NEUNTER VORTRAG
Ilkley, 13. August 1923
Daß man, wenn das Kind in das schulpflichtige Alter kommt,
also beim Übergang zum Zahnwechsel, mit einem
künstlerisch-bildnerischen Unterrichten und Erziehen
das Richtige trifft, habe ich in den letzten Vorträgen
auseinandergesetzt. Ich will heute nur noch zu den dort
gemachten prinzipiellen Bemerkungen einige ergänzend
hinzufügen, um namentlich zu zeigen, wie durch einen
solchen Unterricht, wie er vorgestern charakterisiert worden
ist, gerade das Gefühl, das Gemütsleben des Kindes in
Anspruch genommen wird, so daß man durch einen solchen
Unterricht vor allen Dingen auf das Gefühlsleben des
Kindes wirkt und alles aus dem Gefühlsleben heraus
entwickelt.
Vergegenwärtigen wir uns einmal durch einige
charakteristische Beispiele, wie man aus dem Malerischen,
aus dem Künstlerisch-Zeichnerischen das Schreiben
heraus entwickeln kann. Ich habe schon gesagt, daß das
Schreiben bei einem organisch-naturgemäßen
Unterrichte vorangehen müsse dem Lesenlernen aus dem
Grunde, weil das Schreiben mehr von dem ganzen Menschen in
Anspruch nimmt als das Lesen.
Das
Schreiben wird ausgeübt in einer Bewegung eines Organes,
zu dem sich aber im Grunde genommen der ganze Mensch anschicken
muß. Das Lesen nimmt nur den Kopf, den Intellekt in
Anspruch, und man soll bei einem organischen Unterricht immer
aus dem ganzen Menschen heraus dasjenige holen, was zu
entwickeln ist. Man nehme also an, man habe die Kinder dahin
gebracht, eine Anschauung zu gewinnen von fließendem
Wasser. Fließendes Wasser hat das Kind nun gelernt ins
Bild zu bringen. Wir nehmen an, wir seien so weit
gekommen, daß wir dem Kinde etwas beigebracht haben
von der Verbildlichung des fließenden Wassers, das
Wellen wirft (es wird farbig gezeichnet). Wir wollen
darauf hinarbeiten, daß das Kind nun achten lernt auf den
Anfangslaut, den Anfangsbuchstaben des Wortes
«Welle». Wir versuchen gerade das Anlauten, das
Aussprechen des Anfangsbuchstabens charakteristischer
Worte ins Auge zu fassen. Wir bringen dem Kinde bei, wie
gewissermaßen an der Oberfläche des wellen
werfenden Wassers sich diese Linie ergibt. Und wir bringen das
Kind herüber vom Ziehen dieser Linie, den Wellen des
fließenden Wassers entlang, zum zeichnerischen Formen
dessen, was sich daraus ergibt: W.
Und
man hat das Kind auf diese Weise dazu gebracht, daß es
beginnt, aus dem Bilde heraus das W dem Spiel, der Linie der
Welle nach schriftlich zu fixieren. — So holt man aus der
Anschauung desjenigen, was das Kind ins Bild bringt, den zu
schreibenden Buchstaben heraus.
Oder sagen wir, man bringt das Kind dahin, daß es etwa
folgende Zeichnung macht, daß es den menschlichen Mund in
dieser Weise zur Aufzeichnung bringt. Man hält es an,
diesen Zug des Mundes festzuhalten und herauszuheben, und
läßt es von da an herüberkommen zu
dem
Verspüren des Anfangsbuchstabens des Wortes
«Mund». — Ich habe bereits in einer Abendstunde
angedeutet, wie man nun das Kind dazu bringen kann, einen Fisch
aufzuzeichnen. Man bringt das Kind nun dahin, die Grundform
festzuhalten und läßt es von da aus zum Erfühlen
des Anfangslautes des Wortes kommen: «Fisch». Man
wird auf diese Weise eine Anzahl von Buchstaben gewinnen
können; andere
wird man auf eine andere Weise aus dem Zeichnerischen
hervorholen müssen. Sagen wir zum Beispiel, man
bringt dem Kinde auf irgendeine anschauliche Weise bei, wie der
dahinbrausende Wind sich bewegt. Bei kleinen Kindern wird dies
besser sein als eine andere Art; die Dinge können
natürlich in der verschiedensten Weise gemacht
werden. Man bringt dem Kinde das Hinstürmen des
Windes bei. Nun läßt man das Kind das Sausen des
Windes nachmachen und bekommt
auf
diese Weise diese Form. Kurz, es ist möglich dadurch,
daß man in dem Malerischen entweder scharf konturierte
Gegenstände oder Bewegungen oder auch
Tätigkeiten festzuhalten versucht, auf diese Weise fast
alle Konsonanten zu entwickeln.
Bei
den Vokalen wird man zu der Gebärde gehen müssen,
denn die Vokale entstammen der Offenbarung des menschlichen
Inneren. Im Grunde genommen ist das A zum Beispiel immer eine
Art von Verwunderung und Staunen.
Da
wird einem dann die Eurythmie besonders helfen. Denn in der
Eurythmie sind genau die dem Empfinden entsprechenden
Gebärden gegeben. Und man wird das I, das A und so weiter
aus den entsprechenden Eurythmiegebärden durchaus
herausentwickeln können. Vokale müssen aus den
Gebärden, die ja aus der menschlichen Lebendigkeit
die Gefühle begleiten, herausentwickelt werden.
So
kann man zu der Abstraktheit des Schreibens hingelangen aus dem
ganz Konkreten des zeichnerischen Malens, des malenden
Zeichnens, und man erlangt dadurch eben, daß das
Kind immer von einem Gefühl im Bilde ausgegangen ist und
den Buchstaben mit dem Seelisehen des Gefühles in
Verbindung hat bringen können, so daß das ganze
Prinzip des Schreibens aus dem Gefühlsleben der
menschlichen Seele hervorgeht.
