DIE
NEUESTEN ERGEBNISSE OKKULTER FORSCHUNG ÜBER DAS LEBEN
ZWISCHEN TOD UND NEUER GEBURT
Wien, 3. November 1912
Es
ist mir eine große Freude, daß ich heute abend in
Ihrer Mitte sein kann gelegentlich meiner Anwesenheit in Wien,
die durch anderes notwendig geworden ist.
Sprechen möchte ich zu Ihnen heute abend, meine lieben
Freunde, da es ja ein ausnahmsweises Zusammentreffen ist, von
einigem, man darf wohl sagen, Intimerem, das sich doch nur
besprechen läßt ganz im engen Kreise derjenigen, die
schon längere Zeit geisteswissenschaftlich gearbeitet
haben.
Es
ist nun so in der okkulten Forschung, daß man eigentlich
nicht oft genug gleichsam nachsehen kann, wie es mit den Dingen
ist, die ja immer wieder und wieder durchforscht, durchsucht
werden, von denen immer wieder und wieder verkündet wird,
und die, weil sie sich ja in der dem Menschen nicht so leicht
zugänglichen, von ihm nicht so leicht faßbaren
geistigen Welt befinden, gewissermaßen auch leicht nach
der einen oder nach der anderen Richtung hin selbst vom
Forscher mißdeutet oder ungenau gesehen werden
können; daher muß immer wieder und wieder
gewissermaßen nachkontrolliert werden. Gewiß, die
Hauptsache der Tatsachen des übersinnlichen Lebens steht
seit Jahrtausenden fest, aber es ist schwierig, sie
darzustellen. Und deshalb war es mir eine tiefe Befriedigung,
daß es mir in den letzten Zeiten möglich geworden
ist, mich intimer wiederum mit einem Gebiete zu befassen, das
auf der Seite des Okkultismus von Wichtigkeit ist: mit dem
Gebiete des Lebens zwischen dem Tode und einer neuen Geburt.
Gewiß, nicht gerade neue Dinge müssen sich bei einer
solchen Gelegenheit zum Durchforschen herausstellen, aber
manches ergibt dann die Möglichkeit, genauer,
präziser die Dinge wieder und wieder zu sagen. So
möchte ich am heutigen Tage gerade von dieser für die
übersinnliche Erkenntnis so wichtigen Zeit des Menschen,
der Zeit zwischen Tod und neuer Geburt, sprechen; nicht so sehr
über das nächste Gebiet, das ja in den Schriften und
auch sonst oft hier zur Sprache gekommen ist, über das
sogenannte Kamaloka-Gebiet, sondern über dasjenige, was
sich daran anschließt, über den eigentlichen
Aufenthalt des Menschen in der geistigen Welt zwischen dem Tode
und einer neuen Geburt. Nur ein paar Worte möchte ich
dieser Schilderung vorausschicken.
Dasjenige, was zwischen Tod und neuer Geburt liegt, lernt man
kennen durch die Initiation, durch die Einweihung oder durch
das Durchschreiten der Pforte des Todes. Gewöhnlich nimmt
man den Unterschied nicht ernst genug, der besteht zwischen
allen Erkenntnissen, die wir uns aneignen können in bezug
auf die sinnliche Welt, in der wir immer mit unseren Sinnen und
mit dem Verstande drinnenstehen, und in bezug auf die geistige
Welt, in die wir eintreten entweder durch die Initiation schon
in diesem Leibe, in diesem physischen Dasein, oder ohne diesen
Leib, wenn wir durch die Pforte des Todes geschritten sind. Es
ist gewissermaßen alles umgekehrt in dieser geistigen
Welt. Zwei Merkmale möchte ich anführen, welche so
recht zeigen können, wie die geistige Welt sich ganz
bedeutsam unterscheidet von der gewöhnlichen sinnlichen
Welt.
Nehmen wir unser Dasein in dieser Sinnenwelt während
unseres wachenden Zustandes vom Morgen bis zum Abend. Da sehen
wir, daß die Dinge, die wir durch unsere Augen und Ohren
wahrnehmen, an uns herankommen; und sozusagen nur die
höheren Gebiete des Lebens, die Erkenntnisgebiete, das
Kunstgebiet suchen wir auf, die müssen wir tätig an
uns heranbringen, da müssen wir mittun — aber das
übrige äußere Leben, das uns in Anspruch nimmt,
bringt wahrhaftig alles, was auf unsere Sinne und unseren
Verstand wirken soll, von morgens bis abends an uns heran. Wo
wir gehen, auf der Straße, wie wir auch leben, alles und
jedes, jeder Augenblick hat seine Eindrücke, und wir tun,
mit den angedeuteten Ausnahmen, nichts für das
Herbeibringen; sie kommen von selber.
Anders ist es mit dem, was in der physischen Welt durch uns
geschieht; da müssen wir tätig sein, da müssen
wir von Ort zu Ort schreiten, da müssen wir uns
rühren. Das sind die bedeutsamen Kennzeichen des
täglichen Lebens, daß das, was sich unserer
Erkenntnis darbietet, geschieht, ohne daß wir etwas dazu
tun. So grotesk es ist, im Geistigen ist es umgekehrt. In der
geistigen Welt kann man nicht handeln, nicht tätig sein,
nicht etwas herbeiführen dadurch, daß man von einem
Ort zum anderen geht; man kann auch nichts herbeiführen in
der geistigen Welt dadurch, daß man sozusagen Organe
rührt, welche analog wären den physischen
Händen, sondern dasjenige, was vor allen Dingen notwendig
ist, damit mit uns etwas geschieht in der geistigen Welt, das
ist die absolute Gemütsruhe.
Je
ruhiger wir sein können, desto mehr geschieht durch uns in
der geistigen Welt, so daß wir also gar nicht sprechen
können davon, daß etwas geschieht in der geistigen
Welt, wenn wir hasten und treiben, sondern indem wir in aller
Gemütsruhe entwickeln eine größere liebevolle
Anteilnahme an dem, was geschehen soll, und dann abwarten, wie
die Dinge sich entwickeln. Diese Gemütsruhe, welche in der
geistigen Welt schaffend ist, hat kaum irgend etwas
Ähnliches im gewöhnlichen physischen Leben, wohl aber
in höheren Gebieten auf dem physischen Plane, im
Erkenntnisleben und im Kunstleben. Da haben Sie schon etwas
Analoges. Der Künstler kann eigentlich nicht das
Höchste, was er vermag nach seinen Anlagen, schaffen, wenn
er nicht warten kann, wenn er nicht in aller Gemütsruhe
warten kann, bis der rechte Augenblick gekommen ist, bis die
Intuition kommt. Wer programmäßig schaffen will, der
kann nur minderwertige Produkte zustande bringen. Wer auf
irgendeinen äußeren Anlaß hin irgendein Werk,
sei es das kleinste, schaffen will, wird es nicht so gut
zustande bringen, als wenn er in liebevoller Hingabe und ruhig
warten kann auf den Augenblick der Inspiration, wir können
auch sagen, auf den Augenblick der Gnade. So ist es auch in der
geistigen Welt, da gibt es kein Hasten und Drängen, da
gibt es nur Gemütsruhe.
