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MENSCHENSEELE UND TIERSEELE Berlin, 10. November 1910 Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen, daß im Anschluß an den heutigen Vortrag hier in acht Tagen ein Vortrag gehalten werden soll über «Menschengeist und Tiergeist», während heute der Gegenstand, über den wir sprechen wollen, «Menschenseele und Tierseele» heißt. Warum das geschehen ist, daß über Geist und Seele in zwei getrennten Vorträgen gesprochen werden soll, kann allerdings erst im nächsten Vortrage vollständig deutlich zutage treten. Vorläufig kann nur darauf aufmerksam gemacht werden: wenn man geisteswissenschaftlich Leben und Dasein betrachtet, hat man es in einer gewissen Beziehung allerdings nicht so leicht wie bei der anderen wissenschaftlichen Betrachtung, die in der Gegenwart üblich ist, wo Begriffe und Ideen, die durchaus zu einer wirklichen Erfassung der Dinge auseinandergehalten werden müssen, eben zusammengeworfen werden. Und wir werden sehen, daß wir mit den Rätsein, die sich auf Seele und Geist bei Tieren und Menschen beziehen, nicht zurechtkommen könnten, wenn wir nicht die Unterscheidung zwischen Seele und Geist klar und sicher machen könnten. Wenn wir geisteswissenschaftlich, wie es hier geschehen soll, von Seele sprechen, dann ist mit dem Begriff der Seele immer der andere Begriff der Innerlichkeit, des innerlichen Erlebens verbunden. Und wenn wir in bezug auf die uns umgebende Welt vom Geist reden, sind wir uns darüber klar, daß wir in allem, was uns nur erscheinen, entgegentreten kann, etwas wie eine Offenbarung des Geistes haben. Es ist das auch schon öfter erwähnt worden, daß sich der Mensch in einem sonderbaren Selbstwiderspruch befinden würde, wenn er den Geist nicht voraussetzen würde in allen Erscheinungen des Daseins, die ihn umgeben. Nur derjenige Mensch kann eigentlich, ohne in einen sich tötenden Selbstwiderspruch zu kommen, erkennend an die Außenweit herantreten, der zugibt, daß das, was er in seinem Geiste zuletzt über die Außenwelt findet, was er erkennend sich an Begriffen und Ideen aneignet, um die Außenwelt zu erfassen, mit den Dingen selbst etwas zu tun hat. Wer nicht zugeben wollte — womit er dann von den Dingen ausgeht, wenn er glaubt, in irgendeiner Weise etwas erkannt zu haben, wenn er sich Begriffe von den Dingen gemacht hat wer nicht zugeben wollte, daß in diesen Begriffen etwas lebt, was in den Dingen selber ist, der dürfte, wenn er mit sich selbst in Übereinstimmung lebt und sein erkennendes Leben selber logisch auffassen will, gar nicht an das Erkennen schreiten. Nur der kann Erkenntnis als etwas Wirkliches betrachten, der sich sagt: Was idi zuletzt in meinem Geist in der Erkenntnis finden und behalten, gegenwärtig machen kann, das muß zuerst in den Dingen enthalten sein. Insofern ich in meinem Geist von den Dingen etwas hereinnehme, gleichgültig welchem Reiche sie angehören, setze ich in allen Reichen den Geist voraus. Gewiß, diese Anerkennung, die jetzt ausgesprochen worden ist, wird nicht überall gemacht. Aber sie wird nur dann nicht gemacht, wenn man sich in den charakterisierten Selbstwiderspruch versetzt hat. Deshalb sprechen wir von Geist, indem wir uns klar sind, daß er sich in allen Welten offenbart, und wir suchen zu erkennen, wie er sich in die Welten hineingießt und in ihnen erscheint. Anders sprechen wir, wenn wir von Seele sprechen. Von Seele sprechen wir nur, wenn das Geistige, von dem eben jetzt gesprochen worden ist, das wir als Menschen uns durch unseren Intellekt, durch unsere Vernunft und andere Mittel aneignen, durch die wir die Dinge erkennend durchdringen, in einem Wesen selber innerlich lebt und erlebt wird. Wir sprechen einem Wesen Seele zu, das den Geist nicht nur in sich aufnimmt, sondern das den Geist in sich erlebt und aus dem Geist heraus in sich selber schaffend ist. Also nur dann sprechen wir Von Seele, wenn Geist innerlich in einem Wesen ist, das uns entgegentritt. So aber — innerlich schaffend — finden wir den Geist bei Mensch und Tier. Wie es sozusagen leicht wird, manches andere zu widerlegen — was in dem ersten Vortrag dieser Serie gesagt und gezeigt worden ist —, wenn man sich an landläufige Begriffe hält, ebenso ist es auch kinderleicht, sich über das widerlegend herzumachen, was sozusagen fundamentale Ergebnisse der Geistesforschung sind, die sich darin ausdrücken, daß man auf dem Boden der Geisteswissenschaft innerhalb der menschlichen Natur nicht bloß ein eingliedriges Wesen, sondern eine mehrgliederige Wesenheit unterscheiden muß. Gewiß, es gibt heute noch weite, weite Kreise, welche — und man kann das ganz gut verstehen und sich in solche Menschen hineindenken, kann mit ihnen fühlen und nachempfinden, was sie eigentlich wollen — sozusagen ein Hohngelächter der Hölle anfangen, von ihrem Standpunkt aus mit vollem Recht, wenn von geisteswissenschaftlicher Seite folgendes gesagt wird: Der Mensch muß zusammengesetzt gedacht werden nicht nur aus dem physischen Leib, den man in der äußeren Welt durch die Sinneswahrnehmung sieht, den man anerkennt in der äußeren Wissenschaft und auch untersucht, sondern dem Menschen muß auch zugeschrieben werden ein höherer Leib, der sogenannte Äther- oder Lebensleib, wobei nicht an den hypothetischen Äther der Physik zu denken ist. Ebenso muß, wenn geisteswissenschaftlich gesprochen wird, ein drittes Glied der menschlichen Wesenheit anerkannt werden, der Astralleib, und ein viertes Glied des Menschen, sein Ich. Wenn diese Glieder als etwas Reales anerkannt werden, so ist es vom Standpunkt der gegenwärtigen Forschung außerordentlich leicht zu widerlegen, was so von der Geisteswissenschaft gesagt wird, und zwar deshalb leicht — das kann gerade aus dieser Serie von Vorträgen ersichtlich werden weil man in die ganze Art und Weise des geisteswissenschaftlichen Forschens erst einen Blick hineintun muß, um die Berechtigung dieser Dinge anzuerkennen. Vom Standpunkte des Geistesforschers selbst sind diese vier Glieder der menschlichen Wesenheit — physischer Leib, Ätherleib oder Lebensleib, Astralleib und Ich, das heißt also ein sichtbares und drei unsichtbare, übersinnliche