Geht man dann über zum Lesen, so hat man ja im Grunde
genommen nichts anderes zu tun, als darauf hinzuwirken,
daß das Kind dasjenige durch den Kopf wiedererkennt, was
es durch den ganzen Körper erarbeiten gelernt hat. So
daß das Lesen ein Wiedererkennen einer Tätigkeit ist,
die man selbst ausgeführt hat. Das ist von einer
ungeheuren Wichtigkeit. Es verdirbt die ganze menschliche
Entwickelung, wenn der Mensch zu einem Abstrakten direkt
geführt wird, wenn er irgendeine Tätigkeit durch
einen Begriff ausführen lernt. Dagegen führt es
immer zu einer gesunden menschlichen Entwickelung, wenn zuerst
die Tätigkeit angeregt wird und dann aus der
Tätigkeit heraus der Begriff entwickelt wird.
Das
Lesen ist durchaus in Begriffen lebend; daher hat man es als
das zweite, nicht als das erste zu entwickeln. Sonst bringt man
das Kind viel zu früh in eine Art von Kopfentwickelung
hinein statt in eine vollmenschliche Entwickelung.
So
sehen Sie ja, wie aller Unterricht im Grunde genommen in die
Sphäre des ganzen Menschen, in die Sphäre des
Künstlerischen dadurch gelenkt werden kann. Und dahin
muß auch aller übrige Unterricht bis etwa zum
Lebensalter von neuneinhalb Jahren zielen. Da muß alles
auf das Bild, auf den Rhythmus, auf den Takt gehen. Alles
andere ist verfrüht.
Daher ist es auch völlig unmöglich, einem Kinde
irgendwie schon etwas vor diesem Lebensalter beizubringen, das
einen starken Unterschied macht zwischen dem Menschen
selber und zwischen der Außenweit. Das Kind lernt
sich selber von der Außenwelt erst zwischen dem neunten
und zehnten Jahr unterscheiden. Daher handelt es sich darum,
daß man alle Außendinge für das Kind, wenn es in
die Schule hereinkommt, in eine Art lebendiger Wesen
verwandelt, daß man nicht von Pflanzen spricht, sondern
daß man spricht von den Pflanzen als lebenden Wesen,
die einem selber etwas sagen, die einander etwas sagen,
daß alle Naturbetrachtung, alle Menschheitsbetrachtung im
Grunde genommen in Phantasie gegossen wird. Die Pflanzen
sprechen, die Bäume sprechen, die Wolken sprechen. Und das
Kind darf eigentlich in diesem Lebensalter einen Unterschied
zwischen sich und der Welt gar nicht fühlen. Es muß
in ihm künstlerisch das Gefühl erzeugt werden,
daß es selber sprechen kann, daß die Gegenstände
um es herum auch sprechen können.
Je
mehr wir dieses Aufgehen des Kindes in der ganzen Umgebung
erreichen, je mehr wir in der Lage sind, von allem, von
Pflanze, Tier, Stein so zu reden, daß überall
darinnen ein Sprechend-Webend-Geistiges an das Kind heranweht,
desto mehr kommen wir dem entgegen, was das Kind in diesem
Lebensalter aus dem Inneren seines Wesens heraus eigentlich von
uns fordert, und wir erziehen dann das Kind in der Art,
daß gerade in den Jahren, in denen das Gefühlsleben
übergehen soll in Atmung und Blutkreislauf, in die
Bildung der Gefäße, übergehen soll in den ganzen
menschlichen Organismus, tatsächlich auch das
Gefühlsleben für unsere Zeit richtig angesprochen
wird, so daß das Kind in naturgemäßer Weise sich
auch innerlich organisch gefühlsmäßig stark
entwickelt.
Es
ist eine ungeheure Wohltat, wenn wir so
gefühlsmäßig das Schreiben entwickeln und dann
leise nur den Intellekt anklingen lassen, indem wir das
Geschriebene wiedererkennen lassen im Lesen. Da klingt leise
der Intellekt an. Wir führen so das Kind am besten gegen
das neunte Lebensjahr heran.
So
daß wir sagen müssen: zwischen dem siebenten und
neunten oder neuneinhalbten Lebensjahr ist vor allen Dingen
aller Unterricht so zu geben, daß er an das
Gefühlsleben appelliert, daß das Kind wirklich alle
Formen der Buchstaben in das Gefühl hineinbekommt.
Man
tut damit ungeheuer Bedeutsames für das Leben des Kindes.
Denn es verfestigt das Kind zu stark, macht es
gewissermaßen zu stark in seinem Knochen- und Sehnen- und
Knorpelsystem gegenüber dem übrigen Organismus, wenn
wir ihm das Schreiben mechanisch beibringen, wenn wir ihm eine
gewisse Linienführung für die Buchstaben
beibringen, um dadurch an den Körpermechanismus zu
appellieren, statt an das Auge mitzuappellieren.
Wenn man an das Auge mitappelliert, das in Verbindung steht mit
der sich bewegenden Hand, dadurch daß man aus dem
Künstlerischen die Buchstaben herausarbeitet, wird der
Buchstabe nicht bloß mechanisch durch eine
Handführung erzeugt, sondern er wird so erzeugt, daß
das Auge mit Wohlgefallen auf dem Ergebnis der eigenen
Tätigkeit ruht. Dadurch wird eben das Seelische in
der richtigen Weise für den Menschen in Anspruch genommen;
dadurch wird in der richtigen Weise in dem Lebensalter das
Gefühlsleben entwickelt, in dem es gerade am
allerbesten in den physischen Organismus gesundend
hineinströmen kann.
Was
würden Sie sagen, meine sehr verehrten Anwesenden, wenn
jemand, dem ein Fisch auf den Teller gelegt worden ist,
sorgfältig das Fischfleisch weglegen würde, sich die
Gräten aussondern und diese verzehren würde!