Im
Grunde genommen muß es auch so sein bei der Ausbreitung
unserer Bewegung. Alle äußere Agitation, alles
äußere den Menschen die Geisteswissenschaft
Aufdrängenwollen, führt im Grunde genommen zu nichts.
Am besten ist es, wenn wir warten können, bis sich uns im
Leben die Menschen zeigen, die in ihrer Seele das
Bedürfnis haben, etwas zu hören, die sich hinneigen
wollen dem Geistigen, und wir sollen gar nicht das
Bedürfnis entwickeln, einen jeden an die
Geisteswissenschaft heranzubringen. Wir werden die Erfahrung
machen, je mehr Ruhe, agitationslose Ruhe wir entwickeln
können, desto mehr Leute kommen an uns heran, während
wir durch eine brüske Agitation die Leute geradezu
zurückstoßen werden. Wenn ein öffentlicher
Vortrag gehalten wird, geschieht es nur, damit gesagt werde,
was gesagt werden muß; wer es aufnehmen will, kann es
aufnehmen. Insofern muß unser ganzes Leben innerhalb der
geisteswissenschaftlichen Bewegung ein Abbild des Geistigen
sein, daß wir das, was geschehen soll, geschehen lassen
und es abwarten mit Gemütsruhe.
Nehmen wir einmal einen initiierten Menschen, welcher erkannt
hat, daß in einem bestimmten Zeitpunkte irgend etwas aus
der geistigen Welt heraus geschehen soll. Ich habe öfters
aufmerksam gemacht auf einen wichtigen Zeitpunkt, in dem etwas
geschehen ist von der geistigen Welt aus, nur zeigt es sich
jetzt noch nicht in so außerordentlichem Maße. Das
war das Jahr 1899, der Ablauf des kleinen Kali Yuga. Das war im
wesentlichen das Jahr, welches einen bestimmten Impuls brachte,
der dazu bestimmt war, den Menschen dasjenige von innen heraus
zu geben, ihnen in der Seele zu erwecken, was im Grunde
genommen in den früheren Zeiten durch irgendwelche
äußeren Dinge, man nannte es Zufall, aus der
geistigen Welt gegeben worden ist. Ich will einen bestimmten
Fall anführen: Im zwölften Jahrhundert lebte ein
gewisser Norbert. Dieser begründete einen Orden. Er
führte zunächst ein recht weltliches, man könnte
sagen, ein ausschweifendes Leben, da traf ihn ein Blitzstrahl.
Oftmals kommt es in der Geschichte bei einzelnen Menschen vor,
daß ein solches Ereignis eintritt; ein Blitzstrahl kann
durchschütteln den physischen und den Ätherleib. Da
wurde sein ganzes Leben verändert. Da ist es so, daß
wie ein äußerer Anlaß von der geistigen Welt zu
Hilfe genommen wird, um die Menschen zu verändern. Solche
Zufälle kommen oft vor, sie durchschütteln den ganzen
Zusammenhang zwischen physischem und Ätherleib und
verändern den Betreffenden ganz und gar. So war es auch
hier. Das sind aber keine Zufälle, das sind in der
geistigen Welt wohlvorbereitete Tatsachen, den Menschen zu
verändern. Nun wurden diese Tatsachen vom Jahre 1899 an
immer intimer und intimer, viel weniger äußerlich,
viel mehr durch das Innere wirkend; verinnerlicht wird des
Menschen Seele. Und tatsächlich, bei einer solchen
Umwälzung in der Welt wie im Jahre 1899 müssen
mitwirken alle Wesenheiten und Mächte aus der geistigen
Welt, aber auch alle Initiierten, die hier leben. Sie sagen
nicht: Bereitet euch vor! —, sie sagen es nicht den
Leuten in die Ohren, sondern es geschieht so, daß der
Impuls von innen kommt, daß die Menschen ihn von innen
heraus verstehen lernen. Dann bleiben die Leute in der Seele
ruhig, befassen sich mit dem Gedanken, lassen diesen Gedanken
in sich wirken und warten. Und je ruhiger sie werden mit dem
Gedanken in der Seele, desto kräftiger kommen solche
geistigen Ereignisse. Also, abwarten diese Begnadung! Dies ist
es vorzugsweise, daß wir abwarten sollen, was mit uns
geschehen soll in der geistigen Welt. Anders ist es mit dem
Erkennen im Alltag; da müssen wir alles herantragen,
müssen es erwerben, müssen arbeiten, um es uns
gewissermaßen entgegenzubringen. Eine Rose, die wir am
Wege finden, erfreut uns in dieser physischen Welt; auf dem
geistigen Plane würde es nicht geschehen, es würde
sich uns nichts einer Rose auf dem physischen Plane
Ähnliches hinstellen, wenn wir uns nicht bemühten, in
bestimmte geistige Gebiete hineinzukommen, um die Dinge an uns
heranzubringen. Gerade was wir beim Tun hier machen,
müssen wir beim Erkennen im Geistigen machen; und
umgekehrt: Was durch uns geschehen soll, müssen wir in
Ruhe abwarten und nur sozusagen das Hereinragen aus der
geistigen Welt in die physische, die höheren
Betätigungen der Menschen bilden ein Abbild des Geschehens
in der geistigen Welt. Daher ist es notwendig, daß
derjenige, der durch seine Seele verstehen will die Wahrheiten,
die durch die Geisteswissenschaft kommen sollen, die zwei
Eigenschaften immer mehr und mehr entwickelt: Liebe zum
geistigen Leben, die ihn zum tätigen Heranbringen der
geistigen Welt führt, und diese ist das allersicherste,
uns in die Lage zu versetzen, immer wieder und wieder die Dinge
an uns heranzubringen und Ruhe, Gemütsruhe, eine Ruhe, die
nicht eitel und ehrgeizig Erfolge herbeiführen will,
sondern die begnadet sein will, die auf Inspiration warten
kann. Dieses Warten ist im konkreten Falle schwierig. Aber ein
Gedanke, den wir immer wieder und wieder in unserer Seele haben
sollten, kann uns über vieles hinausführen. Er ist
schwer zu fassen, weil er sehr gegen unsere Eitelkeit
verstößt. Dieser Gedanke ist, daß es
gleichgültig ist im Weltenzusammenhang, ob etwas durch uns
oder einen anderen Menschen geschieht. Das soll uns nicht
abhalten, alles zu tun, was uns zu vollbringen obliegt; nicht
von unserer Pflicht soll es uns abhalten, aber vom Hasten,
Treiben soll es uns abhalten. Wie gern hat es ein jeder Mensch,
daß er befähigt ist, daß er etwas kann. Es
gehört eine gewisse Resignation dazu, ebenso gern zu
haben, daß und wenn ein anderer etwas kann. Nicht lieben
soll man eine Sache, weil man sie selber tut, sondern lieben,
weil sie in der Welt ist, gleichgültig ob durch uns oder
durch andere. Dieser Gedanke führt uns sicher zur
Selbstlosigkeit, wenn wir ihn immer wieder denken. Solche
Stimmungen sind notwendig, um sich einzuleben in die geistige
Welt, um nicht nur immer zu forschen, sondern auch zu
verstehen, was geforscht wird. Viel wichtiger als Visionen, die
wohl auch da sein müssen, sind diese Stimmungen, und eben
damit wir die Visionen beurteilen können, sind solche
Stimmungen notwendig. Visionen, man braucht nur dies Wort
auszusprechen und jeder weiß, der sich nur ein wenig damit
befaßt hat, was eigentlich unter Visionen zu verstehen ist
— aber unser ganzes Leben nach dem Tode, wenn das
Kamaloka vorüber ist, ist eigentlich ein Leben in
Visionen. Wenn der Mensch durch die Pforte des Todes gegangen
ist, das Kamaloka hinter sich hat, in die eigentliche geistige
Welt eintritt, lebt er in einer Welt, die ganz so ist, als wenn
er nach allen Seiten umgeben wäre von lauter Visionen; nur
sind diese Visionen Abbilder von Wirklichkeiten. Und man kann
sehr wohl sagen, während wir die Welt des Physischen
wahrnehmen durch Farben, die uns das Auge vorzaubert, durch
Töne, die uns das Ohr vermittelt, nehmen wir die geistige
Welt auch dann, wenn wir durch die Pforte des Todes getreten
sind, als Visionen wahr, in die wir hineinverwoben sind. Nun
werde ich, weil ich über diese Dinge intimer sprechen
will, manches zu sagen haben in einer mehr erzählenden
Form, was, wenn man es zunächst hört, etwas grotesk
sich ausnimmt, aber es ergibt sich eben durch eine wirkliche
geistige Forschung.
