ÜBER DIE VORTRAGSNACHSCHRIFTEN
Aus
Rudolf Steiners Autobiographie «Mein Lebensgang» (35.
Kap., 1925)
Es
liegen nun aus meinem anthroposophischen Wirken zwei Ergebnisse
vor; erstens meine vor aller Welt veröffentlichten
Bücher, zweitens eine große Reihe von Kursen, die
zunächst als Privatdruck gedacht und
verkäuflich nur an Mitglieder der Theosophischen
(später Anthroposophischen) Gesellschaft sein sollten. Es
waren dies Nachschriften, die bei den Vorträgen mehr
oder weniger gut gemacht worden sind und die - wegen
mangelnder Zeit - nicht von mir korrigiert werden
konnten. Mir wäre es am liebsten gewesen, wenn
mündlich gesprochenes Wort mündlich
gesprochenes Wort geblieben wäre. Aber die
Mitglieder wollten den Privatdruck der Kurse. Und so kam er
zustande. Hätte ich Zeit gehabt, die Dinge zu
korrigieren, so hätte vom Anfange an die
Einschränkung «Nur für Mitglieder» nicht zu
bestehen gebraucht. Jetzt ist sie seit mehr als einem Jahre ja
fallen gelassen.
Hier in meinem «Lebensgang» ist notwendig, vor allem
zu sagen, wie sich die beiden: meine veröffentlichten
Bücher und diese Privatdrucke in das einfügen, was
ich als Anthroposophie ausarbeitete.
Wer
mein eigenes inneres Ringen und Arbeiten für das
Hinstellen der Anthroposophie vor das Bewußtsein der
gegenwärtigen Zeit verfolgen will, der muß das anhand
der allgemein veröffentlichten Schriften tun. In ihnen
setzte ich mich auch mit alle dem auseinander, was an
Erkenntnisstreben in der Zeit vorhanden ist. Da ist gegeben,
was sich mir in «geistigem Schauen» immer mehr
gestaltete, was zum Gebäude der Anthroposophie -
allerdings in vieler Hinsicht in unvollkommener Art -
wurde.
Neben diese Forderung, die «Anthroposophie»
aufzubauen und dabei nur dem zu dienen, was sich ergab, wenn
man Mitteilungen aus der GeistWelt der allgemeinen
Bildungswelt von heute zu übergeben hat, trat nun aber die
andere, auch dem voll entgegenzukommen, was aus der
Mitgliedschaft heraus als Seelenbedürfnis, als
Geistessehnsucht sich offenbarte.
Da
war vor allem eine starke Neigung vorhanden, die Evangelien und
den Schrift-Inhalt der Bibel überhaupt in dem Lichte
dargestellt zu hören, das sich als das anthroposophische
ergeben hatte. Man wollte in Kursen über diese der
Menschheit gegebenen Offenbarungen hören.
Indem interne Vortragskurse im Sinne dieser Forderung gehalten
wurden, kam dazu noch ein anderes. Bei diesen
Vorträgen waren nur Mitglieder. Sie waren mit den
Anfangs-Mitteilungen aus Anthroposophie bekannt. Man konnte zu
ihnen eben so sprechen, wie zu Vorgeschrittenen auf dem Gebiete
der Anthroposophie. Die Haltung dieser internen Vorträge
war eine solche, wie sie eben in Schriften nicht sein konnte,
die ganz für die Öffentlichkeit bestimmt
waren.
Ich
durfte in internen Kreisen in einer Art über Dinge
sprechen, die ich für die öffentliche Darstellung,
wenn sie für sie von Anfang an bestimmt gewesen
wären, hätte anders gestalten
müssen.
So
liegt in der Zweiheit, den öffentlichen und den privaten
Schriften, in der Tat etwas vor, das aus zwei verschiedenen
Untergründen stammt. Die ganz öffentlichen Schriften
sind das Ergebnis dessen, was in mir rang und arbeitete; in den
Privatdrucken ringt und arbeitet die Gesellschaft mit. Ich
höre auf die Schwingungen im Seelenleben der
Mitgliedschaft, und in meinem lebendigen Drinnenleben in
dem, was ich da höre, entsteht die Haltung der
Vorträge.
Es
ist nirgends auch nur in geringstem Maße etwas gesagt, was
nicht reinstes Ergebnis der sich aufbauenden Anthroposophie
wäre. Von irgend einer Konzession an Vorurteile oder
Vorempfindungen der Mitgliedschaft kann nicht die Rede sein.
Wer diese Privatdrucke liest, kann sie im vollsten Sinne eben
als das nehmen, was Anthroposophie zu sagen hat. Deshalb konnte
ja auch ohne Bedenken, als die Anklagen nach dieser Richtung zu
drängend wurden, von der Einrichtung abgegangen werden,
diese Drucke nur im Kreise der Mitgliedschaft zu verbreiten. Es
wird eben nur hingenommen werden müssen, daß in
den von mir nicht nachgesehenen Vorlagen sich
Fehlerhaftes findet.
Ein Urteil über den Inhalt eines solchen
Privatdruckes wird ja allerdings nur demjenigen
zugestanden werden können, der kennt, was als
UrteilsVoraussetzung angenommen wird. Und das ist
für die allermeisten dieser Drucke
mindestens die anthroposophische Erkenntnis
des Menschen, des Kosmos, insofern sein Wesen in der
Anthroposophie dargestellt wird, und dessen, was als
«anthroposophische Geschichte» in den Mitteilungen
aus der Geist-Welt sich findet.
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