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WAS HAT DIE ASTRONOMIE ÃœBER WELTENTSTEHUNG ZU SAGEN? Berlin, 16. März 1911 Wer könnte daran zweifeln, daß mit berechtigten Hoffnungen auf diejenige Wissenschaft gesehen werden muß, die wir als die Astronomie bezeichnen, wenn von Weltentstehung, von Weltentwickelung die Rede ist? Denn die Astronomie ist ja mit Recht eine Wissenschaft, vor der nicht nur der menschliche Intellekt seine hohe Achtung haben muß, weil sie uns mit gewichtigen Erkenntnissen in die Weiten der Welt führt, sondern die Astronomie ist etwas, was trotz aller Abstraktheit und Rauheit doch auch in intensivster Weise zu unserer Seele, zu unserem ganzen Geiste spricht, so daß man sagen darf: Es liegt etwas Begreifliches darin, daß diese menschliche Seele zuletzt Aufsdiluß zu gewinnen hofft über die tiefsten Geheimnisse des Daseins vom Aufblick zu dem Sternenhimmel, der so tief zu unserem Gemüte spricht, wenn wir ihn mit GemütsVerständnis in Nächten auf unsere Seele wirken lassen. Nun wollen wir uns heute vom Standpunkte der GeistesWissenschaft aus auf die Frage einlassen: Was hat uns diese Astronomie über Weltentstehung zu sagen? Vielleicht wird das, was zuletzt bei diesen Betrachtungen herauskommt, mandiem so erscheinen, als ob eine Blume der Hoffnung in einer gewissen Weise zerpflückt werden könnte. Wer diesen Eindruck gewinnen sollte, könnte sich doch auf der andern Seite wieder damit trösten, daß diese Astronomie gerade in den letzten Jahrzehnten, in dem ausgehenden neunzehnten Jahrhundert uns so wunderbare Ergebnisse gebracht hat, daß wir genügend Grund haben, uns über diese Ergebnisse als solche — auch intellektuell — im äußersten Maße zu freuen, selbst wenn wir durch diese tiefere Erkenntnis der neueren Zeit auf diesem Gebiete dazu geführt werden sollten, daß gerade diese Vertiefung der astronomischen Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten uns weniger hoffnungsfreudig macht, wenn wir direkt durch sie, wie sie uns als Wissenschaft in der äußeren Welt entgegentritt, Aufschlüsse zu gewinnen suchen über die großen Fragen nach Entstehung und Entwickelung des Weltalls. Da dürfen wir zunächst darauf hinweisen, daß gerade zu alledem, was da war seit der Zeit, da die Naturforschung durch Kopernikus, Kepler, Galilei, durch die Beobachtungen Herschels oder durch die kühnen Spekulationen von Kant und Laplace eine so gewaltige Vertiefung erfahren hat, daß zu alledem im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts etwas dazugekommen ist, was uns in einer vorher ungeahnten Weise eingeführt hat auch in den stofflichen Charakter der Himmelswelt. Während man sich früher darauf beschränken mußte, sozusagen aus der Kühnheit des menschlichen Denkens heraus zu behaupten, daß, wenn wir den Blick in die Sternenwelten hinauslenken, uns dort Welten entgegenschauen, die wir als ähnlich unserer eigenen Welt ansehen sollen, während man sich auf diese Kühnheit der menschlichen Intellektualität beschränken mußte, führte uns so etwas wie die Spektralanalyse der genialen Forscher Kirchhoff und Bunsen im neunzehnten Jahrhundert die Möglichkeit herbei, direkt durch das physikalische Instrument in die stoffliche Natur der Sterne einzudringen; so daß man seit jener Zeit eine auf die unmittelbare Beobachtung begründete Behauptung wagen darf, daß wir in den verschiedenen Sonnen, die uns aus dem Räume entgegenleuchten, in den Nebelflecken und in andern Gebilden, die uns im Himmelsraume entgegentreten, im wesentlichen dieselben Stoffe mit denselben stofflichen Eigenschaften anzuerkennen haben, die wir auch auf unserer Erde finden. So darf man sagen, daß seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts unsere Wissenschaft von der Erkenntnis ergriffen sein konnte: Wir ruhen hier als Menschen der Erde innerhalb einer stofflichen Welt mit ihren Gesetzen, mit ihren Kräften. Aus der Wirkung, welche diese stofflichen Gesetze der Erde im sogenannten Spektroskop zeigen — das wir ja erst seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts kennen —, und weil von den fernsten Himmelsräumen herein in das Spektroskop die gleichen Wirkungen geschickt werden, kann man darauf schließen, daß sich in den ganzen Weltenraum, soweit die stoffliche Welt in Betracht kommt, dieselbe Stofflichkeit und dieselben Gesetze dieser Stofflichkeit ergossen haben. Während es früher in gewisser Beziehung bloß eine Art geometrischer Rechnung war, die Bewegungen der Sterne zu untersuchen, hat es die schöne, geniale Verbindung der Spektralanalyse mit dem sögenannten Dopplerschen Prinzip uns möglich gemacht, daß wir nicht nur sozusagen diejenigen Bewegungen beobachten, die sich vor uns so abspielen, daß wir sie wie auf eine Fläche gezeichnet als die Bewegungen der Sterne erkennen; sondern wir können seit jener Zeit auch jene Bewegungen der Sterne in unser Urteil einbeziehen, die sich von uns ab und auf uns zu geltend machen, weil durch das Dopplersche Prinzip die kleine Verschiebung der Linien im Spektroskop bedeutungsvoll für den Gang eines Sternes wurde, insofern er sich von unserer Erde ab oder auf dieselbe zu bewegt; während es früher nur möglich war, dasjenige wirklich zu beredinen, was in einer Ebene geschah, die senkrecht zu unserer Blickrichtung steht. In einem solchen Prinzip, wie es die Verbindung des Dopplerschen Prinzips mit der Spektralanalyse ist, liegen gewaltige Errungenschaften der astronomischen Wissenschaft. Was nun der Menschenkopf als eine Art von Weltbild ersinnen konnte, wie es sich ergibt, wenn wir uns den Raum angefüllt denken mit Sonnen, Planeten, Nebenplaneten, mit Weltennebeln und andern Gebilden und ihre ineinandergeschlungenen Bewegungen und ihr gesetzmäßiges Ineinanderwirken betrachten, — von diesem Weltbild, wie es sich so ergibt und wie wir es in unseren Gedanken festhalten können, sagen wir: Wir können es begreiflich finden, daß ein solches Bild dem Menschengeist, der nach Erkenntnis strebte, als ein Muster von Klarheit, von innerer Gediegenheit erschien, wenn es sich dabei darum handelte, die Wirklichkeit mit dem Gedanken zu umspannen. Vergegenwärtigen wir uns, was es heißt, ein Gebilde, das den Raum erfüllt, mit dem Gedanken zu umspannen, auszurechnen: so bewegen sich die Gebilde, die großen und die kleinen, so wirkt eines auf das andere. Vergegenwärtigen wir uns, was es heißt: einen so in sich klaren Gedanken in den Raum hineindenken zu können, vergegenwärtigen wir es uns, indem wir es zum Beispiel vergleichen mit irgendeiner andern Naturwirkung, die wir in unserer Umgebung sehen, zum Beispiel mit dem Grünwerden der Blätter der Bäume im Frühling oder mit dem Aufblühen der Blüte einer Pflanze. Derjenige, welcher lebendig in der Wissenschaft drinnensteht oder drinnengestanden hat, weiß, wie bitter es der menschlichen Seele wird, wenn sie zunächst auf dem Boden rein äußerlicher Betrachtung immer wieder und wieder genötigt ist, zu Begriffen zu greifen, die keineswegs zu Ende gedacht werden können, wenn es sich zum Beispiel darum handelt, eine werdende, sich entwikkelnde Pflanze vorzustellen, ganz abgesehen von komplizierteren Erscheinungen wie tierischen Organismen. Ja, selbst schon in den Erscheinungen der Chemie und Physik unserer Erdenentwickelung bleibt uns in den Wärmewirkungen und so weiter gar mancher Rest, wenn wir begreifen, mit klaren Begriffsgebilden umspannen wollen, was unsere Augen sehen, was unsere Ohren hören. Wenn wir nun den Blick hinauswenden und schauen, was da unsere Augen sehen, und dann dies Gesehene in einem solchen Bilde zusammenfassen können, das in klaren Ortsveränderungen, in gegenseitigen Bewegungsverhältnissen sich ausdrückt, dann ist es begreiflich, daß dies eine beseligende Wirkung in unserem Innern hat, daß wir uns sagen: Solche Erklärungen, die wir von der Bewegung der Sterne im Räume und ihrer gegenseitigen Wirkung geben können, sind in sich so unendlich klar, daß wir in ihnen ein Muster überhaupt von Erklärungen sehen können. Kein Wunder daher, daß dieser Gedanke von der faszinierenden Klarheit des astronomisehen Weltbildes zahlreiche Geister ergriff. Es war für den, der die theoretische Wissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts verfolgte, außerordentlich lehrreich, zu sehen, wie die hervorragendsten Geister des neunzehnten