Das
Kamaloka selbst verläuft ja, wenn man es inhaltlich
schildert, so wie ich es in meiner «Theosophie»
geschildert habe; aber man kann es noch anders
charakterisieren. Ist der Mensch durch die Pforte des Todes
geschritten, wo fühlt er sich dann? kann man fragen. Und
man kann diese Frage beantworten: Wo ist denn der Mensch
während seiner Kamalokazeit? Man kann sogar in Worten, die
physisch zu fassen sind, den Raum ausdrücken, wo der
Mensch ist während des Kamaloka-Lebens. Wenn Sie sich
denken den Raum zwischen der Erde und dem Monde, den Menschen
losgelöst von der Erde, aber durchaus noch in dem
Räume zwischen der Erde und dem Monde, in jenem
kugelförmigen Räume, der sich ergibt, wenn man die
Mondbahn als den äußersten Ring ansieht, weg von der
Erde, aber in diesem Räume — dort ist der Mensch in
der Kamalokazeit. Wenn die Kamalokazeit zu Ende ist, dann geht
der Mensch aus diesem Kreise in den wirklichen Himmelsraum
hinaus. Wie gesagt, es klingt grotesk, aber es ist so. Auch in
dieser Richtung merkt man durch eine wirklich gewissenhafte
Forschung, daß diese Dinge entgegengesetzt sind denen auf
dem physischen Plane hier. Wir sind von außen an die Erde
gebunden, vom Irdischen umgeben und getrennt von den
Himmelssphären; nach dem Tode ist die Erde von uns
entfernt, und wir sind mit den Himmelssphären zusammen.
Solange wir drinnen sind in der Mondensphäre, sind wir im
Kamaloka, das heißt, daß wir den Wunsch haben, noch
mit der Erde verbunden zu sein, und wir kommen hinaus, wenn wir
durch das Kamaloka-Leben gelernt haben, auf Affekte,
Leidenschaften, Verlangen zu verzichten. Anders als man hier
gewohnt ist, muß man sich nun den Aufenthalt in der
geistigen Welt vorstellen. Da sind wir ausgebreitet über
den ganzen Raum, da fühlen wir uns überall drinnen im
ganzen Räume. Daher ist das Leben, sei es das eines
Initiierten oder eines Menschen nach dem Tode, ein Fühlen
des Sich-Ausbreitens in den Raum hinaus, und man wird so
groß nach dem Tod oder als Initiierter, daß man dann
durch den Mondenlauf begrenzt wird wie jetzt durch die Haut.
Ja, es ist nun einmal so und es nützt nichts, solche Dinge
durch Worte auszudrücken, die einem die gegenwärtige
Zeit leichter verzeiht, denn dadurch drückt man sie nicht
richtiger aus. Im öffentlichen Vortrage muß man
solche schockierenden Dinge weglassen, aber demjenigen, der
sich längere Zeit befaßt hat mit
geisteswissenschaftlichen Dingen, ist es gut, mit wahren Namen
die Dinge zu benennen.
Dann, nach dem Kamaloka-Leben, wachsen wir weiter hinaus, und
das nun hängt ab von gewissen Eigenschaften, die wir uns
hier schon errungen haben. Eine lange Zeit unserer Entwickelung
nach dem Tode hängt die Art, wie wir uns da ausbreiten
können bis zur nächsten Sphäre, ab von dem, was
wir an moralischer Verfassung, sittlichen Begriffen und
Gefühlen auf der Erde entwickelt haben. Man kann sagen,
der Mensch, der die Eigenschaften des Mitleids, der Liebe
entwickelt hat, die Eigenschaften, die man gewöhnlich als
sittlich-gute bezeichnet, lebt sich in die nächste
Sphäre so hinein, daß er mit den Wesen, die sonst in
dieser Sphäre sind, bekannt werden kann, mit ihnen
zusammenleben kann, während der Mensch, der mangelhafte
Moral mitbringt in diese Sphäre, wie ein Einsiedler
darinnen lebt. Das ist die beste Bezeichnung, daß uns zum
Zusammenleben mit der geistigen Welt vorbereitet das
Moralische; zur quälenden Einsamkeit, in welcher wir immer
die Sehnsucht haben, das andere kennenzulernen, und es nicht
können, zu dieser Einsamkeit verurteilt uns das
Nichtmoralische unseres Herzens wie unseres Denkens und
Verhaltens in der physischen Welt. Und entweder als Einsiedler
oder als geselliger Geist, der zum Segen ist in der geistigen
Welt, leben wir uns ein in die zweite Sphäre, die man im
Okkultismus immer genannt hat die Sphäre des Merkur. Heute
wird sie Venus genannt in der äußeren Astronomie; es
hat bekanntlich eine Umkehrung der Namen stattgefunden, wie
schon oft gesagt worden ist. Bis zum Kreise des heutigen
Morgenund Abendsterns breitet der Mensch sein Wesen aus,
während er sich früher nur bis zum Monde ausgebreitet
hat. Nun stellt sich etwas Eigentümliches ein. Bis zur
Mondensphäre sind wir immer noch mit den irdischen
Verhältnissen beschäftigt, aber auch darüber
hinaus ist das Verhältnis zur Erde nicht ganz
abgebröckelt, wir wissen noch immer alles, was wir auf der
Erde getan, gedacht haben; wie wir uns jetzt an etwas erinnern
können, so wissen wir es, und — sehen Sie, meine
lieben Freunde — wieder ist leicht das Erinnern das
Quälende! — Wenn wir noch auf der Erde leben und wir
haben einem Menschen Unrecht getan oder haben einen Menschen,
den wir eigentlich lieben sollten, nicht hinreichend geliebt,
ist es an uns, die Folgen noch abzuwenden; wir können zu
ihm hingehen und uns mit ihm auseinandersetzen und dergleichen.