Glieder der menschlichen Wesenheit — Realitäten, weil der Geistesforscher seine Seele in bezug auf die in ihr schlummernden Kräfte in einer solchen Weise entwickelt hat, daß er die höheren Leiber des Menschen so wahrnehmen kann, wie die gewöhnlichen Augen den physischen Leib wahrnehmen. Diese höheren Glieder sind also Realitäten und, insofern sie unsichtbare Glieder sind, gerade dem siehtbaren Glied, dem physischen Leib zugrunde liegend. Aber wenn sie wahrnehmbare Realitäten auch nur für den Geistesforscher sind, so kann man doch sagen, daß sich dem Denken verständlich machen kann, was gemeint ist, wenn von diesen höheren Gliedern der menschlichen Natur gesprochen wird. In dem Ätherleib erkennt der Geistesforscher zunächst eine Realität, den Träger aller Lebenserscheinungen des Menschen. Und der Geistesforscher zeigt, daß der Tod dann eintritt, wenn der physische Leib verlassen wird von seinem Äther- oder Lebensleib. Deshalb sieht der Geistesforscher in dem Äther- oder Lebensleib dasjenige, was den physischen Leib davor bewahrt, den physischen und chemischen Kräften zu folgen, die ja im physischen Leibe des Menschen tätig sind. In dem Augenblicke, da der Tod eingetreten ist, ist der physische Leib eine nicht mehr mögliche Zusammenfügung von chemischen und physischen Vorgängen. Daß der menschliche Leib zeitlebens herausgerissen ist aus diesen physischen und chemischen Vorgängen, die sich seiner sofort bemächtigen, wenn der Tod eintritt, das verdankt er dem Äther- oder Lebensleib. Mit demselben haben wir etwas gegeben, was die chemischen und physischen Stoffe und Kräfte aus ihrer Wirksamkeit herausreißt und sie erst wieder im Moment des Todes dieser physischen Wirksamkeit übergibt. Wir haben öfter gesagt, was dagegen eingewendet werden kann, das ist kinderleicht vorzubringen. Aber diese Einwände sind auch solche, die bei einer tieferen Erfassung der Sache wegfallen. Ganz abgesehen davon, daß der Ätherleib für den Geistesforscher eine Tatsache ist, zeigt auch eine wirkliche Logik, daß es unmöglich ist, einen lebendigen Organismus ohne einen solchen Äther- oder Lebensleib zu denken. Einen solchen Ätherleib schreiben wir daher im geisteswissenschaftlichen Sinne auch den Pflanzen zu und sagen: Während der Mensch noch höhere Glieder übersinnlicher Art hat — den astralischen Leib und das Ich —, ist die Pflanze eine Wesenheit, die nur physischen und Ätherleib hat, während ein Mineral nur aus physischem Leib besteht, soweit es sich uns in der Außenwelt darstellt. Treten wir zum Tier heran, so sprechen wir nur davon, daß sich beim Tier in physischen Leib und Ätherleib eingliedert — indem wir uns bei diesem Worte nichts anderes denken wollen, als was jetzt gesagt wird — der Astralleib. Nun schreiben wir dem Astralleib die Fähigkeit zu, daß dasjenige, was zum Beispiel beim Kristall die Gestaltung hervorruft, also das Geistige, in dem Wesen selber innerlich, organbildend wird. Und wenn wir sehen, daß in einem tierischen Wesen aus der innerlichen Organisation heraus sich die Sinnesorgane, die Funktionen der tierischen Seele aufbauen, so sagen wir: Während beim Mineral sich der Geist erschöpft in der Ausgestaltung der Form, ist er innerlich lebendig im Tier. Dieses Innerlich-lebendig-Sein, dieses Dasein des Geistes innerhalb der tierischen Organisation selber bezeichnen wir als eine Tätigkeit des Astralleibes. Beim Menschen aber sprechen wir davon, daß dieser Astralleib noch durchdrungen ist von einem Ich-Leib, und wir werden gleich nachher sehen, welche Bedeutung dieser Ich-Leib für das Menschenleben hat. Was sprechen wir denn dem Geiste eigentlich zu, wenn wir von Geist reden? Wir sprechen ihm dasjenige als Realität, als äußere Wirklichkeit zu, was wir sozusagen in uns selber in unserer Intelligenz erleben. Wir führen durch unsere Intelligenz dieses oder jenes aus, wir bringen die Kräfte der Wesenheiten in ein Zusammenspiel durch unsere Intelligenz. Diese unsere schöpferische Intelligenz hat eine gewisse Art. Indem sie in uns gleichsam in ein zeitliches Dasein tritt, schöpferisch auftritt, bilden wir uns einen Begriff von Intelligenz, von vernünftigem Erleben, von vernunftgemäßem Schaffen, und schauen uns ringsherum das Weltall an. Wir müßten sehr kurzsichtig sein, wenn wir Intelligenz, alles was wir Geist nennen, nur uns selbst zuschreiben wollten. Das ist gerade die Grundläge für die Unmöglichkeit, in die Rätsel des Daseins einzudringen, daß der Mensch leicht geneigt ist, das Wesen der Intelligenz nur sich selber zuzuschreiben, und sich gar nicht die Frage beantworten kann: Wie bin ich berechtigt, die Intelligenz auf das Dasein anzuwenden? Wenn wir aber hinausschauen und sehen, daß die Dinge des Raumes und der Zeit sich so aussprechen, daß unsere Intelligenz die Gesetzmäßigkeit umfassen kann, dann sagen wir: Was in uns als Intelligenz lebt, das ist ausgebreitet in Raum und Zeit und wirkt dort in Raum und Zeit. Wenn wir uns umsehen im weiten, toten Naturreich, sprechen wir davon, daß der Geist in diesem weiten, toten Naturreich gleichsam im Stoffe erstarrt ist, und daß wir das, was in den Formen, in der gesetzmäßigen Wirksamkeit des Stoffes sich ausprägt, hereinlassen, auffangen können in unserer Intelligenz, und dadurch in unserer Intelligenz eine Art Spiegelung des die Welt durchwebenden und durchwirkenden Geistes haben. Wenn wir so den Geist im ganzen Weltall verfolgen und ihn jetzt vergleichen, wie er gleichsam in den toten Wesen des Daseins erstarrt ist, mit der Art, wie er uns im Tierreich entgegentritt, dann sagen wir uns: Sehen wir ein einzelnes tierisches Wesen an, so erscheint uns in ihm ein in sich geschlossenes Dasein, das in derselben Art schafft wie der Geist, der ausgebreitet ist in Raum und Zeit. Wir können uns vorläufig ein Gefühl dafür aneignen, warum die Menschen, welche die Gründe dafür wußten, diesen im Tier wirksamen Geist den «Astralleib» nannten. Sie richteten den Blick in die große Welt des Daseins, durch welche die Sterne in ihren Bahnen sich bewegen, die der Mensch durch seine Intelligenz begreift, und sagten sich: In der Gesetzmäßigkeit der ganzen Welt lebt der Geist, und