Menschen. Wenn wir also
zunächst auf das menschliche Ich blicken, ist es
dasjenige, was uns naheliegt, mit dem wir uns identifizieren.
Und man darf sagen: Wer nicht gar zu trivial ist und sich nicht
den Blick verschließen will, der braucht nur in sein
Inneres zu schauen, und er findet dort sein Ich. Dagegen denken
Sie daran: Wie weit ist der Mensch entfernt von den
Geheimnissen des menschlichen physischen Leibes! Der physische
Leib ist etwas, woran nicht nur durch Jahrmillionen, sondern
Jahrmillionen mal Millionen göttlich-geistige Wesenheiten
gearbeitet haben, um ihn zu seinem heutigen Gefüge zu
bringen. Dazwischen liegen nun astralischer Leib und
Ätherleib. Der astralische Leib ist auch gegenüber
dem physischen Leibe ein unvollkommenes Glied der
Menschennatur; in ihm sind Emotionen, Leidenschaften,
Begierden und so weiter. Und der Mensch genießt
durch die Emotionen des astralischen Leibes, trotzdem der
Ätherleib als Hemmnis dazwischen steht, viele Dinge, die
direkt der wunderbaren Organisation des menschlichen physischen
Leibes entgegenarbeiten. Ich habe darauf aufmerksam
gemacht, wie viele Herzgifte zum Beispiel der Mensch
genießt, wie er, wenn es auf seinen astralischen
Leib ankäme, sehr bald seine Gesundheit untergraben
würde, und wie er seine Gesundheit nur dem Umstände
verdankt, daß das menschliche Herz in seiner
Organisation so wunderbar und vollkommen eingerichtet
ist, daß es durch viele Jahrzehnte hindurch den Attacken
des Astralleibes standhält. So ist es. Je tiefer wir
hinuntersteigen, desto höhere geistige Kräfte finden
wir, die an den einzelnen Gliedern mitgearbeitet haben. Man
könnte sagen: Die jüngsten Götter, die
jüngsten göttlich-geistigen Kräfte sind es, die
uns unser Ich gegeben haben; und viel ältere Götter
sind es, die an unseren niederen Gliedern jene Vollkommenheit
bewirkt haben, die der Mensch heute kaum anfängt zu
durchschauen, geschweige denn, daß er geeignet wäre,
mit seinen Werkzeugen das nachzumachen, was in diesem Wunderbau
die göttlich-geistigen Kräfte und Wesenheiten
für den Menschen aufgeführt haben.
Diese Vollkommenheit sahen aber besonders diejenigen, welche
zum Beispiel durch eine Essäereinweihung eintauchten in
das menschliche Innere. Ein solcher Essäer sagte
sich: Wenn ich die ersten vierzehn Stufen durchmache, komme ich
zuerst in meinen astralischen Leib hinein. Da treten mir
entgegen alle die Leidenschaften und Emotionen, die mit meinem
astralischen Leibe zusammenhängen, alles, was ich selbst
in meiner Inkarnation schlecht gemacht habe an meinem
astralischen Leibe. Aber ich bin noch nicht imstande
gewesen, an meinem Ätherleibe so viel zu verderben wie an
dem Astralleibe. Mein Ätherleib ist im Grunde genommen
noch viel göttlicher, noch viel reiner; er zeigt sich mir,
wenn ich die zweiten vierzehn Stufen durchmache. - Und er hatte
das Gefühl: wenn er den Anfechtungen des astralischen
Leibes standgehalten, hat er das Schwerste nach den ersten
vierzehn Stufen überwunden und tritt jetzt ein in die
lichten Sphären seines Ätherleibes, an dessen
Kräften er noch nicht so viel verderben konnte.
Was
der Mensch nun da sah, das bezeichnete man in der
althebräischen Geheimlehre wieder mit drei
Ausdrücken, die wieder außerordentlich schwer
in unseren heutigen Sprachen wiedergegeben werden
können; man bezeichnete sie mit Gedulah, Tiphereth und Ge-
burah. Versuchen wir uns eine Vorstellung von den drei Gebieten
zu machen, die mit diesen drei Ausdrücken bezeichnet
wurden.
