ZEHNTER VORTRAG
Bern, 10. September 1910
Daß der Christus Jesus für die Menschheitsevolution
zu bedeuten hatte die allmähliche Ausstattung der
Kräfte des menschlichen Ich mit jenen Fähigkeiten,
welche der Mensch in den alten Mysterien nur hat erlangen
können durch eine Art Herabdämpfung seines Ich, das
haben wir in den letzten Stunden auseinandergesetzt. Und wollen
wir uns noch einmal deutlich vor die Seele rücken, um was
es sich handelt, dann können wir sagen: Es war bei allen
alten Initiationen die Möglichkeit vorhanden,
hinaufzurücken in die geistige Welt, in das, was wir
charakterisiert haben als die Reiche der Himmel. Aber durch die
ganzen Eigenheiten, Eigentümlichkeiten der alten,
vorchristlichen Menschheitsentwickelung war es nicht
möglich, hinaufzusteigen in die Reiche der Himmel so,
daß das Ich, die eigentliche menschliche Ich-Wesenheit in
derselben Verfassung geblieben wäre, in der sie sich
befindet gegenüber dem physisch-sinnlichen Plan.
Unterscheiden wir also diese zwei Verfassungen der
Menschenseele: Die eine ist jene Verfassung, die der
heutige normale Mensch kennt als diejenige vom Aufwachen
bis zum Einschlafen, wo er mit seinem Ich wahrnimmt die
Gegenstände des physisch-sinnlichen Planes. Und dann haben
wir jene andere Verfassung der Seele, bei der dieses Ich
herabgedämpft ist, wo kein deutliches Bewußtsein
einer solchen Ichheit vorhanden ist. Und innerhalb dieser
Seelenverfassung wurde der Mensch in den alten Mysterien
hinaufgehoben in die Reiche der Himmel. Diese Reiche der Himmel
sollten - einmal im Sinne der Vorläuferpredigt des
Täufers Johannes und dann im Sinne der Predigt des
Christus Jesus selber - heruntergeholt werden, damit die
Menschheit einen Impuls bekommen kann zu einer
weitergehenden Evolution, durch die unter
Aufrechterhaltung der gewöhnlichen Ich-Kraft die
Erfahrungen der höheren Welten erlebt werden
können. Daher war es nur natürlich, daß uns
sozusagen von den Berichterstattern des Christus
Jesus-Ereignisses vorgeführt werden alle die
Prozeduren, alle die verschiedenen Vorgänge, die in den
alten Mysterien mit dem zu Initiierenden vorgenommen
worden sind, daß uns aber zu gleicher Zeit angedeutet
wird: in alledem lebt eine neue Nuance, die Nuance, daß es
jetzt nicht die zweite der beiden charakterisierten
Seelenverfassungen ist, die dabei in Frage kommt, sondern
diejenige, in der das Ich anwesend ist.
Und
wir haben dann gestern die neun Seligkeiten als den Anfang der
sogenannten Bergpredigt von diesem Gesichtspunkte aus
charakterisiert. Wir könnten noch weiter fortsetzen,
was in der gegenwärtigen Fassung des
Matthäus-Evangeliums vorhanden ist, so wie sie,
allerdings etwas undeutlich, aus dem Aramäischen ins
Griechische übertragen worden ist. Aber wenn man
selbst noch die undeutliche Version des griechischen
Textes des Matthäus-Evangeliums nimmt, kann man doch
durchfühlen, auch in der Fortsetzung der Bergpredigt, wie
überall deutlich auf das hingedeutet wird, was früher
der Mensch mit Herabdämpfung des Ich erleben konnte. So
daß, wie er früher sagen konnte: Wenn ich mein Ich
herabdämpfe und mit herabgedämpftem Ich hineinkomme
in die geistige Welt, so werde ich dieses oder jenes an
Fundamentalem begreifen er dies in Zukunft begreifen lernen
wird unter Beisein seines Ich. Freilich versteht man eine
solche Sache nur dann wirklich, wenn man auf das Nähere
eingeht, worauf ich schon hingedeutet habe, nämlich auf
den Gebrauch alter Namen, alter Bezeichnungen. Alte
Bezeichnungen wurden eben nicht so gewählt, wie Namen oder
Bezeichnungen in unserer Zeit gewählt werden,
sondern sie wurden immer gewählt mit dem
Bewußtsein des Wesenhaften der Sache. Und das ist deutlich
gerade in den Bezeichnungen der Bergpredigt
durchleuchtend, daß sich der Christus Jesus fühlte
als der Bringer des Ich-Bewußtseins auf einer
höheren Stufe, als es früher war, welches in sich
selber die Reiche der Himmel erleben kann. Daher stellt er den
Gegensatz vor die Seelen seiner Jünger hin: In
früheren Zeiten sagte man auch, aus den Reichen der Himmel
ist euch dieses oder jenes geoffenbart. Aber das werdet
ihr von nun an erleben, wenn ihr euer Ich sprechen laßt,
in dem, was euer Ich zu euch sagt. Daher die immer
wiederkehrende Wiederholung: «Ich sage es euch!»,
weil sich der Christus Jesus fühlte als der
Repräsentant jener Menschenseele, die sich auslebt in dem
Ausdruck: «Ich sage es; ich bin mit meinem vollen
Ich-Bewußtsein dabei.» Das darf nicht trivial
genommen werden, was in der Fortsetzung der Bergpredigt dasteht
als der Ausdruck: «Ich sage es euch!» Das ist die
Wiederholung eines Hinweises auf jenen neuen Impuls, der durch
den Christus Jesus in die Menschheitsevolution
hineingelegt worden ist. Lesen Sie daher in dieser Weise den
weiteren Fortgang der Bergpredigt, und Sie werden
fühlen, daß er sagen wollte: Bisher durftet ihr nicht
an euer Ich appellieren; jetzt aber könnt ihr durch das,
was ich euch geboten habe, die Reiche der Himmel euch durch die
Kraft des Inneren, durch die eigene Kraft des Ich nach und nach
aneignen. - Der ganze Geist der Bergpredigt ist durchhaucht von
dem neuen Impuls der Ichheit des Menschen. Und ebenso das
Folgende, wo dann der Übergang gemacht wird zu den
sogenannten Heilungen.
Diese Heilungen bilden ja bekanntlich einen Gegenstand
ungeheuer weitgehender Diskussionen. Und was da einen ganz
besonderen Gegenstand der Diskussion bildet, ist ja, wie
Sie alle wissen, die WunderFrage. Das wird am
häufigsten betont, daß da Wunder erzählt werden
sollen. Aber treten wir dieser Wunder-Frage einmal näher.
Gestern habe ich Sie schon auf eines aufmerksam gemacht. Ich
habe darauf hingewiesen, daß in der Tat der
gegenwärtige Mensch die Veränderungen, die
Metamorphosen, die sich mit der menschlichen Wesenheit im Laufe
der Entwickelung vollzogen haben, ganz unterschätzt.