Sie würden wohl wahrscheinlich eine furchtbare Angst
bekommen, daß ein solcher Mensch an den Fischgräten
ersticken könnte. Außerdem würde er diese
Fischgräten nicht in der richtigen Weise seinem Organismus
einverleiben können.
Aber so ist es, ganz genau so, nur auf einem anderen Niveau,
auf dem Niveau der seelischen Unterweisung, wenn wir einem
Kinde statt der lebensvollen Bilder, statt desjenigen, was den
ganzen Menschen beansprucht, trockene, abstrakte,
nüchterne Begriffe beibringen. Diese trockenen,
abstrakten, nüchternen Begriffe müssen bloß da
sein, damit sie gewissermaßen stützen, was bildhaft
in der menschlichen Seele wird.
Nun
richten wir tatsächlich, wenn wir so erziehen, wie ich es
eben angeführt habe, dadurch, daß wir alles aus dem
Bildhaften heraus entwickeln, das Kind so zurecht,
daß es in die Lage kommt, immer bewegliche Begriffe zu
haben, nicht starre Begriffe. Und dadurch werden wir bemerken
können, daß, wenn das Kind das neunte oder
neuneinhalbte Lebensjahr überschritten hat, es nun in
schön organischer Weise hineingeführt werden kann in
das Begreifen der Welt, wobei es sich selber schon von den
Dingen und Ereignissen der Welt unterscheiden muß.
Wir können dem Kind, nachdem wir ihm von den Pflanzen wie
von sprechenden Wesen genügend lange erzählt haben,
so daß es in Bildern gelebt hat, indem es auf die
Pflanzenwelt hinschaute, wir können ihm dann
dasjenige beibringen, was der Mensch am allerbesten von der
Pflanzenwelt lernt, wenn er damit anfängt zwischen dem
neunten und zehnten Jahre und allmählich im zehnten,
elften Jahre dazu geführt wird.
Da
ist wiederum gerade der menschliche Organismus dazu bereit, mit
der Pflanzenwelt sich innerlich ideenhaft auseinanderzusetzen.
Allerdings muß die Pflanzenkunde eine ganz andere Form
annehmen für einen lebendigen, die Menschenentwickelung
wirklich fördernden Kindesunterricht als dasjenige, was
wir heute oftmals als Pflanzenkünde in die Schule
hineintragen, weil wir es selber als Pflanzenkunde gelernt
haben. Es hat gar keine Bedeutung für das Menschenleben
seiner Wirklichkeit nach, höchstens eine
konventionelle, ob man vorgelegt bekommen hat diese
Pflanzen und jene Pflanzen und so weiter und einem dann Namen
und Staubgefäßezahl, Farbe der Blumenblätter
für diese Pflanzen beigebracht worden sind.
Alles, was auf diese Weise an das Kind herangebracht wird,
bleibt dem Kinde fremd. Das Kind fühlt nur den Zwang, das
erlernen zu müssen. Und derjenige, der auf diese Weise
Pflanzenkunde im zehnten, elften Jahre an das Kind
heranbringt, weiß eigentlich nichts von dem wirklichen
Naturzusammenhange. Eine Pflanze für sich
abgesondert zu betrachten, sie in die Botanisiertrommel
einzupacken und dann zu Hause herauszulegen und für sich
abgesondert zu betrachten, das heißt nichts anderes, als
ein Haar sich auszupfen und dieses Haar auf ein Papier legen
und das Haar für sich betrachten. Das Haar für sich
ist nichts, das Haar für sich kann nicht entstehen, das
Haar für sich hat keine Bedeutung — es hat nur eine
Bedeutung, indem es lebendig am Kopfe des Menschen oder auf der
Haut des Tieres wächst. Es hat nur einen lebendigen Sinn
in seinem Zusammenhange. So aber hat auch die Pflanze nur einen
lebendigen Sinn im Zusammenhange mit der Erde und mit den
Sonnenkräften und — wie ich gleich nachher
auseinandersetzen werde — mit noch anderen
Kräften. So daß wir niemals eine Pflanze für das
kindliche Alter anders betrachten sollen als im Zusammenhange
mit der Erde und im Zusammenhange mit den
Sonnenkräften.
Ich
kann hier nur skizzieren, was man in einer anschaulichen,
bildlichen Weise in einer Anzahl von Stunden dem Kinde
beibringen kann. Da muß es sich darum handeln, dem Kinde
das Folgende beizubringen: Hier ist die Erde (siehe
Zeichnung). Mit der Erde in inniger
Verbindung, zur Erde gehörig, ist die Wurzel der Pflanze.
Niemals sollte eine andere Vorstellung erweckt werden als die
einzig lebendige, daß Erde und Wurzel
zusammengehören. Und dann sollte niemals eine andere
Vorstellung erweckt werden als diese, daß die Blüte
von der Sonne und ihren Strahlen an der Pflanze hervorgerufen
wird. So wird das Kind lebendig ins Weltenall
hineinversetzt.
Wer
als Lehrer innere Lebendigkeit genug hat, der kann dieses
lebendig in das Weltenall Hineinversetztsein der Pflanze
durchaus gerade in diesem Lebensalter, von dem ich jetzt
spreche, am besten an das Kind heranbringen. Er kann in dem
Kinde zunächst förmlich das Gefühl hervorrufen,
wie die Erde mit ihren Stoffen die Wurzel durchdringt,
wie die Wurzel sich der Erde entringt, und wie dann, wenn die
Wurzel nach oben den Sproß getrieben hat, der Sproß
von der Erde geboren wird, wie von der Sonne Licht und
Wärme zum Blatt und zur Blüte entfaltet wird, wie die
Sonne die Blüte sich heranerzieht, wie die Erde die Wurzel
in Anspruch nimmt.