Das ist von der Merkursphäre an nicht mehr der Fall. Wir
können alle Verhältnisse in der Erinnerung erschauen
und diese bleiben auch aufrecht, aber wir können sie nicht
mehr ändern.
Nehmen wir an, es ist jemand vor uns gestorben, den wir
vermöge der Verhältnisse auf der Erde eigentlich
hätten lieben sollen, aber nicht genügend geliebt
haben. Wir treffen ihn — wir treffen tatsächlich die
Menschen nach dem Tode wieder, mit denen wir verbunden waren
—, wir treffen ihn aber so, wie wir zu ihm gestanden
waren und können es nicht ändern zunächst. Es
lebt also ein Vorwurf in uns, daß wir ihn nicht
genügend geliebt haben, aber wir können unsern
Charakter hier nicht mehr ändern, so daß wir ihn
jetzt etwas mehr lieben könnten. Es bleibt, was wir auf
der Erde begründet haben, wir können es aber nicht
ändern. Gerade diese Tatsache, daß wir da eintreten
in das richtige, unveränderliche Wahrnehmungen in bezug
auf die Liebe, sie trat mir in den letzten neueren Forschungen
dieses Sommers ganz kräftig entgegen, und durch solche
Dinge wird man auf mancherlei aufmerksam, was sonst dem
Menschen entgeht, und auch davon möchte ich Ihnen
sozusagen eine Empfindung geben. Man lernt also durch die
Erkenntnis der geistigen Welt diese eigentümliche Tatsache
kennen, daß man in der Merkursphäre lebt, wie gesagt,
mit allen Menschen in den alten Verhältnissen, die man
nicht ändern kann zunächst. Zurückschauend und
entwickelnd, was man schon entwickelt hat, so lebt man.
Nun, ich darf wohl sagen, daß ich mich in meinem Leben
viel mit Homer beschäftigt habe, aber eine Stelle ist mir
erst ganz klar geworden, als dies, wovon ich eben sprach, mir
in der okkulten Forschung so mächtig entgegengetreten ist;
das ist die Stelle, wo Homer das Reich nach dem Tode nennt das
Land der Schatten, wo sich nichts verwandeln kann. Man kann sie
auslegen nach dem Verstande, aber was der Künstler sagen
will von der geistigen Welt, wie er als ein Prophet spricht,
lernt man kennen, wenn man die betreffende Entdeckung in der
geistigen Forschung gemacht hat. So ist es bei jedem wahren
Künstler, er braucht es. gar nicht zu wissen in seinen
Alltagsgedanken, was ihm aus der Inspiration zufließt. Und
dasjenige, was die Menschheit durch ihre Künstler im Laufe
der Jahrhunderte erhalten hat, wird nicht verblassen durch die
Ausbreitung der spirituellen Bewegung, sondern es wird immer
mehr und mehr vertieft werden, und ganz gewiß wird den
Menschen ein Licht aufgehen über ihre wahren
Künstler, wenn sie durch die okkulte Forschung in die
geistige Welt, in jene Welt hineinkommen, aus welcher die
Künstler inspiriert sind. Allerdings solche, welche oft
einem Zeitalter als Künstler gelten, es aber nicht sind,
werden eine solche Beleuchtung nicht erhalten. Manche
Tagesgröße wird dahin erkannt werden, daß sie
nichts hat an Inspiration aus der geistigen Welt.
Die
nächste Sphäre kann man im Okkultismus nennen die
VenusSphäre; da dehnen wir unser Wesen hinaus bis zum
Merkur, der okkult die Venus genannt wird; bis dahin dehnen wir
unser Wesen aus. In dieser Sphäre, ja da hat wieder etwas
einen großen Einfluß auf den Menschen und wiederum
hat dies so Einfluß, daß derjenige, der es hat,
sozusagen ein geselliger Geist wird, der es nicht hat, ein
einsamer Geist; furchtbar quälend ist das Fehlen dieses
Etwas das ist das religiöse Moment. Je religiösere
Gesinnung wir uns angeeignet haben, desto geselligere Geister
werden wir in dieser Sphäre. Menschen, denen die
religiöse Gesinnung fehlt, die schließen sich ab zu
Wesen, die sozusagen nirgends hinaus können über eine
gewisse Schale oder Hülle, die sich um sie ausbreitet. Wir
lernen, sagen wir, unsere Freunde kennen, trotzdem sie
Einsiedler sind, aber wir kommen nicht an sie heran; wir
fühlen uns immer, als ob wir eine Hülle durchbrechen
müßten, die wir aber nicht durchbrechen können.
Wenn wir nicht religiöse Innerlichkeit haben, frieren wir
gewissermaßen ein in dieser Venus-Sphäre.
Dann kommt eine Sphäre, so sonderbar es klingt, wenn der
Mensch — und jeder tut es nach dem Tode — sich
hineinlebt in diese Sphäre, fühlt er sich erweitert
bis zu unserer Sonne. Es wird nicht mehr lange dauern, dann
wird man auch anders über die Himmelskörper denken,
als die heutige Astronomie annimmt. Wir selber sind mit dieser
Sonne verbunden; es kommt eben eine Zeit zwischen dem Tode und
einer neuen Geburt, wo wir ein Sonnenwesen geworden sind. Aber
jetzt ist noch ein anderes notwendig: zur ersten Sphäre
ist sittliches Leben, zur Venus-Sphäre religiöses
Leben, zur Sonnensphäre ist notwendig, daß wir Natur
und Wesenheit der Sonnengeister, namentlich des
Hauptsonnengeistes, des Christus, wirklich kennen, daß wir
uns auf Erden eine Verbindung zu ihm geschaffen haben. Mit
dieser Verbindung ist es so: Als die Menschen noch ein altes
Hellsehen hatten, fanden sie diese Verbindung so, daß sie
sich durch die alte göttliche Gnade hineinlebten; das
verschwand dann und das Mysterium von Golgatha mit der
Vorbereitung durch das Alte Testament war dazu da, um den
Menschen das Sonnenwesen verständlich zu machen. Heute
genügt nicht mehr die alte Weise, wie seit dem Mysterium
von Golgatha die Menschen sich mehr naiv zum Christus
emporgerungen haben; heute soll die Geisteswissenschaft die
Welt vom Gesichtspunkte eines Sonnenwesens begreiflich machen.