Würden Sie - nicht im groben, sondern im feineren
Sinne - einen physischen Leib aus der Zeit, wo der
Christus Jesus gelebt hat, oder gar noch vorher, vergleichen
mit einem heutigen physischen Leib, so würde sich ein ganz
beträchtlicher Unterschied ergeben, ein Unterschied,
der allerdings nicht feststellbar ist mit anatomischen
Mitteln, wohl aber durch die okkulte Forschung. Und Sie
würden finden: der physische Leib ist dichter geworden,
hat sich mehr zusammengezogen; er war noch weicher in der
Zeit des Christus Jesus. Und namentlich war die Art der
Anschauung so, daß der Mensch das, was er heute gar nicht
mehr sieht, die Erkenntnis gewisser Kraftwirkungen im Leibe,
die jeden Leib modellieren, noch in einem gewissen Grade
besessen hat, so daß die Muskeln - allerdings nur
für einen feineren Blick - deutlich und viel stärker
sich abprägten. Das ging langsam und allmählich
verloren. Kindereien in der Kunstgeschichte weisen auf alte
Zeichnungen hin, wo zum Beispiel besonders ausgeprägte
Muskellinien dargestellt sind, und halten das für
eine Übertreibung und für Ungeschicklichkeit der
alten Zeichner, weil man nicht weiß, daß so etwas auf
ein tatsächliches Beobachten zurückgeht, das für
alte Zeiten richtig war, für die heutigen Zeiten aber
falsch sein würde. Aber darauf wollen wir weniger
Rücksicht nehmen und nur das mehr hervorheben, was
mit diesen ganz anders gearteten menschlichen Leibern verbunden
war.
Auf
den menschlichen Leib hatte damals die Kraft der Seele, die
Kraft des Geistes noch einen viel größeren, sozusagen
momentaneren Einfluß als später, wo der Leib dichter
geworden ist und die Seele daher an Macht über den
Leib verloren hat. Daher war es damals in viel
größerem Maße möglich, zu heilen von der
Seele aus. Die Seele hatte viel mehr Macht, so daß sie den
Leib durchsetzen konnte mit den aus der geistigen Welt geholten
gesund wirkenden Kräften, wenn der Leib in Unordnung
gekommen war, um ihn wieder von sich aus in Harmonie, in
Ordnung zu bringen. Diese Macht der Seele über den Leib
hat allmählich abgenommen. Das ist der Gang der
fortgehenden Entwickelung. Daher waren die Heilprozesse
in alten Zeiten in weit größerem Maße als
später geistige Heilprozesse. Und diejenigen, die als
Ärzte galten, waren nicht im heutigen Sinne physische
Ärzte, sondern zum großen Teil Heiler in dem Sinne,
daß sie auf den Leib auf dem Umwege durch die Seele
wirkten. Sie reinigten die Seele und durchsetzten sie mit
gesunden Empfindungen, Impulsen und Willenskräften
durch die geistig-seelischen Einflüsse, die sie
ausüben konnten, sei es im gewöhnlichen Zustande der
physischen Wahrnehmung, sei es in dem sogenannten Tempelschlaf
oder dergleichen, was ja auch für die damalige Zeit nichts
anderes war als eine Art Versetzen des Menschen in einen
hellseherischen Zustand.
Wenn man also die damaligen Kulturverhältnisse
berücksichtigt, muß man durchaus daraufhinweisen,
daß diejenigen, die stark an Seele waren und appellieren
konnten an das, was sie selbst aufgenommen hatten, damals in
beträchtlichem Maße auf die Seelen wirken konnten und
damit auch auf die Leiber. Daher kam es auch, daß solche
Menschen, die irgendwie geistdurchdrungen waren, und von
denen man wußte, daß sie heilende Kräfte
ausströmten in die Umgebung, auch mit dem Ausdruck
«Heiler» bezeichnet wurden. Und im Grunde
genommen müßte man nicht nur die Therapeuten,
sondern auch die Essäer in einer gewissen Weise als Heiler
bezeichnen. Ja, wir müssen weitergehen: In einer gewissen
Mundart Vorderasiens, in welcher sich besonders diejenigen
ausgedrückt haben, aus welchen das Christentum
hervorgewachsen ist, ist die Übersetzung dessen, was wir
bezeichnen würden als «geistigen Heiler»,
das Wort Jesus. Jesus bedeutet im Grunde genommen
«geistiger Arzt». Das ist eine ziemlich
richtige Übersetzung, namentlich wenn man auf die
Gefühlswerte geht. Und damit könnten Sie zu gleicher
Zeit auch ein Licht werfen auf alles, was man bei solchem Namen
empfand in einer Zeit, wo man bei Namen noch etwas
fühlte. Aber wir wollen uns einmal ganz sozusagen
hineinversetzen in die Kulturverhältnisse der damaligen
Zeit.
Ein
Mensch, der also im Sinne der damaligen Zeit gesprochen
hätte, würde gesagt haben: Es gibt Menschen, die den
Zutritt haben zu den Mysterien, die mit einer gewissen Opferung
ihres Ich-Bewußtseins in den Mysterien sich in Verbindung
setzen können mit gewissen geistigseelischen
Kräften, die dann ausstrahlen auf die Umgebung, wodurch
sie zu Heilern werden für die Umgebung. Nehmen wir an, ein
solcher Mensch wäre Jünger des Christus Jesus
geworden, so hätte er gesagt: Wir haben jetzt sehr
Merkwürdiges erlebt. Während früher nur solche
Menschen, die unter Herabdämpfung des Ich-Bewußtseins
die geistigen Kräfte in den Mysterien aufgenommen
haben, seelische Heiler werden konnten, haben wir jetzt einen
erlebt, der es wurde ohne die Mysterienprozeduren, unter
Aufrechterhaltung des Ich. - Nicht etwa das war das
Auffällige, daß geistige Heilungen überhaupt
vollzogen wurden. Daß in den Kapiteln des
Matthäus-Evangeliums von einem geistigen Heiler
erzählt wird, wäre einem solchen Menschen gar nicht
besonders wunderbar vorgekommen. Er hätte gesagt: Was ist
Wunderbares dabei, daß solche Leute geistig heilen?
Das ist selbstverständlich! - Und die
Aufzählung solcher Heilungen wäre für die
damalige Zeit nicht ein besonderes Wunder gewesen. Das aber ist
das Bedeutungsvolle, daß der Schreiber des
Matthäus-Evangeliums erzählt: Da ist einer, der eine
neue Wesenskraft in die Menschheit gebracht hat, der aus dem
Impuls seines Ich, aus dem man früher nicht heilen konnte,
Heilungen vollzog, indem er dieselbe Kraft dabei heranzog, mit
Hilfe deren man früher nicht heilen konnte. - Also etwas
ganz anderes wird in den Evangelien erzählt, als man
gewöhnlich meint. Zahlreiche Beweise, auch historische,
könnten dafür erbracht werden, daß es
richtig ist, was die Geisteswissenschaft aus okkulten
Quellen heraus feststellt. Wir wollen nur eines zum
Beweise heranführen.