Jahrhunderts Wege nahmen, die durch die eben charakterisierte faszinierende Empfindung vorgezeichnet waren. So etwa dachten hervorragende Geister des neunzehnten Jahrhunderts: Da sehen wir hinaus in den Raum, sehen in den gegenseitigen Beziehungen und Bewegungen der Sterne, wenn wir es in Gedanken verwandeln, ein Bild wunderbarer Klarheit. Jetzt versuchen wir in jene kleine Welt hineinzublicken, in welche allerdings nur der spekulierende Gedanke hineinblicken kann, die man hypothesenhaft im neunzehnten Jahrhundert immer mehr und mehr aufbaute: in die Welt der Atome und Moleküle. Man dachte sich ja im neunzehnten Jahrhundert immer mehr und mehr, daß jeder Stoff aus kleinsten Teilen besteht, die kein Auge und kein Mikroskop mehr sehen kann, die aber doch hypothetisch vorausgesetzt werden müssen. So setzte man voraus, daß man — wie man viele Sterne im Weltenraum hat — überall, wohin man den Blick richtet, als gleichsam kleinste Sterne die Atome vorhanden hat. Aus der gegenseitigen Anordnung der Atome, wie sie zusammen gruppiert sind, ergibt sich dann — allerdings nur für die Hypothese — das, was uns im kleinen das Bild erwedken kann: Hier hast du eine Anzahl Atome, sie stehen in einer bestimmten Beziehung zueinander und bewegen sich umeinander. Wenn die Atome zueinander in Beziehungen stehen und sich bewegen, so bedeutet das, daß der Stoff, der diese Atome zusammensetzt, zum Beispiel Wasserstoff oder Sauerstoff ist. Die Stoffe sind alle auf kleinste Atome zurückführbar, aus denen sie bestehen. Diese kleinen Atome sind wieder gruppiert, gewisse Gruppen bilden dann die Moleküle. Aber wenn man in diese Atome und Moleküle hineinschauen könnte, so hätte man im winzig kleinsten ein Abbild von der Klarheit, die wir draußen haben, wenn wir den Himmelsraum mit den Sternen angefüllt haben. Es hatte etwas Verlockendes für manche Denker des neunzehnten Jahrhunderts, wenn sie sich sagen konnten: Alle Erscheinungen, die wir draußen sehen, Licht, Schall, Elastizität, Elektrizität und so weiter führen uns zuletzt auf solche Wirkungen zurück, die von den Bewegungen und Kräften von Atomen bedingt sind, die so geschehen wie die Kräfte und Bewegungen im großen, wenn wir in den Himmelsräum hinaussehen. Ja, es entstand in manchem Geist ein merkwürdiges Bild: Wenn wir in das menschliche Gehirn hineinsehen, so besteht es ja auch aus den Stoffen und Kräften, die wir in der Welt draußen finden; und könnte man in die kleinsten Gebilde des menschlichen Gehirns, in das zirkulierende Blut des Menschen sehen, so würde man zuletzt überall etwas wie kleinste atomische und molekulare Welten, die im kleinen ein Abbild der großen Himmelswelt sind, erkennen. Man glaubte, wenn man nun rechnerisch verfolgen könnte, was sich durch die Atome und ihre Bewegungen ergibt, dann würde man erkennen können, wie eine gewisse Art von Atombewegungen — indem sie auf unser Auge wirken — den Eindruck des Lichtes, andere den Eindruck der Wärme hervorrufen. Kurz, man dachte sich alle Erscheinungen der Natur auf eine kleine, winzig kleine Astronomie zurückführen zu können: auf die Astronomie der Atome und Moleküle. Es war geradezu das Wort geprägt worden, das ja eine große Rolle spielte in den aufsehenerregenden Vorträgen, die in den siebziger Jahren Emil Du Bois-Reymond über «die Grenzen des Naturerkennens» gehalten hat, das Wort von dem «Laplaceschen Geist». Das war eine Art Schlagwort geworden und bedeutete nichts anderes, als daß es das Ideal einer Naturerklärung sein müßte, alles was wir um uns herum sehen, auf astronomie-artige Erkenntnis der Bewegungen der Atome und Moleküle zurückzuführen. Laplace war jener Kopf, in dem Platz griff eine Ãœberschau über unseren Sternenweltenraum. Und derjenige Kopf, der diesen Ãœberblick über die Sterne im Weltenraum in die kleinsten molekularischen und atomischen Gebilde hineintragen könnte, würde sich sozusagen immer mehr und mehr dem Ideal nähern, astronomisch unsere Natur zu erkennen. Daher können wir jetzt — und mit Recht — sagen: Es gab Leute, die da glaubten: wenn ich den Eindruck habe, ich höre den Ton eis, oder ich sehe rot, so geht in Wahrheit eine Bewegung in meinem Gehirn vor; und könnte ich diese Bewegungen so beschreiben, wie die Astronomen die Bewegungen der Sterne am Himmel beschreiben, dann würde ich verstehen, um was es sich beim Begreifen der Naturerscheinungen und auch des menschlichen Organismus handelte. Wir würden dann in unserem Bewußtsein das Faktum haben: Ich höre eis, ich sehe rot. Aber in Wahrheit wäre es so: Wenn wir rot wahrnehmen, spielt sich in uns ein kleiner atomischer und molekularer Kosmos ab, und wenn wir wissen würden, wie die Bewegungen sind, dann würden wir begriffen haben, warum wir rot und nicht gelb wahrnehmen, denn bei gelb würde sich eine andere Bewegung abspielen. So wurde astronomische Erkenntnis im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts ein Ideal, durchdringend alle Naturerkenntnis mit denselben klaren Begriffen, die für die Astronomie gelten. Ja, man darf sagen, es ist im hohen Grade interessant, zu verfolgen, wie sich unter dem Einfluß eines solchen Gedankens die theoretische Naturwissenschaft entwickelt hat. Wenn ich auf etwas hinweisen darf, was mir selber vor vielen Jahren entgegengetreten ist, so könnte es etwa das folgende sein. Ich kannte einen Schuldirektor, der ein ausgezeichneter Mann war, auch als Schuldirektor. Aber er hatte sich während seiner übrigen Schultätigkeit — schon im Beginn der siebziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts — damit beschäftigt, ein solches Natursystem auszudenken, in welchem man die seit Newtons Zeit geltende Anziehungs- und Abstoßungskraft auch entbehren kann, so daß also jener Schuldirektor — Heinrich Schramm — dessen Werke doch recht bedeutend sind, in seinem Buche «Die allgemeine Bewegung der Materie als Grundursache aller Naturerscheinungen» versucht hat, zu allem übrigen, was von der astronomischen Erkenntnis schon weggeschafft war, auch das wegzuschaffen, was man bis dahin die Anziehungskraft genannt hat, mit der sich die Materien im Räume anziehen. Es war sehr interessant, was dieser Mann in einer gewissen genialen Weise — was später vielfach nachgemacht wurde — zuerst versucht hat. Denn wenn wir glauben, daß Licht nichts anderes ist als Bewegung kleinster Massenteilchen, wenn wir glauben, daß Schall und Ton wie auch Wärme nichts anderes sind als Bewegung kleinster Massenteilchen, wenn astronomische Erkenntnis überall hineinleuchten kann, warum sollten wir dann jene sonderbaren, mystischen Kräfte noch gelten lassen: von der Sonne zur Erde durch den leeren Raum hindurch? Warum sollte man nicht imstande sein, anstelle dieser mystischen Anziehungskraft, an die man bis dahin als an etwas Unerschütterliches geglaubt hatte, nun auch eine solche zwischen den Atomen und Molekülen anzunehmen? Warum sollte man nicht auch daran rütteln können? Es gelang diesem Manne in der Tat, ohne Zuhilfenahme einer besonderen Anziehungskraft die Anziehung der Weltenkörper und der Atome zueinander zu begreifen, indem er zeigte: Wenn sich zwei Körper im Räume gegenüberstehen, so brauche man doch nicht anzunehmen, daß sie sich anziehen, denn eine solche Anziehung — so meinte Schramm — nimmt doch der nicht an, der nicht an so etwas glaubt, was wie durch den Raum sich reichende Hände geht. Das einzige, was man annehmen darf, das ist, daß kleine, bewegte Materie da ist, die von allen Seiten wie kleine Kugeln stößt, so daß von allen Seiten kleine Kugeln die beiden großen Kugeln stoßen. Wenn man nun in der Rechnung genau vorgeht und keinen Fehler macht, dann findet man, daß einfach aus dem Grunde, weil die Stöße zwischen den beiden Kugeln und die, welche von außen verursacht werden, eine Differenz ergeben, die Kräfte, welche sonst als Anziehungskräfte von außen angenommen worden sind, durch das Stoßen von außen ersetzt werden können, so daß man anstelle der Anziehungskraft Stoßkräfte zu setzen hätte, welche die Materie anziehen. Mit einem großen Scharfsinn finden Sie diesen Gedanken in der angeführten Schrift durchgeführt. Ich könnte spätere Schriften desselben Charakters anführen — Schramm aber hat die Sache zuerst behandelt —, will aber überall, wo eine Erscheinung neu auftritt, sie dort anführen, wo sie zuerst aufgetreten