Das erste Mal, als das so richtig verstanden worden ist, war
die Zeit des Mittelalters, als innerhalb Europas die Gralssage
in ihrer eigentlichen tieferen Bedeutung ihren Ursprung
genommen hat. Durch das Verständnis dessen, was wiederum
durch die spirituelle Bewegung gegeben wird, wird ja gerade das
wieder erobert, was durch den hohen Sonnengeist, den Christus,
gebracht worden ist, der herabgestiegen ist und nun der
Erdgeist geworden ist durch das Mysterium von Golgatha. Dieser
Impuls, der durch das Mysterium von Golgatha gegeben worden
ist, ist geeignet, in der Geisteswissenschaft alle
religiösen Bekenntnisse über das ganze Erdenrund hin
in Frieden zu verbinden. Das bleibt die Grundforderung der
Geisteswissenschaft: jede Religion mit gleicher Hingebung zu
behandeln, keiner Religion den Vorzug zu geben durch
irgendwelche äußeren Gründe. Wenn zum Beispiel
unserer Strömung vorgeworfen wird, daß wir das
Mysterium von Golgatha in die Mitte der Weltenentwickelung
stellen und daß das eine Bevorzugung wäre der
christlichen Religion, so ist das ein ganz ungerechter Vorwurf.
Verständigen wir uns einmal darüber, was es mit einem
solchen Vorwurfe für eine Bewandtnis hätte. Wenn ein
Buddhist oder Brahmane zu uns käme und uns diesen Vorwurf
machen würde, würden wir ihm sagen: Kommt es denn
darauf an, was in religiösen Büchern steht, und ist
es eine Benachteiligung einer Religion, wenn man das alles
nicht ablehnt, was nicht in diesen Büchern steht? Kann
nicht jeder Buddhist die kopernikanische Weltanschauung
annehmen, ohne aufzuhören, ein Buddhist zu bleiben? Das
ist ein Fortschritt der allgemeinen Menschheit. Und so ist die
Erkenntnis, daß das Mysterium von Golgatha in der Mitte
der Weltenentwickelung steht, ein Fortschritt der ganzen
Menschheitsentwickelung, ob davon in den alten Büchern
steht oder nicht, und uns zuzumuten, sozusagen von der
chinesischen oder buddhistischen Religion nicht so zu denken,
wäre dasselbe, wie wenn von diesen Religionen ganz Europa
verboten würde, die kopernikanische Weltanschauung
anzunehmen, weil sie nicht in ihren Büchern steht. Aber
gerade dieses Verständnis des Mysteriums von Golgatha
— wenn man erkennt, was da vorgegangen ist — macht
uns zu einem geselligen Geiste nach dem Tode in der
Sonnensphäre. Überhaupt ist es so: In dem
Augenblicke, in dem wir über den Mond hinauskommen, da
tritt etwas ein, was wir jetzt auch geistig innerlich
bezeichnen können — wir sind von Visionen umgeben.
Wenn wir einem verstorbenen Freund begegnen nach dem Tode, ist
es eine Vision, aber er ist es selbst, er lebt in dieser
Realität drinnen; aber es sind Visionen, die sich aufbauen
auf das Gedächtnis an das, was wir hier getan haben.
Später, außerhalb der Mondensphäre, ist das zwar
auch noch der Fall, aber es leuchten dann die geistigen Wesen
der höheren Hierarchien an uns heran. Es ist so, als ob
die Sonne aufgeht und die Wolken vergoldet. So ist es im
Sonnenkreise. Aber wir lernen auch die geistigen Hierarchien in
der Merkursphäre nur kennen, wenn wir mit religiöser
Gesinnung erfüllt sind, in der Sonnensphäre nur, wenn
wir mit jahvisch-christlicher Stimmung erfüllt sind. Da
treten die äußeren geistigen Wesenheiten an uns
heran. Wiederum ist etwas höchst merkwürdig, und was
ich gesagt habe, ergibt sich durch objektive okkulte Forschung:
Der Mensch ist über den Mond hinaus wie eine Wolke aus
Geist gewoben und wird beleuchtet von den geistigen
Wesenheiten, sowie er in den Merkur kommt. Daher haben die
Griechen den Merkur den Götterboten genannt, weil in
dieser Sphäre hohe geistige Wesenheiten den Menschen
beleuchten. Das sind die großen gewaltigen Eindrücke,
die wir empfangen, wenn wir aus dem Kreise der okkulten
Forschung entwickeln, was die Menschheit geschaffen hat, was
als Kunst, als Mythos gegeben worden ist.
So
leben wir uns durchchristet in die Sonnensphäre hinein.
Dann leben wir weiter und kommen in eine Region hinein, wo wir
die Sonne so unter uns haben, wie wir früher die Erde
unter uns gehabt haben. Wir beginnen auf die Sonne
zurückzublicken — und da beginnt etwas sehr
Merkwürdiges. In diesem Augenblicke zeigt sich uns,
daß wir noch einen anderen Geist in seiner eigenartigen
Weise zu erkennen beginnen, den Luzifergeist.
Was
Luzifer ist, das durchschauen wir, wenn nicht vorher durch die
okkulte Wissenschaft oder Initiation, durch das bloße
Leben nach dem Tode nicht. Erst wenn wir jenseits der
Sonnensphäre angekommen sind, lernen wir ihn erkennen, wie
er war, bevor er Luzifer geworden ist, als er noch ein Bruder
des Christus gewesen ist. Denn daß er anders geworden ist,
ist erst in der Zeit eingetreten, da Luzifer
zurückgeblieben ist und sich losgelöst hat vom
Fortschritt im Kosmos. Und dasjenige, was er Schlimmes tun
kann, erstreckt sich nur bis zur Sonne hin. Darüber ist
noch eine Sphäre, wo Luzifer seine Tätigkeit so
entwickeln kann, wie sie vor seiner Loslösung war. Da ist
nichts von Schaden, was er da entwickelt, und wenn wir uns mit
dem Mysterium von Golgatha in der richtigen Weise
zusammengehörig gemacht haben, gehen wir, geleitet von
Christus, von Luzifer in Empfang genommen, in der richtigen
Weise in die noch weiteren Sphären des Weltalls hinaus.
