DIE
KOSMISCHE SEITE DES LEBENS ZWISCHEN TOD
UND
NEUER GEBURT
DER
WEG DURCH DIE STERNENSPHÄREN
Stuttgart, 17. Februar 1913
Erster Vortrag
Es
war mir in der zweiten Hälfte des vorigen Jahres
auferlegt, einige okkulte Untersuchungen zu machen über
das Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Wir haben ja schon von
verschiedenen Seiten her dasjenige, was da in Betracht kommt,
geschildert, aber eine vollständige Kenntnis, ein
wirkliches Eindringen in diesen Teil des menschlichen Lebens
ist eigentlich nur möglich, wenn man die Betrachtung von
den verschiedensten Gesichtspunkten aus anstellt. Obgleich das
alles richtig ist, was in den Schriften und Zyklen über
dieses Thema zu finden ist, so kann doch zu alldem noch
hinzugefügt werden dasjenige, was wir am heutigen Abend
und vielleicht auch übermorgen über die Sache
vorzubringen haben.
Wenn der Mensch durch die Pforte des Todes getreten ist, wenn
er also abgelegt hat seinen physischen und seinen
Ätherleib, dann ist in der ersten Zeit die Seele
namentlich hingegeben den Erinnerungen an das verflossene
Erdenleben. Wir wissen ja schon, die Seele braucht eine gewisse
Zeit, um sich, wenn man den Ausdruck gebrauchen darf, alles
dasjenige abzugewöhnen, was sie zusammenhält mit dem
letzten Erdenleben. Nun wollen wir uns dieses Herauswachsen aus
dem letzten Erdenleben einmal im Zusammenhang mit dem ganzen
Universum, mit der Welt, vorstellen.
Wenn der Mensch und das ist ja nicht nur nach dem Tode, sondern
das ist auch schon im Schlaf der Fall — seinen physischen
und Ätherleib verläßt und also nur im
astralischen Leibe lebt, was wir ja auch als das Seelische
bezeichnen können, dann tritt mit dem Menschen,
räumlich könnte man sagen, eine völlige
Erweiterung ein: eine Ausdehnung seines Wesens in die Weiten.
Jede Nacht dehnen wir uns eigentlich aus über die
Sternenweiten hin.
Nach dem Tode breitet sich der Mensch so aus, langsam und
allmählich, daß wir zu suchen haben seine — wir
können jetzt vielleicht nicht sagen: Leiblichkeit —,
sondern seine Seelenhaftigkeit im Umkreise der Erde, weit
zunächst über den Luftkreis hinaus. Immer weiter und
weiter dehnt er sich aus, bis der Mensch — so paradox es
klingt, stellt es sich doch so heraus sein Seelensein über
den ganzen Umkreis der Kugelfläche ausgedehnt hat, die
zusammenfällt am Ende mit dem Umkreis des Mondes um die
Erde. Wir wachsen so in die Größe, daß die
Grenze unseres Wesens der Umkreis des Mondes um die Erde ist.
Solange wir also in diese Größe wachsen, dauert das,
was wir als die Kamalokazeit bezeichnen können. Das ist
die Zeit des innerlichen Zusammenhanges mit dem letzten
Erdenleben.
Dann aber geht die Ausdehnung weiter. Wir erweitern uns
tatsächlich zum Sternenzelt hinaus, und es beginnt dann
die Zeit, wo der Mensch so hinauswächst, daß die
äußerste Grenze seines Seins als der Umkreis
bezeichnet werden kann, den heute astronomisch gesprochen die
Venus, okkult gesprochen der Merkur beschreibt. Nun hängt
die Art des Seins des Menschen, nachdem er die
Mondensphäre verlassen hat, davon ab, wie das Leben hier
zwischen Geburt und Tod war. Wenn wir uns hinausleben in den
Weltenraum bis zur Merkursphäre, so befinden wir uns in
ihr entweder so, daß wir leicht Zusammenschluß finden
können mit den Menschen, mit denen wir auf Erden zusammen
waren, mit denen sich unsere Seelen auf Erden zusammengefunden
haben, oder aber es kann auch das uns treffen, daß wir
schwierig solchen Zusammenschluß finden können,
daß wir gewissermaßen bei diesem Hinausleben in die
Merkursphäre zur Einsamkeit verdammt sind. Und ob wir mehr
oder weniger zur Einsamkeit oder, wenn der Ausdruck erlaubt
ist, zur Geselligkeit uns bestimmt fühlen, das hängt
davon ab, wie der Mensch das Erdenleben zugebracht hat.