Dann macht man das Kind in lebendiger Art darauf aufmerksam,
wie eine feuchtliche Erde, eine Erde, die also innerlich
wässerig ist, in anderer Weise auf die Wurzel wirkt als
eine trockene Erde; wie durch eine trockene Erde die Wurzel
verkümmert wird, durch eine wässerige Erde die Wurzel
selber saftig und lebensvoll gemacht wird.
Man
macht das Kind darauf aufmerksam, wie die senkrecht auf die
Erde auffallenden Sonnenstrahlen die gelben
Löwenzahnblüten aus der Pflanze herausholen oder die
Blüten der Ranunkeln oder dergleichen, oder auch die
Rosenblüten; wie aber der schief einfallende
Sonnenstrahl, der über die Pflanzen
gewissermaßen hinwegstreicht, die dunkle, violette
Herbstzeitlose hervorruft. Und man bringt so überall in
lebendigen Zusammenhang die Wurzel mit der Erde, Blatt
und Blüte mit der Sonne.
Und
dann wird man auch, wenn man in dieser Weise lebendig das
Ideenbild des Kindes in den Kosmos hineinstellt, ihm beibringen
können, wie sich wiederum oben das ganze
Pflanzenwachstum zum Fruchtknoten zusammenzieht, wie
daraus die neue Pflanze wird.
Und
jetzt wird man — ich darf da schon die Zukunft etwas
vorausnehmen — einmal eine Wahrheit, ganz
zugerichtet für das kindliche Lebensalter, entwickeln
müssen, die auszusprechen man sich heute im
öffentlichen Leben eigentlich noch etwas genieren
muß, weil es als ein Aberglaube, als eine Phantasterei,
als etwas mystisch Nebuloses angesehen wird. Aber
geradeso wie die Sonne herausholt die Blüte in ihrer
Farbigkeit, so holen die Mondenkräfte den wiederum sich
zusammenziehenden Fruchtknoten aus der Pflanze heraus.
Die Mondenkraft ist es, die den Fruchtknoten aus der
Pflanze wiederum herausholt.
Und
so stellt man die Pflanze lebendig hinein in Erdenwirkung,
Sonnenwirkung, Mondenwirkung. Nur, die Mondenwirkung muß
man heute noch weglassen; denn wenn die Kinder dann nach Hause
kommen würden und würden erzählen,
daß sie gelernt haben, der Fruchtknoten hätte
etwas mit dem Mond zu tun, so würde vielleicht —
selbst wenn die Eltern schon geneigt wären, bei den
Kindern das entgegenzunehmen wenn gerade ein
Naturforscher als Besuch da wäre, dieser sofort die
Möglichkeit haben, die Eltern zu veranlassen, das Kind
doch ja aus dieser Schule gleich wegzunehmen! Also damit
muß man heute noch zurückhalten, wie man
überhaupt in bezug auf wichtige Dinge
selbstverständlich heute, unserer ganz
veräußerlichten Zivilisation Rechnung tragend,
mit manchem zurückhalten muß. Aber ich möchte
gerade in dieser radikalen Weise zeigen, wie man die
lebendigen Begriffe entwickeln muß, die nun nicht
aus irgend etwas, was im Grunde genommen für sich gar
nicht existiert, herausgeholt sind — denn die Pflanze
existiert für sich nicht, ohne Sonne, ohne Erde ist sie
nichts sondern wie man diesen Begriff von der wahren
Wirklichkeit nehmen muß. Darum handelt es sich.
Nun
muß man dem Kinde beibringen — und da wird man schon
eher so vorgehen können —, wie, wenn hier die Erde
ist (siehe Zeichnung), die Erde nun etwas aus
wächst, einen Hügel erzeugt. Aber der Hügel, der
wird von den Kräften der Luft und schon von den
Kräften der Sonne durchsetzt. Er bleibt nicht mehr Erde.
Er wird etwas, was zwischen dem saftigen Pflanzenblatt und auch
schließlich der Pflanzenwurzel und der trockenen Erde
mitten drinnen steht: er
wird Baumstamm. Und auf der also ausgewachsenen Pflanze wachsen
nun erst die einzelnen Pflanzen, die die Äste des Baumes
sind. So daß man kennenlernt, wie eigentlich der Baumstamm
eine aufsprossende Erde ist.
Man
bekommt dadurch nun auch den Begriff davon, wie innig
verwandt dasjenige, was ins Holz übergeht, mit dem
eigentlichen Erdreiche ist. Und damit das Kind das recht
gut begreift, weist man es hin, wie das Holz vermodert, immer
erdiger und erdiger wird und schließlich in Staub
auseinanderfällt, schon ganz ähnlich der Erde ist,
und wie im Grunde genommen aller Erdensand, alles Erdengestein
auf diese Weise aus dem, was eigentlich hat Pflanze werden
sollen, hervorgegangen ist, wie die Erde im Grunde genommen
eine große Pflanze ist, ein Riesenbaum, und alle einzelnen
Pflanzen als Äste darauf wachsen. Man bekommt nun
für das Kind den möglichen Begriff, daß die Erde
eigentlich im ganzen ein lebendes Wesen ist, und daß die
Pflanzen zur Erde hinzugehören.
Das
ist außerordentlich bedeutsam, daß das Kind in dieser
Weise nicht den vertrackten Begriff unserer Geologie und
Geognosie bekommt, als ob die Erde nur aus Gestein
bestehen würde, und nur die Gesteinskräfte zur Erde
gehörten, während doch die
Pflanzenwachstumskräfte geradeso zur Erde
gehören wie die Gesteinskräfte. Und was das
Wichtigste ist: man redet gar nicht von Gestein für sich
zunächst. Und man wird merken, daß das Kind in
mancher Beziehung sehr neugierig ist. Aber wenn man ihm in
dieser Beziehung lebendig, wie aus der Erde hervorgehend, durch
die Sonne hervorgezogen, die ganze Pflanzendecke als etwas zur
Erde Gehöriges beibringt, dann wird es nicht neugierig dem
gegenüber, was die Steine für sich sind. Es
interessiert sich noch nicht für das Mineralische. Und es
ist das größte Glück, wenn das Kind sich bis zum
elften, zwölften Jahre nicht für das tote
Mineralische interessiert, sondern wenn es die Vorstellung
aufnimmt, daß die Erde ein ganzes lebendes Wesen
ist, gewissermaßen nur ein schon im Verbröckeln
begriffener Baum, der alle Pflanzen als Äste hervorbringt.