Wenn der Mensch das wahrnahm, womit er sich in seinem
Ätherleibe verbindet, dann können wir etwa
sagen: Das erste Wort, Gedulah, wirkte etwa so, daß
man eine Vorstellung bekam von alledem, was im geistigen
Reiche, in der geistigen Welt majestätisch, groß
erscheint, was den Eindruck des Überwältigenden
macht. Dagegen hatte das, was mit Geburah zu bezeichnen ist,
obwohl es mit dem ersten Worte verwandt ist, eine ganz andere
Nuance der Größe, es hatte die Nuance der durch die
Wirkung wieder herabgeminderten Größe. Es ist Geburah
die Nuance der Größe, der Kraft, die sich schon nach
außen kundgibt, um sich zu wehren, um sich als
selbständige Wesenheit nach außen kundzugeben.
Während also mit dem Ausdruck Gedulah verbunden ist
das Wirken durch die innere Gediegenheit, durch die innere
Wesenheit, ist mit dem Ausdruck Geburah ein solches
Wirken verbunden, von dem man sagen kann, daß es
aggressiv ist, sich nach außen hin durch aggressives
Vorgehen kundgibt. Das nun In- sich-Ruhen der Größe,
der Innerlichkeit, die sich zwar nach außen kundgibt, aber
nicht durch aggressives Wesen, sondern dadurch, daß es in
sich zum Ausdruck bringt die geistige Größe, das
wurde mit Tiphereth bezeichnet, das wir nur wiedergeben
könnten, wenn wir kombinierten unsere beiden Begriffe von
Güte und Schönheit. Ein Wesen, das seine
Innerlichkeit so zum Ausdruck bringt, daß sich seine
Innerlichkeit in der äußeren Form ausprägt, das
erscheint uns als schön.
Und
ein Wesen, das seine eigene innere Gediegenheit nach außen
zum Ausdruck bringt, erscheint uns als gut. Aber diese beiden
Begriffe gehören für die althebräische
Geheimlehre zusammen in Tiphereth. - Also die Wesenheiten, die
sich durch diese drei Eigenschaften kundgeben, waren es,
zu denen man eine Beziehung erlangte beim Hinuntersteigen
in den Ätherleib.
Dann kam das Hinabsteigen in den physischen Leib. In dem
physischen Leibe wurde der Mensch sozusagen bekannt mit
den ältesten götdich-geistigen Wesenheiten, die an
ihm gearbeitet haben. Erinnern Sie sich, wie in den Berichten
«Aus der Akasha-Chronik» und in der
«Geheimwissenschaft im Umriß» dargestellt ist,
wie die erste Anlage zum physischen Leibe auf dem alten Saturn
zustande gekommen ist. Hohe, erhabene geistige Wesenheiten sind
es, die Throne, die ihre eigene Willenssubstanz hingeopfert
haben, damit die erste Anlage zum menschlichen physischen Leibe
zustande kommen konnte. Hohe geistige Wesenheiten sind
es, die in der weiteren Entwicklung durch Saturn, Sonne und
Mond hindurch an dieser ersten Anlage mitwirken. Und bei den
Vorträgen in München über das
«Sechstagewerk» habe ich erwähnt, wie diese
erhabenen geistigen Wesenheiten verbunden blieben mit dem
Menschen durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit
hindurch, immer weiter und höher diese erste Anlage des
physischen Menschenleibes organisierten, so daß der
heutige Wunderbau des physischen Leibes zustande gekommen ist,
den der Mensch heute mit den anderen drei Wesensgliedern,
Ätherleib, Astralleib und Ich, bewohnen kann.