wir sehen einen gewissen Abschluß in einem einzelnen tierischen Organismus, sehen ihn in dem Raum, der durch die tierische Haut begrenzt wird, eingeschlossen. — Was so im Tiere wirkt und gleichartig ist dem, was sich sonst ausbreitet in Raum und Zeit, das bezeichneten sie im einzelnen tierischen Organismus als astralischen Leib. Ob nun ein dunkles Gefühl, nur eine Ahnung die Verwandtschaft dessen fühlt, was sich da im Tiere ausspricht, mit dem, was in Raum und Zeit ergossen ist, oder ob die auf Geisteswissenschaft beruhende strenge Forschung dies erkennt — zwischen diesem beiden ist ein weiter Weg. Aber das Gefühl ist ein sicherer Führer, und es zeigt manchem, bevor er in das Wesen der Geistesforschung eindringen kann, daß es eine Wahrheit ist, was vom Geistesforscher gesagt wird. Wenn wir jetzt diesen Geist, den wir bewundern können in seinem Ergossensein in Raum und Zeit, betrachten, wie er wirkt im Tier, dann dürfen wir sagen: Wir sehen an dem Tier, wo wir es auch betrachten, wie aus seiner Organisation die geistige Wirksamkeit heraussprießt, die wir sonst herausholen müssen aus allen Gesetzen des Raum- und Zeitdaseins. Dazu brauchen wir nicht absonderliche Erscheinungen zu betrachten, sondern dazu genügen die allernächstliegenden Erscheinungen. Der sinnige Mensch braucht nicht weit zu gehen, und er wird aus der tierischen Tätigkeit die geistige Wirksamkeit heraussprießen sehen, wie er sie sonst aufsuchen muß in den Weiten des Daseins. Wenn er die Wespe das Wespennest aufbauen sieht, kann er sich sagen: Da sehe ich gleichsam Intelligenz aus der tierischen Organisation heraussprießen. Die Intelligenz, die ich draußen im Weltenall finde, wenn ich meine eigene Intelligenz auf die Gesetze des Daseins anwende, sehe ich in dem an der tierischen Organisation wirksamen Geist. Wenn der Mensch diesen in der tierischen Organisation wirksamen Geist betrachtet — gleichgültig wo er ihm entgegen tritt —, dann kann er sich wahrhaft sagen: Zuweilen ist wirklich dieser in der tierischen Organisation wirksame Geist, diese Verinnerlichung des Geistes im Tier weit über das hinaus, was der Mensch in bezug auf Intelligenz zu erschaffen vermag! Wir haben ein naheliegendes Beispiel schon öfter erwähnt. Wie lange hat der Mensch im .Verlaufe seines geschichtlichen Daseins warten müssen, bis ihn die eigene Intelligenz dazu befähigte, Papier zu bereiten! Untersuchen wir die Kräfte der Intelligenz, die der Mensch aufwenden und seinem eigenen Seelenleben einverleiben mußte, um Papier bereiten zu können. Sie können in jeder Schulgeschichte nachlesen, was es für ein großes Ereignis gewesen ist, daß der Mensch zur Papierbereitung aufstieg. Nun — die Wespe kann das schon seit Jahrtausenden! Denn das ist ganz dasselbe, was uns im Wespennest entgegentritt, und was der Mensch als Papier herstellt. So sehen wir förmlich, was der Mensch im Kampf ums Dasein aus seiner Intelligenz herausfließen läßt, in aller Lebendigkeit aus dem tierischen Organismus heraussprießen. Da man die Dinge gewöhnlich am verkehrten Ende anfaßt, so hat man sich lange Zeit hindurch in der sonderbaren Redensart ergangen, ob das Tier intelligent oder nicht intelligent ist, — gar nicht darauf achtend, daß man den Punkt, worauf es eigentlich ankommt, verkannte. Denn die Frage kann nicht lauten, ob das Tier intelligent ist oder nicht, sondern ob das Tier in allem, was es zustände bringt, das entfaltet, was der Mensch nur durch seine Intelligenz kann. Dann wird man sich die Antwort geben, daß in dem Tier innerlich schaffende und waltende Intelligenz ist, die unmittelbar aus dem tierischen Leben heraus wirkt. Man wird sich dann ein Gefühl aneignen von dem, was dem Geistesforscher in dem Astralleib als Wahrnehmung vorliegt und was er innerlich und äußerlich im Tier wirksam sieht, indem die Intelligenz in dem Organismus selber schöpferisch ist und aus ihm heraus schafft. Denn der Geistesforscher spricht vom Astralleib, wenn solche Organe veranlagt sind, durch deren Tätigkeit etwas zustande kommt, was der Mensch nur durch seine Intelligenz vollbringen kann. Und wir sehen auf die verschiedenen Tiere verteilt sozusagen dieses innerliche geistige Wirken, sehen es in den Geschicklichkeiten der einzelnen Arten hervortreten. Die eine Tierart kann dieses, die andere jenes, was wir dann als eine Verschiedenartigkeit des Astralleibes bei den verschiedenen Tierarten ansehen. So sind wir sozusagen dabei, die individuelle Wirksamkeit des Geistes in dem tierischen Organismus zu betrachten. Dieses innerliche Wirken des Geistes in einem Organismus, dieses Sich-Erleben des Geistes in seiner Tätigkeit, das ist es, was wir als seelisches Erleben bezeichnen. Dieses seelische Erleben finden wir nun, wenn wir es vorurteilslos betrachten, in einer ganz verschiedenen Art beim Menschen und beim Tier ausgebildet. Man hat viel gesprochen und spricht heute noch von dem, was in dem Tier Instinkte sind, und was beim Menschen bewußte Tätigkeit ist. Man täte gut, wenn man sich in dieser Beziehung weniger an Worte hielte und mehr die Sache ins Auge faßte, wenn man mehr darauf einginge, das Wesen der Instinkte zu verstehen. Vor allem zeigt die Betrachtung, die wir jetzt gepflogen haben, daß die Instinkte etwas sein können, was weit der Intelligenz des Menschen voraus sein kann, und daß wir die Qualität, die hervorgebracht wird, durchaus nicht auf das Wort Instinkt beziehen dürfen. Der Mensch fragt so leicht — man möchte sagen in seinem universellen Hochmut: Was habe ich vor den Tieren voraus? Vielleicht könnte er auch, wenn er wollte, einmal fragen: Worin bin ich hinter den Tieren zurückgeblieben? Da könnte er finden, daß er vor allem hinter den Tieren in vielen, vielen Verrichtungen und Geschicklichkeiten zurückgeblieben ist, welche wir beim Tier einfach vorfinden, die der Mensch aber, wenn er sie in bezug auf sich selber ausbilden will, sich erst aneignen, erst erlernen muß. Der Mensch, das ist oft gesagt worden, kommt hilflos durch die Geburt ins Dasein. Das Tier kommt so auf die Welt, daß die Natur ihm aus dem Innern herausstrotzt und daß es als vererbtes Kapital mitbringt, was ihm das Leben so, wie