Und Sie sehen, man bekommt auf diese Weise außerordentlich
gut die Möglichkeit, auch zu den einzelnen Pflanzen
überzugehen.
Ich
sage zum Beispiel dem Kinde: Nun ja, bei solch einer Pflanze
(siehe Zeichnung Seite 161) sucht die Wurzel den Boden, die
Blüte wird von der Sonne herausgezogen. — Man nehme
nun an, die Wurzel, die an der Pflanze wachsen will, finde
nicht recht den Boden, sie findet nur
verkümmerten Boden, und dadurch gibt sich auch die Sonne
keine Mühe, die Blüte hervorzubringen. Dann hat man
eine Pflanze, welche nicht recht den Boden findet, keine
richtige Wurzel treibt, aber auch keine richtige Blüte
hervorbringt: man hat einen Pilz.
Und
man führt dann das Kind dazu, zu verstehen, wie es nun
ist, wenn sich dasjenige, was, wenn es die Erde nicht recht
findet, zum Pilz entwickelt, wenn das sich einpflanzen kann in
etwas, wo die Erde schon ein wenig Pflanze geworden ist, wenn
es sich also, statt sich in den Erdboden einpflanzen zu
müssen, einpflanzen kann in den pflanzlich
gewordenen Hügel, in den Baumstamm: da wird es
Baumflechte, da wird es jene graugrüne Flechte, welche man
an der Oberfläche der Bäume findet, ein Parasit.
Man
bekommt auf diese Weise die Möglichkeit, aus dem
lebendigen Wirken und Weben der Erde heraus selber dasjenige zu
ziehen, was sich in allen einzelnen Pflanzen ausdrückt.
Dadurch entwickelt man in dem Kinde, wenn man es so lebendig in
das Pflanzenwachstum einführt, aus dem Botanischen,
aus der Pflanzenkunde heraus die Anschauung von dem
Antlitz der Erde.
Das
Antlitz der Erde ist anders, wo gelbe, sprossende Pflanzen
sind, das Antlitz der Erde ist anders, wo verkümmerte
Pflanzen sind. Und man findet von der Pflanzenkunde den
Übergang zu etwas anderem, was außerordentlich
bedeutsam für die Entwickelung des Kindes wird, wenn es
gerade aus der Pflanzenkunde herausgeholt wird: die
Geographie. Das Antlitz der Erde den Kindern
beizubringen, soll auf diese Weise geschehen, daß man
hervorholt die Art und Weise, wie die Erde an ihrer
Oberfläche wirken will, aus der Art und Weise, wie sie die
Pflanzen an einer bestimmten Oberfläche hervorbringt.
Auf
diese Weise entwickelt man in dem Kinde einen lebendigen
Intellekt statt eines toten. Und für die Entwicklung
dieses lebendigen Intellektes ist die Lebenszeit zwischen
dem neunten, zehnten und dem elften, zwölften Lebensjahr
die allerbeste. Dadurch, daß man in dieser Weise das Kind
hineinführt in das lebendige Weben und Leben der Erde, die
aus ihrer inneren Vitalkraft die verschieden gestalteten
Pflanzen hervorbringt, bringt man dem Kinde statt toter
Begriffe lebendige Begriffe bei, Begriffe, die dieselbe
Eigenschaft haben wie ein menschliches Glied. Wenn man noch ein
ganz kleines Kind ist, dann muß ein menschliches Glied
wachsen. Wir dürfen die Hand nicht in einen eisernen
Handschuh einspannen, sie würde nicht wachsen können.
Aber die Begriffe, die wir den Kindern beibringen, die sollen
möglichst scharfe Konturen haben, sollen Definitionen
sein, und das Kind soll immer definieren. Das Schlimmste, was
wir dem Kinde beibringen können, sind Definitionen,
sind scharf konturierte Begriffe, denn die wachsen nicht; der
Mensch aber wächst mit seinem organischen Wesen. Das
Kind muß bewegliche Begriffe haben, die, wenn das Kind
reifer und reifer wird, ihre Form fortwährend ändern.
Wir dürfen uns nicht, wenn wir vierzig Jahre alt geworden
sind, bei irgendeinem Begriff, der auftaucht, an das
erinnern müssen, was wir mit zehn Jahren gelernt haben,
sondern der Begriff muß sich in uns verändert haben,
so wie unsere Glieder, unser ganzer Organismus sich organisch
auch verändert haben.
Lebendige Begriffe bekommt man aber nur, indem man nicht
dasjenige an das Kind heranträgt, was man
Wissenschaft nennt, und was heute sich zumeist dadurch
auszeichnet, daß man dadurch nichts weiß, diese tote
Wissenschaft, die man nun einmal lernen muß, sondern
indem man das Kind gerade einführt in das Lebendige
im Natürlichen in der Welt. Dadurch bekommt es seine
beweglichen Begriffe, und es wird seine Seele wachsen
können in einem Körper, der wie die Natur
wächst. Dann wird man nicht dasjenige, was so oft die
Erziehung bietet, auch bieten: daß man in einen
Körper, der naturgemäß wächst, ein
Seelisches hineinverpflanzt, das nicht wachsen kann, sondern
das tot ist. Für die menschliche Entwicklung taugt es nur,
wenn in dem lebendig wachsenden physischen Organismus auch eine
lebendig wachsende Seele, ein lebendig wachsendes
Seelenleben ist.