ist. So konnte also Schramm zeigen, wie ganz nach demselben Gesetz zwei Moleküle Anziehungskräfte ausüben genau so wie die größten Weltenkörper. So wurde astronomische Erkenntnis etwas, was in dem größten Weltenraum Platz griff und bis in die kleinsten, angenommenen Teile der Materie und des Äthers hineinwirkte. Das stand wie ein großes gewaltiges Ideal die ganze Zeit über vor den Denkern des neunzehnten Jahrhunderts. Wer seine Studien in dieser Zeit gemacht hat, der weiß, wie damals dieses Ideal für die verschiedensten Erscheinungen durchgearbeitet worden ist, wie astronomische Erkenntnis eben ein durchgreifendes Ideal war. Und man darf sagen, daß alles — zunächst in den siebziger Jahren — geeignet war, dieses Ideal zu fördern, denn zu allem, was man — anknüpfend an die großen Errungenschaften der Naturwissenschaften — damals herausbrachte, gesellte sich in dieser Zeit noch dasjenige hinzu, was durch die genauere Untersuchung der Verhältnisse der Wärme zu den andern Naturkräften zutage trat. In den sechziger Jahren ist immer mehr und mehr anerkannt worden, was Julius Robert Mayer schon in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts mit genialem Blick gezeigt hat: daß Wärme nach ganz bestimmten Zahlenverhältnissen in andere Naturkräfte verwandelt werden kann. Daß dies der Fall ist, sehen wir, wenn wir zum Beispiel mit dem Finger über eine Fläche hinfahren: da verwandelt sich der Druck in Wärme. Wenn wir eine Dampfmaschine heizen, verwandelt sich die Wärme in die fortbewegenden Kräfte der Maschine. Wie sich hier Wärme in bewegende Kraft oder Druckkraft in Wärme verwandeln, so verwandeln sich die andern Naturkräfte, Elektrizität und so weiter ebenfalls in Naturkräfte, von denen man dachte, daß sie verwandelbar sind. Verband man diesen Gedanken mit den Gesetzen der astronomischen Erkenntnis, dann konnte man sagen: Was uns da entgegentritt, unterscheidet sich in bezug auf die Wirklichkeit nur dadurch, daß eine bestimmte Form von Bewegung innerhalb der Welt der Atome und Moleküle sich in eine andere verwandelt. Wir haben eine bestimmte Form vonBewegung in den Molekülen vorhanden, gleichsam ein kleines, kompliziertes astronomisches System, und es verwandeln sich die Bewegungen in andere Bewegungen, das System in ein anderes System. So wird die Wärme in fortbewegende Kraft verwandelt und so weiter. So glaubte man alles durchschauen zu können. Und so groß und gewaltig war der Eindruck der astronomischen Erkenntnis, daß er ein solches Ziel abgeben konnte. Nun müssen wir sagen, daß zunächst für eine Weltentstehungslehre durch alle diese Gedanken noch wenig gewonnen war. Warum? Da müssen wir uns, damit wir nicht gleich vom Anbeginn an auf das verfallen, was die Geisteswissenschaft zu sagen hat und was von den Gegnern leicht angefochten werden kann, ein wenig in den Ideen umsehen, die solche Leute gehabt haben, die in dem geistigen Leben jener Zeit und in solchen Idealen mitten drinnen standen. Wir können uns in einfachster Art davon überzeugen, wie sich diese Dinge abgespielt haben, wenn wir ein wenig näher hinschauen auf jene Rede «Über die Grenzen des Naturerkennens», welche Du Bois-Reymond am 14. August 1872 auf der Naturforscher-Versammlung in Leipzig gehalten hat. Da hat Du Bois-Reymond in allen Tonarten dieses Ideal einer astronomischen Erkenntnis gepriesen und gesagt, daß wahre Naturwissenschaft überall nur dort vorhanden sei, wo wir imstande sind, die einzelnen Naturerscheinungen zurückzuführen auf eine Astronomie der Atome und Moleküle, alles übrige gelte nicht als Naturerklärung; so daß also jemand naturwissenschaftlich das menschliche Seelenleben erläutert hätte, wenn es ihm gelungen wäre zu zeigen, wie nach dem Muster astronomischer Bewegungen sich die Atome und Moleküle im Menschen gruppieren müssen, um ein menschliches Gehirn erscheinen zu lassen. Nun machte aber Du Bois-Reymond zugleich darauf aufmerksam, daß wir ja im Grunde genommen für die Erklärung der Seele und ihrer Tatsachen durch eine solche astronomische Erklärung noch nichts getan haben, denn er sagte: Nehmen wir an, es wäre das Ideal erfüllt, daß wir wirklich sagen könnten, so und so spielen sich innerhalb des Gehirns die Bewegungen der Atome nach dem Muster der astronomisehen Bewegungen ab: bei der Wahrnehmung des Tones eis wäre dieser Bewegungskomplex zu schauen, bei der "Wahrnehmung der Farbe rot ein anderer — dann hätten wir naturwissenschaftlich unser Kausalbedürfnis befriedigt. Aber kein Mensch, betonte Du Bois-Reymond, könnte einsehen, warum eine bestimmte Art von Bewegungen gerade sich umsetzt in unserem Seelenleben in das Erlebnis: ich nehme rot wahr, ich höre Orgelton, ich rieche Rosenduft oder dergleichen. Denn Du Bois-Reymond machte auf etwas aufmerksam, was im Grunde genommen schon Leibniz betont hat und wogegen sich nichts einwenden läßt: Denken wir uns — wenn es nur auf Bewegung ankäme — das Gehirn des Menschen ins Riesenmäßige vergrößert, so daß wir es dann so vor uns hätten, daß wir darin wie in einer Fabrik Spazierengehen könnten, wo wir alle Bewegungen der Räder und Riemen beobachten können und hinweisen könnten: da ist eine bestimmte Bewegung — die würden wir dann in der nettesten Weise zeichnen und berechnen können, wie wir die Bewegungen der Planeten um die Sonne beredinen können. Kein Mensch aber würde wissen, wenn er es nicht aus andern Dingen wüßte: diese Bewegung, die ich da beobachte, entspricht in der Seele dem Erlebnis: ich sehe rot. Das würde er nicht herausbringen können, sondern er würde nur Gesetze der Bewegung herausfinden können und sich sagen können: so und so verläuft die Bewegung, dies und das geschieht im Räume, — würde aber nicht den Zusammenhang finden können zwischen diesen nach dem Muster der Astronomie gedachten Bewegungen und dem eigentümlichen Erlebnis: ich sehe rot, ich höre Orgelton, ich rieche Rosenduft. Wenn er nicht von woanders her wüßte, woher diese Erlebnisse sind — aus den Bewegungen der Atome würde er nie darauf schließen können. Du Bois-Reymond sagte sogar recht kraß: «Welche denkbare Verbindung besteht zwischen bestimmten Bewegungen bestimmter Atome in meinem Gehirn einerseits, andererseits den für mich ursprünglichen, nicht weiter definierbaren, nicht wegzuleugnenden Tatsachen: ich fühle Schmerz, fühle Lust, ich schmecke Süßes, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe rot, und der ebenso unmittelbaren daraus fließenden Gewißheit: also bin ich? Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, daß es einer Anzahl von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoffusw. Atomen nicht solle gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden.» Nun war ganz zweifellos das, was Du Bois-Reymond damit gesagt hat, nicht voll einer naturgemäßen Logik entsprechend; denn gerade an diesem krassen Ausdruck können wir sehen, daß es einer Anzahl von Molekülen — also stofflichen Teilen — nicht gleichgültig ist, wie sie liegen und sich bewegen. Denn Sie wissen es alle, daß es Schwefel, Salpeter und Kohle nicht gleichgültig ist, wie sie nebeneinanderliegen: wenn sie unter gewissen Bedingungen nebeneinanderliegen, ergeben sie das Schießpulver. Ebenso ist es nicht gleichgültig, in was für ein Verhältnis man den Kohlenstoff zum Wasserstoff gebracht hat; sondern es handelt sich darum, ob der Stoff bei der Bewegung zu einem andern Stoffe geführt wird, mit dem er verwandt ist und vielleicht eine Explosivkraft bilden kann. Dieser Ausspruch war also über das Ziel hinausgeschossen, wenn er auch einen Schatten von Richtigkeit hatte. Aber das Richtige daran hatte schon Leibniz erkannt: daß es keine Art von Ãœbergang gibt zwischen der astronomischen Bewegung der Moleküle und Atome und zwischen den Qualitäten unseres Erlebens und unseres inneren Seelenlebens. Es gibt nicht die Möglichkeit, diesen Abgrund durch die bloße astronomische Wissenschaft als «Bewegung» zu überbrücken. Das ist es, was wir reinlich aus den mancherlei Irrtümern herausschälen müssen, die in der erwähnten Rede von Du Bois-Reymond: «Über die Grenzen des Naturerkennens» enthalten sind. Aber das ist das Wertvolle in dieser Rede: es lag in ihr etwas wie eine Reaktion, wie ein Empfinden gegen die Allmacht und die Allweisheit der astronomischen Erkenntnis. Wenn wir das, was wir so reinlich ,heraussondern können, in Erwägung ziehen, so finden wir die Möglichkeit, es zu übertragen auf die große astronomische Erkenntnis. Nehmen wir einmal an, was ja zweifellos berechtigt ist: man kann nicht von der astronomischen Erkenntnis der Bewegung der kleinsten Massenteilchen irgendwie die Brücke zu den Seelenerlebnissen und Geisteserlebnissen finden. Dann kann man aber von dem, was die große Astronomie bietet — von der Beschreibung des Sternenhimmels und seinen Bewegungen und den Verhältnissen der Sterne untereinander — auch nicht die Brücke zu etwaigen den Raum erfüllenden Seelen- und Geisteswirkungen schlagen! Wenn es wahr ist — und es ist berechtigt, dies als wahr anzunehmen —, wenn wir uns das menschliche Gehirn im Sinne Leibniz' und Du Bois-Reymonds so vergrößert denken, daß wir darin Spazierengehen könnten und die Bewegungen darin wie die Bewegungen der Himmelskörper ansehen, und wenn wir in diesen Bewegungen unseres Gehirns nichts wahrnehmen von seelischen Gegenbildern dieser Bewegungen, so brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, wenn wir in einem solchen vergrößerten Gehirn — nämlich im Weltengebilde — drinnenstehen und auch nicht die Brücke finden können zwischen den Bewegungen der Sterne im Himmelsraum und den eventuellen Seelen- und Geistestätigkeiten, die den Weltenraum durchmessen und die ebenso zu den Bewegungen der Sterne stehen würden wie unsere Gedanken, Empfindungen und Seelenerlebnisse zu den Bewegungen unserer eigenen Gehirnmasse. Damals war — als Du Bois-Reymond dies sprach — für jeden, der denken konnte, der Schluß möglich, der allerdings seither nie gezogen worden ist: Wenn das richtig ist, worauf mit einer gewissen Sicherheit Du Bois-Reymond hinwies, so muß man auch sagen: Wenn den Raum ein Seelenhaftes, ein Geisthaftes erfüllt, dann kann keine Astronomie, keine astronomische Erkenntnis — insbesondere dann nicht, wenn sie dieses gekennzeichnete Ideal des neunzehnten Jahrhunderts erfüllt — irgendwie pro oder contra von dem den Raum erfüllenden Geistigen oder Seelischen sprechen, denn man kann nicht von Bewegungen auf Geistiges schließen. Damit war die Notwendigkeit gegeben zu sagen: Der Astronom muß sich auf die Beschreibung dessen beschränken, was im Himmelsraum vorgeht, er kann unmöglich in bezug auf das, was Im Himmelsraum vorgeht, das geringste Urteil darüber fällen, daß zu den Bewegungen der Sterne im Großen Seelenerlebnisse kosmischer Art gehören, wie zu unseren Massenbewegungen im Gehirn unsere Seelenerlebnisse gehören. Damit war bereits in den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts der Astronomie ihre Grenze angewiesen. Man hätte aber ganz anders fragen müssen, als Du Bois-Reymond gefragt hat, nämlich: Gibt es eine Möglichkeit, auf eine andere Art vorzudringen, um etwa die den kosmischen Raum ausfüllenden Seelen- und Geisteswesenheiten zu finden? — Deshalb weist die Geisteswissenschaft gegenüber der Astronomie auf etwas hin, was wiederholt in diesen Vorträgen besprochen worden ist: daß der Mensch imstande ist, seine Erkenntniskräfte zu anderen Stufen hinaufzuentwickeln, als er sie im normalen Leben hat. Dann erst, wenn diese Erkenntniskräfte auf eine höhere Stufe hinauf gehoben worden sind, ist es möglich, anderes im Räume und in der Zeit zu finden als das, was man als die idealste Erfüllung von Raum und Zeit im neunzehnten Jahrhundert angesehen hat: die astronomisch feststellbaren Bewegungen der Kräfte und Atome im Raum. Nun dürfen wir aber doch nicht allzu gering über das denken, was die äußere Naturwissenschaft in bezug auf das Werden der Welt zu sagen hat. Denn die naturwissenschafllichen Tatsachen, die allerdings in einer gewissen radikalen, phantastischen Ausbildung zu dem Ideal einer astronomisch-molekularischen und -atomischen Erkenntnis geführt haben, haben auf der anderen Seite im neunzehnten Jahrhundert etwas aus sich herausgetrieben, was wir geradezu als ein Muster einer naturwissenschaftlichen, tief in die Geheimnisse des Daseins hineinleuchtenden Tatsache ansehen müssen. Und wenn sie auch eine eingeschränkte Bedeutung hat, so ist sie doch eine Tatsache allerersten Ranges. Sie kann ja heute auch nur angedeutet werden, denn um was es sich da handelt, ist die Beantwortung der Frage: «Was hat Astronomie über Weltentstehung zu sagen?» Dazu muß hingewiesen werden auf das, was in der äußeren Welt gezeigt werden kann, um die Antwort auf diese Frage zu geben: daß innerhalb des naturwissenschaftlichen Denkens, Forschens und Experimentierens mit Klarheit nachgewiesen ist, wie es zwar im allgemeinen richtig ist, daß wir Naturkräfte ineinander verwandeln können, daß wir zum Beispiel Wärme in Arbeit oder, wenn wir irgendeine Arbeit verrichtet haben, diese in Wärme verwandeln können, aber es ist richtig mit einer ganz gewichtigen Einschränkung. Während auf der einen Seite gilt: Wärme kann in mechanische Arbeit, in Bewegungsenergie verwandelt werden und Bewegungsenergie wieder in Wärme — müssen wir auf der andern Seite sagen, daß, wenn man Wärme zurückverwandeln will in Arbeit, in Bewegungsenergie, dies nicht in uneingeschränkter Weise geschehen kann. Das sehen wir am anschaulichsten bei der Dampfmaschine.Wir bringen die Bewegung durch die Wärme hervor, aber wir können nicht alle Wärme, die wir in den Dampfkessel hineinheizen, so umwandeln, daß sie sich ganz umwandelt in Bewegungsenergie.Es geht immer etwas Wärme verloren, so daß wir immer bei allen Prozessen in der Natur, wo Wärme-Energie in Bewegung umgesetzt wird, mit einem Wärmeverlust zu rechnen haben, wie er bei einer Dampfmaschine sicher ist. Denn selbst bei den bestgehenden Dampfmaschinen können wir nur ungefähr ein Viertel der Wärme umwandeln in Bewegung, die andere strahlt aus in den Kühlraum und so weiter. Wir können es nur so, daß wir bei der Umwandlung zusehen müssen, daß ein Teil der Wärme — als Wärme — in den Weltenraum hinausstrahlt. Diese Erkenntnis, daß sich zwar Bewegungsenergie restlos in Wärme, nicht aber umgekehrt Wärme restlos in Bewegungsenergie zurückverwandeln läßt, ist auch in äußerlicher Beziehung eine der fruchtbringendsten Erkenntnisse für die Wissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts geworden. Denn alles, wofür jetzt Lehrkanzeln bestehen, worüber ganze Bibliotheken existieren-über die Thermodynamik-, beruht lediglich auf dieser Erkenntnis, so daß ein großer Teil unserer gegenwärtigen Physik auf dem aufgebaut ist, was eben hier als die Erkenntnis charakterisiert worden ist, daß nicht rückläufig Wärme unbedingt in Bewegungsenergie verwandelt werden kann, sondern daß immer ein Rest von Wärme bleibt, der ausstrahlt. Das ist unwiderleglich gezeigt worden durch solche Untersuchungen wie zum Beispiel die des berühmten Physikers Clausius, von dem die Verallgemeinerung dieses Satzes geltend gemacht worden ist, daß bei allen Vorgängen im Weltall dieser Satz gelten muß. Daher haben wir es bei allen Verwandlungsprozessen, wo ja überall die Wärme ihre Rolle spielt, mit einer Ãœberleitung der Wärme in jene Arbeit zu tun, die eben bei den Tatsachen unserer Natur in Betracht kommt. Da aber immer bei der Umwandlung ein Rest von Wärme bleibt, so ist unschwer einzusehen, daß zuletzt der Endzustand dieser unserer Entwickelung, in der wir als in einer materiellen Entwickelung drinnenstehen, die Umwandlung der sämtlichen Bewegungsenergie, der sämtlichen sonstigen Arbeit in der Natur in Wärme ist. Das ist das letzte, was herauskommen muß: alles übrige an Naturvorgängen muß sich zuletzt in Wärme umwandeln, weil immer ein Rest von Wärme übrigbleibt, so daß alle Weltenvorgänge so verlaufen — wenn sich auch noch so lange Zeiten hindurch NaturVorgänge abspielen werden, die wir als «Naturarbeiten» bezeichnen können —, daß immer größer und größer die Wärme sein wird, die als Rest sich ergeben wird, und zuletzt muß das Ergebnis sein, daß alle Bewegungsvorgänge in Wärme umgewandelt sein werden. Dann hätten wir es also mit einem großen Weltenchaos zu tun, das nur noch aus Wärme besteht, die nicht mehr zurückverwandelbar ist. Alles also, was unsere Sonne an Lebensvorgängen auf der Erde bewirkt, läßt zurück Wärmer este; alles, was von der Sonne zu uns strahlt, tendiert zuletzt dahin, in einen allgemeinen Wärmetod überzugehen. Das ist der berühmte «Clausius'sche Wärmetod», in