Wenn so der Mensch wirklich in sein Inneres hineinsteigen
konnte, nahm er wahr, was in der althebräischen
Geheimlehre so bezeichnet wurde, daß es Eigenschaften hat,
die im Menschen nur vorgestellt werden können, wenn der
Mensch an das denkt, was zum Beispiel das Höchste ist, das
er in seiner Seele erreichen kann an Weisheit. Der Mensch
blickt sozusagen zur Weisheit auf als zu einem Ideal. Er
fühlt sein Wesen gehoben, wenn er es zum Teil
erfüllen kann mit Weisheit. Da wußten diejenigen, die
in den physischen Leib untertauchten, daß sie an Wesen
herankamen, die in ihrer ganzen Substantialität das waren,
wovon der Mensch sich nur ein Kleines, ein Geringes aneignen
kann, wenn er nach der Weisheit strebt, nach der Weisheit, die
man nicht in dem gewöhnlichen äußeren Wissen
erlangt, sondern in demjenigen Wissen, das in schweren
Erlebnissen der Seele erreicht ist, und das man nicht
während einer Inkarnation, sondern durch viele
Inkarnationen, und auch da nur zum Teil, sich aneignet.
Denn nur ein SichUmtun in allen
Weisheitsmöglichkeiten könnte einen Vollbesitz der
Weisheit geben. Wesenheiten, welche sich als Weisheitswesen
kundgaben, bei denen gewaltig hervortretende, lautere
Weisheit die besonders sich kundgebende Eigenschaft war,
sie nahm der Mensch wahr. Und die Eigenschaft solcher
Weisheitswesenheiten bezeichnete man in der althebräischen
Geheimlehre als Chochmah, was man heute nicht ganz unzutreffend
mit Weisheit bezeichnet.
Eine besondere Nuance dieser Weisheitseigenschaft ist wieder
eine gewisse Vergröberung. Das ist das, was auch im
Menschen eine Vergröberung der Weisheit ist. Nur
erlangt es der Mensch auch nur in einem gewissen geringen Grade
in seiner Individualität. Hier aber, beim Hinuntersteigen
in den physischen Leib, findet der Mensch wieder
Wesenheiten, welche diese Eigenschaft, die gegenüber der
Weisheit eine vergröberte Eigenschaft ist und in der
althebräischen Geheimlehre mit Binah bezeichnet
wurde, sogar in ganz hervortretendem Maße haben, so
daß sie als Wesenheiten erscheinen, die ganz und gar
leuchten durch diese Eigenschaft. Das ist das, was man beim
Menschen hervorbringen kann, wenn man ihn an seinen Verstand
erinnert. Verstand erringt ja der Mensch wirklich nur bis
zu einem gewissen geringen Grade. Aber an Wesenheiten,
die ganz durchdrungen sind von dem, was der Verstand erringt,
daran müssen wir denken, wenn das in Betracht kommt, was
mit Binah gemeint ist. Das ist aber eine vergröberte
Nuance von Chochmah. Daher sagt die althebräische
Geheimlehre, wenn sie von der eigentlichen,
schöpferisch produktiven Weisheit sprach, die in sich
selber hervorbringt die Geheimnisse der Welt, wenn sie Chochmah
meint, daß sie zu vergleichen wäre mit einem
Wasserstrahl, während Binah zu vergleichen sei mit einem
Meer. Dadurch sollte die Vergröberung ausgedrückt
werden.
Und
das Höchste, zu dem man sich aufschwingen konnte, wenn man
hinunterstieg in den physischen Leib, wurde als Kether
bezeich net. Man kann kaum einen Ausdruck finden, um
dieses Wort wiederzugeben. Man kann nur symbolisch
hinweisen auf jene Eigenschaft, die sich wie eine Ahnung an die
Eigenschaften hoher, erhabener, geistig-göttlicher
Wesenheiten kundgibt. Man bezeichnet daher diese Eigenschaft
auch durch ein Symbol, durch das der Mensch über sich
selbst erhöht wird und mehr bedeutet, als er eigentlich
bedeuten kann, um die Höhe dieser Eigenschaft
auszudrücken: mit Krone. Übersetzen wir es daher in
dieser Weise.
