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Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte

Schmidt-Nummer: S-2267

Online seit: 15th October, 2013

NEUNTER VORTRAG

München, 24. August 1910

Wir haben im Verlaufe der Vorträge uns ein Bild gemacht von dem Hereinfließen früherer Vorbereitungszustände aus der alten Saturn-, Sonnen- und Monden-zeit in unser Erdenwerden. Wir müssen uns natürlich immer vor Augen halten, daß das Wesentlichste, das uns interessieren kann an diesem ganzen Erdenwerden, die Entwickelung, die Heranbildung des Menschen selbst ist. Wir wissen ja, daß der Mensch in unserer ganzen planetarischen Evolution sozusagen der Erstling ist. Wenn wir den Blick zurückwenden auf das alte Saturndasein, so fällt uns ja auf, daß wir während dieses Wärmewebens nur die erste Anlage zum physischen Menschen zu verzeichnen haben und daß von alledem, was uns sonst noch heute umgibt, was wir antreffen im tierischen, im pflanzlichen, im mineralischen Reich, noch nichts vorhanden war. Diese Reiche kamen zum Menschenreich erst hinzu. Und wir werden daher fragen müssen: Wie steht es denn nun eigentlich während des Erdenwerdens, im Sinne des Berichtes der Genesis, mit der Entwickelung des Menschen im genaueren?

Wir werden schon sehen im Verlaufe der Vorträge, daß sich alles das voll bewahrheitet, was wir heute aus den geisteswissenschaftlichen Forschungen selbst heraus gewinnen wollen. Wenn wir die Genesis so oberflächlich ansehen, so könnte es uns ja scheinen, als ob der Mensch erst gleichsam wie aus der Pistole geschossen am sogenannten sechsten Schöpfungstag aufträte. Nun wissen wir aber, daß ja der Mensch das Allerwichtigste ist, daß die anderen Reiche gleichsam Abfälle sind des Menschenwerdens. Und deshalb muß uns die Frage interessieren: Wie ist es mit dem Menschen in den Schöpfungstagen, die dem sechsten vorangegangen sind? Wo haben wir da den Menschen zu suchen? — Wenn das Erdenwerden eine Art Wiederholung des Saturn, der Sonne, des Mondes darstellt, so ist ja vorauszusetzen, daß sich das Menschenwerden vor allen Dingen immer wiederholt, daß wir den Menschen nicht erst am sechsten Schöpfungstage zu suchen haben, sondern schon vorher. Wie erklärt sich dieser scheinbare Widerspruch, daß die Genesis nicht schon vorher von dem Menschen spricht?

Nun, da ist zunächst auf eines aufmerksam zu machen. Die Genesis spricht da, wo sie von dem Menschenwerden zu sprechen beginnt, von Adam, und in gewissem Sinne ist in der alten Priestersprache des Hebräischen der Ausdruck Adam zusammenfallend mit unserem Ausdruck «der Mensch». Aber wir müssen diesen Ausdruck Adam genauer verstehen. Er rief in der Seele eines althebräischen Weisen eine Vorstellung hervor, die wir in der deutschen Sprache etwa wiedergeben könnten mit dem Worte «der Erdige». Also der Mensch als solcher ist das Erdenwesen kat'exochen, die Krönung gleichsam alles Erdenwesens, das, was zuletzt als Frucht des Erdenwerdens sich ergibt. Aber alles das, was in der Frucht zuletzt zusammenschießt, ist ja schon vorher in der ganzen Wesenheit der Pflanze, wenn wir im Bilde bleiben, darinnen. Wir werden in den vorhergehenden Schöpfungstagen den Menschen nicht finden, wenn wir uns nicht klarmachen, daß in Wirklichkeit nicht das Physische des Menschen dem Geistig-Seelischen vorangeht, sondern daß es umgekehrt ist, daß das Geistig-Seelische dem Physischen vorangeht. Das, was wir heute als den physischen Erdenmenschen vor uns haben, was wir zunächst als Mensch ansprechen, das haben wir uns etwa so vorzustellen, wie wenn wir eine kleine Masse Wasser haben, die wir durch Abkühlung zu Eis erstarren lassen. So wie Wasser erstarrt zu Eis, so haben wir uns etwa am sechsten Schöpfungstage durch das Werk der Elohim den seelisch-geistigen Menschen als erstarrend, gleichsam sich verdichtend zum Erdenmenschen vorzustellen. Also das Vorrücken zum sechsten Schöpfungstage ist ein Verdichten des geistig-seelischen Menschen zum dichten Erdenmenschen. Wir werden ganz naturgemäß den Menschen an den vorhergehenden sogenannten Schöpfungstagen nicht im Bereich dessen zu suchen haben, was sich zunächst wie physische Abfälle oder wie Gesetze der physischen Abfälle des Menschenwerdens übersinnlich bildet, sondern wir werden den Menschen vorher in einem geistig-seelischen Zustande zu suchen haben. Wenn wir also im Sinne der Genesis davon sprechen, daß am ersten Tage vorhanden war das innerlich Regsame und das äußerlich sich Offenbarende, so dürfen wir den Menschen für diesen ersten Schöpfungstag nicht in dem Erdigen suchen, sondern im Umkreis der Erde als geistig-seelisches Wesen. Wir müssen sagen: sein Erdendasein bereitet sich vor als geistigseelisches Wesen.