den alle materielle Entwickelung des Weltalls einmünden muß. Und hier hat die Physik für den, der überhaupt etwas von Erkenntnis versteht, eine Erkenntnis geliefert, die ganz unwiderleglich ist, gegen die physikalisch nichts eingewendet werden kann. Es strebt unser materielles Weltall dem Wärmetode entgegen, in dem alles, was an Naturvorgängen besteht, einstmals begraben sein wird. Da haben wir aus der Physik selber etwas, was wir unmittelbar auf die gesamte Astronomie übertragen können. Würden wir nur in der Lage sein, zu sehen, wie sich Bewegung in Wärme verwandelt, so könnten wir sagen: Das Weltall könnte nach vorn und nach rückwärts unendlich sein, brauchte kein Ende zu nehmen. Aber die Physik zeigt uns an dem zweiten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie, daß die materiellen Vorgänge des Weltalls dem Wärmetode entgegenstreben. Man kann überzeugt sein: Wäre es nicht gar so schwierig, würde man nicht gar so viele mathematische Vorkenntnisse notwendig haben und auf schwierige physikalische Prozesse eingehen müssen, so würden viel mehr Leute heute von dem Clausius'schen Wärmetod etwas wissen, als es wirklich der Fall ist. Da haben wir etwas in unser astronomisches Weltbild hineingetragen, was gewissermaßen Entwickelung bedeutet. Denken Sie, wie fatal es für eine materialistische Erkenntnis sein muß, dieses unwiderlegliche Resultat auf sich wirken zu lassen! Wer also Geistiges und Seelisches nur ansieht als Begleiterscheinungen der materiellen Bewegungen, der muß ja unmittelbar annehmen, daß alles Seelische und Geistige in das Wärmechaos hineinbegraben sein wird, dem unsere materielle Welt zustrebt, so daß alle Kultur, nach der die Menschen streben, alle Schönheit und Wirksamkeit der Erde einstmals mit dem allgemeinen Wärmetode zugleich den Tod finden müßte. — Nun darf man sagen, daß insbesondere dem astronomischen Weltbilde dieser allgemeine Wärmetod etwas fatal geworden ist. Nicht alle Astronomen machen sich die Sache so leicht, wie es sich — Sie wissen aus anderen Gelegenheiten, in was für einer anerkennenden Art ich über Haeckel als Naturforscher gesprochen habe — Ernst Haeckel in seinen «Welträtseln» gemacht hat. Er meint, der «zweite Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie» widerspreche eigentlich dem ersten, daß alle Wärme umwandelbar ist. Zwar läßt sich nicht leugnen — das weiß auch Haeckel —, daß unser Sonnensystem einem solchen Wärmetod zueilt, aber er tröstet sich damit, daß er sagt: Wenn das ganze Sonnensystem dem Wärmetod verfallen ist, wird es schon einmal zusammenstoßen mit einem andern Weltsystem, dann entsteht durch den Zusammenprall wieder Wärme — und dann entsteht ein neues Weltsystem! — Es ist dabei nur nicht bedacht, daß ein Aufeinanderprallen der Schlacken und Reste schon bedacht ist in dem Hinlaufen zum allgemeinen Wärmetod, so daß also von einem solchen Trost nicht viel zu hoffen ist. Aber auch ernsterzunehmende Leute, die von dem Drange beseelt sind, aus der physikalisch-astronomischen Erkenntnis heraus die Möglichkeit zu gewinnen, die Weltentwickelung zu begreifen, suchen geradezu über den allgemeinen Wärmetod hinauszukommen. Da darf, weil er als der neueste Versuch gelten kann, der Versuch von Arrhenius genannt werden, dem schwedischen Forscher, der in seinem Buche «Das Werden der Welten» in mannigfaltiger Weise gerade auf solche Fragen vom Standpunkt der physikalischen Chemie, der Physik, der Astronomie, Geologie aus zurückkommt. Man darf sagen: Hier ist schon in einer etwas geistreicheren Weise als bei Haeckel der Versuch gemacht, die Lehre von dem allgemeinen Wärmetode zu überwinden. Aber wenn man alles berücksichtigt, was Arrhenius beizubringen versucht, so muß man doch sagen: Ãœberzeugend ist alles das in keiner Weise. Nur kurz soll hier charakterisiert werden, was von dieser Seite aus zur Ãœberwindung des allgemeinen Wärmetodes beigebracht wird. Selbstverständlich kann nicht geleugnet werden, daß ein Sonnensystem — etwa wie unser Sonnensystem — dem allgemeinen Wärmetode entgegengeht. Nun vertritt Arrhenius daneben allerdings noch eine andere Idee, die sich auf gewisse Annahmen Maxwells gründet und dessen sögenannten Strahlungsdruck. Das ist etwas, was der früheren Anziehungskraft der Weltenmassen entgegengerichtet ist, was fortwährend von den einzelnen Weltenkörpern in den Raum hinauswirkt bis in die andern Weltenkörper hinein als Strahlung der verschiedensten Naturkräfte, die Druck erzeugen. Dieser Druck, der also gleichsam das ist, was die Weltenkörper in den Raum senden, ist nun imstande — weil er eine in den Weltenraum strahlende Kraft ist —, kleinste Teile von Materie mit sich zu führen, die von einem Weltenkörper abgestoßen werden. Nun sucht Arrhenius durch allerlei Erwägungen zu zeigen, daß es ja selbstverständlich ist, daß, solange nicht besondere Verhältnisse eintreten, diese Erscheinungen, die durch den Strahlungsdruck hervorgerufen werden, keineswegs den allgemeinen Wärmetod verhindern. Aber Arrhenius glaubt, daß solche besonderen Verhältnisse dadurch herbeigeführt werden, daß gleichsam dieser Weitenstaub zu werdenden Weltennebeln hingeführt wird, die in ganz besonderen materiellen Zuständen sind — beispielsweise dadurch, daß in solche Weltennebel von irgendeiner Seite her irgendein Stern hineingefahren wäre, der die Materie mit sich genommen hat, sie dadurch zusammengezogen und eine Erhöhung der Temperatur hervorgerufen hat. Wenn es also möglich wäre, daß ein solcher Stern, der in einen solchen Weltennebel hineinfährt, im Hineinfahren die Materie, die er trifft, heranzieht und verdichtet, so hätten wir darin, weil durch die Verdichtung eine Erhöhung der Temperatur hervorgerufen wird, etwas, was neuerdings im Weltenraum eine Erhöhung der Temperatur hervorruft, hätten also eine Wärme, die wiederum umgesetzt werden könnte in Arbeit! In einer geistreichen Weise zeigt Arrhenius, daß der Weitenstaub, der an ein solches Weltennebelgebilde anfliegt, in einer andern Lage ist — gleichsam hingerissen wird in eine solche Lage, in welcher er der allgemeinen Tendenz des Wärmetodes entzogen wird. Ich konnte nur flüchtig andeuten, was ja auch nur allzu flüchtig in den Arrhenius'schen Schriften angedeutet ist. Im wesentlichen aber wird der, welcher auf das eingeht, was zur Annahme des allgemeinen Wärmetodes geführt hat, nicht umhin können, zuzugeben, daß die Möglichkeit nur scheinbar ist, daß in einem Weltennebel, auch wenn durch Hineinfahren von Sternen eine Erhöhung der Temperatur stattfindet, der Wärmetod aufgehalten werden könnte. Denn das sind doch nur Trugschlüsse, und das Gesetz von dem allgemeinen Wärmetode ist ein so allgemeines, daß wir zugeben müssen, wenn wir richtig vorgehen: nach physikalischen Gesetzen müssen die Sterne, die mit einem Weltennebel zusammenstoßen, dadurch, daß sie früher auch da waren und soviel zerstreut haben, nur den Rest ihrer früheren Existenz mitbringen, so daß also auch diese Vorgänge, die in den Weltennebeln sich abspielen, hineinbezogen werden müssen in die Tendenz des Entgegeneilens des Weltenalls zum allgemeinen Wärmetode. Nun ist es charakteristisch, daß Arrhenius noch weiter geht und in seine Idee des Strahlungsdruckes die Möglichkeit einbezieht, daß Samen lebender Wesen von einem Weltenkörper zum andern durch den Strahlungsdruck gestoßen werden könnten. Und man kann in der Tat — mit einem großen Schein von Richtigkeit — nachweisen, wie die Kälte, durch die gewisse Pflanzensamen, Tiersamen getragen würden, konservierend auf dieselben wirken würde, so daß durch die reine Rechnung angenommen werden könnte, daß das Leben von dem einen zum andern Weltenkörper durch den Strahlungsdruck getragen würde. Das könnte man ausrechnen zum Beispiel für den Weg von der Erde bis zum Mars. Man erspart dann der Erde — anstatt es ihr sonst aufzuhalsen — die Möglichkeit, wie man es sonst in der Physik, Geologie und so weiter will, einmal Leben hervorgebracht zu haben, denn man kann dann sagen: Es braucht also die Erde kein Leben hervorgebracht zu haben, denn es kann ihr von andern Weltenkörpern zugeflossen sein. — Es kommt nicht viel dabei heraus. Denn wird man damit etwas Besonderes gewinnen, daß man die Frage nach der Entstehung des Lebens auf andere Weltenkörper verlegt? Da haben wir ja dieselben Schwierigkeiten, nur