Das
muß aber auf diese Weise erzeugt werden und kann am besten
erzeugt werden, wenn alles Pflanzenleben in innigem
Zusammenhang mit der Erdengestaltung angeschaut wird, wenn also
Erdenleben und Pflanzenleben dem Kinde als Einheit
vorgeführt werden, wenn Erdenerkenntnis
Pflanzenerkenntnis ist, und wenn das Kind das Leblose
zunächst daran erkennt, daß der Baum vermodert und zu
Staub wird, wenn es also das Leblose zunächst als den
Überrest des Lebendigen kennenlernt. Wir sollen dem Kinde
nur ja nicht Mineralkenntnis beibringen in diesem
Lebensalter, von dem ich jetzt spreche, sondern Begriffe,
Ideen von dem Lebendigen. Darauf kommt es an.
Wie
man die Pflanzenwelt bei dem Unterweisen des Kindes in
Zusammenhang bringen soll mit der Erde, so daß
gewissermaßen die Pflanzenwelt als etwas erscheint, was
aus dem lebendigen Erden Organismus als dessen letztes Ergebnis
nach außen herauswächst, so soll man die gesamte
Tierwelt als eine Einheit wiederum heranbringen an den
Menschen. Und so stellt man das Kind lebendig in die Natur, in
die Welt hinein. Es lernt verstehen, wie der Pflanzenteppich
der Erde zu dem Organismus Erde gehört. Es lernt aber auf
der anderen Seite auch verstehen, wie alle Tierarten, die
über die Erde ausgebreitet sind, in einer gewissen Weise
der Weg zum Menschenwachstum sind. Die Pflanzen zur Erde, die
Tiere an den Menschen herangeführt, das muß
Unterrichtsprinzip werden. Ich kann dies nur prinzipiell
rechtfertigen. Es handelt sich darum, daß dann mit
wirklich künstlerischem Sinn für die Einzelheiten des
Unterrichtes für das zehn-, elf-,
zwölfjährige Kind die Unterweisung über
die Tierwelt im Detail durchgeführt wird.
Sehen wir uns den Menschen an. Wir wollen, wenn auch in ganz
einfacher, vielleicht primitiver Weise schon dem Kinde die
Menschenwesenheit vor das Seelenauge führen, und man kann
es, wenn man es in der Weise künstlerisch vorbereitet hat,
wie es geschildert worden ist. Da wird das Kind, wenn auch in
primitiver Weise, unterscheiden lernen, wie der Mensch zu
gliedern ist in eine dreifache Organisation. Wir betrachten die
Kopf Organisation, bei der im wesentlichen die weichen Teile im
Inneren sind, wie eine harte Schale insbesondere um das
Nervensystem herumwächst, wie also die Kopforganisation in
einer gewissen Weise nachbildet die kugelförmige Erde, wie
sie im Kosmos drinnen steht, wie diese Kopforganisation im
wesentlichen den weichen Innenteil, insbesondere nach dem
Gehirn zu, und die harte äußere Schale umfaßt.
Man wird möglichst anschaulich künstlerisch das
Kind durch alle möglichen Mittel an ein Verstehen der
Kopforganisation heranführen, und man wird dann versuchen,
ebenso das Kind heranzuführen an das zweite Glied
der menschlichen Wesenheit, an alles dasjenige, was
zusammenhängt mit dem rhythmischen System des Menschen,
was die Atmungsorgane, was die Blutzirkulationsorgane mit dem
Herzen umfaßt. Man wird, grob gesprochen, das Kind
heranführen an die Brustorganisation, wird — ebenso
wie man plastisch-künstlerisch die schalenförmigen
Kopfknochen, welche die Weichteile des Gehirnes
umschließen, betrachtet — jetzt die sich Glied an
Glied heranreihenden Rückgratknochen der Wirbelsäule
künstlerisch betrachten, an die sich die Rippen
anschließen. Man wird die ganze Brustorganisation mit
Einschluß des Atmungs-, des Zirkulationssystems,
kurz, der rhythmischen Wesenheit des Menschen in ihrer Eigenart
betrachten und wird dann zum dritten Glied der
menschlichen Organisation, zur
Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation übergehen.
Die Gliedmaßen als Bewegungsorgane unterhalten im
wesentlichen den Stoffwechsel, indem sie durch ihre Bewegung
eigentlich die Verbrennung regulieren. Sie hängen zusammen
mit dem Stoffwechsel. Die
Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation ist eine
einheitliche.
So
gliedern wir den Menschen zunächst in diese drei Glieder.
Und wenn man den nötigen künstlerischen Sinn als
Lehrer hat und dabei bildhaft vorgeht, so kann man durchaus
diese Anschauung von dem dreigliedrigen Menschen schon dem
Kinde beibringen.
Jetzt führt man die Aufmerksamkeit des Kindes auf die in
dem Erdendasein ausgebreiteten verschiedenen Tierarten. Man
führt das Kind zunächst zu den niederen Tieren, zu
denjenigen Tieren besonders, welche Weichteile im Inneren
haben, Schalenförmiges nach außen, zu den
Schalentieren, zu den niederen Tieren, die eigentlich nur aus
einer das Protoplasma umhüllenden Haut bestehen; und man
wird dem Kinde beibringen können, daß gerade diese
niederen Tiere primitiv die Gestalt der menschlichen
Hauptesorganisation an sich tragen.
Unser Haupt ist das aufs höchste ausgestaltete niedere
Tier. Wir müssen — wenn wir das menschliche Haupt,
namentlich die Nervenorganisation ins Auge fassen —
nicht auf die Säugetiere schauen, nicht auf die Affen,
sondern wir müssen zurückgehen gerade bis zu den
niedersten Tieren. Wir müssen auch in der Erdengeschichte
zurückgehen bis in älteste Formationen, wo wir
Tiere finden, die gewissermaßen nur ein einfacher
Kopf sind. Und so müssen wir die niedere Tierwelt dem
Kinde als eine primitive Kopforganisation begreiflich machen.