Binah
|
Chochmah
|
Kether
|
Geburah
|
Tiphereth
|
Gedulah
|
Nezach
|
Jesod
|
Hod
|
Malchuth,
das Reich, Ich
|
So
hätten wir damit eine Staffel der Eigenschaften jener
Wesenheiten aufgeführt, in deren Region der Mensch
hinaufwächst, wenn er hinuntersteigt in sein eigenes
Inneres. Es ist ein Hinaufwachsen. Und eine
Essäereinweihung können Sie sich so vorstellen,
daß der Mensch ganz neue Erfahrungen machte, ganz neue
Erlebnisse hatte, daß er bekannt wurde mit dem, was real
als solche Eigenschaften bezeichnet ist.
Was
aber mußte man von einem Essäereingeweihten und von
der Art der Essäereinweihung ganz besonders sagen im
Gegensatz zu der Einweihung bei den umliegenden
Völkerschaften? Was kam da besonders in
Betracht?
Alle alten Einweihungen waren darauf berechnet, daß gerade
das unterdrückt werden mußte, was der Mensch als sein
Ich-Gefühl hat beim Überschauen von Malchuth, dem
Reich. Das mußte ausgelöscht werden. Daher kann man
sagen: So Mensch sein, wie man außen in der physischen
Welt Mensch ist, konnte man nicht in der Initiation. Man wurde
zwar in die geistige Welt hinaufgeführt, aber man konnte
nicht so Mensch sein wie außen im Reiche. Es
müßte also gerade für die alten Einweihungen ein
dicker Strich gemacht werden zwischen dem, was der Initiierte
erlebt, und der Art, wie er sich in seinem Ich fühlte.
Und
wollte man in einen Satz kleiden, was für die alte
Einweihung vertreten wurde in den alten Geheimschulen, wie es
gegenüber der Öffentlichkeit gelten konnte, so
müßte man sagen: Es darf keiner glauben,
daß er dasselbe Ich-Gefühl behalten darf, welches er
im Reich, in Malchuth hat, wenn er ein Eingeweihter werden
will. Er erlebt ungeheuer großartig, indem er
hinaufwächst, die drei mal drei Eigenschaften in
ihrer Wahrheit; aber er muß sich dessen
entäußern, was sein Ich-Gefühl ist, was erlebt
wird in der äußeren Welt. Was erlebt wird als Nezach,
Jesod, Hod und so weiter, das kann nicht hinuntergetragen
werden in das Reich, das kann nicht verbunden bleiben mit dem
gewöhnlichen Ich-Gefühl des Menschen. - Das war
allgemeine Gesinnung. Und man hätte den für einen
Toren, für einen Irrsinnigen und Lügner ansehen
müssen, der dieser Behauptung in den alten Zeiten
widersprochen hätte.
Es
waren aber die Essäer, welche zuerst lehrten: Es wird
kommen die Zeit, wo alles, was da oben ist, herabgetragen
werden kann, so daß es der Mensch erleben kann trotz der
Aufrechterhaltung des Ich-Gefühles. Das ist das, was
die Griechen dann genannt haben ßaaiXeia rcov
ovQavwv. Das war zuerst Lehre der Essäer, daß
einer kommen werde, der dasjenige, was da oben, was in den
«Reichen der Himmel» ist, heruntertragen werde
für das Ich, das in Malchuth, im Reiche lebt. Und das war
es auch, was zuerst mit gewaltigen Worten seinen Essäern
und einigen seiner Umwelt gelehrt hat jener Jeshu ben Pandira.
Wenn wir seine Lehre mit ein paar markanten Worten
zusammenfassen wollten, wie sie durch seinen Schüler
Mathai für die nächste Zeit weitergetragen
worden ist, so könnte es etwa in folgender Weise
geschehen.