Ich will Ihnen heute zunächst die geisteswissenschaftlichen Resultate mit der Genesis ein wenig verbinden. Was bereitet sich denn in der allerersten Anlage vom Menschen vor, wenn uns die Genesis berichtet, daß durch kosmisches Sinnen die beiden Komplexe des sich innerlich Regenden und des sich äußerlich Offenbarenden entstehen? Wenn der Geist der Elohim webt, brütet durch diese Komplexe, was bereitet sich da vom Menschen vor? Das, was wir nennen können die Empfindungsseele im Sinne unserer heutigen Auseinandersetzungen auf dem Gebiet der Geisteswissenschaft, das, was wir heute als ein Innerliches anzusehen haben, das bereitet sich vor im Sinne der Genesis am sogenannten ersten Schöpfungstage bis zu dem Moment, wo es heißt: «Es werde Licht, und es ward Licht.» In alledem steckt darinnen sozusagen im geistigen Umkreise als Geistig-Seelisches vom Menschen die Empfindungsseele. Wir werden also sagen, um uns das zu verdeutlichen: Wir suchen in der Umgebung der Erde zuerst die Empfindungsseele und setzen sie an den Platz, der gewöhnlich genannt wird der erste der Schöpfungstage. — Da also, wo im Umkreise der Erde die Elohim und ihre dienenden Wesenheiten ihre Arbeiten entfalten, da, wo ein geistigseelisches Wesen webt, da haben wir, so wie heute etwa die Wolken im Luftkreise, ein Geistig-Seelisches vom Menschen in dieser geistig-seelischen Atmosphäre zu sehen, und zwar zunächst die Empfindungsseele des Menschen. Dann schreitet die Entwickelung des Menschen vor und wir haben, wenn wir den Menschen weiter verfolgen, das zu suchen, was wir Verstandes- oder Gemütsseele nennen. Die Empfindungsseele schreitet zur Verstandes- oder Gemütsseele vor, und wir haben im Umkreis der Erde diese gleichsam seelische Verdünnung der Empfindungsseele zur Verstandes- oder Gemütsseele am zweiten der sogenannten Schöpfungstage. Da also, wo der Klangäther einschlägt in das Erdenwerden, wo sich die oberen Stoffmassen von den unteren trennen, da gehört der oberen Sphäre, in ihr webend, ein Mensch an, der erst in der Empfindungsseele und Verstandes- oder Gemütsseele der Anlage nach vorhanden ist. Als dritten Moment haben wir uns dann das Vorschreiten des Menschen bis zur Bewußtseinsseele zu denken, so daß wir uns den ganzen Vorgang, der uns durch die Genesis dargestellt wird, so zu denken hätten, daß sich an diesem dritten Schöpfungstage unten auf der Erde durch die Einwirkung des Lebensäthers herausentwickelt das Grüne, das Pflanzenhafte, wie wir es geschildert haben, artgemäß. Die Erde treibt aus sich hervor, freilich nur so, daß es übersinnlich wahrnehmbar werden kann, die Grundlage des Pflanzenlebens, und oben webt im Äther das, was wir als die Bewußtseinsseele in Verbindung mit Empfindungsseele und Verstandes- oder Gemütsseele zu bezeichnen haben.

So webt im Umkreise des Erdenwerdens der seelisch-geistige Mensch. Er ist wie in der Substanz der verschiedenen geistigen Wesenheiten darinnen. Er hat im Grunde genommen bis dahin kein selbständiges Dasein. Es ist so, wie wenn er als Organ innerhalb der Elohim, der Archai und so weiter sich bildete, in deren Leibern als Glied derselben vorhanden wäre. Daher ist es natürlich, daß uns erzählt wird von diesen Wesenheiten, denn nur sie sind eigentlich Individualitäten in dieser Zeit des Erdenwerdens; denn mit dem Schicksal dieser Wesenheiten wird auch das Schicksal der menschlichen Anlage geschildert. Aber es muß, wie Sie sich leicht denken können, wenn der Mensch einstmals wirklich die Erde bevölkern soll, etwas eintreten, was wir als eine allmähliche Verdichtung des Menschen bezeichnen können. Dieses Seelisch-Geistige muß sich nach und nach mit dem Leiblichen gleichsam umkleiden. Wir haben also am Ende dessen, was uns in der Bibel etwa als der dritte Schöpfungstag entgegentritt, einen geistig-seelischen Menschen in der Anlage, so wie wir heute sprechen von der Bewußtseinsseele, Verstandes- oder Gemütsseele und Empfindungsseele. Das alles muß sich einkleiden, gleichsam versehen mit dem äußeren Kleide. Es muß der Mensch innerhalb dieser geistig-seelischen Sphären zunächst das Kleid des astralischen Leibes erhalten.

Versuchen wir uns einmal vorzustellen, was wir eigentlich damit sagen: Der Mensch muß sich jetzt nach diesem dritten Schöpfungstag mit dem astralischen Leib umkleiden. — Wo haben wir denn beim Menschen im heutigen Leben gleichsam abgesondert vor uns seinen Astralleib, so daß wir seine Gesetze studieren können? Nun, wir haben diesen Astralleib, wenn auch in einer ganz anderen Form, als er in der Zeit war, von der uns die Genesis berichtet, abgesondert im Menschen, wenn der Mensch schläft. Da läßt er seinen Äther- und physischen Leib im Bette liegen, und der Mensch selber ist dann im Astralleib, der das Ich birgt, vorhanden.