es leben soll, möglich macht. Gewiß, wir wollen nicht verkennen, daß das Tier auch erst manches wird lernen müssen, daß das Küchlein zwar gleich pickt, aber nicht gleich unterscheiden kann zwischen dem, was genießbar ist oder nicht, was verdaubar ist oder nicht. Aber das ist so nur kurze Zeit. Darauf kommt es jedoch an, daß gewisse tierische Fähigkeiten so auftreten, daß wir deutlich sehen, sie liegen in der ganzen Vererbungslinie, sind wirklich angeboren und kommen zu ihrer Zeit heraus. Daß irgendeine Fähigkeit erst zu einer bestimmten Zeit auftritt, ist kein Beweis dafür, daß sie eine anerzogene ist und etwa erst erlernt werden mußte. Die ganze tierische und auch pflanzliche Organisation zeigt, daß etwas, was in der Vererbungslinie liegt, erst auftreten kann, lange nachdem die Organisation des betreffenden Wesens schon da ist. Geradeso wie der Mensch die Fähigkeit, die zweiten Zähne zu bekommen, auch nicht erst erwirbt — er hat sie, wenn auch die zweiten Zähne erst später auftreten so treten gewisse Geschicklichkeiten und Fähigkeiten beim Tier auch erst später auf, die aber doch in die Vererbung gehören. Betrachten wir als ein Beispiel dafür den Einsiedlerkrebs. Er zeigt die Eigentümlichkeit, wenn er eine Weile gelebt hat, daß er dazu getrieben wird, ein Schneckenhaus aufzusuchen, weil sein Hinterleib zu weich ist und sich so nicht halten kann. Dieses Aufsuchen eines Schneckenhauses, um einen Schutz für seinen Hinterleib zu haben, geschieht in einem bestimmten Zeitpunkt aus Selbsterhaltungstrieb, tritt aber da mit Sicherheit auf, das heißt, es ist seiner Organisation eingeboren. So müssen wir sagen, daß wir den Umkreis des tierischen Lebens in weitestem Maße in dem Augenblick umrissen sehen, wo das Tier ins Dasein tritt, und daß die Art, wie sich das Tier weiterentwickelt, mit dem Augenblick seiner Geburt gegeben ist und dann sich ausgestaltet. In diesem Ausgestalten erkennen wir die Wirksamkeit des Geistes an, und in dem Dabeisein des Tieres bei diesem Ausgestalten erkennen wir das seelische Leben des Tieres. Man könnte, wenn man wollte und das Wort nicht mißverstünde, das seelische Leben des Tieres nennen ein «Genießen des Geistes innerhalb des Organismus». Man wird im großen Umfange zurechtkommen, wenn man an diesem Begriffe festhält, um das seelische Leben zu charakterisieren. Dann aber wird man sehen — und wir wollen vorläufig bei den höheren Tieren bleiben daß dieses Erleben der geistigen Wirksamkeit, dieses seelische Erleben des Tieres in einem hohen Maße sich innerlich erschöpft, daß es sozusagen sich innerlich auslebt. Ja, seelisches Erleben des Tieres liegt in dem Haben seiner Organe, in dem Begehren seiner Organe, namentlich in der Tätigkeit dieser Organe, die auf das innere Leben gerichtet ist. Eine Ahnung davon, was sich allerdings erst im vollen Umfange der Geistesforschung ergibt, wie das Tier sozusagen die Arbeit des Geistes in sich selber genießt, kann der bekommen, der den Blick auf ein in der Verdauung begriffenes Tier richtet. Ein Tier, das verdaut, also die innere Tätigkeit des Geistes in sich erlebt, fühlt darin sein besonderes Wohlbehagen. Das ist seelisches Erleben der inneren Leiblichkeit, in der der Geist unmittelbar wirkt. Und in dieser Weise ist das seelische Erleben an die Leiblichkeit durch die Tierreiche in einer gewissen Weise gebunden. Es ist sogar reizvoll, möchte man sagen, eine Herde Rinder zu betrachten, unmittelbar nachdem sie geweidet hat und sich nun hinlagert und verdaut, und wenn man dann das seelische Leben beobachten kann, das in jedem Tiere vorgeht. Erhöht ist das sogar noch bei denjenigen Tieren vorhanden, die in eine Art Verdauungsschlaf versinken. Dann erleben sie die Wirksamkeit des Geistes in den Organen. Aber die Wirksamkeit des Geistes ist beim Tier noch eng gebunden an die Organisation. Das Tier hat, indem der Geist eine gewisse Summe von Organen aufgebaut hat, diesen Geist zur Darstellung zu bringen, wie er in den Organen gewirkt hat, wie er sich in den Organen dar lebt; es hat keine Möglichkeit, hinauszugehen über das Maß dieses Geistes, wie er sich in den Organen darlebt. Wenn man die äußeren seelischen Lebensfunktionen, die äußeren Lebens Vorgänge des Tieres bei dieser oder jener Tiergattung betrachtet, wird man sehen, wie eng an die Organisation des Tieres, also an das, was der Geist an dem Tier gemacht hat, die seelischen Äußerungen gebunden sind. Beobachtet man einmal, unter welchen Umständen ein Tier Furcht zeigt, so kann man sagen: Wo es Furcht zeigt, hat es diese eben wegen seiner besonderen Organisation. Und ebenso wenn ein Tier einen Diebessinn zeigt, kann man sagen: es zeigt ihn wegen seiner Organisation. Was hier geisteswissenschaftlich angeführt ist, das finden Sie schön zusammengestellt in dem Schriftchen des um die Erforschung der Tierseele verdienstvollen Schriftstellers Zell: «Ist das Tier unvernünftig?» Wenn auch das kleine Schriftchen von einem anderen Gesichtspunkt aus geschrieben ist, so ist es doch gut, um Beispiele zu geben, wie das seelische Erleben des Tieres an die Organisation gebunden ist, und es kann geradezu ein Beleg für das sein, was die Geistesforschung von einer ganz anderen Seite herzuholen hat. Deshalb zeigt sich uns das seelische Leben des Tieres bei den verschiedenen Tieren in der verschiedensten Art abgestuft, weil sich der Geist in seinen besonderen Arten seine Organe geschaffen hat. Aber wir sehen, daß das geistige Schaffen, also das, was wir im Astralleib verankert finden, sich erschöpft in Organbildungen, in dem, was die Tiere unmittelbar auf die Welt bringen. In dem Artgemäßen hat es sich erschöpft. Das Tier bringt, was es kann und was es das Dasein erleben läßt, mit auf die Welt. Es kann wenig darüber hinausgehen. Damit zeigt es zugleich, daß sich der Geist in der Organbildung des Tieres erschöpft, sich ausgegossen hat. In der Organbildung liegt uns aber die Art des Tieres vor. Daher können wir die Frage: Was erlebt, was genießt das Tier seelisch? dahin beantworten: Von der Geburt bis zum Tode erlebt es seine Art. Es erlebt dasjenige an seinem eigenen Organismus seelisch, was ihm der Geist mit in