Jeshu ben Pandira sagte zuerst aus seiner Inspiration heraus,
die ihm herkam von dem Nachfolger des Gautama Buddha, von dem
Bodhisattva, der einst der Maitreya Buddha werden wird:
Bisher war es so, daß nicht hinuntergetragen werden
konnten die Reiche der Himmel in das Reich Malchuth, dem das
Ich angehört. Aber wenn erfüllt sein wird die Zeit,
wo die drei mal vierzehn Generationen abgelaufen sein werden,
dann wird herausgeboren werden aus dem Stamme Abrahams,
aus dem Stamme Davids, den wir erleben wollen als den Stamm
Jesse - Jessäer oder Essäer -, einer, der
hinuntertragen wird die neun Eigenschaften der Reiche der
Himmel in das Reich, in dem das Ich anwesend ist. - Und
was so gelehrt worden ist, hat herbeigeführt, daß man
den Jeshu ben Pandira als Gotteslästerer gesteinigt hat,
weil eine solche Lehre als die ärgste Lästerung der
Einweihung galt bei denen, die nicht aufkommen lassen wollten
und nicht einsehen wollten, daß etwas, was einmal für
eine Periode richtig ist, nicht mehr für eine andere
richtig zu sein braucht, weil die Menschheit
vorwärtsschreitet.
Dann kam die Zeit, wo erfüllt wurde, was vorher gesagt
worden ist, wo wirklich die drei mal vierzehn Generationen voll
waren, wo wirklich herausentstehen konnte aus dem Blut
des Volkes jene Leiblichkeit, in die sich Zarathustra
inkarnieren konnte, damit er sie, nachdem er sie noch
ausgebildet hatte mit den Werkzeugen, die im Leibe des
nathanischen Jesusknaben waren, hinopfern konnte dem
Christus. Da war die Zeit gekommen, von welcher der
Vorläufer des Christus sagen konnte, jetzt komme die Zeit,
wo die «Reiche der Himmel» herankommen werden
an das Ich, das im äußeren Reiche, in Malchuth
lebt.
Und
jetzt werden wir begreifen, was der Christus, nachdem er die
Versuchung durchgemacht hatte, sich zunächst als Aufgabe
zu stellen hatte. Er hatte die Versuchung durchgemacht durch
die Kraft des eigenen Innenwesens, durch das, was wir
heute beim Menschen sein Ich nennen. Er hatte erreicht,
daß er alle Anfechtungen und Versuchungen überwunden
hatte, die dem Menschen entgegenkommen, wenn er
hinuntersteigt in den astralischen Leib, Ätherleib
und physischen Leib. Das ist auch deutlich dargestellt. Alle
Egoismen sind dargestellt, und zwar so, daß wir
überall auf den höchsten Grad bei ihnen aufmerksam
gemacht werden.
Was
dem Menschen, der eine esoterische Entwickelung anstrebt, als
ein schweres Hindernis entgegentritt, das ist, daß - wie
es ganz natürlich ist beim Hinuntertauchen in das
eigene Innere - in seiner Wesenheit die Unart auftaucht,
sich nur immer so recht mit seiner eigenen lieben
Persönlichkeit zu beschäftigen. In der Tat trifft man
das niemals häufiger als gerade bei denen, die in die
geistige Welt hineinsteigen wollen, daß sie am
allerliebsten von ihrer eigenen lieben
Persönlichkeit reden, die ihnen das Allerliebste
ist, worauf sie fortwährend, in jeder Stunde und Minute
achtgeben und alles minuziös beobachten. Während
sonst die Menschen resolut darauflosleben, beginnen sie, wenn
sie anfangen, nicht nur eine Entwickelung anzustreben, sondern
wenn sie auch nur Anthroposophen werden, ungeheuer stark sich
mit ihrem eigenen Ich zu beschäftigen; dann tauchen
überall Illusionen auf, über welche die Resolutheit
des Lebens die Menschen vorher leicht hinweggeführt
hat.