Wir müssen dann die etwas höheren Tiere, die um die
Fischklasse herumgruppiert sind, die besonders die
Wirbelsäule ausgebildet haben, die «mittleren
Tiere» den Kindern begreiflich machen als solche Wesen,
die eigentlich nur den rhythmischen Teil des Menschen stark
ausgebildet und das andere verkümmert haben. Indem wir das
Haupt des Menschen betrachten, finden wir also in der Tierwelt
auf primitiver Stufe die entsprechende Organisation bei
den niedersten Tieren; wenn wir die menschliche
Brustorganisation betrachten, finden wir die Tierart, die um
die Fischklasse herum ist als diejenige, welche in einseitiger
Weise die rhythmische Organisation äußerlich
offenbart. Und gehen wir zu der
Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation, dann kommen wir
herauf zu den höheren Tieren. Die höheren Tiere
bilden besonders die Bewegungsorgane in der mannigfaltigsten
Weise aus. Wie schön hat man Gelegenheit, mit
künstlerischem Sinn den Bewegungsmechanismus im
Pferdefuß zu betrachten, in dem Krallenfuß des
Löwen, in dem Fuß, der mehr ausgebildet ist zum Waten
beim Sumpftier. Welche Gelegenheiten hat man, von den
menschlichen Gliedmaßen aus die einseitige Ausbildung des
Affenfußes zu betrachten. Kurz, kommt man zu den
höheren Tieren herauf, so fängt man an, das ganze
Tier durch besondere Gliederung, durch plastische
Ausgestaltung der Bewegungsorgane oder auch der Stoff
Wechselorgane zu begreifen. Die Raubtierarten unterscheiden
sich von den Wiederkäuerarten dadurch, daß bei
den Wiederkäuerarten ganz besonders das Darmsystem zu
einer starken Länge ausgebildet ist, während bei den
Raubtierarten der Darm kurz ist, dafür aber alles
dasjenige, was das Herz und die Blutzirkulation zur Verdauung
beitragen, besonders stark und kräftig ausgebildet
ist.
Und
indem man gerade die höheren Tiere betrachtet, erkennt
man, wie einseitig diese höhere Tierorganisation dasjenige
gibt, was im Menschen in der
Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation ausgebildet ist.
Anschaulich kann man da schildern, wie beim Tiere die
Kopforganisation eigentlich nur der Vorderteil des
Rückgrates ist. Da geht ja das ganze Verdauungssystem beim
Tiere in die Kopforganisation hinein. Beim Tier gehört der
Kopf wesentlich zu den Verdauungsorganen, zum Magen und Darmi.
Man kann beim Tiere eigentlich den Kopf nur im Zusammenhange
mit Magen und Darm betrachten. Der Mensch setzt gerade
dasjenige, was, man möchte sagen, jungfräulich
geblieben ist, bloß als Weichteile von Schale umgeben ist,
auf diese Stoffwechsel-Gliedmaßen-organisation, die
das Tier noch im Kopfe trägt, darauf und erhebt dadurch
die menschliche Kopforganisation eben über die
Kopforganisation des Tieres, die nur eine Fortsetzung des
Stoffwechsel-Gliedmaßensystems ist; während der
Mensch mit seiner Kopforganisation zurückgeht zu
demjenigen, was in der einfachsten Weise die Organisation
selber gibt: Weichteile, umschlossen von schaligen
Organen, von schaligen Knochen. Man kann anschaulich
entwickeln, wie die Kieferorganisation gewisser Tiere im Grunde
genommen am besten betrachtet wird, wenn man den Kiefer,
Unterkiefer, Oberkiefer als die vordersten Gliedmaßen
betrachtet. So versteht man plastisch am allerbesten den
Tierkopf.
Auf
diese Weise bekommt man den Menschen als eine
Zusammenfassung dreier Systeme: Kopf System, Brustsystem,
Gliedmaßen-StoffWechselsystem; die Tierwelt als
einseitige Ausbildung entweder des einen oder des anderen
Systems. Niedere Tiere, zum Beispiel Schalentiere,
entsprechen also dem Kopf System; die anderen lassen sich aber
auch in einer gewissen Weise dadurch betrachten. Dann
Gliedmaßentiere: Säugetiere, Vögel und so
weiter. Brusttiere, die also das Brustsystem vorzugsweise
ausgebildet haben: Fische, und was ähnlich noch den
Fischen ist, die Reptilien und so weiter. Man bekommt das
Tierreich
als
den auseinandergelegten Menschen, als den in
fächerförmige Glieder über die Erde
ausgebreiteten Menschen. Wie man die Pflanzen mit der Erde
zusammenbringt, bringt man die fächerförmig
ausgebreiteten Tierarten der Welt mit dem Menschen
zusammen, der in der Tat die Zusammenfassung der ganzen
Tierwelt ist.
Geht man also zuerst von der physischen Organisation des
Menschen aus, bringt man dem Kinde so die dreifache Gliederung
des Menschen in einfacher Weise bei, und geht man die Tiere
durch, zeigt man, wie die Tiere einseitig nach irgendeiner
Richtung dasjenige entwickeln, was beim Menschen in ein
Ganzes harmonisch eingegliedert ist: dann kann man finden, wie
gewisse Tiere die Brustorgane einseitig entwickeln, andere die
Darmorgane einseitig entwickeln, andere die oberen
Verdauungsorgane einseitig entwickeln und so weiter; wie bei
manchen Tieren, etwa bei den Vögeln, Umgestaltungen
gewisser Organe da sind, sogar der Verdauungsorgane in
der Kropfbildung der Vögel und dergleichen. Man kann jede
Tierart als die einseitige Ausbildung eines menschlichen
Organsystems auf diese Weise hinstellen; die ganze Tierwelt als
die fächerartige Ausbreitung des Menschenwesens
über die Erde; den Menschen als die Zusammenfassung der
ganzen Tierwelt.