Erinnern Sie sich nun an so mancherlei, was ich Ihnen in verflossenen Jahren gesagt habe über das eigenartige Leben dieses Astralleibes im schlafenden Zustande. Erinnern Sie sich auch an das, was Sie darüber in meiner «Geheimwissenschaft» finden können. Dann werden Sie sich sagen: Wenn dieser Astralleib aus dem physischen und Ätherleib heraus ist, dann beginnen sich Verbindungen zu bilden, gleichsam Strömungen von diesem Astralleib aus nach der kosmischen Umgebung. Wenn Sie des Morgens aus dem schlafenden Zustande wiederum zum wachenden zurückkehren, so haben Sie während des schlafenden Zustandes die stärkenden Kräfte gleichsam gesogen aus dem ganzen Kosmos. In einer gewissen Beziehung war Ihr Astralleib während der Nacht durch seine Strömungen eingegliedert dem ganzen umgebenden Kosmos. Er war in Verbindung mit all den planetarischen Wesenheiten, die zu unserer Erde gehören. Er sandte seine Strömungen nach Merkur, Mars, Jupiter und so weiter, und in diesen planetarischen Wesenheiten sind die stärkenden Kräfte, die in den Astralleib hineinsenden, was wir nötig haben, um bei unserer Rückkehr in den physischen und Ätherleib den Wachzustand fortführen zu können. Gleichsam ausgegossen und vergrößert zu einem Weltendasein ist unser Astralleib während der Nacht. Das hellseherische Bewußtsein sieht beim Einschlafen den Astralleib sich aus dem physischen Leib in gewisser Beziehung herausbegeben. Das ist freilich ein ungenauer Ausdruck. Wie in einer Spirale schlängelt sich der Astralleib aus dem physischen Leib heraus, wie eine spiralige Wolke schwebt er. Aber das, was man da sieht, ist nur der Anfang der Strömungen, die sich aus diesem astralischen Leib herausgliedern. Sie gehen tatsächlich in den Weltenraum hinaus und holen sich Kräfte, durchsaugen sich mit den Kräften der Planeten. Und wenn jemand Ihnen sagen wollte, daß der Astralleib das ist, was man mit grober Hellsichtigkeit als eine Wolke gleichsam in der Nähe des physischen Leibes schweben sieht, dann sagt er Ihnen gar nicht die Wahrheit, denn dieser Astralleib ist während der Nacht ausgegossen über unser ganzes Sonnensystem. Er ist während des schlafenden Zustandes sozusagen in Verbindung mit den planetarischen Wesenheiten. Darum sprechen wir auch von einem «astralischen» Leib. Alle übrigen Erklärungen für den Ausdruck astralischer Leib, der im Mittelalter geprägt worden ist, sind nicht richtig. Wir sprechen von Astralleib aus dem Grunde, weil er im schlafenden Zustande des Menschen in gewisser innerer Verbindung ist mit den Sternen, mit der astralischen Welt, weil er in ihr ruht, weil er ihre Kräfte in sich aufnimmt.

Wenn Sie diesen Tatbestand, der heute noch der hellsichtigen Forschung sich ergibt, ins Auge fassen, dann werden Sie sich sagen: Dann müßten aber auch die ersten Strömungen, die diesen Astralleib bildeten, aus der Astralwelt, aus der Sternenwelt dem Menschen zufließen. Also mußte diese Sternenwelt vorhanden sein im Erdenwerden. — Wenn wir also sagen: Am sogenannten vierten Schöpfungstag umkleidete sich das, was früher geistig-seelisch da war, mit den Gesetzen und Kräften des Astralleibes — so müssen an diesem vierten Schöpfungstage die Sterne, die astra, im Umkreise der Erde ihre Tätigkeit entfalten.

Das erzählt uns auch die Genesis. Wenn uns am sogenannten vierten Schöpfungstage das geschildert wird, was wir nennen können «der Astralleib des Menschen bildet sich mit seinen Gesetzen», so parallelisiert uns die Genesis ganz richtig dieses Umkleiden des Menschen mit dem Astralleib, wo er noch immer schwebt in der geistigen oder astralischen Umgebung der Erde, mit der Tätigkeit der Sternenwelt, die zunächst zu unserer Erde gehört. Also auch darin liegt in dem Berichte der Genesis ein tiefer Sinn, der in vollständiger Kongruenz steht zu dem, was uns die hellseherische Forschung heute von dem gegenwärtigen Menschen zu sagen hat. Wir werden noch sehen, daß allerdings in jener Zeit, von der die Genesis spricht, dieser Astralleib nicht so war, wie heute unser Astralleib in der Nacht ist, aber seine Gesetze waren dieselben. Das, was in ihm als Tätigkeit sich entfaltete, war dasselbe.