Warum geschieht das? Weil der Mensch nicht so recht etwas mit
sich anzufangen weiß, wenn alles, was da aus seinem
eigenen Inneren aufsteigt, sich mit seinem Wesen
verbindet. Er weiß damit nichts anzufangen, wird
recht unerfahren über sich selbst. Früher war er
aufmerksam und ließ sich leicht anziehen durch das
Äußere. Jetzt wird er mehr abgelenkt, mehr in sein
Inneres gelenkt, und jetzt steigt auf allerlei an
Gefühlen, die in ihm selbst saßen. Warum taucht das
auf? Was er jetzt möchte, das ist, so recht
«Ich» sein, so recht unabhängig sein von der
Außenwelt. Allerdings verfällt er dann oft in den
Fehler, daß er im Anfang am liebsten oft wie ein Kind
behandelt sein möchte, dem man alles klar sagt, was es tun
soll. Er möchte alles sein - nur nicht ein Mensch, der
sich selbst Richtung und Ziel gibt aus dem, was er aus dem
esoterischen Leben bekommt. Das ist er noch nicht gewohnt zu
bedenken. Aber er hat das Gefühl, daß ihn störe
die Abhängigkeit von der Außenwelt. Und am
höchsten treten die Störungen gerade auf, wenn man so
recht unabhängig sein will, wenn man auf seine
Egoität so recht achtgeben muß. Aber wenn man der
Egoität so recht nachgehen will, dann ist es
höchst trivial, daß man dann von der Umwelt leiblich
durch eines nicht loskommen kann, nämlich durch den
Umstand, daß die Menschen essen müssen! Das ist
zwar höchst trivial, aber es ist doch für viele ein
fataler Umstand. Man kann daran lernen, wie wenig wir sind ohne
unsere Umwelt. Und es ist ein sehr berechtigtes Beispiel
dafür, daß wir abhängig sind von unserer Umwelt,
ohne die wir nicht leben können, und so recht sind wie der
Finger an der Hand: wenn wir ihn abschneiden, da verdorrt er
auch. Also eine ganz triviale Anschauung kann uns zeigen, wie
wir abhängig sind von der Umwelt.
Wenn diese Egoität aufs höchste gespannt wird, kann
sie sich umwandeln in den Wunsch: Wenn ich doch nur
unabhängig werden könnte von der Umwelt und
fähig würde, dasjenige, was mich so sehr meine
Abhängigkeit von der Umwelt fühlen läßt,
was ich als gewöhnlicher Mensch im physischen Leben
nötig habe, mir selber herzuzaubern! Das ist
tatsächlich ein Wunsch, der bei denen auftreten kann,
welche die Einweihung suchen. Geradezu ein Haß kann
auftreten, daß man abhängig ist von der Umgebung und
sich nicht zaubern kann die Nahrungsmittel, daß man nicht
einfach schaffen kann, daß sie da sind. Es sieht so
sonderbar aus, wenn man es sagt, weil paradox gerade
diejenigen Wünsche beim Menschen ausschauen, die im
kleinen wirklich bald auftreten, wenn er eine Entwickelung
sucht, die aber so absurd sind, wenn man sie im Extrem
darstellt. Der Mensch weiß gar nicht, daß er sie im
kleinen hat. So stark hat sie freilich kein Mensch - weil er zu
sehr an äußeren Gewohnheiten hängt daß er
sich der Illusion hingibt zu sagen, er könnte sich
Lebensmittel durch Zauberei schaffen, er könnte leben
durch etwas, was nicht aus dem äußeren Reiche, aus
Malchuth genommen ist. Aber ins Extrem getrieben, würde es
so sein, daß der Mensch glauben könnte: Wenn ich es
nur einmal so weit gebracht hätte, in meinem
astralischen Leibe und Ich so recht zu leben, daß ich auf
meinen eigenen Wünschen stünde, dann brauchte ich die
ganze Umwelt nicht mehr!
Diese Versuchung tritt auf. Und bei demjenigen, der sie am
höchsten durchzumachen hatte, wird sie so
charakterisiert, daß der Versucher, der dem Christus
Jesus entgegentritt, ihm sagt, er solle die Steine zu Brot
machen. Da haben Sie den höchsten Grad der
Versuchung. Es ist in der Tat das Hinuntersteigen in das
eigene Innere in der Versuchungsgeschichte in wunderbarer Weise
im Matthäus-Evangelium geschildert (Matth. 4,
1-11).