Der Name Luzifer ist gut gewählt, wie überhaupt die
Alten sich weise Namen gewählt haben. Wenn wir die Sonne
unter uns haben, ist auch das Sonnenlicht unter uns. Da
brauchen wir dann einen neuen Lichtträger, der uns
hinausleuchtet in den Weltenraum. Wir kommen dann in die
Mars-Sphäre. Solange wir unter der Sonne waren, blickten
wir hinaus in die Sonne; jetzt ist die Sonne unter uns und wir
blicken in den weiten Weltenraum hinaus. Und diesen weiten
Weltenraum empfinden wir durch das, was immer genannt und so
wenig verstanden wird, im eigentlichen Sinne durch die
Sphärenmusik, durch eine Art von geistiger Musik. Immer
weniger und weniger Bedeutung haben dann die Visionen, in die
wir getaucht sind, immer größere und
größere Bedeutung gewinnt, was wir geistig hören
und vernehmen. Da erscheinen uns die Weltenkörper nicht
so, daß wir wie die irdischen Astronomen messen, ob der
eine schnell oder langsam geht — das schnelle oder
langsame Zusammenstimmen ergibt das Tönen der
Weltenharmonie. Und dasjenige, was der Mensch dabei innerlich
erlebt, ist das, daß er immer mehr und mehr fühlt:
das einzige, was ihm bleibt in diese Region hinein, ist das,
was er als Spirituelles auf Erden aufgenommen hat. Dadurch
entwickelt er seine Bekanntschaft mit den Wesenheiten dieser
Sphäre, bleibt er ein geselliger Geist. Die Menschen, die
sich heute abschließen von dem Spirituellen, geraten trotz
des Moralischen, trotz des religiösen Lebens auch nicht in
die spirituelle Welt. Da ist nichts zu machen. Es ist ja
natürlich durchaus möglich, daß solche Menschen
in der nächsten Inkarnation dazukommen. Alle
materialistisch Gesinnten werden, wenn sie über die Sonne
hinaus in die Mars-Sphäre kommen, Einsiedler; das ist
nicht anders. So töricht es vielleicht manchem erscheinen
könnte, es ist doch wirklich; der ganze Monistenbund wird
nicht fortbestehen können, wenn seine Anhänger einmal
in die Sonnensphäre gelangt sind, weil seine Anhänger
nicht zusammenkommen können, weil jeder ein Einsiedler
ist.
Auf
dem Mars wird der Mensch, der sich hier auf der Erde
spirituelles Verständnis erworben hat, noch eine andere
Erfahrung machen. Und da wir heute schon intimer sprechen, darf
auch das ausgesprochen werden. Es kann ja gefragt werden gerade
innerhalb unserer Weltanschauung, wie wir sie als
Geisteswissenschaft im Abendlande entwickeln: Was ist mit einem
solchen Geiste geschehen wie dem Buddha nach seiner letzten
Inkarnation auf der Erde? Ich habe schon darauf hingewiesen,
nicht wahr: Der Buddha hat als Gautama die letzte Inkarnation
durchgemacht sechshundert Jahre vor Christus. Wenn Sie meine
Vorträge gut verfolgt haben, werden Sie wissen, er hat
sozusagen noch einmal gewirkt — er brauchte sich nicht
mehr als Buddha zu inkarnieren —, er hat nur geistig
gewirkt bei der Geburt des Lukas-Jesusknaben. Geistig hat er
aus höheren Sphären herabgewirkt auf die Erde; aber
wo ist er selber? Ich habe in Schweden, in Norrköping, auf
ein noch späteres Hereinwirken des Buddha auf die Erde
hingedeutet. So war im achten Jahrhundert eine
Initiationsstätte in Europa, am Schwarzen Meer, da lebte
Buddha geistig in einem Schüler, nämlich in einem
Schüler, der später Franz von Assisi geworden
ist. Franz von Assisi war in der früheren Inkarnation im
achten Jahrhundert also ein Schüler des Buddha und hat
alle Eigenschaften aufgenommen, um in dieser sonderbaren Weise
zu wirken, wie er als Franz von Assisi gewirkt hat. In vielem
kann man seine Gemeinde nicht von Anhängern Buddhas
unterscheiden, außer durch das, daß die einen
Anhänger Buddhas, die anderen Christen waren. Das ist eine
Folge davon gewesen, daß er in seinem vorhergehenden Leben
ein Schüler Buddhas war, des geistigen Buddha. — Wo
ist aber der Buddha selbst, wo ist er, der als Gautama gelebt
hat? Er ist für den Mars dasselbe geworden, was Christus
für die Erde geworden ist; er hat für den Mars eine
Art von Mysterium von Golgatha durchgeführt und die
eigentümliche Erlösung der Marsleute hat Buddha
zustande gebracht; er lebt dort unter ihnen. Und für ihn
selbst war gerade sein Erdenleben die richtige Vorbereitung, um
die Marsleute zu erlösen, doch war diese seine
Erlösung nicht so wie das Mysterium von Golgatha, sondern
etwas anders.
Geistig aber lebt der Mensch in der Mars-Sphäre in der
angedeuteten Zeit, dann lebt er wieder weiter, dann lebt er
sich in die Jupitersphäre hinein. In der
Jupitersphäre wird sozusagen der Zusammenhang mit der
Erde, der vorher noch ein bißchen bestanden hat, schon
ganz bedeutungslos für den Menschen; von der Sonne wirkt
noch ein wenig auf den Menschen, dagegen wirkt mächtig der
Kosmos auf ihn ein. So stellt es sich dar: Alles wirkt von
außen herein und der Mensch nimmt Kosmisches auf. Der
ganze Kosmos wirkt eben durch die Sphärenharmonie, die
immer andere Formen annimmt, je weiter wir das Leben
durchforschen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Es ist
schwer zu charakterisieren dieses Leben, diese Veränderung
der Sphärenharmonie; man könnte, weil man diese Dinge
nicht mit irdischen Worten ausdrücken kann,
vergleichsweise sagen: Die Sphärenmusik verändert
sich beim Durchgang vom Mars zum Jupiter so, man kann nur
sagen, wie das Orchestrale in die gesangliche Musik. Es wird
immer mehr zum Tone, zu dem, was den Ton zugleich durchsetzt
als das Bedeutungsvolle, als das Sein-Wesen-Ausdrückende.