Wir werden also zu erwarten haben, daß für die nächste Zeit, die die Genesis als den fünften Schöpfungstag verzeichnet, eine weitere Verdichtung des Menschen eintritt. Der Mensch bleibt noch immer ein übersinnliches ätherisches Wesen, aber es tritt eine weitere Verdichtung ein, eine Verdichtung innerhalb des Ätherischen. Der Mensch berührt noch immer nicht die Erde, er gehört sozusagen noch immer dem mehr geistig-ätherischen Umkreise der Erde an. Und da berühren wir etwas, was zu verstehen außerordentlich wichtig ist für das ganze Werden des Menschen im Zusammenhang mit der Erde. Wenn wir auf das dem Menschen nächste Reich, auf das tierische Reich, unseren Blick lenken, dann können wir uns die Frage vorlegen, die wir ja auch öfter schon gestreift haben: Warum sind denn diese Tiere eigentlich Tiere geworden, und warum ist der Mensch Mensch geworden? — Daß der Mensch sich erst aus der Tierheit herausentwickelt hat, wie die grobe materialistische Vorstellung der Gegenwart phantasiert, das kann ja nicht einmal eine oberflächliche abstrakte Vernunft zugeben, wenn sie wirklich sich selber versteht. Wenn wir aber den Vorgang zeitlich betrachten, wenn wir gleichsam den Blick hinlenken auf das Erdenwerden, so müssen wir dennoch sagen: Bevor sichtbarlich der Mensch als Erdenwesen auftrat, sind die Tiere aufgetreten. — Damit der Mensch hat Mensch werden können auf der Erde, dazu war notwendig, daß er zu seiner Verdichtung die geeigneten Erdenverhältnisse angetroffen hat. Nehmen Sie an, der Mensch wäre in der Zeit, die uns als der fünfte Schöpfungstag bezeichnet wird, ein Erdenwesen geworden, wie er es heute ist, das heißt so dicht, daß er als ein Erdenwesen bezeichnet werden kann, was wäre dann geschehen? Wenn damals der Mensch gleichsam schon herabgestiegen wäre in das dichte Erdendasein, dann hätte er nicht die Gestalt und Wesenheit werden können, die er geworden ist, denn die Erdenverhältnisse waren damals noch nicht reif, um dem Menschen diese Gestalt zu geben. Der Mensch mußte im Geistigen warten und mußte die Erdenentwickelung sich selbst überlassen, weil sie ihm noch nicht die Bedingungen geben konnte für das irdische Dasein. Er mußte reif erst werden innerhalb einer geistig-seelischen, einer mehr ätherischen Sphäre. Hätte er nicht gewartet mit seinem Herabstieg auf die Erde, so wäre er eben mit einer tierischen Gestalt umkleidet worden. Deshalb sind die Tiere Tiere geworden, weil das seelischgeistige Wesen, das Gattungsseelenmäßige dieser Tierformen herabgestiegen ist, als die Erde noch nicht reif war, noch nicht die Bedingungen hergeben konnte, die für die irdische Menschengestalt notwendig waren. Der Mensch mußte oben im Geistigen warten. Das, was Tier geworden ist, ist in bezug auf das Menschwerden gleichsam zu früh herabgestiegen. Die Erde war in jener Zeit, die uns bezeichnet wird als der fünfte Schöpfungstag, mit Luft und Wasser erfüllt. Der Mensch durfte nicht herabsteigen und sich eine erdenhafte Leiblichkeit darin bilden. Die Tierwesen, die Gattungsseelen der Tiere, die da herabgestiegen sind, die wurden Wesen der Luft, Wesen des Wassers. Während also gewisse Gattungsseelen sich umkleideten mit einem Leibe, der den Bedingungen des Luftkreises, der Wassersubstanz entnommen war, mußte der Mensch warten im Geistigen, um später seine menschliche Gestalt annehmen zu können.

Die Genesis erzählt den ganzen Hergang ungeheuer geistvoll. Was würde denn geschehen sein, wenn der Mensch zum Beispiel schon am fünften Schöpfungstage in die dichte Materie heruntergestiegen wäre? Dann hätte seiner physischen Menschlichkeit noch nicht diejenige Kraft verliehen werden können, die ihm dadurch geworden ist, daß die Elohim gleichsam zu ihrer Einheit emporgestiegen sind. Wir haben ja von diesem Einswerden der Elohim gesprochen und haben gesagt, daß die Genesis das in wunderbarer Weise darstellt, indem sie vorher von den Elohim spricht und dann von Jahve-Elohim. Wir haben die Wesenheit der Elohim dadurch charakterisiert, daß wir gesagt haben: Sie woben in dem Wärmehaften, das Wärmehafte war ihr Element, gleichsam die Leiblichkeit, durch die sie sich unmittelbar ankündigten. — Als die Elohim am Ende jener Entwickelungsreihe, die uns durch die Genesis dargestellt wird, sich so weiterentwickelten, daß wir von einem Einheitsbewußtsein, von einem Jahve-Elohim sprechen können, da geschah auch eine Veränderung mit der Wesenheit dieser Elohim.

Und diese Veränderung liegt in der Linie, in welcher auch die Veränderung der übrigen Wesenheiten der Hierarchien liegt. Erinnern Sie sich, daß wir von dem Leib, sagen wir der Throne, gesprochen haben. Wir sagten, daß er sich am Beginne unserer planetarischen Entwickelung hingeopfert hat zum Wärmeelement des alten Saturn. Wir haben ferner gesagt, daß wir die Leiblichkeit der Throne während der alten Sonne in dem luftartigen Element zu suchen haben, während des alten Mondes in dem Wasser und während unserer Erdenzeit im erdigen oder festen Element. Das war gleichsam das Avancement der Throne, daß sie aufgestiegen sind, indem sie ihre Wesenheit immer mehr und mehr vom wärmehaften Zustand zum erdigen verdichtet haben.