Nun, der zweite Grad tritt auf, nachdem man in seinen
astralischen Leib schon eingetaucht ist und sich wirklich
gegenübergestellt sieht all diesen Emotionen und
Leidenschaften, die einen so recht zu einem paradoxen Egoisten
machen könnten. Wenn man sich dem
gegenübergestellt fühlt, so möchte man
doch - ohne daß man es überwindet, ohne daß man
sich dagegen feit - sich hinunterstürzen in den
Ätherleib und physischen Leib. Das ist in der Tat eine
Situation, die als ein Hinunterstürzen in den
Abgrund geschildert werden kann. So ist sie auch im
Matthäus-Evangelium geschildert: wie ein
Hinunterstürzen in das, woran man bis jetzt nicht viel hat
verderben können, in den Ätherleib und physischen
Leib. Aber man sollte es nicht vor dem Überwinden der
Leidenschaften und Emotionen haben. Die Christus-Wesenheit
weiß das, und sie entgegnet dem Versucher, indem sie das
sich Entgegenstellende durch die eigene Kraft
überwindet: «Du sollst die Wesenheit, der du dich
übergeben sollst, nicht selbst versuchen!» (Matth. 4,
7).
Und
die dritte Stufe beim Hinuntersteigen in den physischen Leib
ist folgende. Wenn dieses Hinuntersteigen auftritt als
Versuchung, dann charakterisiert es sich in besonderer Weise.
Es ist ein Erlebnis, das in der Tat der Mensch haben kann bei
der Einweihung, ein Erlebnis, das jeder haben muß, wenn er
die Stufe erreicht beim Hinuntersteigen in den physischen Leib
und Ätherleib, daß er sich sozusagen von innen sieht.
Da sieht er alles, was in den drei höchsten Eigenschaften
ist. Das ist ihm wie eine Welt. Aber zunächst ist es eine
Welt, die nur in seiner eigenen Illusion ist, eine Welt, die er
nicht als innere Wahrheit sehen kann, wenn er nicht die
Hülle des physischen Leibes durchdringt und zu den
geistigen Wesenheiten selber aufsteigt, die nicht mehr selbst
im physischen Leibe sind, sondern die nur in ihm arbeiten. Wenn
wir nicht loskommen von der Egoität, dann ist es noch
immer der Versucher der physischen Welt, Luzifer oder
Diabolus, der uns über uns selbst täuschen will. Dann
verspricht er uns alles, was uns entgegentritt, was aber
nichts anderes ist als das Geschöpf unserer eigenen Maja,
unserer eigenen Illusion. Wenn uns dieser Geist der
Egoität nicht entläßt, dann sehen wir eine ganze
Welt, aber eine Welt der Täuschung und Lüge;
und er verspricht uns diese Welt. Aber wir dürfen nicht
glauben, daß es eine Welt der Wahrheit ist. Wir kommen
zunächst in diese Welt; aber wir bleiben in Maja,
wenn wir nicht wieder von dieser Welt loskommen.
Diese drei Stufen der Versuchung lebt wie in einem Modell, wie
in einem Muster, die Christus-Wesenheit der Menschheit vor. Und
indem es einmal erlebt wird außerhalb der alten
Mysterienstätten, erlebt wird durch die Kraft einer
Wesenheit, die in den drei menschlichen Leibern selber lebt,
wird der Impuls gegeben, damit die Menschheit in der
Zukunft selber im Fortlauf der Entwickelung so etwas
erreichen kann: daß der Mensch mit dem Ich, mit dem er in
Malchuth, in dem Reiche sein kann, auch in die geistige Welt
hinaufsteigen kann. Das sollte erreicht werden, daß
das, was die zwei Welten trennt, nicht mehr besteht, und
daß der Mensch mit dem Ich, das in Malchuth lebt, in die
geistigen Welten hinaufsteigen kann. Das war für die
Menschheit erreicht durch die Überwindung der Versuchung,
wie sie im Matthäus-Evangelium geschildert wird. Das war
erreicht, daß nun in einer Wesenheit, die auf der Erde
lebte, das Musterbild da war von dem Hinauftragen des Ich
für das Reich in die höheren Reiche und höheren
Welten.