das Dasein gegeben hat. Einer, der viel, viel nachgedacht hat über das Leben der Tiere und des Menschen, und der aus einem tiefen Bewußtsein heraus gesprochen hat, nämlich Goethe, hat das schöne Wort geprägt: «Die Tiere werden durch ihre Organe belehrt, sagten die Alten; ich setze hinzu: die Menschen gleichfalls, sie haben jedoch den Vorzug, ihre Organe dagegen wieder zu belehren.» Damit ist ein ungeheuer tiefes Wort gesprochen. Was kann ein Tier im Leben? Was seine Organe ihm möglich machen, das kann ein Tier. Und so ängstigt sich ein Tier, ist mutig oder feige, raubsüchtig oder sanftmütig, wie sich der Geist in seine Organisation ergossen hat. Es spiegelt sich in dem seelischen Erleben des Tieres das Schaffen des Geistes in den Organen. Damit aber ist das seelische Erleben des Tieres auch eingeschlossen in seine Gattung, es kann nicht heraus aus der Gattung, aus der Art, es genießt sich als Gattung, als Art. Stellen wir das seelische Leben des Menschen dagegen. Dieses seelische Leben oder, wir könnten besser sagen dieses seelische Erleben des Menschen, wie es sich in des Menschen Wollen, Fühlen und Denken darlebt, wie es sich in des Menschen Begehrungen, Interessen, in seiner Intelligenz darlebt, ist etwas, was in dem Augenblick, wo der Mensch durch die Geburt ins Dasein tritt, nicht durch das gegeben ist, was er durch die Vererbung hat, es ist etwas, was der Mensch auch selber nicht durch die Vererbung an seine Nachkommen abgeben kann. Auf den letzteren Umstand wird eigentlich viel zu wenig gesehen. Aber es ist eine ganz unendlich wichtige Tatsache, die eigentlich aller Betrachtung des Lebens zugrunde liegen sollte, und die man etwa in folgender Weise ausdrücken kann. In dem Moment, wo ein tierisches, ein menschliches Wesen die Fähigkeit erlangt hat, seinesgleichen hervorzubringen, da ist in ihm das, was wir vorhin den Ätherleib genannt haben, bis zu einem gewissen Punkte abgeschlossen. Dieser Ätherleib trägt die Fähigkeit in sich, das, was er in sich hat, auf die Nachkommen zu vererben. Entwickelt sich nun der Mensch über diesen Zeitpunkt hinaus, wächst er darüber hinaus, so kann er das, was noch zu entwickelnde Fähigkeiten über diesen Zeitpunkt bleiben, nicht vererben. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Der Mensch muß in dem Augenblick, wo er geschlechtsreif ist, alle die Fähigkeiten an sich haben, welche die Vererbbarkeit bedingen. Also kann er die Fähigkeiten, die über den Zeitpunkt der Geschlechtsreife hinaus entwickelbare Fähigkeiten bleiben, nicht als solches haben, was in den Ätherleib zurücktritt, was vererbbar ist. Das ist eine Kapitalwahrheit, die durchaus berücksichtigt werden muß. Das ist ja gerade das Bedeutsame in der Betrachtung des Menschenlebens, daß der Mensch von der Geburt bis zum Tode fähig ist, neue Sprachen zu lernen, und daß es ebenfalls etwas so Bedeutsames ist, was hier auch schon erwähnt worden ist, daß der Mensch, wenn er auf einer fernen, einsamen Insel aufwadisen würde, überhaupt sich nicht entwickeln könnte. Ebenso steht es mit der Fähigkeit der Begriffsbildung und der Entwickelung der Ich-Vorstellung. Das sind Dinge, die mit der Vererbung nichts zu tun haben, die der Mensch aber auch nicht an die Vererbung abgeben kann, weil sie nicht zur Art und Gattung gehören. Was nicht zum Vererbbaren gehört, was Entwickelungsfähigkeiten bleiben über die Vererbung hinaus, mit dem hat der Mensch etwas, was nicht in seiner Art, in der Gattung bedingt ist, sondern das der Individualität angehört. Und gerade in der Fähigkeit der Sprache, in der Möglichkeit der Begriffsbildung und in dem Erleben der Ich-Vorstellung liegt das, was sich der Mensch so in die Welt hereinbringt, daß er durch dieses — umgekehrt — wieder seine Organe belehren und präparieren muß, daß er sie darin belehrt, was sie noch nicht mitbekommen haben, was sie aber haben sollen. Das ist eine Auseinandersetzung des Menschen mit dem Geiste außerhalb dessen, was Vererbung sein kann. Das ist eine Auseinandersetzung in einer solchen Weise, daß die Erfolge dieser Auseinandersetzung nicht vererbbar sind, nicht in die Eigenschaften, die in der Vererbungslinie liegen, aufgenommen werden können. Der Mensch entwickelt etwas, was nicht in das Gattungsmäßige einfließen kann, was dem Gattungsmäßigen enthoben ist. Insofern der Mensch ein Gattungswesen ist, hat er alle Fähigkeiten, die ihm als Gattungswesen zukommen, geradeso vererbt, wie sie das Tier vererbt hat. Nur vererbt man ihm nicht soviel Geschicklichkeit, nicht soviel Geist, wie man dem Tier vererbt; sondern man läßt noch etwas übrig, was er sich als Individualität aneignen kann. Und das Leben des Geistes in bezug auf die nicht vererbbaren Eigenschaften ist das über das Tier hinausgehende menschliche seelische Erleben. Indem der Mensch die Produkte seiner Arbeit und Tätigkeit genießt, insofern sie durch nicht vererbbare Eigenschaffen im Leben erworben werden, entwickelt er ein seelisches Leben, das über das tierische Leben hinausgeht. So tritt der Mensch ungeschickter ins Dasein als das Tier. Der Mensch ist ungeschickter, da das Tier jene Auseinandersetzung, welche der Mensch erst nach der Geburt mit dem Geiste zu pflegen hat, schon vorher gehabt hat und fertig geworden ist. So genießt das Tier in seinem seelischen Erleben dasjenige, was ihm vererbt werden kann; das heißt, das seelische Leben des Tieres weist auf die Vergangenheit hin. Und in dem Augenblick, wo wir das seelische Erleben des Tieres in den Tod sinken sehen, sehen wir das, was das Tier von sich als Gattung erleben kann, mit in den Tod versinken. Alles, was am Tier individuell ist, indem es Seelisches erlebt, erlebt es als etwas, was es überkommen hat, was ihm von der Vergangenheit zugekommen ist. Es erschöpft im Leben das seelische Leben. Und es ist kein Anhaltspunkt da für eine Unsterblichkeit. Dagegen sehen wir, was das Tier seelisch erlebt, immer wieder und wieder im Gattungsleben weiterleben. Daher sprechen wir beim Tier, wenn wir geisteswissenschaftlich sprechen, von einer Gattungsseele, die in der Gattung stets von neuem aufersteht, in der Gattung stets weiterlebt. Und niemand, der in