daß uns auf der Erde die Verhältnisse hindern, um die Entstehung von Leben auf andern Weltenkörpern anzunehmen. Das sind überhaupt Dinge, die zeigen können, wie scheinbar gut gemeinte Unternehmungen der Gegenwart, die selbst von der Ewigkeit des Lebens ausgehen, unter dem Einfluß von materialistischen Vorurteilen stehen. Denn der ganze Gedankengang ist durchaus materialistisch, so materialistisch, daß gar nicht darauf Rücksicht genommen wird, daß Leben ebenso hier seinen Ursprung haben könnte als in dem, was von einem Weltenkörper zum andern hinstrahlend gedacht werden könnte. Es zeigt dies, daß selbst gut gemeinte Gedanken in der Gegenwart daran leiden, sich auf den Boden des Materialismus stellen zu müssen. So tritt uns also überall das gleiche entgegen: das Studium physikalischer Gesetze, materieller Gesetze, materieller Kräfte, und dieses Studium wird dann so verwendet, daß gleichsam alles, was die Physik findet, auf das große Weltgebäude übertragen wird, und man versucht sich das Werden der Welt mit diesen Kräften vorzustellen. Wir haben gesehen, wie im Grunde genommen die Grenze, die der Astronom sich ziehen müßte, durch solche GedankenUnternehmungen überall überschritten wird. Denn der Astronom kann aus dem, was er vor sich hat, gar nicht auf irgend etwas schließen, was mit den Kräften zu tun hat, die das Werden der Welt bedingen. Das können wir uns wieder daran verdeutlichen, daß unser Denken und Empfinden seelische Vorgänge sind, die ganz zweifellos materielle Vorgänge hervorrufen, zum Beispiel in unserem Gehirn, selbst in unserer Blutentwickelung. Wer Schamgefühl empfindet, wem die Schamröte ins Gesicht steigt, der kann sich davon überzeugen, daß seelische Vorgänge materielle Vorgänge im Gefolge haben. Wer aber zugibt, daß das SeelischGeistige in uns materielle Vorgänge bewirkt, der muß sich sagen: Würde ich im menschlichen Gehirn drinnenstehen und die Außenbewegungen studieren, so würde ich in den Bewegungen nur Bewegungen sehen; da würde ich gar nicht einmal ahnen, daß ich die Bewegungen mitrechne, welche durch die geistig-seelischen Prozesse bewirkt werden. Ich lasse es also weg, was die geistig-seelischen Ursachen sind. — Kann es dadurch nicht begreiflich erscheinen, daß der Astronom genötigt ist, wenn er an seinem Orte die Himmelskörper studiert, dasjenige, was die Ursachen sind, daß da oder dort irgendein Stern so oder so sich bewegt, so oder so zu entwickeln? Dürfen wir aus den bloßen Bewegungen oder aus den dynamischen Gesetzen folgern: Die Sonne muß in einer bestimmten Weise zur Erde stehen, der Mond muß in einer bestimmten Weise zur Erde stehen, muß in einer bestimmten Weise um die Erde herumgehen, und dadurch können sich diese Bewegungen ergeben? — Wodurch sie im Seelisch-Geistigen verursacht sind, darüber kann die Astronomie überhaupt nichts entscheiden. Deshalb können wir gerade aus dem Felde der Astronomie heraus in die Notwendigkeit kommen, durch ganz andere Mittel hinweisen zu müssen auf das, was die wahren Ursachen sind auch des Weltsystemes. Da kann — heute eben nur mit ein paar Worten — auf den Zusammenhang von Erde, Sonne und Mond hingewiesen werden. Wie diese drei Himmelskörper zueinander stehen, so hat sich ihr gegenseitiges Leben und so haben sich ihre Bewegungsverhältnisse entwickelt. Wollen wir erkennen, warum Sonne, Erde und Mond sich gerade so verhalten, wie sie sich heute verhalten, so müssen wir nicht bloß von denjenigen Kräften auf der Erde, die wir als die physikalischmechanischen erkennen, zum Himmelsraum aufrücken, sondem wir müssen von noch andern Vorgängen, die sich auf der Erde abspielen, zur Welt des Himmelsraumes aufrücken. Da haben wir, wenn wir den Menschen betrachten, ganz gewiß ebenso etwas vor uns, was zur ganzen Erde und ihrem Zusammenhange mit Sonne und Mond gehört wie das Blühen der Blumen oder irgendein anderer Vorgang — oder wie ein elektrischer Vorgang in der Luft. Zweifellos gehört der Mensch mit allem, was er ist, zur Erde, und es ist eine Abstraktion, wenn man sich die Erde nur vorstellt, wie es die Geologen machen, als ein bloß anorganisches, unbelebtes Gebilde, sondern man muß die Menschen in die ganzen Vorgänge der Erde hineinstellen. Da haben wir zunächst die Schwierigkeit, daß wir zweierlei auseinanderhalten müssen, wenn wir in der richtigen Art den Unterschied zwischen Mensch und Tier fassen wollen: Beim Tier überwiegt das Gattungsmäßige, so daß ein individuelles Ich mit seiner ganzen Entwickelung zwischen Geburt und Tod nicht in so entscheidender Weise zur Geltung kommt, wie dies beim Menschen mit seinem individuellen Ich der Fall ist, das sich in aller Erziehung und in allem Kulturleben des Menschen ausdrückt. Das unterscheidet den Menschen von dem Tier, bei welchem das Gattungsmäßige überwiegt. Nun ist es so, daß solche Dinge durch Ãœbergänge ineinander übergehen. Beim Tier überwiegt das Gattungsmäßige, aber das Gattungsmäßige geht in die Menschennatur hinein. Je weiter wir zurückgehen in dem Laufe der Zeiten — welchen Gang wir angetreten haben, als wir die großen Geister betrachteten —, desto mehr finden wir, daß der Mensch auch ein gattungsmäßiges Wesen ist, und das Individuelle sehen wir immer mehr und mehr heraussprießen aus dem Gattungsmäßigen. Auf dem Boden des Gattungsmäßigen erhebt sich das Individuelle. Wir haben das Ideal einer Menschenzukunft vor uns, die uns sagt: Es wird das Individuelle, die Ich-Natur eines jeden Menschen im Verlaufe der Erdentwickelung den Sieg über das Gattungsmäßige davontragen. Aber im Zurückgehen erblicken wir auf dem Grunde der menschheitlichen Entwickelung gerade das Gattungsmäßige. Wir haben uns ja auch, indem wir zurückgegangen sind, immer mehr und mehr einem anderen Bewußtseinszustand nähern können, in welchem der Mensch traumhaft, bildhaft mit einer geistigen Welt zusammengehangen hat, so daß wir diese zwei Dinge als zusammengehörig betrachten müssen: das Gattungsmäßige und das bildhafte, traumhafte Bewußtsein der alten Zeiten einerseits und andererseits die Entwickelung der Individualität, und verbunden mit der Entwickelung der Individualität den Durchgang unseres individuellen Bewußtseins durch das, was sich der Mensch im Laufe der Zeiten anzueignen hat. Ein solches Herausgehen des Individuellen aus dem Gattungsmäßigen, des Intellektuellen, durchsichtigen Vernunftmäßigen aus dem Hellseherisch-Traumhaften, das muß in seinen Ursprüngen innerhalb der ganzen Weltentwickelung gesucht werden. Denn wie sozusagen der Stein, der zur Erde fällt, unter den allgemeinen Weltgesetzen steht, so steht auch dieses Hervorgehen der menschlichen Individualität und der menschlichen Intellektualität aus dem menschlichen Gattungsmäßigen und dem menschlichen Hellsehen in einem Zusammenhange mit den großen kosmischen Gesetzen, die überall im Raum wirken. Wir haben ja in dieser Beziehung einen Schritt schon gemacht, als wir die Bedeutung der Geologie für die Geisteswissenschaft charakterisieren konnten. Wir konnten da zeigen, wie wir die Erde zu einem Zustande zurückverfolgen können, in welchem solche Vorgänge tellurisch, irdisch sind, die sich heute nur abspielen, wenn unsere Gedanken und Empfindungen wie zersetzend in unserem Organismus wirken, so daß wir, wenn wir in der Erdentstehung zurückgehen, solche Epochen finden, in denen die Erde in einem Zersetzungsprozesse war. Da zeigt uns nun — was genauer in der «Geheimwissenschaft» dargestellt ist — jenes Erkennen, das in diesen Vorträgen charakterisiert worden ist, daß sich gleichsam die ganze Erde vor einem zu weit gehenden Zersetzungsprozeß dadurch geschützt hat, daß sie den Mond aus sich heraus abgesondert hat. Damit also jener Zustand hat überwunden werden können, welcher als ein Zersetzungsvorgang innerhalb der Erdentwickelung geschildert werden kann, mußte der Mond aus unserer Erde abgesondert werden. Jetzt haben wir nicht bloß einen mechanisch-physikalischen Vorgang, sondern wir haben in dem Abstoßen des Mondes einen solchen Vorgang zu sehen, der dadurch notwendig geworden ist, daß die Erde sich, indem sie den Mond auswarf, vor einem zu weit gehenden Zersetzungsprozeß schützte. Dadurch hat die Erde die Möglichkeit herbeigeführt, zur Sonne direkt in ein neues Verhältnis zu treten. Denn während sie den Mond in sich hatte, war dieser Zersetzungsprozeß