Was
mußte also die Errungenschaft dessen sein, was die
ChristusWesenheit sozusagen vorgelebt hat in einer
äußeren historischen Form, was sich sonst nur hinter
dem Schleier der Mysterien abgespielt hat? Das mußte sein
die Predigt von dem Reiche. Und wenn das
MatthäusEvangelium sachgemäß zunächst
die Versuchung schildert, wird es nach der Versuchung schildern
die Phase von dem Hinauftragen des Ich, das in sich selbst die
geistige Welt erleben kann und nicht erst dazu aus sich
herauszuschreiten braucht. Das Geheimnis von diesem Ich, das
nach dem Muster, wie man lebt im äußeren Reich,
hinaufsteigt in die geistige Welt, dieses Geheimnis sollte nun
in der äußeren Welt durch die Christus-Wesenheit in
denjenigen Zeiten enthüllt werden, die uns charakterisiert
werden, nachdem uns die Versuchungsgeschichte im
Matthäus-Evangelium gezeigt worden ist. Da setzen jene
Kapitel ein, die mit der Bergpredigt beginnen und damit die
Darstellung dessen, was der Christus gab als die
Anschauung von dem Reich, von Malchuth (Matth. 5-7).
So
tief ist dasjenige, was Sie im Matthäus-Evangelium suchen
müssen. Sie müssen tatsächlich die Quellen
und Elemente für das MatthäusEvangelium suchen
in der Geheimlehre nicht nur der Essäer, sondern
überhaupt in der ganzen althebräischen und
griechischen Welt. Dann bekommen wir auch für eine solche
Urkunde jene heilige Ehrfurcht, jenen heiligen Respekt,
von dem schon in München gesprochen worden ist,
daß man sie bekommt, wenn man, ausgerüstet mit den
Forschungsergebnissen der Geisteswissenschaft, herantritt an
diese Urkunden, welche die Seher uns gegeben haben. Wenn wir
hören, daß so etwas gesagt wird von den alten Sehern,
dann fühlen wir, wie sie herübersprechen zu uns aus
den alten Zeiten. Und es ist wie ein Herüberdringen einer
Geistessprache, welche die großen
Individualitäten durch die Jahrhunderte miteinander
führen, so daß die Menschen zuhören
können, die zuhören wollen. Allerdings nur jene
Menschen, welche das - auch evangelische - Wort
verstehen: «Wer Ohren hat zu hören, der
höre!» (Matth. 11, 15). Aber wie einst vieles dazu
gehört hat, daß die physischen Ohren in uns
entstanden sind, so gehört manches dazu, daß die
geistigen Ohren entstehen, durch die wir verstehen, was
in jenen großen, gewaltigen geistigen Urkunden gesagt
wird.
Dazu soll ja unsere neuere Geisteswissenschaft da sein,
daß wir wieder lesen lernen die geistigen Urkunden.
Und erst wenn wir so ausgerüstet sind mit dem
Verständnis für das Ich, für das Wesen des Ich
im Reiche, dann werden wir verstehen können jenes Kapitel,
das im Matthäus-Evangelium beginnt mit den Worten:«
Selig sind die, die da Bettler sind um Geist; denn sie werden
durch sich selbst, durch ihr eigenes Ich, finden die Reiche der
Himmel!» (Matth. 5, 3). Ein alter Eingeweihter hätte
gesagt: Vergeblich hättet ihr im eigenen Ich gesucht
die Reiche der Himmel! - Der Christus Jesus aber sagte: Die
Zeit ist gekommen, daß die Menschen im eigenen Ich den
Geist finden werden, wenn sie suchen werden die Reiche der
Himmel!
Die
Herausführung tiefer Mysteriengeheimnisse in die
äußere Welt, das ist das historische
Christus-Ereignis. Und in diesem Sinne werden wir das
historische Christus-Ereignis noch näher zu betrachten
haben. Sie werden dann sehen, wie die Worte zu deuten sind, die
in der Bergpredigt mit« Selig sind ...»
beginnen.
|