Fragen wir uns jetzt: Wenn die Elohim ein ähnliches Avancement durchmachen, wenn sie gleichsam als Lohn für ihr Schaffen um eine Stufe hinaufsteigen durften, was mußte in dieser Beziehung mit ihnen geschehen? — Dann mußten sie, das liegt ja in der ganzen Gesetzmäßigkeit, vorschreiten zur nächsten Verdichtung. Ganz in derselben Gesetzmäßigkeit, wie die Throne in uralten Zeiten beim Übergang vom alten Saturn zur alten Sonne vom wärmehaften zum luftartigen Element fortgeschritten sind, so dürfen wir erwarten, daß da, wo die Elohim das Einheitsbewußtsein erreichten, sie auch in bezug auf ihre äußere Manifestation, auf ihr äußeres Weben in einer Leiblichkeit vorn Wärmeelement zum Luftelement vorschreiten. Das war aber noch nicht beim fünften Schöpfungstage der Fall, sondern erst am Ende jener Entwickelungslinie, die uns in der Genesis berichtet wird. Hätte der Mensch also schon am fünften Schöpfungstage in das feinere Element der Luft heruntersteigen dürfen, so wäre es ihm ergangen wie den Wesenheiten, die ihre Leiblichkeit in diesem Luftelement gesucht haben. Sie sind die in der Luft lebenden Tiere geworden, weil ihnen nicht die Kraft verliehen werden konnte, die notwendig ist, um den Sinn des Erdenwerdens herbeizuführen, die Kraft von Jahve-Elohim, nach dem Avancement der Elohim zu Jahve-Elohim. Der Mensch mußte also warten. Er durfte die Luft nicht aufnehmen. Als jene Gattungswesen herabstiegen, da mußte er warten, bis aus den Elohim Jahve-Elohim geworden war. Dann erst konnte ihm die Kraft gegeben werden, die Jahve-Elohim-kraft. In dem Weben des Jahve-Elohim, in der Luft mußte er sich inkorporisieren, aber er durfte das elementarische Dasein der Luft erst in sich aufnehmen, als er es empfangen konnte von Jahve-Elohim. Wunderbar geistvoll erzählt uns das die Genesis, indem sie sagt: Es reifte der Mensch in einem mehr geistig-ätherischen Dasein heran und suchte die dichte Körperlichkeit erst dann, als die Elohim zu Jahve-Elohim emporgestiegen waren, als Jahve-Elohim die irdische Wesenheit des Menschen bilden konnte, indem er dem Menschen die Luft einhauchte. — Es war der Ausfluß der zu Jahve-Elohim gewordenen Elohim selber, der mit der Luft in den Menschen einströmte.

Da haben wir wiederum eine solche Ausführung der Genesis, die so wunderbar sich zusammenschließt mit dem, was uns die Geistesforschung der Gegenwart zeigt, und da haben Sie in der Genesis eine Evolutionslehre gegeben, gegen welche alle so stolzen Evolutionslehren der Gegenwart nichts sind als eine Phantasterei, als Dilettantismus. Denn die Genesis führt uns in das innere Werden hinein, zeigt uns, was da geschehen mußte im Übersinnlichen, bevor der Mensch zum sinnlichen Dasein fortschreiten durfte.

So also werden wir sagen dürfen: Der Mensch mußte noch im ätherischen Dasein verbleiben, während die anderen Wesenheiten schon sich physisch verdichteten im Luft- und Wasserkreis. Und weiter dürfen wir sagen: Es geschieht die Verdichtung des Menschen bis zum Ätherleib in derjenigen Zeitepoche, die wir in der Bibel den fünften Schöpfungstag nennen. — Da finden wir also den Menschen noch nicht unter den physischen Erdenwesen. Erst in der Zeit, die wir als den sechsten Schöpfungstag bezeichnen, haben wir den Menschen unter den eigentlichen Erdenwesen zu suchen. Da ist er sozusagen von dem Erdenwerden aufgenommen, und wir können sagen: Das, was wir heute als des Menschen physischen Leib bezeichnen, das entsteht zu jener Zeit, die in der Genesis als der sechste Schöpfungstag bezeichnet ist.