Wenn es wahr ist, was jetzt gesagt worden ist, dann
müßte man sich tatsächlich im Altertum
vorgestellt haben, daß unter einer gewissen
Voraussetzung diejenigen, die blind sind, geheilt werden
könnten unter geistigem Einfluß. Nun ist mit Recht
hingewiesen worden auf alte Bildnisse, die dergleichen
darstellen. Auch der im vorigen Vortrag erwähnte John
M. Robertson weist darauf hin, daß in Rom eine
Darstellung ist, die Abbildung eines Äskulap, der
vor zwei Blinden steht, und er hat natürlich daraus
geschlossen, daß damit eine Heilung angezeigt worden
ist, und daß dies dann von den Evangelienschreibern
übernommen und in die Darstellungen der Evangelien
hineingebracht worden ist. Es ist hier aber nicht das
Wesentliche, daß geistige Heilungen etwas
Wunderbares sind, sondern als wesentlich hat es zu gelten,
daß der, der das Bild gemalt hat, damit hat sagen wollen:
Äskulap ist einer der Eingeweihten, der unter
Herabdämpfung des Ich-Bewußtseins in den
Mysterien zu den geistigen Heilkräften gekommen ist. Der
Schreiber des Matthäus-Evangeliums aber wollte sagen:
Nicht auf diese Weise wurden Heilungen beim Christus erreicht,
sondern was als ein einmaliger Impuls in Christus lebte, das
soll nach und nach von der ganzen Menschheit erreicht werden,
so daß das Ich mit seiner Kraft es nach und nach erreichen
kann. - Gewinnen können es heute die Menschen noch
nicht, weil es sich in einer späteren Zukunft in die
Menschheit einleben soll. Aber was sich vollzogen hat mit
dem Christus im Beginne unserer Zeitrechnung, das wird
sich einleben, und die Menschen werden nach und nach fähig
werden, es zum Ausdruck zu bringen. Nach und nach wird es
geschehen. Das wollte der Schreiber des
Matthäus-Evangeliums mit seinen Wunderheilungen
darstellen.
So
darf ich aus dem okkulten Bewußtsein heraus sagen: Der
Schreiber des Matthäus-Evangeliums wollte
überhaupt keine «Wunder» schildern, sondern
etwas ganz Natürliches, etwas Selbstverständliches.
Er wollte nur schildern, daß es auf eine neue Art sich
vollzog. So nehmen sich die Dinge aus, wenn man sie mit
wirklich wissenschaftlicher Gewissenhaftigkeit darstellt.
So daß also das tiefste Mißverständnis
gerade gegenüber den Evangelien Platz gegriffen hat.
Wie
muß denn nun die Erzählung, wenn sie
sachgemäß ist, weitergehen? Wir haben gesehen:
Was sich in dem Leben des Christus Jesus durch die sogenannte
Versuchung vollzog, war ein Hinabsteigen in alle diejenigen
Vorgänge, die der Mensch erlebt beim Hinuntersteigen in
den physischen Leib und Ätherleib. Wir haben gesehen,
daß die Kraft, die von dem physischen und Ätherleib
ausströmt, fähig wurde, so zu wirken, wie es in der
Bergpredigt und wie es auch in den nachfolgenden
Heilungen zum Ausdruck gekommen ist. Das Nächste war,
daß die Kraft dieses Christus Jesus auch noch so wirkte,
wie sonst die Kraft eines Eingeweihten in den Mysterien gewirkt
hat, so gewirkt hat, daß er Schüler heranzog. Und
wieder mußte der Christus Jesus natürlich auf seine
besondere Art die Schüler heranziehen.
Wenn man nun das Matthäus-Evangelium von diesem Punkt aus
verstehen will, wo sich das Spätere an die Bergpredigt und
an die Heilungen anschließt, so gehört dazu als
Vorbereitung einiges von dem, was wir uns im Laufe der Jahre an
Wissen von okkulten Tatsachen erworben haben. Das
gehört dazu, daß der Mensch, wenn er nun
wirklich durch die Einweihung hinaufgeführt werden
soll den Weg in die höheren Welten, zu einer Art von
imaginativem Anschauen kommt, zu einem Anschauen, das in
Imaginationen lebt. Diejenigen, die um den Christus Jesus
waren, mußten sich nun nicht nur die Fähigkeit
erwerben, anzuhören, was in einem solchen
majestätischen Kundgeben, was in einer solchen
Manifestation gegeben ist, wie es die Bergpredigt ist, sie
mußten nicht nur teilnehmen an dem, was durch den Christus
Jesus selber bewirkt worden war an Heilungen, sondern es
mußte die mächtige Kraft, die in dem Christus Jesus
wirkte, übergehen auf die nächsten Freunde und
Jünger nach und nach. Auch das wird dargestellt.
Zunächst wird dargestellt, wie der Christus Jesus nach der
Versuchung imstande ist, die alten Lehren mit einer neuen
Nuance zu zeigen und die alten Heilungen durch einen
neuen Impuls zu bewirken.
Dann aber wird gezeigt, wie er in einer neuen Weise auf seine
Jünger wirkt, wie die Kraft, die er im höchsten
Maße in sich verkörpert hat, auf seine
Jünger-Umgebung wirkt. Wie wird das gezeigt? So, daß
das, was er darstellt, für den unempfänglichen
Menschen so erscheinen muß, daß es auch in Worten
ausgedrückt wird. Auf die Empfänglichen aber,
die er sich selbst auserwählt und geführt hatte,
wirkte es anders. Da wirkte es so, daß es ihnen die
Imaginationen gab, daß es die nächsthöhere Stufe
der Erkenntnis erregte. Was von Christus Jesus ausging, konnte
also in zweierlei Weise wirken: auf die
Außenstehenden so, daß sie seine Worte
hörten und eine Art Theorie mit seinen Worten empfingen;
auf die anderen, die seine Kraft miterlebt hatten und die er
sich auserwählt hatte, weil er auf sie, wegen ihres
besonderen Karmas, seine Kraft übertragen konnte,
auf sie wirkte seine Kraft so, daß sie aus ihrer Seele
Imaginationen herauslöste, Erkenntnisse, die in einer
gewissen Weise eine Stufe höher in die höheren Welten
hinaufweisen. Das ist in dem Ausdruck gegeben «die
Äußeren hören nur Gleichnisse» - das
heißt, bildliche Ausdrücke für das Geschehen in
der geistigen Welt «ihr aber vernehmt das, was die
Gleichnisse bedeuten, ihr vernehmt die Sprache, die euch
in die höheren Welten hinaufleitet» (Matth.
13,11). Auch das darf man nicht trivial auffassen,
sondern man muß es verstehen im Sinne eines Hinauf
leitens der Jünger in die höheren Welten.