Bringt man das zustande, versteht das Kind die Tierwelt als den
Menschen, der seine einzelnen Organsysteme einseitig
ausgebildet hat — das eine Organsystem lebt als diese
Tierart, das andere Organsystem als die andere Tierart —,
dann kann man, wenn sich das zwölfte Lebensjahr
naht, wieder heraufkommen zum Menschen. Denn dann wird das Kind
wie selbstverständlich begreifen, wie der Mensch gerade
dadurch, daß er seinen Geist in sich trägt,
eine symptomatische Einheit, eine künstlerische
Zusammenfassung, eine künstlerische Ausgestaltung der
einzelnen Menschenfragmente ist, welche die Tiere, die in der
Welt verbreitet sind, darstellen. Eine solche
künstlerische Zusammenfassung ist der Mensch dadurch,
daß er seinen Geist in sich trägt. Dadurch
harmonisiert er gegenseitig zu einem Ganzen die niedere
Tierorganisation, die er kompliziert umbildet zur
Kopforganisation, entsprechend eingliedert in die
Brustorganisation, die er entsprechend ausbildet, damit sie zu
den anderen Teilen der Organe paßt; er trägt also
auch dasjenige, was in der Fischorganisation ist, in sich, und
er trägt dasjenige in sich, was in der höheren
Tierorganisation ist, aber harmonisch einem Ganzen
eingeordnet. Der Mensch stellt sich heraus als die durch
den Geist aus einzelnen Fragmenten, die als Tiere
über die Welt zerstreut sind, zusammengefaßte
totale Wesenheit. Dadurch wird die Tierwelt an den Menschen
herangebracht, der Mensch aber zu gleicher Zeit als
Geistträger über die Tierwelt erhöht.
Gibt man einen solchen Unterricht, dann wird man sehen, wenn
man unbefangene Menschenerkenntnis hat, daß geradeso wie
ein soleher Pflanzenkunde-Unterricht auf die lebendige
Begriffswelt wirkt und den Menschen in der rechten Weise durch
Klugheit in die Welt hineinstellt, durch Klugheit ihn
tüchtig macht, so daß er sich mit seinen
Begriffen lebendig durch das Leben findet; daß er dadurch,
daß er aufnimmt eine solche belebte Anschauung über
seine Stellung zur gesamten Tierwelt, besonders seinen
Willen kräftigt.
Man
muß nur bedenken, daß man ja das, was ich jetzt in
zwanzig Minuten zu erörtern habe, durch längere Zeit
erörtern wird, daß das von Stufe zu Stufe geht,
daß man das Kind allmählich gewöhnt, seine ganze
Wesenheit zu vereinigen mit solchen Vorstellungen. Und
dadurch saugen sich diese Vorstellungen hinein in die
willensgemäße Stellung, die sich der Mensch auf Erden
gibt. Der Mensch wird innerlich dem Willen nach stark,
wenn er in dieser Weise in seiner eigenen Erkenntnis sich
hervorwachsen sieht aus dem Zusammenfließen aller
tierischen Fragmente durch den lebendigen Geist, der diese
Synthese bewirkt. Das geht über in die Willensbildung der
Seele.
Und
so wirken wir in einem Unterrichte nicht nur dahin, daß
wir dem Menschen Kenntnisse beibringen über die Pflanzen,
Kenntnisse beibringen über die Tiere, sondern wir wirken
durch unseren Unterrieht auf die Charakterbildung, auf
die Bildung des ganzen Menschen: indem wir den Menschen
heranführen an die Pflanzen und so seine Klugheit in
gerechter Weise ausbilden, indem wir den Menschen
heranbringen an die Tierwelt und dadurch seinen Willen in
gerechter Weise ausbilden.
Dann haben wir es erreicht zwischen dem neunten und
zwölften Jahre, daß wir den Menschen mit den anderen
Geschöpfen, den Pflanzen und den Tieren der Erde, so
in Zusammenhang gebracht haben, daß er in der richtigen
Weise durch Klugheit, durch eine gerechte Klugheit, und auf der
anderen Seite durch eine entsprechende, ihm seine Stellung in
der Welt für sein eigenes Bewußtsein sichernde
Willensstärke seinen Weg durch die Welt findet.
Und
das sollen wir vor allem durch die Erziehung bewirken: den
jungen Menschen sich so entwickeln zu lassen, daß er nach
diesen beiden Seiten hin seinen Weg durch die Welt
findet. Aus dem Fühlen, das wir entwickelt haben vom
siebenten bis zum neunten oder neuneinhalbten Jahre, haben wir
herausentwickelt Klugheit und Willensstärke. Und so kommen
in der richtigen Weise, was sonst oftmals in ganz unorganischer
Weise im Menschen entwickelt wird, Denken, Fühlen und
Wollen in das richtige Verhältnis. Im Fühlen wurzelt
alles andere. Das muß auch beim Kinde zuerst ergriffen
werden, und aus dem Fühlen entwickeln wir im
Zusammenhange mit der Welt das Denken an dem, was das Denken
niemals tot sein läßt: an der Pflanzenwelt; den
Willen an dem, was den Menschen, wenn er richtig betrachtet
wird, mit dem Tiere richtig zusammenbringt, aber ihn auch
über das Tier erhöht: durch die Tierkunde die
Ausbildung des Willens.
So
geben wir dem Menschen die richtige Klugheit und den starken
Willen ins Leben mit. Und das sollen wir; denn dadurch wird er
ein ganzer Mensch, und darauf hat es vor allen Dingen die
Erziehung anzulegen.
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