Jetzt aber müssen wir uns noch etwas klarmachen. Sie würden noch immer fehlgehen, wenn Sie nun glauben würden, daß Sie mit gewöhnlichen Augen den Menschen hätten sehen können, der da am sechsten Schöpfungstage entstanden ist, oder gar mit den Händen angreifen, so daß Sie etwas gespürt hätten. Wenn ein Mensch mit den heutigen Sinnen damals überhaupt möglich gewesen wäre, so hätte er doch den eben entstandenen Erdenmenschen nicht wahrnehmen können. Der Mensch ist heute zu sehr geneigt, materialistisch zu denken. Daher denkt er sich gleich beim sechsten Schöpfungstag: Da war der Mensch ebenso vorhanden, wie er heute ist. — Der Mensch war allerdings schon physisch vorhanden, aber physisch ist ja zum Beispiel auch das Weben der Wärme. Wenn Sie irgendwo in einen Raum hineinkommen und in diesem differenzierte Wärmeströmungen finden, die nicht so dicht sind wie Gas, so müssen Sie das auch schon physisches Dasein nennen, und es gab schon während der Saturnzeit physisches Dasein, wenn auch nur als Wärmesubstanz. Also den Menschen im dichten Fleisch zu suchen am sogenannten sechsten Schöpfungstage, das darf nimmermehr sein. Wir dürfen ihn als Erdenwesen suchen, im Physischen, wir müssen ihn jetzt sogar im Physischen suchen, aber nur in der feinsten physischen Manifestation, als Wärmemensch. Als jenes Ereignis eintrat, das mit dem schönen Worte bezeichnet wird «Die Elohim sprachen: Lasset uns den Menschen machen!», da würde ein Wesen, das empfänglich gewesen wäre, Wärmezustände wahrzunehmen, gewisse Differenzierungen in der Wärmesubstanz gefunden haben. Wenn es hingeschritten wäre über die Erde, die dazumal bedeckt war mit dem Gattungsmäßigen des Pflanzenhaften, des Tierhaften im Luft- und Wasserelement, dann hätte es sich sagen können: Merkwürdige Dinge sind da wahrzunehmen. An gewissen Stellen sind Wärmeeindrücke wahrzunehmen, noch nicht etwa gasförmige Eindrücke, nur reine Wärmeeindrücke. Man findet gewisse Wärmedifferenzierungen im Umkreise der Erde. Da huschen Wärmewesen hin und her. — Der Mensch war eben noch nicht einmal ein gasiges Wesen, nur ein Wärmewesen war er. Denken Sie sich alles Feste weg, das an Ihnen ist, denken Sie sich auch weg alles Flüssige und alles Gasförmige, und stellen Sie sich von diesem Menschen, der Sie heute sind, nur das vor, was in Ihrem Blut als Wärme pulsiert, Ihre Blutswärme denken Sie sich, abstrahieren Sie von allem übrigen, dann haben Sie das, was damals entstand, als die Elohim das schöpferische Wort sprachen: «Lasset uns den Menschen machen!» Und der nächste Verdichtungszustand kommt erst nach den Schöpfungstagen. Das Einströmen dessen, was Jahve-Elohim geben konnte, der Luft, das kommt erst, nachdem dieser sechste Schöpfungstag war.

Die Menschen werden nicht eher ihren eigenen Ursprung verstehen, als bis sie sich entschließen werden, ihre Herkunft so vorzustellen, daß ursprünglich im Erdenwerden ein Geistig-Seelisches vorhanden war, dann ein Astralisches, dann ein Ätherisches, daß dann von den physischen Zuständen zuerst der Wärmezustand vorhanden war und dann erst der Luftzustand. Und selbst für den Moment, wo uns nach den sechs Schöpfungstagen erzählt wird «Und Jahve-Elohim hauchte dem Menschen ein den lebendigen Odem», solange sich die Menschen nicht entschließen, sich selbst für diesen Moment physisch einen Wärme- und Luftmenschen vorzustellen, solange sie glauben, daß da schon etwas vom Fleischmenschen vorhanden war, so lange werden die Menschen ihren eigenen Ursprung nicht verstehen. Aus dem Feineren entsteht das Gröbere, nicht aus dem Gröberen das Feinere. Es ist ja für ein heutiges Bewußtsein sehr fremd, so zu denken, aber es ist die Wahrheit.

Wenn wir das ins Auge fassen, dann wird es uns auch begreiflich erscheinen, warum in so vielen Schöpfungsberichten davon die Rede ist, daß das Werden des Menschen als ein Herabsteigen aus dem Umkreise der Erde aufzufassen ist. Und wenn uns die Bibel selber, nachdem sie uns von den Schöpfungstagen gesprochen hat, von dem sogenannten Paradiese spricht, so müssen wir auch da etwas Tieferes dahinter suchen, und wir werden nur das Richtige finden, wenn wir uns geisteswissenschaftlich darüber verständigen. Es ist für den, der die Dinge kennt, wirklich recht eigentümlich, wenn unter den Bibelexegeten herumgestritten wird, ob an diesem oder jenem Orte der Erde das Paradies gelegen hat, von dem die Menschen dann ausgewandert sind. Nur zu deutlich ist in manchem Schöpfungsbericht, auch in der Bibel selber, enthalten, daß das Paradies überhaupt nicht auf dem Erdboden als solchem vorhanden war, daß es vielmehr erhaben über dem Erdboden, sozusagen in Wolkenhöhen war, und daß der Mensch, als er im Paradiese lebte, noch ein wärmehaft-gasiges Wesen war. Zweibeinig ist der Mensch wahrhaft damals noch nicht auf dem Erdboden herumgeschritten, das ist materialistische Phantastik. Wir haben uns also vorzustellen, daß der Mensch auch noch nach Ablauf der Schöpfungstage, wie sie gewöhnlich genannt werden, ein Wesen ist, das nicht dem Erdboden, sondern dem Erdenumkreise angehört.