Und
nun wollen wir uns einmal recht hineinvertiefen, wie das
Hinaufleiten der Jünger in die höheren Welten
geschehen sein kann. Allerdings, um das zu verstehen, was
ich jetzt sage, dazu gehört nicht nur Anhören,
sondern ein wenig guter Wille, der durchsetzt ist mit dem, was
durch die von Ihnen schon errungenen geisteswissenschaftlichen
Erkenntnisse gebracht werden kann. Ich möchte Sie
möglichst deutlich nämlich zu dem führen,
was das Matthäus-Evangelium eigentlich mit den
nächsten Schilderungen meint.
Da
erinnern wir uns noch einmal, daß die Einweihung ihre zwei
Seiten hat. Die eine ist die, wo der Mensch hinuntersteigt in
physischen Leib und Ätherleib, wo er also sein eigenes
Inneres kennenlernt, wo er hineingeführt wird in die
Kräfte, die im Menschen selber schöpferisch sind. Und
die andere Seite der Initiation ist die, wo der Mensch
hinausgeführt wird in die geistige Welt, wo er sich
ergießt in den Makrokosmos. Nun wissen Sie, daß
dies in bezug auf die Realität - nicht in bezug auf das
Bewußtsein - ein Vorgang ist, der sich jedesmal beim
Einschlafen vollzieht: Der Mensch zieht seinen astralischen
Leib und das Ich aus dem physischen Leib und Ätherleib
heraus und gießt sie aus in die Sternenwelt, so daß
er dann Kräfte aus der ganzen Sternenwelt saugt;
daher der Name «astralischer Leib». Was der Mensch
durch jene Art der Einweihung erreichen kann, wenn er mit
astrali- schem Leib und Ich heraus ist aus physischem Leib und
Ätherleib, das ist nicht nur ein wissentliches
Überschauen dessen, was auf unserer Erde ist, sondern das
ist ein Ausfließen in den Kosmos, ein Kennenlernen
der Sternenwelt und ein Aufnehmen der Kräfte, die uns aus
der Sternenwelt zufließen. Dieses aber, was so für
uns als etwas zu gelten hat, was sich der Mensch nach und nach
durch ein Hinausfließen in den Kosmos erwirbt, das war
nach der besonderen Beschaffenheit der Christus-Wesenheit nach
der Johannes-Taufe da. Und nicht nur in jenem Zustande
war es da, der einem Schlafzustand glich, sondern es war da,
wenn er auch nicht schlief, wenn er in seinem physischen Leib
und Ätherleib war; da war er imstande, seine Wesenheit zu
verbinden mit den Kräften der Stemenwelt und in diese
physische Welt die Kräfte der Sternenwelt
hineinzutragen.
Was
der Christus Jesus wirkte, kann daher auch so beschrieben
werden, daß man sagt: Er zog herein durch die
Attraktion des für ihn besonders zubereiteten physischen
Leibes und Ätherleibes, durch seine ganze Wesenheit, die
Kraft der Sonne, des Mondes, der Sternenwelt, des Kosmos
überhaupt, der zu unserer Erde gehört. Und wenn er
wirkte, so wirkte jetzt durch seine Vermittlung das, was sonst
aus dem Kosmos an gesundendem, durchkraftendem Leben den
Menschen durchströmt, wenn er im Schlafzustande
außerhalb des physischen Leibes und Ätherleibes ist.
Die Kräfte, durch die der Christus Jesus wirkte, waren
Kräfte, die aus dem Kosmos durch die Anziehung seines
Leibes herniederströmten und durch seinen Leib
ausströmten und sich ergossen auf seine Jünger. Das
fing jetzt für die Jünger an, daß sie durch ihre
Empfänglichkeit fühlen konnten, richtig fühlen
konnten: Ja, dieser Christus Jesus vor uns ist eine Wesenheit,
durch die uns wie eine geistige Nahrung zukommen die
Kräfte des Kosmos; da ergießen sie sich über
uns.
Die
Jünger selber waren aber in einem zweifachen
Bewußtseinszustande, weil sie noch nicht zum
Höchsten entwickelte Menschen waren, sondern sich
eben erst an dem Christus hinaufrankten zu einer
höheren Entwickelung; sie selbst waren immer in
einem zweifachen Bewußtseinszustande, der sich
vergleichen läßt mit dem Wachen und Schlafen des
Menschen. Daher kann man von den Jüngern sagen:
Indem sie abwechselnd zwischen Schlafen und Wachen in die
Möglichkeit versetzt waren, in dem einen und dem
anderen Zustande die magische Kraft des Christus auf sich
wirken zu lassen, konnten sie dieselbe auf sich wirken lassen
bei Tag, wenn er ihnen entgegentrat, aber seine Kraft wirkte
auch im Schlafe, wenn sie aus dem physischen Leibe und
Ätherleibe heraus waren. Während sonst der Mensch
unbewußt ergossen ist in die Sternenwelt und nichts
davon weiß, war dann bei ihnen die Christus-Kraft; da
wurden sie ihrer ansichtig. Sie war es, von der sie
wußten: Sie gibt uns die Nahrung aus den
Sternenwelten.
Aber noch einen anderen Bezug hatte dieser zweifache
Bewußtseinszustand der Jünger. Wir müssen
ja sozusagen in einem jeden Menschen, also auch in einem
Jünger Jesu, dasjenige beachten, was der Mensch
zunächst ist, und das, was er wie eine Anlage für
seine weitere Zukunft in den folgenden Inkarnationen in
sich trägt. In Ihnen allen ist ja jetzt schon dasjenige
drinnen, was zum Beispiel in einer künftigen Kulturepoche
in einer ganz anderen Weise die Umwelt ansehen wird, wenn
es in einer neuen Inkarnation auftreten wird. Und würde
dieses jetzt schon in Ihnen Befindliche hellsichtig werden, so
würde es zunächst, als eine Art ersten
hellseherischen Eindrucks, die allernächste Zukunft sehen.
Was in der nächsten Zukunft geschieht, würde zu den
ersten hellseherischen Erlebnissen gehören, wenn diese
rein, echt und wahrhaft sind. - So war es vorzüglich
für die Jünger. Im normalen Wachbewußtsein
floß die Kraft des Christus in sie herein; da konnten sie
sagen: Wenn wir wachen, fließt die Kraft des Christus so
in uns herein, wie sie hereinfließen muß dadurch,
daß wir jetzt in unserem normalen
Wachbewußtsein sind. - Wie war es nun für sie im
Schlafzustande ? Dadurch, daß sie die Jünger Jesu
waren und die Christus-Kraft auf sie gewirkt hatte,
wurden sie im Schlafzustande immer zu gewissen Zeiten
hellseherisch. Da sahen sie aber nicht, was jetzt
geschah, sondern sie sahen, wessen in der Zukunft die
Menschen teilhaftig werden sollen. Da tauchten sie
gleichsam in das Meer des astralischen Sehens ein und
sahen voraus, was in der Zukunft geschehen soll.