in der Erde ein solcher, daß — wenn wir uns die damalige Erdatmosphäre vorstellen — die Sonnenwirkung nicht durch die Erdatmosphäre hindurch konnte. Deshalb mußte erst ein neuer Zustand herbeigeführt werden, damit Erde und Sonne einander ansichtig werden konnten. Mit diesem Ansichtig-Werden von Sonne und Erde, mit der Reinigung der Erdatmosphäre — was erst möglich wurde mit dem Mond-Herausgehen — trat der Kräftezustand ein, der allmählich dazu führte, daß das alte Gattungsbewußtsein nach und nach in das Ich-Bewußtsein, in das intellektuelle Bewußtsein verwandelt wurde. So sehen wir mit der ganzen Menschheitsentwickelung zusammenhängend das Hinausgehen des Mondes, die Reinigung der Erdatmosphäre und dadurch das Herstellen einer direkten Beziehung der Sonne zur Erde. Wir könnten nun noch weiter zurückgehen und würden einen solchen Zustand unserer Erdentwickelung finden, in welchem die Erde noch mit der Sonne selber verbunden war. Wir würden weiter finden, daß die Trennung von Erde und Sonne aus dem Grunde vor sich gegangen ist, um die Möglichkeit von bewußten Wesen überhaupt auf der Erde herbeizuführen. Nur durch das Abstoßen der Erde von der Sonne ist dasjenige von Kräftesystemen zustande gekommen, was es möglich machte, daß Wesenheiten in sich selber zu einem Erleben und zu einem Bewußtsein kommen konnten. So wurde das alte hellseherische Bewußtsein möglich durch die Abstoßung der Erde von der Sonne — und das Aufrücken zu einem höheren Bewußtsein, zu einem intellektuellen Bewußtsein durch die Abstoßung des Mondes von der Erde. Wenn wir hellseherisch — durch eine höhere Erkenntnis — zu dem aufsteigen, was uns eine äußere Astronomie nicht geben kann, so haben wir in kosmischen Kräften die Gründe für das, was in der Abtrennung der Sonne und auch der übrigen Planeten von der Erde geschehen ist — das heißt wir kommen zu geistigen Ursachen! Ich konnte hier das Prinzip nur andeuten. Natürlich könnte jeder fragen: War denn der Mensch schon vorhanden, als Erde und Sonne sich trennten? Gewiß, er war vorhanden, nur unter anderen Verhältnissen. Daß der Mensch, wie er unter den jetzigen Verhältnissen lebt, nicht möglich wäre, wenn die Sonne mit der Erde zusammen ist, das ist natürlich. Das wäre aber kein Einwand. Wir erhalten also für die Bewegungen der Himmelskörper geistige Ursachen, geistige Gründe. Jetzt stehen wir nicht mehr bei dem, auf das uns vor mehr als einem Jahrhundert die Astronomie hingewiesen hat mit der bloßen Verwertung physikalischer Gesetze und gesagt hat: Die Erde war früher mit der Sonne vereinigt in einem großen Gasball, der kam in Rotation, und dadurch haben sich die Planeten und auch die Erde abgetrennt und später ebenso der Mond von der Erde. — Jetzt kommen wir nicht mehr dazu, zu behaupten, daß so etwas nur aus mechanisch-physikalischen Gesetzen geschieht, sondern es müssen innere, geistige Gründe vorliegen, daß die Sonne von der Erde getrennt wurde. So wurde die Erde von der Sonne getrennt, damit der Mensch zum bewußten Erleben erhoben wurde, und so wurde der Mond von der Erde getrennt, damit der Mensch zu seinem höheren Bewußtsein kommen kann. Kurz: wir fangen an, in das astronomische Weltbild das hineinzubringen, was wir hineinbringen müssen — und zwar in das astronomische Weltbild des kleinen Gehirns dasjenige, was wir hineinbringen müssen, wenn wir übergehen wollen von der bloßen Bewegung der Gehirnatome zu der Erkenntnis: ich sehe rot, höre Orgelton, rieche Rosenduft und so weiter. — So müssen wir vorgehen, wenn wir den Ãœbergang finden wollen von dem, was uns die populäre Astronomie zu geben vermag, zu dem, was die Ursachen der Geschehnisse im Himmelsraume sind. Daher sollten die, welche auf dem Boden der äußeren Physik stehenbleiben wollen, sich darauf beschränken, nur das zu erforschen, was Bewegungen oder was Kräfte sind, was also astronomisch zu erkennen ist; sie sollten sich gestehen, daß ein ganz anderer Fortschritt in der Erkenntnis notwendig ist, wenn die Astronomie zu einer Erklärung des Weltenwerdens kommen will, sollten sich gestehen, daß sie als Vertreter einer rationalistischen und empirischen Astronomie stehenbleiben müßten vor der Erklärung des Weltenwerdens. Wenn dies berücksichtigt wird, dann stellt sich heraus, daß die großen und wirklich bedeutsamen Ergebnisse der modernen Astronomie sich in unser geisteswissenschaftliches Weltengebilde ganz wunderbar einfügen. Nehmen Sie die «Geheimwissenschaft» zur Hand. Da ist gezeigt, wie sich nach und nach unsere Erde entwickelt hat, wie sie — gerade wie der einzelneMensch in den aufeinanderfolgendenErdenleben - Entwickelungsstufen durchmacht, wie sozusagen ein Planet selber Entwickelungsstufen durchmacht. Da ist unsere Erde auf einen früheren planetarischen Zustand zurückgeführt, dieser frühere wieder auf einen früheren, so weit, wie man es zurückverfolgen kann, bis zu einem Zustand, der dort genannt ist — aber darauf, wie man ihn nennt, kommt es nicht an — der «alte Saturn», womit aber nicht unser heutiger Saturn gemeint ist, sondern ein planetarischer Vorgänger unserer Erde. Da zeigt uns dasselbe Erkennen, das von aller äußeren Physik ganz unabhängig ist, unabhängig von jeder Spekulation — das können Sie in dem genannten Buche selber sehen —, daß ein entsprechender planetarisdier Vorgänger unserer Erde, eben dieser alte Saturn, lediglich in einem Wärmezustand bestand und daß geistige Kräfte in diesen Wärmezustand eingegriffen haben, so daß geistige Kräfte von dem Wärmechaos Besitz ergriffen haben. Dadurch wird alle Entwickelung bis zu unserer Erde herein herbeigeführt. Weiter zeigt uns die Geisteswissenschaft, daß tatsächlich das Materielle unter unseren Füßen in einem Absterbeprozeß ist. In dem Vortrage «Was hat die Geologie über Weltentstehung zu sagen?» haben wir gezeigt, wie die Geologie so weit ist, uns Recht zu geben, wie die Erdrinde in einem Absterbeprozeß ist. Alles, was wir an der Erdrinde kennen, begreifen wir nur gut, wenn wir es als in einem Absterbeprozeß begriffen verstehen. Darin aber liegt — das zeigt die Geisteswissenschaft —, daß das Geistige von dem Materiellen frei wird. Wenn unter uns das planetarische Materielle abstirbt, befreit sich der Geist daraus. Jetzt haben wir eine andere Möglichkeit! Wir können auf die Weltnebel hinweisen — da haben wir keine Spekulationen nach dem Muster der bloßen Physiker, die doch nicht haltmachen vor dem Wärmetod — und können sagen: Gewiß, da haben wir Gebilde, in denen die Verwandlung aller übrigen Vorgänge in Wärme vorliegt. Aber wie beim Anfang der Erde geistige Mächte den Wärmezustand ergriffen haben, so führen aus den Weltennebeln, in welche durch den Wärmetod die Sonnensysteme eingemündet haben, geistige Mächte aus dem Wärmetod heraus die Weltennebel zu neuen Sonnensystemen. Es gibt eigentlich nichts Ãœberraschenderes als die Ãœbereinstimmung eines der wunderbarsten Gesetze des neunzehnten Jahrhunderts in seiner Anwendung auf die Astronomie — wie die Anwendung des zweiten Hauptsatzes der mechanischen Wärmetheorie — mit den positiven, tatsächlichen Ergebnissen der astronomischen Beobachtungswelt. Wenn Sie nun nicht das nehmen, was durch Spekulation über allerlei Strahlungsdruck oder selbst durch empirische Ergebnisse über den Strahlungsdruck sich ausdenken läßt, sondern wenn Sie von dem ausgehen, was wirklich im Spektroskop oder durch die Photographie der Weltengebilde gewonnen werden kann, so werden Sie sehen, daß alles bis ins letzte Glied hinein mit dem übereinstimmt, was als Werden der Welten und als Entwickelung der Welten aus der Geisteswissenschaft gewonnen werden kann, indem gezeigt wird, wie das, was man als astronomisches Raumesbild sieht, das Ergebnis — geistige Ergebnis — ist geistiger Wesenheiten. Anders als die astronomischen Physiker der heutigen Zeit können wir sagen: Der Mensch hat keinen Grund, den Wärmetod zu bekämpfen oder sich davor zu fürchten, denn er weiß, daß daraus neues Leben aufblühen wird, wie aus dem alten Wärmechaos das Leben aufgeblüht ist, das wir jetzt vor uns haben. Aus dem Grunde, weil nur so eine wirkliche Wiederholung und Steigerung des Lebens möglich ist — nicht nur aus dem, was Arrhenius meint, daß das Leben wie in einem neu aufgezogenen Uhrwerk in dem neu angeordneten Welteniiebel sich von neuem abspiele, sondern