Wie ist nun der Mensch sozusagen aus dem Umkreise auf den Erdboden herabgelangt, wie ist die weitere Verdichtung geschehen von jenem Zustand, in den ihn Jahve-Elohim versetzt hat? Da kommen wir nun zu dem, was Sie ziemlich genau dargestellt finden in meiner «Geheimwissenschaft», da kommen wir zu dem, was wir den luziferischen Einfluß nennen. Wenn wir genauer charakterisieren wollen, was mit diesem luziferischen Einfluß gemeint ist, so müssen wir uns vorstellen, daß sich Wesenheiten, eben jene Wesen, die man als die luziferischen bezeichnet, gleichsam in den menschlichen Astralleib hineingössen, so daß der Mensch, wie er gebildet worden ist durch alle die Kräfte, die wir bisher geschildert haben im Erdenwerden, nachher in sich aufgenommen hat den luziferischen Einfluß. Wir werden diesen Einfluß verstehen, wenn wir sagen: Des Menschen Begierdeleben, des Menschen Wunschleben, alles, was überhaupt im Astralleib verankert ist, das wurde durchsetzt von dem luziferischen Element, wurde dadurch, wenn ich mich so ausdrücken darf, vehementer, leidenschaftlicher, dringlicher an Begierdenhaftigkeit gemacht, wurde in sich geschlossener gemacht. Kurz, das, was wir heute mit dem Ausdrucke Egoismus bezeichnen, dieses innerlich in sich Abgeschlossen-sein-Wollen, dieses Darauf-Schauen, daß man womöglich innerlich behaglich sich fühlt, das drang mit dem luziferischen Element in den Menschen ein. Alles Gute und Schlimme, was unter diesem von innerlichem Behagen Durchsetztsein verstanden werden kann, drang mit dem luziferischen Einfluß in den Menschen ein. Ein fremder Einfluß war es also zunächst. Aus dem Astralleib, wie er vorher war in der Zeit, wo er geformt worden ist von den Strömungen, die da aus der Sternenwelt hereinströmten, aus der Form, die da der Astralleib angenommen hat, wurde jetzt ein anderer Astralleib, ein solcher, der von dem luziferischen Einfluß durchdrungen war. Die Folge davon war, daß der Luftwärmeleib des Menschen zusammengezogen wurde, weiter zusammengedichtet wurde. Da entstand erst das, was man den Fleischesmenschen nennt, da entstand erst die weitere Verdichtung des Menschen. So daß wir sagen können: Das Vor-Luziferische des Menschen ist in dem elementarischen Dasein von Wärme und Luft enthalten, und in das Flüssige und in das Feste des Menschen hat sich hineingeschlichen der luziferische Einfluß. — Da ist er hineingedrungen, da lebt er drinnen. In allem, was fest, was flüssig ist, lebt der luziferische Einfluß. Und es ist gar nicht eigentlich bildlich gesprochen, sondern bezeichnet ziemlich klar, ziemlich richtig den Tatbestand, wenn ich sage: Durch diese durch den luziferischen Einfluß bewirkte Zusammenpressung des Menschenleibes wurde der Mensch schwerer und sank herunter aus dem Umkreise auf den Erdboden. — Das war der Austritt aus dem Paradiese, wie er bildlich dargestellt wird. Der Mensch bekam erst sozusagen die Schwere, die Gravitationskraft, um aus dem Umkreise der Erde auf den Erdboden herabzusinken. Das ist das Herabsteigen des Menschen auf den physischen Erdboden, das ist das, was den Menschen heruntergebracht hat bis zur Erde, während er vorher in ihrem Umkreise gewohnt hat. Wir müssen also diesen luziferischen Einfluß unter die wahrhaftigen Bildekräfte des Menschen zählen.

Deshalb tritt uns auch ein merkwürdiger Parallelismus entgegen zwischen den Schilderungen des rein geisteswissenschaftlich Forschenden und denen der Bibel. Sehen Sie doch einmal, wie in meiner «Geheimwissenschaft» alles ferngehalten ist, was leicht hätte entstehen können, wenn man irgend etwas von den Schilderungen der Genesis selber herangezogen hätte. Ich möchte sagen: Davor habe ich mich wohl gehütet bei der Darstellung meiner «Geheimwissenschaft». — Ich habe nur die geisteswissenschaftlichen Forschungen zu Rate gezogen. Da kommt dann an einer bestimmten Stelle, von ganz anderer Seite her geschildert, der luziferische Einfluß heraus. Wenn man ihn aber gefunden hat, dann trifft man damit in der geisteswissenschaftlichen Schilderung genau jene Zeitepoche, die uns in der Bibel geschildert wird als die sogenannte Verführung des Menschen durch die Schlange, durch Luzifer. Wir finden dann diesen Parallelismus nachträglich heraus. So wahr die Schwere und Elektrizität und der Magnetismus Kräfte sind, die heute in gröberem Stile teilnehmen an der Erdenbildung, so wahr ist das, was wir luziferischen Einfluß nennen, eine Kraft, ohne welche das Erdenwerden nicht hätte vor sich gehen können. Und wir müssen unter die die Erde konstituierenden Kräfte diesen luziferischen Einfluß hinzuzählen. Namentlich morgenländische Schöpfungsberichte verlegen daher das Paradies auch — nicht so fein, wie es in der Bibel geschieht — in den Umkreis der Erde, nicht auf den Erdboden selbst, und sie fassen die Vertreibung aus dem Paradiese als ein Herabsteigen aus dem Erdenumkreis auf die Erdenoberfläche auf. So also stellt sich uns auch auf diesem Gebiete, wenn wir nur die Worte zu verstehen wissen, die volle Kongruenz heraus zwischen der geisteswissenschaftlichen Forschung und der Bibel.