So
gab es für die Jünger zwei Zustände. Einen, da
konnten sie sich sagen: Es ist unser Tageszustand. In diesem
unserem Tageszustande bringt uns der Christus aus den
kosmischen Weiten die Kräfte der kosmischen Welten
und teilt sie uns mit als geistige Nahrung. Er holt uns
herunter, weil er die Sonnenkraft ist, alles dasjenige, was wir
dargestellt haben im Sinne des im Christentum
aufgenommenen Zarathu- strismus. Er vermittelt das, was die
Sonne an Kräften schicken kann aus den sieben Sternbildern
des Tages. Da herunter kommt die Nahrung für den
Tag. - Für den Nachtzustand war es so, daß die
Jünger sich sagen konnten: Da nehmen wir wahr, wie durch
die ChristusKraft sozusagen die Nachtsonne, die Sonne,
die unsichtbar ist während der Nacht, die durch die
anderen fünf Sternbilder geht, in unsere Seele
hineinsendet die Himmelsspeise.
So
konnten also die Jünger in ihrer imaginativen
Hellsichtigkeit empfinden: Wir sind mit der Christus-Kraft, mit
der Sonnenkraft, verbunden. Sie schickt uns dasjenige zu,
was für die Menschen der Jetztzeit - das heißt
für die Menschen der vierten Kulturperiode - «das
Richtige» ist. Und in dem anderen Bewußtseinszustande
schickt uns die Christus-Kraft dasjenige zu, was sie uns als
Nachtsonne zusenden kann, als Kraft von den fünf
nächtlichen Sternbildern. Dieses aber gilt nun für
die auf die damalige Zeit folgende, das heißt also
für die fünfte Kulturperiode. - Das ist das, was die
Jünger erfuhren. Wie konnte man es ausdrücken? Wir
werden in der nächsten Stunde mit einigen Worten noch auf
Bezeichnungsweisen eingehen; jetzt wollen wir das Folgende nur
erwähnen.
Eine Fülle von Menschen wurde nach den alten
Bezeichnungsweisen als ein «Tausend»
bezeichnet, und man fügte, wenn man spezialisieren
wollte, eine Zahl hinzu, die von dem wichtigsten Charakteristi-
kon hergenommen wurde. Zum Beispiel die Menschen der vierten
Kulturperiode bezeichnete man als das «vierte
Tausend», und die, welche schon im Stile der fünften
Kulturperiode lebten, als das «fünfte Tausend».
Das sind einfach Termini technici. Deshalb konnten die
Jünger sagen: Während des Tagzustandes nehmen wir
wahr, was die Christus-Kraft uns aus den Kräften der Sonne
zusendet von den sieben Tagessternbildern her, so daß wir
dann die Nahrung empfangen, die für die Menschen der
vierten Kulturperiode bestimmt ist, für das vierte
Tausend. Und in unserem nächtlichen imaginativen
Hellseherzustande nehmen wir wahr durch die fünf
Sternbilder der Nacht, was für die nächste Zukunft,
was für das fünfte Tausend gilt. - Es werden also die
Menschen der vierten Epoche - die Viertausend - genährt
vom Himmel herunter durch die sieben Himmelsbrote, durch die
sieben Sternbilder des Tages; und es werden die Menschen der
fünften Epoche - die Fünftausend - genährt durch
die fünf Himmelsbrote, durch die fünf Sternbilder der
Nacht. Dabei wird immer auf die Scheidung hingedeutet, wo
sich die Tagessternbilder mit den Nachtsternbildern
berühren: auf die Fische.
Es
wird darin ein Geheimnis berührt. Es wird damit
hingedeutet auf einen wichtigen Mysterienvorgang: auf den
magischen Verkehr des Christus mit den Jüngern. Das macht
ihnen der Christus klar, daß er nicht von dem alten
Sauerteig der Pharisäer spricht, sondern ihnen aus den
Sonnenkräften des Kosmos eine Himmels speise vermittelt,
die er herunterholt, trotzdem nichts zur Verfügung steht,
als das eine Mal die sieben Tagesbrote, die sieben Sternbilder
des Tages, und das andere Mal die fünf Nachtbrote, die
fünf Sternbilder der Nacht. Dazwischen immer die Fische,
die die Scheidung bilden; ja von zwei Fischen wird sogar einmal
gesprochen, damit es besonders deutlich ist (Matth. 14, 13-21,
und 15,32-38).
Wer
könnte, wenn er so hineinblickt in diese Tiefen des
MatthäusEvangeliums, noch zweifeln, daß es sich
wirklich um die Verkündigung handelt, die auf
Zarathustra zurückgeht und auf den sie
zurückgehen mußte, weil er derjenige war, der
zuerst auf den Geist der Sonne hingewiesen hat, und der auch
einer der ersten Missionare war, um die auf die Erde
heruntersteigende magische Sonnenkraft begreiflich zu machen
denen, die dafür empfänglich waren!
Was
tun aber wieder leichtfüßige Erklärer der Bibel?
Sie finden im Matthäus-Evangelium einmal eine Speisung von
Viertausend mit sieben Broten und das andere Mal eine
Speisung von Fünftausend mit fünf Broten, und sie
halten das Zweite für eine bloße Wiederholung und
sagen: Der nachlässige Schreiber der Urkunde hat, wie es
eben beim Abschreiben vorkommt, nachlässig kopiert. Er
beschreibt daher nun das eine Mal eine Speisung von Viertausend
mit sieben Broten, das andere Mal eine Speisung von
Fünftausend mit fünf Broten; das kann vorkommen, wenn
man nachlässig abschreibt! - Ich zweifle nicht, wenn
Bücher in der neueren Zeit gemacht werden, daß so
etwas vorkommen kann. Aber die Evangelien sind in keiner Weise
so zustande gekommen. Wenn darin eine Erzählung
zweimal steht, so hat das einen tiefen Grund, den ich jetzt
angedeutet habe. Aber gerade weil das Matthäus-Evangelium
aus diesen Tiefen heraus nach den Angaben schildert, die
der große Essäerlehrer Jeshu ben Pandira ein
Jahrhundert vor dem Erscheinen der Christus-Sonne
vorbereitet hat, damit nachher diese Christus-Sonne
verstanden werden kann, deshalb müssen wir im
Matthäus-Evangelium, wenn wir es wirklich verstehen
wollen, diese Tiefen auch heraussuchen. - Aber weiter.
Es
hatte der Christus zunächst ausstrahlen lassen von sich
auf die Jünger die Kraft des imaginativen, des
astralischen Schauens, was er hereintragen konnte aus dem
astralischen Schauen. Das wird auch noch ganz klar angedeutet.
Man möchte sagen: Wer Augen hat zu lesen, der lese! - wie
man früher in der Zeit, wo man noch nicht alles
aufgeschrieben hat, sagte: Wer Ohren hat zu hören, der
höre! - Wer Augen hat zu lesen, der lese die Evangelien!
Ist es irgendwo angedeutet, daß diese Kraft der
Christus-Sonne in einer anderen Weise den Jüngern erschien
bei Tag, in einer anderen bei Nacht? Ja, es ist uns deutlich
angedeutet. Lesen Sie im Matthäus-Evangelium, wie an einer
wichtigen Stelle erzählt wird:
In
einer vierten Nachtwache - das heißt also zwischen drei
und sechs Uhr morgens - erblickten die Jünger, die
schliefen, wandelnd auf dem See das, was sie zuerst für
ein Gespenst hielten, das heißt die nächtliche
Sonnenkraft, die durch Christus zurückstrahlt (Matth.