klaren Begriffen leben will, kann verkennen, welche Berechtigung dieser Satz hat. Was der Geist in der tierischen Art und Gattung schafft, das sehen wir in der einzelnen tierischen Individualität erlebt werden. Wir sehen aber auch, daß dieses Erleben auf das Vergangene hinweist und daß es in dem Augenblick, wo das Vergangene erschöpft ist, wo das seelische Erleben sich dem Tod zuneigt, zu Ende gehen muß, daß die Abendröte damit beginnt. Anders ist es, wenn wir unbefangen das menschliche seelische Leben betrachten. Da sehen wir in dem Sinne, wie es vorhin charakterisiert worden ist, daß der Mensch, indem er mit der Geburt ins Dasein tritt, etwas miterhält, was sich noch nicht in seinen Organen erschöpft hat. Wir sehen, wie er weiter an seinen Organen arbeitet, wie er wirklich seine Organe belehrt. Daran sehen wir aber, daß der Mensch in einer unmittelbaren Weise im individuellen Leben mit dem Geist in Wechselwirkung steht. Der Mensch erlebt seelisch nicht nur das, was ihm sozusagen von der Vergangenheit überliefert ist, sondern auch dasjenige, was ihm im Leben entgegentritt, was von außen an ihn herantritt, was unmittelbar als Geist sich ihm darstellt. So zerfällt des Menschen seelisches Leben in zwei genau voneinander zu trennende Glieder: einmal in das, was er als Seelisches so wie ein Tier erlebt. Was er von der Art, der Menschen-Art, mitbekommen hat, das lebt er als ein Wesen der Vergangenheit aus, das dem Tode entgegengeht, wo sich der Geist aus den Organen zurückzieht, wo die Organe zu verholzen, zu verdorren beginnen. Was aber eigene Auseinandersetzung ist mit dem Geist, das gehört nicht den Organen, das ist etwas, was der Mensch unabhängig von den Organen in seinen Ätherleib aufgenommen hat. Das ist daher etwas, was nicht in die Vergangenheit, die vererbt ist, den Menschen hineinverweist, sondern was unmittelbarer Same für das Weiterleben ist. In dem Maße, als wir sehen, daß des Menschen Innerlichkeit sich von den Organen losreißt, das heißt individuell wird, in dem Maße können wir logisch davon sprechen, daß wir das Unsterbliche des Menschen seelisch sich herauskristallisieren sehen aus dem leiblichen Leben. So lernen wir fühlen, daß dieses gerade im Menschen wächst, während er in bezug auf das Vererbte das Vergangene seelisch erlebt. So wächst im Menschen etwas der Zukunft entgegen, von dem wir sagen müssen, daß es nicht in die Vererbungslinie aufgenommen werden kann. Das zeigt sich aber auch, wenn wir unbefangen das seelische Leben bei Mensch und Tier beobachten. Sehen wir nur einmal, wie das seelische Erleben beim Tier eng an die Organisation gebunden ist, wie eng die Geschicklichkeit eines Tieres, das ganze Erleben des Tieres an seine Organe und an die vererbten Merkmale gebunden ist. So recht können wir das seelische Leben des Tieres nur betrachten, wenn wir es im Selbstgenuß seiner Leiblichkeit belauschen. Das ist das Wesentliche. Wir merken das Wesentliche eines Tieres sehr wenig, wenn wir darauf sehen, wie es sich an der Außenwelt freut, wohl aber dann, wenn wir beobachten, wie es seine eigene Verdauung erlebt. Man muß innerhalb der Grenzen seiner Organe stehenbleiben, wenn man das Höchste des seelischen Erlebens beim Tier haben will. Das Tier erschöpft sich geradezu innerhalb seiner Organisation in seinem seelischen Erleben, und was es nach außen noch übrig hat, ist doch für das Tier nur insofern bedeutsam, als es sich im inneren Seelischen des Tieres ausleben kann. Gewiß, es ist vorauszusetzen und zu sagen und durch die Geistesforschung auch zu dokumentieren, daß der Adler seelisches Erleben an der Höhe hat, in der er sein Dasein hat. Aber er hat es in der Betätigung, in dem, was in seinen Organen lebt, was innerhalb seiner Organe zum Ausdruck kommt. Beim Menschen löst sich das seelische Erleben von dem innerlichen Genießen los, von dem innerlichen Sich-Erleben. Das muß der Mensch, wenn man so sagen darf, auch büßen. Beim Tier ist eine gewisse Instinktsicherheit vorhanden, das Tier weiß, welche Nahrungsmittel ihm schaden, welche ihm nützen. Das Tier verdirbt sich viel weniger, als es durch den Menschen verdorben wird. Es wird höchstens verdorben, wenn der Mensch die Tiere in Käfigen zusammenhält. Aber in der freien Natur, wenn das Tier dem folgt, was seiner Organisation eingeboren ist, entfaltet es eine große Instinktsicherheit, weil es mit seinen Organen verbunden bleibt. Der Mensch dagegen löst sich von seinen Organen los. Die Folge davon ist, daß er jetzt nicht mehr unmittelbar dem folgen kann, was für ihn gut oder schlecht ist. Er wird unsicher. Und während die Tiere Leidenschaften zeigen, welche mit den Organen zusammenfallen, zeigt der Mensch Leidenschaften, die vielleicht sehr viel verwüstender sind und gar nicht mit seinen Organen zusammenfallen. Während die Spinne mit Sicherheit ihr Netz baut und es unsinnig wäre, ihr von Logik zu reden, muß sich der Mensch gar sehr bedenken, wenn er seine Bauten zusammenfügen soll. Da kann er sehr irren. Das seelische Leben des Menschen hat sich losgelöst, hat sich von der Leiblichkeit emanzipiert. Das muß der Mensch aber auch büßen. Dagegen kann sich der Mensch aber auch wieder nach der anderen Seite mit dem Geist verbinden und in die Seele aufnehmen, was ihm der Geist vermittelt. Er ist fähig, Geist aufzunehmen, ohne daß dieser sich erst durch die Organe, durch die Leiblichkeit ergießen muß, während das Tier darauf angewiesen ist, wie sich der Geist in die Organe ergießt. Das Tier erlebt in sich den Geist, wie er in die Organe einfließt. Der Mensch dagegen reißt seine Organe von dem Seelischen los und erlebt unmittelbar das Einfließen des Geistes in seine Seele. Diese Dinge sind, wenn man wirklich hinter die Bedeutung des Geistes gekommen ist und hinter die Art, wie sich der Geist in der Seele auslebt, von einer unendlichen Bedeutung. Eine vollständige Klarheit wird sich uns erst heute über acht Tage bei dem Vortrag «Menschengeist und Tiergeist» ergeben. Aber gerade wenn wir das Seelische, das Innere betrachten, bekommen wir ein Gefühl für den Unterschied zwischen Mensch und Tier, wenn wir gegenüberstellen die leibliche Innerlichkeit