Aber betrachten wir jetzt noch ein anderes Moment. Wir haben ja hervorgehoben, daß der Geistesforscher es nicht so leicht hat wie jene Wissenschaft, die so ziemlich nach dem Grundsatz vorgeht, in der Nacht sind alle Kühe grau, und die die verschiedensten Vorgänge auf dieselbe Ursache zurückführt. Der seelische Forscher muß da, wo sich Wolken bilden, ganz etwas anderes sehen als da, wo sich auf dem Erdboden Wasser bildet. Wir haben gesprochen von den Cherubimen als den dirigierenden Mächten bei der Wolkenbildung, und wir haben gesprochen von den Seraphimen als den dirigierenden Mächten bei dem, was als das Blitzesfeuer aus der Wolke herausquillt. Wenn Sie sich nun vorstellen, daß die Vertreibung aus dem Paradiese in Wahrheit zurückführt auf ein Herabsteigen aus dem Umkreise, dann haben Sie fast bis zur Wörtlichkeit geschildert, wie der Mensch durch seine eigene Schwere herabfällt aus dem Umkreise der Erde und zurücklassen muß die Kräfte und Wesenheiten, die die Wolken und den Blitz bilden, die Cherubime mit dem blitzenden Schwert. Der Mensch fällt gleichsam herab aus dem Erdenumkreise, aus jenem Gebiete, wo die Cherubime walten mit den feurigen Blitzesschwertern. Da haben Sie bis zur Wörtlichkeit das wiedergegeben durch die Geisteswissenschaft, was uns bei der Vertreibung aus dem Paradies dargestellt wird, wenn gesagt wird: Die Gottheit stellte hin vor das Paradies die Cherubime mit der Flamme des wirbelnden Schwertes. — Wenn Sie das ins Auge fassen, dann können Sie es fast, man möchte sagen, mit Händen greifen, wie jene alten Seher, welche uns die Genesis geschenkt haben, mit voller Seherkraft hineinschauten in die geheimnisvollen Vorgänge in diesem Weben und Wesen des Menschen in Ätherhöhen, bevor er herabgefallen war aus jenen Regionen, wo die Seraphime und Cherubime walten. Mit einer solchen Realistik schildert die Bibel, die nicht etwa bloße Vergleiche darstellen will oder bloß grobsinnliche Bilder, sondern die uns berichten will, was sich dem hellseherischen Bewußtsein ergibt.

Die Menschen von heute kennen nur schlecht die Vorstellungen alter Zeiten. Heute kritisiert man so viel an der Bibel herum, als ob sie so naiv wäre, daß sie uns erzählte: Das, was einst das Paradies war, das war ein großer Garten, schön hübsch mit Bäumen besetzt, Löwen und Tiger gingen darin herum, mitten drinnen die Menschen. — Nun ja, dann ist es leicht, Kritik zu üben, und ein frivoler Kritiker brachte es dahin, darauf aufmerksam zu machen: Wenn das wirklich so gewesen wäre, wie wäre es dem Menschen ergangen, wenn er in seiner Naivität einmal die Hand einem solchen Löwen hingereicht hätte? — Man kann leicht kritisieren, wenn man sich zuerst ein phantastisches Bild zurechtmacht, das in der Genesis gar nicht gemeint ist. Solche Anschauungen, die entstanden nämlich erst in den letzten Jahrhunderten. Die Menschen wissen nicht viel von den Vorstellungen früherer Jahrhunderte. Die Scholastiker des zwölften Jahrhunderts würden ein sonderbares Gesicht machen, wenn sie heute wiederkämen und hören könnten, was sie selbst über die Bibel gesagt haben sollen. Keinem der Scholastiker ist es eingefallen, solche Vorstellungen über den Bibelbericht zu haben, wie man sie heute hat. Das könnten die Menschen heute wissen, wenn sie wirklich lernen wollten. Man brauchte nur die Schriften der Scholastiker wirklich zu studieren, dann würde man schon sehen, wie da deutlich ausgesprochen ist, daß es sich um etwas anderes handelt. Wenn auch das Bewußtsein davon, daß man es im Bibelbericht mit einer Wiedergabe hellseherischer Forschung zu tun hat, schon in gewisser Weise geschwunden war, so war doch noch etwas ganz anderes vorhanden als das, was vom sechzehnten, siebzehnten Jahrhundert an als eine grobsinnliche Exegese Platz gegriffen hat. So etwas zu behaupten, wäre niemandem in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters eingefallen. Heute ist es leicht, die Bibel zu kritisieren. Man darf nur nicht wissen, daß die Vorstellungen, die man heute bekämpft, erst vor ein paar Jahrhunderten entstanden sind. Und diejenigen, die heute am meisten gegen die Bibel streiten, die bekämpfen ein phantastisches Produkt von Menschenvorstellungen und nicht die Bibel. Es ist ein Kämpfen gegen etwas, was es gar nicht gibt, was erst zusammenphantasiert worden ist. Demgegenüber hat Geisteswissenschaft die Aufgabe, durch das Verkünden geisteswissenschaftlicher Resultate auf den wahren Sinn der Bibel wieder hinzudeuten und dadurch jene großen Eindrücke zu ermöglichen, die unsere Seele überkommen müssen, wenn wir verstehen lernen, was in so monumentaler Prägung aus alten Zeiten zu uns herübertönt.




Zuletzt aktualisiert: 24-Mar-2024
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