14,25-26). Da wird sogar der Zeitpunkt angedeutet, weil sie nur
zu einer bestimmten Zeit darauf hingewiesen werden
können, daß diese Kraft aus dem Kosmos durch die
Vermittlung eines solchen Wesens, wie es der Christus ist,
ihnen zuströmen kann. Daß also der Christus Jesus
wandelt in Palästina, und daß in diesem Wandeln
dieser einen Persönlichkeit und Individualität
ein Mittel da war, durch das Sonnenkraft in unsere Erde
hineinwirkt, das ist dadurch angegeben, daß überall
hingewiesen wird, wie es mit der Sonne stand, wie sie im
Verhältnis stand zu den Sternbildern, zu den
Himmelsbroten. Diese kosmische Natur, dieses Hereinwirken
kosmischer Kräfte durch den Christus, das ist es, was
überall dargelegt wird. Und weiter.
Der
Christus Jesus sollte seine Jünger - das heißt die,
welche dazu besonders geeignet waren - auch noch ganz besonders
einweihen, so daß sie nicht nur imaginativ, gleichsam wie
in astralischen Bildern die geistige Welt sehen konnten,
sondern daß sie selber sehen, ja, auch wohl hören
konnten - was wir öfter besprochen haben als das
Aufsteigen in das Devachan -, was in den geistigen Welten
vorgeht. So daß sie diese Persönlichkeit, welche sie
als den Christus Jesus auf dem physischen Plan sahen, nun durch
ihr geistiges Hinaufragen oben aufsuchen konnten in den
geistigen Welten. Sie sollten hellsichtig werden auch
noch in höheren Gebieten als auf dem astralischen Plan.
Das konnten nicht alle. Das konnten nur die, welche am
empfanglichsten waren für die Kraft, welche aus dem
Christus ausstrahlen konnte, und das waren die drei Jünger
Petrus, Jakobus und Johannes im Sinne des
Matthäus-Evangeliums. Daher erzählt es uns (Matth.
17,11-13), wie der Christus diese drei am meisten von ihm
beeinflußbaren Jünger hinausnimmt da, wo er sie
über den astralischen Plan hinaufführen kann ins
devachanische Gebiet, wo sie schauen konnten die geistigen
Urbilder, einmal ihres Christus Jesus selbst und - damit sie
die Verhältnisse sehen konnten, in denen er darinnen
stand - auch derer, die zunächst im Verhältnisse
standen zum Christus Jesus: des alten Verkündigers Elias,
der ja auch reinkarniert der Vorläufer des Christus
Jesus als Johannes der Täufer war; daß sie also den
Elias sehen konnten - die Szene spielte sich ab nach der
Enthauptung des Johannes, als der Johannes schon in die
geistigen Welten entrückt war -, daß sie aber auch
noch schauen konnten den geistigen Vorläufer,
Moses. Das konnte erst geschehen dann, als die drei
auserlesensten Jünger hinaufgeführt wurden zum
geistigen, nicht nur zum astralischen Schauen. Und
daß sie tatsächlich in das Devachan hinaufstiegen,
wird im Matthäus-Evangelium durch folgendes bekundet: Sie
schauten nicht nur den Christus mit seiner Sonnenkraft -
es heißt extra: «Und sein Angesicht leuchtete wie die
Sonne» sondern es wird auch davon gesprochen, daß sie
aufmerksam werden, wie die drei sich unterhalten. Also um
einen Aufstieg ins Devachan handelt es sich; sie
hörten, wie sich die drei unterredeten. Alles ist
also ganz sachgemäß wiedergegeben, so, wie uns die
Charakteristik der geistigen Welt durch die
geisteswissenschaftliche Forschung gegeben ist. Nirgends ein
Widerspruch zwischen dem, was wir gelernt haben, und dem,
was sich ergeben muß, wenn es sachgemäß in bezug
auf den Christus geschildert wird: das Hinaufführen
der Jünger durch ihn selber, zuerst in das astralische,
dann in das devachanische Gebiet, in das Gebiet des
Geistes.
So
also wird der Christus Jesus im Matthäus-Evangelium
klärlich dargestellt als der Behälter, als der
Träger für jene Kraft, von der Zarathustra einst
verkündigt hat als von dem Träger der Sonnenkraft.
Und es ist im Matthäus-Evangelium treulich dargestellt,
daß diese Kraft der Sonne, der Geist der Sonne - Ahura
Mazdao oder Ormuzd -, von dem ja Zarathustra nur sagen konnte,
daß er in der Sonne lebe, durch die Vermittelung des Jesus
von Nazareth auf der Erde gelebt hat und sich mit dieser Erde
so verbunden hat, daß er durch das einmalige Leben in
einem physischen Leibe, Ätherleibe und Astralleibe ein
Impuls der Erdenentwickelung geworden ist und sich nach
und nach einleben wird in diese Erdenentwickelung. Das
heißt mit anderen Worten : In einer
Persönlichkeit war die Ichheit einmal so auf der Erde,
daß die Menschen nach und nach durch ihre folgenden
Inkarnationen sich die Kräfte dieser Ichheit nachfolgend
aneignen werden durch Teilnahme an dem Christus oder
durch Aufnehmen der Christus-Wesenheit im Sinne des
Paulus. Und indem die Menschen von Inkarnation zu Inkarnation
den Rest der Erdenzeit durchmachen, werden diejenigen,
welche ihre Seele durchdringen wollen mit der Kraft der
Persönlichkeit, die damals dagestanden hat, zu immer
höheren Höhen steigen.
Damals konnten die, welche dazu ausersehen waren, mit ihren
physischen Augen im Leibe des Jesus von Nazareth den
Christus sehen. Einmal mußte es für die ganze
Menschheit im Laufe der Erdenentwickelung geschehen,
daß der Christus, der früher nur als der Geist der
Sonne zu schauen war, herniedersteigen und sich so verbinden
konnte mit den Kräften der Erde.
Und
der Mensch ist das Wesen, in dem die Fülle der flutenden
Sonnenkraft leben sollte, die einmal
heruntersteigen und in einem physischen Leibe wohnen
sollte. Damit aber ist die Zeit eingeleitet, wo sich die
Sonnenkraft ausgießen wird. Nach und nach wird sie immer
mehr und mehr einfließen in die Menschen, die von
Inkarnation zu Inkarnation leben und nach und
nach, soweit es der irdische Leib zuläßt, sich
durchdringen mit der Christus-Kraft. Selbstverständlich
nicht jeder physische Leib, wie es auch nur jener besondere
Leib war, der in der geschilderten Art in bezug auf seine
Gliederung auf komplizierte Weise durch die beiden
Jesusgestalten zubereitet und dann durch Zarathustra auf
eine gewisse höchste Stufe gebracht worden ist, damit sich
in der Tat einmal in seiner Fülle ausleben konnte der
Christus. Einmal!