der tierischen Seele der leiblichen Äußerlichkeit der menschlichen Seele. Dafür kann die menschliche Seele geistig innerlicher werden. Daß sie sich freuen kann an den Dingen der Außenwelt, daß sie dringen kann zu dem, was äußerlich erscheint, was als Geist zu der Seele spricht, das verdankt der Mensch allerdings dem Umstände, daß sich seine Seele von der Leiblichkeit emanzipiert hat, sich von dem innerlichen Erleben des Geistes getrennt hat — und die Sicherheit, den Geist selbst zu erleben, sich mit einer Unsicherheit und Ungeschicklichkeit, ja Unvollendetheit in den Instinkten erkauft hat. Es ist ziemlich leicht, zu sagen: Wie kann man überhaupt von einer tierischen Seele reden, da «Seele» den Begriff der Innerlichkeit in sich schließt, und da im Grunde genommen in das Innere eines anderen Wesens der Mensch zunächst nicht hineinschauen kann? Auf diesen leichtfüßigen Einwand stützen sich ja gerade die, welche es überhaupt verbieten wollen, über seelisches Erleben zu sprechen, weil seelisches Erleben nur in uns erlebt werden kann und daher im Grunde genommen bei anderen Wesen nur durch Analogie erschlossen werden kann. Aber wenn man nicht in ganz abstrakter Weise solche Dinge hinspricht, sondern die Dinge nimmt, wie sie sind, dann muß man sagen: Wie sich ein Wesen darlebt, darin zeigt es, was es unmittelbar innerlich erlebt. Und wer nicht glauben will, daß sich ein Wesen unmittelbar darlebt nach dem, was es innerlich erlebt, der wird überhaupt für eine Weltbetrachtung taub sein. Wir haben ja gewiß in der unmittelbaren Beobachtung keine rechte Garantie, wenn wir nicht nachweisen — was noch geschehen soll, um zu zeigen, wie man geisteswissenschaftlich die Sachen dokumentieren soll daß das Tier wirklich etwas Innerlich-Seelisches erlebt, wenn es in der Verdauung behaglich sich darlebt. Aber wer die Dinge in der Welt vergleicht und nicht nur eine Sache betrachtet, der wird schon sehen, daß recht viel Gründe vorhanden sind, um in dieser Weise über das Innere zu sprechen. Und wenn man sich dann ein Gefühl von dem Unterschied des seelischen Erlebens im Tier und im Menschen verschafft hat, so wird man auch sein Fühlen und sein Empfinden über das Seelische des Tieres in einer richtigen Weise ausdehnen können. Man wird dann vor allen Dingen immer mehr und mehr ein Gefühl dafür erhalten, wie beim Menschen sich das Seelische emanzipiert von dem, was innerlich-leiblich erlebter Geist ist. Der Geist ist es, der die Organe schafft, der in der Organisation wirkt und dieselbe so aufbaut, wie sie ist. Und wir sprechen vom Geist, der im Ätherleib wirkt, wenn wir vom Aufbauen der Organe sprechen. Dieser Geist, der da innerlich erlebt wird, kann nun, wenn der Astralleib sich einschiebt in die Organisation, unter gewissen Voraussetzungen in einer ganz besonderen Weise erlebt werden. Wenn wir das ernst nehmen können, was vorhin über den physischen Leib, Ätherleib und Astralleib ausgesprochen wurde, so können wir uns sagen: Der physische Leib ist bei den Menschen und Tieren zunächst das unterste Glied ihrer Wesenheit. Der Ätherleib ist der, welcher die chemischen und physischen Stoffe so formt, daß sie Lebensprozesse werden. Dadurch lebt der Ätherleib in dem physischen Leibe darinnen, faßt in sich, umspannt die chemischen und physischen Prozesse. In alledem lebt wieder der Astralleib und erlebt im Ätherleib als seelisches Erleben alles, was im Ätherleib vorgeht. So ist also der Ätherleib der Tätige, der Schaffende am physischen Leib, und der Astralleib ist der die Taten des Ätherleibes seelisch erlebende Teil einer tierischen oder menschlichen Wesenheit. So ist der physische Leib mit dem Ätherleibe in dem Aufbauen der Organe verbunden — und der Ätherleib ist verbunden mit dem Astralleib in dem innerlichen Erleben dieses Aufbauens und dieser Tätigkeit der Organe. So haben wir alles, was im physischen Leib, Ätherleib und Astralleib sich darstellt, in gegenseitigen Bezug zueinander zu stellen. Was ruft denn nun ein ganz besonderes seelisches Erleben hervor? Dasjenige, was sich bei Mensch und Tier über die gesamte innere Organisation ausgießt. Dieses besondere seelische Erleben können wir am besten dann fassen, wenn wir es in einem gewissen Zustand erfassen. Wer kennt denn nicht jene eigentümliche Art des seelischen Erlebens, die nur vorhanden ist, solange das Tier wächst, seine Organe vergrößert, und die aufhört, wenn das Wachstum abgeschlossen ist? Was sich da in dem Erleben ausdrückt von strotzender Kraft, das ist verbunden mit einem gewissen Arbeiten des Ätherleibes am physischen Leib, und es ist der Ausdruck dafür, daß dieses Arbeiten in gehöriger Weise vor sich geht. Was wir aber in diesem Zustande hervorheben können, das ist immer vorhanden als ein gewisses Wohlgefühl der Seele, als ein Lebensgefühl, als Behaglichkeit oder Unbehaglichkeit, und das kommt davon her, wie der Ätherleib bezwingt oder nicht bezwingt, mächtig oder ohnmächtig ist gegenüber der physischen Organisation. Ist er nicht imstande, sich wirklich in den physischen Organen zur Geltung zu bringen, so kommt das in der astralischen Organisation, in dem Unbehagen, zum Ausdruck. Wenn aber der Ätherleib in seiner Tätigkeit überall an die physischen Organe herankann, wenn alles, was Tätigkeit werden soll, wirklich mit Hilfe der physischen Organe ausgeführt werden kann, dann ruft dies das weiteste Wohlgefühl im Menschen hervor. Man kann es im Feineren und im Gröberen spüren. Wenn der Magen verdorben ist, was heißt das anders, als daß der Ätherleib eine Tätigkeit, die er sonst ausführen soll, nicht ausführen kann? Das gibt sich dann in dem damit verbundenen Unbehagen kund. Oder nehmen wir an, es hat sich jemand mit seinem Denken so weit abgemüht, daß das Organ des Gehirns nicht mehr mit will. Der Ätherleib kann dann wohl noch denken, aber das Gehirn kann nicht mehr mit. Da fängt das Denken an, Kopfschmerzen zu machen. Und davon geht das Unbehagen aus im allgemeinen Lebensgefühl. Das erfährt seine besondere Steigerung, wenn der Teil, der vom Ätherleib aufgebaut ist, eine völlige Störung erfährt. Dann sagen wir: Uns ist, wie wenn die Haut, die vom Ätherleib aufgebaut