nur im Hinüberarbeiten eines geistigen Elementes von einem Wärmezustand zum andern ist eine Entwickelung möglich. Und wenn unsere Weltensubstanz in dem Wärmegrabe begraben sein wird, wird der Geist um eine Stufe weitergeschritten sein und wird höhere Gebilde, höheres Leben aus dem Wärmechaos hervorzaubern. Daher ist in der «GeheimWissenschaft» der Endzustand der Erdenverkörperungen — der Vulkanzustand — derjenige, welcher auf das hindeutet, was als neues Leben aus dem Grabe des Wärmetodes herausschaut. Deshalb ist der Name «Vulkan» gebraucht. Wenn wir das Astronomische in Frage ziehen, können wir gerade daraus sehen, wie tief die äußere Wissenschaft übereinstimmt mit dem, was die Geisteswissenschaft zu geben hat. Gewiß werden die Leute immer wieder sagen: Ihr Geisteswissenschafter seid Phantasten, denn das richtige Ergebnis der exakten Wissenschaft widerspricht durchaus dem, was ihr glaubt aus der Geisteswissenschaft heraus gewinnen zu können. — Und es könnte jemand weiter sagen: Du hast neulich sogar von Moses ernsthaft gesprochen, aber wir wissen doch, daß das alles überholt ist. Denn die glorreiche Naturwissenschaft hat uns längst darüber belehrt, wie wir über die Weltentwickelung des Moses — das hat die Naturwissenschaft gezeigt — hinaus sind. — So sagen die, welche von außen bloß dabei sind. Fragen wir aber andere, die nicht von außen, sondern mehr von innen dabei waren. Da weiß ich Ihnen zu sagen, wie ein sehr bedeutender Physiker, der an der Entwickelung der Lichtlehre einen ganz bedeutenden Anteil hat, Biot, gesagt hat: Entweder hatte Moses in den Wissenschaften eine ebenso tiefe Erfahrung, wie sie unser Jahrhundert hat, oder er war inspiriert. So ein tonangebender Physiker des neunzehnten Jahrhunderts. Nun werden vielleicht die, welche populäre Bücher über Weltanschauungen schreiben, meinen: Gewiß, so denkt eben ein Physiker, der sich nur mit der Außenseite der Erscheinungen befaßt. Aber die, welche tiefer in das Wesen des Organischen eingehen, zeigen uns, daß man im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts, wo man die natürlichen Ursachen suchte, weggetrieben wurde von dem Geist. — Nun, Liebig, der tief in das Wesen des Organischen eingedrungen ist, wie dachte er über die Beziehungen der Welt, welcher er seine Forscherkraft gewidmet hatte, zu der geistigen Welt? Er sagt: Es sind die Meinungen von Dilettanten, welche von ihren Spaziergängen an der Grenze der Gebiete der Naturforschung die Berechtigung herleiten, dem unwissenden und leichtgläubigen Publikum auseinanderzusetzen, wie die Welt und das Leben eigentlich entstanden und wie weit doch der Mensch in der Erforschung der höchsten Dinge gekommen sei. — Nun könnten uns die Leute vordeklamieren: Habt ihr nie gehört, daß ein Lyell eine Geologie begründet hat? Habt ihr nie gehört von dem großen Fortschritt, der durch ihn gekommen ist, wie er der große Ãœberwinder derjenigen Weltanschauungen ist, die noch mit geistigen Kräften rechnen? — Ich könnte Ihnen Schriften von Lyell vorführen, die heute tiefen Eindruck machen. Aber gerade Lyell hat sogar einmal gesagt: In welche Richtung wir immer unsere Nachforschungen anstellen mögen, überall entdecken wir die klarsten Beweise einer schöpferischen Intelligenz, ihrer Vorsehung, Macht und Weisheit. — So der Begründer der neueren Geologie. Nun könnten die Leute kommen und sagen: Aber durch Darwin ist doch überwunden die Einwirkung irgendwelcher geistiger Kräfte! Darwin hat uns gezeigt, wie durch rein natürliche Vorgänge die Entwickelung der Organismen geschieht. — Darwin selber aber hat den Satz hingeschrieben: Ich halte dafür, daß alle Lebewesen, die je auf der Erde gewesen sind, von einer Urform abstammen, welcher das Leben vom Schöpfer eingehaucht wurde. — Also mit Darwin können uns die Leute auch nicht kommen, die da sagen, wir wären Phantasten, wenn wir von geistigen Wesenheiten und geistigen Kräften sprechen. Dann kommen vielleicht noch die Menschen und sagen uns: Wißt ihr denn gar nicht, was der Grundnerv für alle naturwissenschaftliche Entwickelung des neunzehnten Jahrhunderts ist, der alle Entwickelung tief beeinflußt hat? Wißt ihr denn nichts von dem Grundgesetz der Umwandlung der Naturkräfte? — Nun, wir haben heute eben davon gesprochen, haben gesehen, wie die Umwandlung der Naturkräfte durchaus nicht dem widerspricht, was die Geisteswissenschaft zu sagen hat. Aber die Leute könnten sich berufen wollen auf Julius Robert Mayer, auf den Begründer des Satzes von dem mechanischen Wärmeäquivalent wie auch von der UmWandlung der Naturkräfte selber. Doch Julius Robert Mayer hat den merkwürdigen Ausspruch getan: Aus ganzem vollen Herzen rufe ich aus: Eine richtige Philosophie kann und darf nichts anderes sein als eine Propädeutik für die christliche Religion! — Ãœberall sind die Sachen anders, wenn man auf die Quellen und auf diejenigen zurückgeht, die diese Quellen geschaffen haben, die die großen Pfadfinder sind auf dem Wege der menschlichen Erkenntnis, und nicht auf ihre Nachtreter, noch auf diejenigen sieht, die ein leichtgeschürztes Ideengebäude ausfindig machen wollen — wie die neueren Astrophysiker — und damit die ganze Welt umspannen wollen. Wenn man nicht zu den letzteren, sondern zu den ersteren geht, dann kann man sagen: Mit denen, die die großen Pfadfinder waren, ist die Geisteswissenschaft überall im vollen Einklang. Daher weiß die Geisteswissenschaft, daß sie sich in den Werdegang der menschlichen Geistesentwickelung hineinstellen darf׳ und daß sie harmonisch in der Entwickelung der Menschheit weiterschreitet mit alledem, was die Entwickelung der Menschheit gefördert hat. Wenn die Astronomie als eine bloß Ã¤ußere, physikalische Astronomie ein Werden der Welt aussinnen will, dann möchte man doch die, welche so tun, an einen generellen Ausspruch in den Xenien von Goethe und Schiller erinnern:
In unendliche Höhen erstreckt sich das
Sternengewölbe, Wir müssen uns davor schützen, daß der Kleinigkeitsgeist auch bis in die Sternenhöhen seinen Weg findet, indem wir zeigen: Ebensowenig wie uns die Gehirnbetrachtung zu einem geistig-seelischen Leben führt, sondern wie dieses abgesondert ist von den bloßen Bewegungen und diese überschreiten kann, ebensowenig kann die Betrachtung der äußeren Bewegungen und Gesetze in den Geist des Weltenalls hineinführen. Daher bleibt es in einer gewissen Weise wahr, was Schiller meint, wenn er den Astronomen sagt:
Schwatzet mir nicht so viel von Nebelflecken und Sonnen! So meint Schiller. Es ist richtig, wenn man auf das bloß bewegliche Äußere im Räume sieht. Es ist nicht richtig, wenn man auf das eingeht, was aus sich heraus — als Geistiges — die Raumesgesetze herausstrahlt. — So bleibt das Wort wahr: Das Hinaufdringen mit dem Gemüte zu den Sternen wird immer in jedem Gemüte die Ahnung von dem GeistigGöttlichen hervorrufen. Wenn wir aber mit unserem Erkennen hinaufdringen wollen, so muß unser Erkennen den Weg gehen: Per aspera ad astra — durch Strenge zu den Sternen, wie wir uns durch die Dornen zu den Rosen hinaufarbeiten. Das ist aber der Weg der geistigen Erkenntnis. Gerade der geisteswissenschaftliche Weg zu den Sternen wird zeigen, daß er der Weg ist, der den Menschen dahin bringt, sich zu sagen: Wie meine Stoffe und die, welche in meinem Umkreise sind, im ganzen Weltall ausgebreitet sind — wie mir es das Spektroskop zeigt —, so ist im ganzen Weltall ausgebreitet und ihm angehörig, was als Geistig-Seelisches in mir lebt. Herausgeboren ist mein Körperliches aus dem Weltenall — herausgeboren ist mein Geistig-Seelisches aus dem Weltenall. Wahr bleibt es, was hier noch einmal mit den paar Worten charakterisiert werden soll, die ich bei anderer Gelegenheit schon einmal anführen durfte: Wahr bleibt es, daß der Mensch nur dann zu dem vollständigen Weltenbewußtsein kommen kann, wenn er sich klar wird über die Frage, die ihm die Astronomie auch nicht beantworten kann: die Frage über seinen Anteil an der Welt und seine Bestimmung in der Welt. Und wahr ist es, daß die Antwort auf diese Frage ihm Lebenssicherheit geben kann, Lebensmut, Lebenshoffnung, wenn er aus der geisteswissenschaftlichen Erkenntnis heraus weiß, was mit den Worten gemeint ist:
Es drängt sich an den Menschensinn Aus Weltentiefen |
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