Sich durchdringen mit der Christus-Kraft zuerst innerlich, dann
aber auch immer mehr und mehr äußerlich, werden die
Menschen, die sich dazu herbeilassen. So wird die Zukunft die
Wesenheit des Christus nicht nur begreifen, sondern sich damit
durchdringen. Und für eine große Anzahl von Ihnen
habe ich auch schon dargestellt, wie der Fortgang dieser
Teilnahme an dem Christus für die Menschheits-Erden-
entwickelung sein wird. Ich habe sogar darstellen dürfen
in dem «Ro- senkreuzermysterium» durch die
Seherwesenheit der Theodora, die als eine Persönlichkeit
gedacht ist, welche die Kraft in sich entwickelt hat, in die
nächste Zukunft hineinzuschauen, wie wir einer Periode
entgegenleben, wo in der Tat in einer gar nicht so fernen
Zukunft, zuerst wenige Menschen, und dann immer mehr und mehr,
nicht bloß durch geistige Schulung, sondern durch jenen
Grad von irdischer Entwickelung, den die Menschheit
erreicht, schauen können - aber jetzt in der
ätherischen, nicht in der physischen Welt - die Gestalt
des Christus, und dann in noch fernerer Zukunft in wieder
anderer Gestalt. Einmal war er in physischer Gestalt zu
schauen, weil es die Menschen, die auf dem physischen Plan
waren, einmal erleben mußten. Aber es würde der
Christus-Impuls nicht seine Wirkung getan haben, wenn er nicht
so fortwirken würde, daß er sich weiter entwickeln
kann.
Wir
leben einer Zeit entgegen - das muß als eine Mitteilung
hingenommen werden wo die höheren Kräfte der
Menschen den Christus werden schauen können. Und das
geschieht noch vor Ablauf des 20. Jahrhunderts, daß eine
geringe Anzahl von Menschen wirklich
«Theodoren» sein werden, das heißt, wo das
tatsächlich geöffnete geistige Auge das gleiche
Erlebnis haben wird, das Paulus hatte vor Damaskus und
das er haben konnte, weil er eine «unzeitige Geburt»,
eine Frühgeburt war (l.Kor. 15,8). Es werden eine Anzahl
von Menschen noch vor Ablauf des 20. Jahrhunderts das
Christus-Erlebnis, wie es Paulus vor Damaskus hatte (Apg.
9,1-22), wiedererleben und werden keine Evangelien und Urkunden
brauchen, wie auch Paulus nichts brauchte, um von dem Christus
zu wissen. Sie werden durch das innerliche Erleben wissen, wie
es um den Christus steht, der da erscheinen wird aus den
ätherischen Wolken heraus.
Das
ist eine Art Wiederkunft des Christus im ätherischen
Gewände, wodurch er sich so zeigt, wie er sich dem Paulus
vorherverkündigend gezeigt hat. Wir haben die Aufgabe,
ganz besonders zu betonen, daß es in der Natur des
Christus-Ereignisses liegt, daß derjenige, der im Beginne
unserer Zeitrechnung als Christus Jesus einmal in einem
physischen Leibe gelebt hat, in einem ätherischen
Gewände - wie vor Damaskus dem Paulus - erscheinen wird
noch vor Ablauf unseres Zeitalters. Und wenn sich die
Menschen zu immer höheren Fähigkeiten erheben
werden, werden sie die ganze Fülle der Natur des Christus
kennenlernen. Aber es gäbe keinen Fortschritt, wenn
der Christus noch ein zweites Mal in einem physischen Leibe
erscheinen müßte; denn dann wäre er das erste
Mal vergeblich erschienen. Dann hätte sein erstes
Erscheinen nicht bewirkt, daß sich höhere Kräfte
im Menschen entwickeln. Das ist das Ergebnis des
Christus-Ereignisses, daß sich höhere Kräfte im
Menschen entwickeln, und daß er geschaut werden kann mit
diesen neuen Kräften da, wo er herauswirkt aus der
geistigen Welt. Und wir haben die Aufgabe, wenn wir den
historischen Kampf der Gegenwart verstehen, auf dieses Ereignis
hinzuweisen, in unserer Zeit so hinzuweisen, wie vorher
hingewiesen hat vorherverkündigend der
Essäerlehrer Jeshu ben Pandira auf den Christus, der als
der Löwe aus dem Stamme David hervorgehen sollte, dabei
wiederum hinweisend auf die Sonnenkraft, auf das
Sternbild des Löwen. Und wenn die Menschheit - ich will
das nur andeutend sagen - heute das Glück haben
könnte, daß jener Jeshu ben Pandira, der damals
inspiriert wurde von dem großen Bodhisattva, der einst der
Maitreya Buddha sein wird, sich in unserer Zeit wieder
inkarnieren würde, so würde er es als die wichtigste
Aufgabe betrachten, hinzuweisen auf den ätherischen
Christus, der in den ätherischen Wolken erscheint, und er
würde betonen, daß einmal das
Christus-Ereignis im physischen Leibe sich abgespielt hat.
Nehmen wir an, jene Jesusgestalt, die als der Sohn des Pandira
ungefähr hundertfünf Jahre vor dem
Christus-Ereignis in Palästina gesteinigt worden
ist, würde in einer Wiederverkörperung in unserer
Zeit hinweisen auf die Christus-Erscheinung, dann würde
sie hinweisen auf den Christus, der nicht im Physischen
erscheinen kann, sondern der da erscheinen muß in
einem ätherischen Gewände, geradeso wie er dem Paulus
vor Damaskus erschienen ist. Und daran gerade würde man
den etwa wiederinkarnierten Jeshu ben Pandira erkennen
können. Dann aber ist es auf der anderen Seite das
Wesentliche, daß sozusagen das neue Essäertum
eingesehen würde, daß wir zu lernen haben von dem,
der einst Maitreya Buddha sein wird, wie der Christus
für unser Zeitalter erscheinen wird, und daß wir uns
eminent zu hüten haben, ein falsches Urteil zu bekommen
von jenem etwa wiederzuerstehenden Essäertum in
unserem Zeitalter.
Eines kann als ein sicheres Kennzeichen angegeben werden,
welches sozusagen diesen etwa wiedererstandenen Jeshu ben
Pandira in unserem Zeitalter auszeichnen könnte; das
muß als ein sicheres Kennzeichen angegeben werden,
daß er sich nicht für den Christus ausgeben wird.