Inhalt bekommt die Sphärenmusik, wenn wir uns in die
Sphäre des Jupiter hineinbegeben, und sie wird dann in der
Sphäre des Saturn zum völligen Inhalt, zum Ausdruck
des Weltenwortes, aus dem alle Dinge geschaffen sind, und das
gemeint ist im Johannes-Evangelium: «Im Urbeginne war das
Wort...» Dieses Wort ist das Hineintönen der
kosmischen Gesetzmäßigkeit und Weisheit. Dann geht
der Mensch, wenn er vorbereitet ist — der geistige Mensch
weiter, der nicht geistige weniger weit —, in noch
weitere Sphären, aber er geht auch über in einen ganz
anderen Zustand als der ist, in dem er vorher war. Und wenn man
diesen späteren Zustand charakterisieren will,
müßte man sagen: Von da ab, wo der Mensch über
den Saturn hinausgeschritten ist, beginnt ein geistiges
Schlafen, während das Vorhergehende ein geistiges Wachen
war. Das Bewußtsein dämpft sich herab von jetzt an,
es tritt ein Benommensein ein, und dieses Benommensein wieder
gestattet gerade dem Menschen andere Dinge durchzumachen, als
er früher durchgemacht hat. Geradeso, wie wir im Schlafe
die Ermüdung wegschaffen und uns neue Kräfte
zuführen, so tritt dann durch das Herabdämpfen des
Bewußtseins ein Einströmen geistiger Kräfte des
Kosmos ein, wenn wir sozusagen eine weit, weit ausgedehnte
spirituelle Raumkugel geworden sind. Erst haben wir es geahnt,
dann haben wir es als Weltorchester gehört, dann hat es
gesungen, dann haben wir es als Wort vernommen, dann schlafen
wir ein und es durchdringt uns, und während dieser Zeit
gehen wir wieder zurück durch alle diese Sphären
unter Herabdämpfung des Bewußtseins; immer dumpfer
und dumpfer wird unser Bewußtsein, wir ziehen uns
zusammen, je nach unserem Karma langsam oder schnell, und
während dieses Zusammenziehens treten wieder auf die
Kräfte, die aus dem Sonnensystem kommen. Von Sphäre
zu Sphäre gehen wir zurück. Für die
Mondensphäre sind wir nicht empfänglich, wenn wir aus
dem Kosmos zurückkommen; wir gehen sozusagen
unberührt und ungehemmt durch sie hindurch, und dann sind
wir so, daß wir uns zusammenziehen und zusammenziehen, so
daß wir uns vereinigen können mit dem kleinen
Menschenkeime, der dann seine Entwickelung durchmacht vor der
Geburt. Und in aller Physiologie und Embryologie wird gar
nichts Wahres enthalten sein, wenn ihr dies nicht aus der
okkulten Forschung, nicht aus diesen Tatsachen zukommt; denn
der Menschenkeim ist ein Abbild des großen Kosmos. Er
trägt den ganzen Kosmos in sich; was zwischen
Empfängnis und Geburt materiell geschieht und als Mensch
sich bildet, aber auch was der Mensch im Weltenschlafe
durchgemacht hat, trägt er als Kraft im Keimzustande in
sich.
Da
berühren wir ein wunderbares Mysterium, das im Grunde
genommen in unserer Zeit nur Künstler angedeutet und
dargestellt haben, aber es wird schon auch noch besser
verstanden werden — sagen wir die Tristan-Frage —
als dasjenige, was in ihr lebt, die Tristan-Stimmung, wenn wir
in der Tristanund Isolde-Liebe einmal empfinden werden das
Hereinströmen des ganzen Kosmischen, das wir in seiner
wahren Gestalt kennenlernen eben durch das Durchlaufen der
ganzen Entwickelung des Menschen vom Tode zu einer neuen Geburt
hin. Was vom Kosmos hereingeholt wird, was vom Saturn
hereingebracht worden ist, wirkt auf Liebende, die
zusammengeführt werden. Es wird manches zu einem
kosmischen Ereignis gemacht, nur darf es nicht
verstandesmäßig analysiert werden, sondern es
muß empfunden werden, was den Menschen verbindet in
Realität mit dem ganzen Kosmos. Daher wird es die
Geisteswissenschaft schon gewiß dahin bringen, daß
die Menschheit eine neue Frömmigkeit entwickelt, die eine
wahre, echte Religiosität ist, indem dasjenige, was
oftmals sich als Kleinstes kundgibt, erscheint als aus dem
Kosmos heraus entstanden. Das, was in menschlicher Brust lebt,
wir lernen es in der richtigen, weisen Form an seinen Ursprung
angliedern, wenn wir es im Zusammenhang mit dem Kosmos
betrachten. So kann ausgießen das, was von der
Geisteswissenschaft ausgeht, über das ganze Leben,
über die ganze Menschheit, die da kommen muß, eine
wirklich neue Stimmung. Künstler haben sie vorbereitet,
aber das wirkliche Verständnis muß vielfach gerade
durch die spirituelle Stimmung erst geschaffen werden.
Das
sind so einige Andeutungen, die ich Ihnen geben wollte gerade
auf Grund erneuter intimer Forschungen über das Leben des
Menschen zwischen dem Tode und der neuen Geburt. Nichts ist
eigentlich in der Geisteswissenschaft, was uns nicht in unserer
tiefsten Empfindung, im tiefsten Gefühle zugleich
berühren würde; nichts bleibt abstrakte Vorstellung,
wenn wir es richtig erfassen und verstehen. Die Blume freut uns
mehr, wenn wir sie anschauen, als wenn der Botaniker sie
zerfasert. Die weit entfernte Sternenwelt kann ein Gefühl
der Ahnung uns entwickeln, aber was sich darlebt darinnen, das
geht uns erst auf, wenn wir uns mit der Seele in die
Sphären hinaus erheben können. Die Pflanze verliert,
wenn sie zerfasert wird; die Sternenwelt verliert nichts, wenn
wir hinausgehen über sie und wenn wir erkennen, wie der
Geist mit ihr verbunden ist.
Kant hat ein merkwürdiges Wort ausgesprochen, aber
nur so wie einer, der die Ethik einseitig erfaßt hat: zwei
Dinge berührten ihn eigentümlich, der bestirnte
Himmel über ihm und die moralische Welt in ihm. Beide sind
eigentlich dasselbe, wir nehmen sie nur aus den Himmelswelten
in uns herein. Wenn wir etwas Moralisches haben, damit geboren
werden, so ist es daher, daß uns beim Einschlafen, bei der
Zurückentwickelung, die Merkursphäre viel hat geben
können und die Venus-Sphäre, wenn wir auftreten mit
religiösen Gefühlen. Wie wir des Morgens hier im
irdischen Leben gestärkt, mit wiedererwachten Kräften
aufwachen, so werden wir geboren mit dem, was uns als
stärkende Kraft der Kosmos gegeben hat; wir können es
aufnehmen gemäß unserem Karma. In dem Maße, als
das Karma gestattet, kann uns der Kosmos die Kräfte geben,
so daß wir mit diesen als Anlagen geboren werden.
So
zerfällt das Leben zwischen dem Tode und der neuen Geburt
in zwei Teile. Zuerst ist es unwandelbar. Wir leben uns dann
hinauf, die Wesen kommen an uns heran; wir kommen in den
Schlaf, da wird es wandelbar; da kommen die Kräfte in uns
hinein, mit denen wir geboren werden. Wenn wir diese
Entwickelung des Menschen so ins Auge fassen, dann sehen wir ja
zugleich, daß der Mensch, indem er sich nach dem Tode
entwickelt, zuerst in einer Welt der Visionen lebt. Was der
Mensch geistig-seelisch ist, lernt er später erkennen.