ist, sich nicht dehnen kann, wenn sie durch äußere Hitze sich dehnen will, oder: Es ist mir, als wenn ich einen brennenden Pfahl daranhalte. Dann trifft der Ätherleib auf einen Widerstand eben auf. Der Ätherleib, der vom äußeren Eindruck nicht verzehrt, nicht ergriffen wird, ist dann auf einen physischen Leib getroffen, zu dem er nicht paßt. Das drückt sich im astralischen Leib als Schmerzgefühl aus. So haben wir den Schmerz im astralischen Leibe begriffen, indem wir ihn als den Ausdruck für eine Ohnmacht des Ätherleibes gegenüber dem physischen Leib zu erfassen verstehen. Ein Ätherleib, der mit seinem physischen Leib zurechtkommt, wirkt auf seinen Astralleib so zurück, daß in diesem Behagen gesundes inneres Erleben auftritt. Ein Ätherleib, der dagegen nicht mit seinem physischen Leib zurechtkommt, wirkt so auf den Astralleib zurück, daß in demselben Schmerz und Unbehagen auftreten muß. Jetzt werden wir einsehen können, wie gerade bei den höheren Tieren — von den niederen Tieren werden wir besser das nächste Mal sprechen, weil da das seelische Erleben so innig an die Leiblichkeit gebunden ist — dieses seelische Erleben auch in die gestörte Leiblichkeit sich viel tiefer hineinleben wird, als es sich beim Menschen in die gestörte Leiblichkeit hineinleben kann. Weil sich das seelische Leben des Menschen von dem inneren leiblichen Erleben so emanzipiert, deshalb ist beim Menschen ganz gewiß gegenüber dem höheren Tier der Schmerz, der durch die bloßen leiblichen Verhältnisse herbeigeführt wird, kein so peinigender und in der Seele fressender als beim Tier. Wir können das noch bei Kindern beobachten, wie leiblicher Schmerz noch ein viel größerer seelischer Schmerz ist als in den späteren Jahren, weil der Mensch in dem Maße, als er von der leiblichen Organisation unabhängig wird, in den Eigenschaften seiner Seele, die ihm unmittelbar aus der Seele kommen müssen, auch die Mittel findet gegen den leiblichen Schmerz, während das höhere Tier, das so eng an seine Leiblichkeit gebunden ist, auch mit alledem, was Schmerz bedeutet, in einem unendlich viel höheren Maße zusammenhängt als der Mensch. Das alles sind auf nichts basierende Redensarten, welche davon sprechen, daß beim Menschen ein Schmerz höher sein könnte als beim Tier. Der Schmerz ist beim Tier ein viel tieferer und viel mehr seelenerfüllend, als es beim rein leiblichen Schmerz für den Menschen der Fall sein kann. So sehen wir, daß sich der Mensch in der Erhebung über das Leibliche etwas herausholt in bezug auf das Tiefste seines Wesens aus seiner Innerlichkeit selbst. Was sich der Mensch da herausholt, das bezeichnen wir als sein eigentliches Ich. Was er nicht vererbt, was sich über den Verlauf des Gattungsmäßigen erhalten kann, was er durch seine Individualität immer mehr ausbilden muß, nennen wir gebunden an sein Ich. Das ist es, was in das Menschendasein hineinkommen muß — da es nicht durch die Vererbung gegeben werden kann — als von der menschlichen Individualität kommend, was mit der Geburt aus den geistigen Reichen ins Dasein tritt, was nach erfolgtem Tode dem Geistigen wieder zurückgegeben wird. Wir reden deshalb von einem von Leben zu Leben durch immer wiederkehrendes Dasein gehenden menschlichen Wesenskern, weil wir ihn im unmittelbaren Dasein erfassen können, wenn wir das Leben nur vorurteilslos betrachten. Ich habe heute in einer Art versucht, aus der unmittelbaren Erfahrung heraus einen kleinen Hinweis auf das zu geben, was es begründet, daß man im Menschen von einer Wesenheit sprechen kann, die nicht vererbt ist, sondern die von ganz anderer Seite her in das Menschenleben eintritt, und die wieder, wenn der Mensch das, was in ihm vererbt ist, mit dem Tode aufgelöst sieht, nach dem Tode in ein anderes, geistiges Dasein eintreten kann. Ich habe das in einer Weise heute gezeigt, wie es, wenn weitere Voraussetzungen der Geisteswissenschaft gemacht worden sind, im Grunde genommen nicht mehr gezeigt zu werden braucht, weil die Geistesforschung auf der unmittelbaren Anschauung fußt und noch von ganz anderer Seite her die Beweise und Belege für das bringen kann, was heute aus dem unmittelbaren Erleben des Alltags heraus veranschaulicht werden sollte. In der Geisteswissenschaft liegen aber auch die Möglichkeiten, die Erlebnisse des Alltags so zu gruppieren, in Beziehung zu bringen, daß sie uns zeigen, was in dem Menschen eine auf die Beobachtung der Tatsachen gestützte Hoffnung auf ein dauerndes, über das leibliche Dasein hinausgehendes Leben der Seele begründen kann. So sehen wir, wie eine Beobachtung des Daseins überall das erwähnte Goethe-Wort beweist. Das tierische seelische Erleben ist ein solches, das wir eingeschlossen sehen in den Kreis der tierischen Organe. Wir sehen überall die Organe als die Meister, die der Geist geformt hat, damit sich das Tier nach Maßgabe der Organe seelisch erleben und ihrer bedienen kann. Und wir sehen den Menschen in bezug auf dasjenige hilflos ins Dasein treten, worüber ihm seine Organe keine Richtung geben, was er aus dem Leben heraus seinem seelischen Erleben einprägen muß. Aber gerade in dem letzteren finden wir das, was des Menschen Anwartschaft auf Unsterblichkeit bedeutet, was ewig ist, weil es nicht auf Vererbung zurückgeführt werden kann. Das ist es, was Goethe meinte mit dem Satz: Das Tier werde durch seine Organe belehrt; der Mensch aber hätte den Vorzug, seine Organe wieder belehren zu können. Und wer in richtiger Weise diesen letzten Satz auffaßt, daß der Mensch im Verlaufe seines Daseins fähig ist, seine Organe wieder zurückzubelehren, der wird sich sagen: In dem Umkreise des seelischen Lebens, wo sich darstellt, wie der Mensch seine Organe belehrt, zeigt sich die Verbindung, welche der Mensch mit dem Geiste eingeht, und die unauflöslich sein muß, weil sie sich nicht erschöpft und aus der Vergangenheit kommt, sondern in die Zukunft hinweist und der Same für sie ist, durch welche der Mensch wirklich erreichen kann, was in seinem seelischen Erleben innerlich bilden wird die Kraft, durch die er in stets neuen Leben den alten Tod besiegen kann. |
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