Alle, die etwa in unserem Zeitalter auftreten würden und
irgendwie davon sprechen könnten, daß in ihnen
dieselbe Kraft lebe, die im Jesus von Nazareth gelebt hat,
würden an dieser Behauptung zu erkennen sein als falsche
Individualitäten jenes hundert Jahre vor dem Christus
lebenden Vorläufers. Diese Behauptung würde ein
sicherstes Kennzeichen sein, daß er es nicht ist, und
daß ein falscher Vorherver- kündiger in ihm auftreten
würde, wenn er sich in irgendein Verhältnis zum
Christus selbst setzen würde. Aber die Gefahr ist
ungeheuer groß, die auf diesem Gebiete sich geltend machen
kann. Denn in unserer Zeit schwankt die Menschheit zwischen
zwei Extremen. Man betont auf der einen Seite so stark, wie in
unserer Zeit die Menschheit nicht geneigt ist anzuerkennen, was
an geistigen Kräften unter den Menschen wirkt. Es
ist schon eine auf der Straße liegende Wahrheit
geworden, auf die sogar die Zeitungen immer wieder
hinweisen, daß unser Geschlecht nicht die Gabe und die
Kraft habe anzuerkennen, wenn irgendwie eine originale geistige
Kraft sich zeige. Das ist die eine Unart unseres Zeitalters. Es
ist wahr, daß sich die größte
Wiederverkörperung in unserer Zeit abspielen
könnte und unser Zeitalter stumpf dafür sein
könnte, sie vorübergehen lassen könnte, ohne
sich darum zu kümmern! Und die andere Unart ist nicht
minder vorhanden, allerdings eine Unart, die unser
Zeitalter mit vielen anderen gemeinsam hat: Geradeso wie
unterschätzt werden die geistigen
Individualitäten, so daß sie nicht anerkannt
werden, so ist auf der anderen Seite wieder unter den Menschen
das lebhafteste Bedürfnis vorhanden, zu
vergöttern, heraufzuheben irgendwie in eine besondere
Wolkenhöhe. Sehen Sie sich überall heute die
Gemeinden an, die ihre besonderen Messiasse haben, wie dort
überall das Bedürfnis vorhanden ist, zu
vergöttern. Das ist es allerdings auch, was sich immer
wieder und wieder in den Jahrhunderten gezeigt hat.
So
erzählt Maimonides von einem solchen falschen
Christus, der in Frankreich aufgetreten ist ungefähr um
1087, der damals zahlreiche Anhänger gehabt hat, aber dann
nachher auch von der weltlichen Obrigkeit zum Tode verurteilt
worden ist. Derselbe Maimonides erzählt [1172] weiter,
daß fünfundfünfzig Jahre früher [1117] zu
Cordoba in Spanien jemand aufgetreten ist, der sich für
den Christus ausgegeben hat. Weiter erzählt er, wie
ungefähr fünfundvierzig Jahre früher, also um
1127, zu Fez in Marokko ein falscher Messias aufgetreten
ist, der auf einen noch größeren hingewiesen hat.
Endlich wird berichtet aus dem Jahre 1174, wie in Persien einer
aufgetreten ist, der sich selbst allerdings nicht als Christus
bezeichnet hat, aber auf den Christus hingewiesen hat. Und die
krasseste Erscheinung ist die, welche ich auch schon
erwähnt habe: das Auftreten des Sabbatai Zewi im Jahre
1666 in Smyrna.
An
dieser Gestalt, die von sich behauptete, eine
Wiederverkörperung des Christus zu sein, kann man
geradezu die Natur eines falschen Messias und ihre
Wirkung auf die Umgebung auf das genaueste studieren. So ist
damals von Smyrna aus die Kunde ergangen, daß ein neuer
Christus aufgetreten ist in der Person des Sabbatai Zewi. Und
Sie dürfen nicht glauben, daß die Bewegung damals
eine geringe war. Aus allen Teilen Europas, aus Frankreich, aus
Spanien und Italien, aus Polen, Ungarn, Südrußland,
aus Nordafrika und aus dem Inneren Asiens, wanderten die Leute
nach Smyrna, um den neuen Christus kennenzulernen,
Sabbatai Zewi. Es war eine ganz große Weltbewegung. Und
hätte man den Menschen, die damals in Sabbatai Zewi einen
neuen Christus sahen, bis er sich selbst verriet, bis man
hinter seine Schliche kam, hätte jemand den Menschen
gesagt, daß er nicht der wirkliche Christus wäre, der
wäre schlecht angekommen, der hätte verstoßen
gegen das Dogma einer ungeheuer großen Anzahl von
Menschen. - Das ist die andere Unart, eine Unart, die sich
vielleicht nicht gerade in christlichen Gegenden, aber in
anderen Gegenden täglich zeigt. Es ist das Bedürfnis
vorhanden, Messiasse in irdischer Verkörperung auftreten
zu lassen. In christlichen Ländern spielen die Dinge sich
gewöhnlich im kleineren Kreise ab; aber da finden sich
auch schon Christus se.
Es
handelt sich nun darum, daß der Mensch durch seine
geisteswissenschaftliche Erkenntnis, durch seine
geisteswissenschaftliche Aufklärung, durch genaue Einsicht
in das Tatsachenmaterial, die der Okkultismus gibt, weder in
den einen noch in den anderen Fehler verfallt. Und wenn
man die Lehren, die in diesem Sinne gegeben sind,
versteht, wird man sich von dem einen und von dem anderen
Fehler fernhalten. Und dann wird man ein wenig eindringen
in die tiefste historische Tatsache der Gegenwart:
daß uns zuteil werden kann, wenn wir tiefer in das
spirituelle Leben eindringen, eine Art Wiedererneuerung des
Essäertums, das damals auf dem Umwege durch den Mund des
Jeshu ben Pandira zunächst vorherverkündete das
Christus-Ereignis als ein physisches. Und wenn die
Essäerlehre in unserer Zeit wieder erneuert werden
soll, wenn wir leben wollen nicht im Geiste einer
Tradition von einem alten Bodhisattva, sondern im Sinne
des lebendigen Geistes eines neuen Bodhisattva, so müssen
wir uns ebenso inspirieren lassen von dem Bodhisattva, der
einst der Maitreya Buddha werden wird. Und dieser Bodhisattva
inspiriert uns so, daß er darauf aufmerksam macht:
Die Zeit rückt heran, wo der Christus in neuer Form, in
einem ätherischen Leibe, eine Gnade sein wird
für diejenigen Menschen, welche durch eine neue
Essäerweisheit die neuen Kräfte entwickeln in der
Zeit, wo die Wiederkunft des Christus im ätherischen
Gewände an die Menschen belebend herantreten wird. Ganz im
Sinne des inspirierenden Bodhisattva, der der Maitreya
Buddha werden soll, wollen wir reden. Wir wissen dann, daß
wir nicht im Sinne irgendeines Religionsbekenntnisses von
dem Christus reden, wie er wiederum wahrnehmbar werden
soll für den physischen Plan, und wir scheuen uns nicht zu
sagen: Uns wäre gleichgültig, wenn wir etwas anderes
sagen müßten, weil wir es als Wahrheit erkennen. Wir
haben auch keine Vorliebe für irgendeine
orientalische Religionslehre, sondern wir leben nur für
die Wahrheit. Wir sprechen es mit den Formeln aus, die wir
kennenlernen aus der Inspiration des Bodhisattva selber, wie
die künftige Erscheinung des Christus sein wird.
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