Dann kommen die Wesen von außen, die, wie das goldene
Morgensonnenlicht die Dinge der Außenwelt beleuchtet, nun
uns beleuchten; so leben wir uns hinauf, so dringt die geistige
Welt auf uns ein. Dieses Sich-Hineinleben in die geistige Welt
von außen, das tritt zuerst dann hervor, wenn das
sozusagen ganz reif geworden ist, was wir selber sind in
unserer visionären Welt, wenn wir als Mensch
entgegentreten den Wesen der geistigen Welt, die von allen
Seiten wie Strahlen an uns herankommen.
Versetzen Sie sich jetzt einmal in die geistige Welt, wie wenn
Sie zuschauen könnten. Da kommt der Mensch als eine
Visionswolke hinauf, da ist er so recht, was er eigentlich ist.
Dann kommen die Wesen an ihn heran und beleuchten ihn von
außen. Die Rose, im Dunkel sehen Sie sie nicht; wenn wir
das Licht anzünden, fällt das Licht auf die Rose,
darum sehen wir die Rose, wie sie ist. So ist es, wenn der
Mensch sich hinausbegibt in die geistige Welt: es kommt das
Licht der geistigen Wesen an ihn heran. Aber es gibt einen
Moment, wo der Mensch gar deutlich sichtbar ist, wo er
beschienen wird vom Lichte der Hierarchien, so daß er
eigentlich zurückstrahlt die ganze Außenwelt, und da
erscheint der ganze Kosmos eigentlich vom Menschen
zurückgestrahlt. Sie können sich also vorstellen:
Erst leben Sie weiter als eine Wolke, die nicht genug
beleuchtet ist, dann strahlen Sie das Licht des Kosmos
zurück und dann lösen Sie sich auf. Einen solchen
Moment gibt es, wo der Mensch das kosmische Licht
zurückstrahlt. Bis dahin kann man sich erheben.
Dante sagt in seiner «Divina Commedia»,
daß man in einem gewissen Teile der geistigen Welt Gott
als Mensch sieht. Diese Stelle ist real gemeint, sie ist anders
gar nicht verständlich. Man kann sie als eine schöne
Sache hinnehmen, wie es die Ästheten tun, aber im inneren
Gehalt kann man sie nicht verstehen. Das ist wieder solch ein
Fall, wo wir die geistige Welt gespiegelt sehen in den Werken
der Künstler; so auch namentlich in den Werken der
großen Tonkünstler der letzten Zeit, bei
Beethoven, Wagner, Bruckner. Da wird es einem so gehen,
wie es mir vor einigen Tagen gegangen ist, wo ich mich
eigentlich gewehrt habe gegen eine Erkenntnis, weil sie zu
frappierend ist. Es gibt in Florenz die Mediceer-Kapelle, wo
Michelangelo die zwei Denkmäler der Mediceer
geschaffen hat und vier allegorische Figuren, «Tag und
Nacht, Morgenund Abenddämmerung». Man redet leicht
von frostiger Allegorie; aber wenn man sich die vier Figuren
ansieht, so erscheinen sie doch als etwas anderes denn als
frostige Allegorien. Da ist eine Figur, die «Nacht».
Sehen Sie, daß es mit der Forschung auf diesem Gebiete
nicht besonders gut steht, hat sich mir deshalb schon gezeigt,
daß überall gefunden wird, daß von den beiden
Mediceer-Denkmälern von Lorenzo und Giuliano, Lorenzo
derjenige ist, der für den Sinnenden gehalten wird. Nun
hat sich mir vom okkulten Standpunkte gezeigt, daß das
gerade umgekehrt ist, denn derjenige, den die Historiker als
Lorenzo ansprechen, ist der Giuliano und umgekehrt. Das wird
sich auch historisch beweisen lassen aus dem Charakter der
beiden Persönlichkeiten. Die Denkmäler stehen auf
Postamenten, es wird eben im Laufe der Zeiten wahrscheinlich
eine Verwechslung stattgefunden haben. Das wollte ich nicht
eigentlich sagen, ich wollte nur bemerken, daß da die
Dinge in der äußeren Forschung etwas hapern. An einer
der Figuren, an der, die als «Nacht» bezeichnet wird,
kann man gerade recht künstlerische Studien machen, wie
die Gebärden sind, wie die Stellung ist des ruhenden
Körpers, das Haupt in die Hand gestützt, der Arm auf
das Bein, wie dies gestellt ist — wenn man das also alles
künstlerisch studiert, kann man das Ganze dann so
zusammenfassen, daß man sagt: Wenn der Ätherleib ganz
besonders tätig ist im Menschen und wenn das dargestellt
werden sollte, so müßte es in dieser Weise
dargestellt werden; so drückt sich das in der
Gebärde, in der Äußerlichkeit aus, wenn der
Mensch ruht. Wenn der Mensch schläft, ist der
ätherische Leib am meisten tätig. Die angemessenste
Stellung hat Michelangelo in der «Nacht» geschaffen.
Wie die Gestalt daliegt, ist das der wirksame Ausdruck für
den tätigen Ätherleib, den Lebensleib.
Wenn man zum «Tag» übergeht, der auf der anderen
Seite liegt, ist das der angemessenste Ausdruck für das
Ich; die Gestalt der «Morgendämmerung» für
den Astralleib, die des «Abends» für den
physischen Leib. Das sind keine Allegorien, sondern das sind
aus dem Leben heraus gewonnene Wahrheiten, mit einer ungeheuer
künstlerisch bedeutsamen Tiefe da verewigt. Ich habe mich
gewehrt gegen diese Erkenntnis, aber je genauer ich studiert
habe, desto klarer ist es geworden. Ich wundere mich jetzt
nicht mehr über eine Legende, die damals in Florenz
entstanden ist. Es hieß, Michelangelo habe Macht über
die «Nacht»; wenn er allein mit ihr in der Kapelle
sei, stehe sie auf und gehe herum. Wenn sie der Ausdruck ist
für den Ätherleib, ist es kein Wunder. Ich wollte
damit nur sagen, wie klar und anschaulich alles wird, wenn wir
immer mehr und mehr lernen, alles vom Standpunkte des
Okkultismus anzuschauen.
Am
meisten aber wird beigetragen zur Entwickelung des geistigen
Lebens und der Kultur, wenn der Mensch dem Menschen so
gegenübertritt, daß er voraussetzt und ahnt das
okkult Verborgene. Dann wird das rechte Verhältnis von
Mensch zu Mensch gewonnen werden, und die Liebe wird einziehen
in die menschliche Seele in der Gestalt, in der sie wirklich
echt menschlich ist, wo der Mensch dem Menschen entgegentritt
so, daß der Mensch dem Menschen ein heiliges Rätsel
ist. In diesem Verhalten kultiviert sich erst, was das richtige
Verhältnis der Menschenliebe ist.
So
wird Geisteswissenschaft dasjenige sein, was nicht stets zu
betonen braucht äußerliche Pflege von allgemeiner
Menschenliebe, sondern sie wird dasjenige sein, was diese
Menschenliebe durch die rechte und wahrhaft echte Erkenntnis im
menschlichen Seelenleben empfangen wird.
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