Derjenige Mensch, der im Leben sich wenig darum gekümmert
hat, in seiner Seele rege zu machen moralische Empfindungen,
moralische Gesinnung, moralische Stimmung, Wohlwollen,
Mitgefühl, der Mensch, der das wenig entwickelt hat
während des Erdenlebens, der fühlt sich, indem er
sich zur Merkursphäre erweitert, nach dem Tode zur
Einsamkeit gezwungen. Und schwierig ist es ihm, andere Seelen,
mit denen er verbunden ist, zu finden. Der Mensch, der viel
Mitleid, moralische Gesinnung entwickelt hat, der lebt, sich
erweiternd zur Merkursphäre, mit anderen Seelen gesellig
zusammen. So haben wir es in der Hand, uns unser Leben beliebig
einzurichten zwischen Tod und neuer Geburt. Die
Merkursphäre, okkult gesprochen, ist also diejenige
Sphäre, in der unsere moralischen Eigenschaften zum
Ausdruck kommen. Sie ist auch diejenige, in welcher sich
wirksam erweist noch in anderer Weise, was wir an moralischen
Eigenschaften entwickelt haben.
Da
kommt zunächst noch in Betracht — gerade
während dieses Durchganges durch die Venusoder
Merkursphäre nach dem Tode —, daß nachwirkt, ob
man im Leben zwischen Geburt und Tod ein Mensch mit
Gewissenhaftigkeit oder mit Gewissenlosigkeit war. Sehen Sie,
alles, was in der Welt hier im physischen Leben geschieht, wird
dirigiert, wird verursacht zuletzt von der geistigen Welt aus.
Wir haben öfters betrachtet den naturgemäßen
Alterstod, der für den Menschen eintreten muß, weil
er dasjenige ist, was uns eigentlich treffen muß aus dem
Grunde, damit das Leben von Inkarnation zu Inkarnation in
richtiger Weise vor sich gehen kann. Aber es gibt, wie wir
wissen, nicht nur diesen in der Evolution gut begründeten
Alterstod; es gibt auch einen Tod, der den Menschen
befällt in der Blüte der Jugend, in der Kindheit
schon. Es gibt in der Welt die mannigfaltigsten Krankheiten,
Seuchen und so weiter, die in das menschliche Leben
hineintreten. Und sie werden zuletzt nicht bloß bewirkt
durch physische Ursachen, sondern sie werden bestimmt,
dirigiert von der geistigen Welt herein. Und eigentlich ist es
aus dem Gebiet der Venus, jenes Gürtels um die Erde herum,
den wir aber, okkult gesprochen, die Merkursphäre nennen
können. Das heißt, wenn wir einen Halbmesser ziehen
von der Erde bis zur Venus hin und damit einen Kreis
beschreiben — ganz abgesehen von den astronomischen
Verhältnissen —, so ist das okkult die
Merkursphäre; also einen Kreis nicht um die Sonne, sondern
um die Erde herum. Und in diesem Gürtel, in dem Raum, der
von diesem Kreis eingenommen wird, da liegen die Kräfte,
von denen dirigiert werden auf Erden Krankheiten und Tod; der
Tod, nicht soweit er eintritt als naturgemäßer
Alterstod, sondern unregelmäßig. Da sind gewisse
geistige Wesenheiten wirksam, jene Wesenheiten, die der
Okkultismus bezeichnet als die Geister von Krankheit und Tod.
Derjenige Mensch, der, okkult gesprochen, in diese
Merkursphäre eintritt so, daß er auf Erden sein
Dasein als gewissenloser Mensch zugebracht hat, der verurteilt
sich nun dazu, während er durch diese Sphäre
durchgeht, Diener zu werden dieser wir können sie schon so
nennen — bösen Geister von Krankheit und Tod. Ja,
man bekommt erst einen Begriff, einen Eindruck von dem, was
eigentlich Gewissenlosigkeit bedeutet, wenn man diese Tatsache
weiß. Gewissenlosigkeit verurteilt die Menschen dazu, eine
Zeitlang zwischen Tod und Neugeburt in der Merkursphäre in
das Joch dieser bösen Geister gebeugt zu sein. Und wenn
die Kräfte entwickelt werden, die aus dem Umkreis
hereingeschickt werden auf die Erde, damit Seuchen, Krankheiten
eintreten, damit der Tod zur Unzeit eintritt, dann müssen
diese gewissenlosen Seelen mitarbeiten als Diener dieser
Geister von Krankheit und Tod, welche diese Kräfte in
unsere physische Welt hereinschicken.
Etwas anderes ist es, wenn da nachwirkt bis in diese
Sphäre hinauf das, was sehr verbreitet ist auf Erden:
Bequemlichkeit. Unser Leben steht eigentlich ganz im Zeichen
der Bequemlichkeit. Unzähliges würden die Menschen
anders machen, wenn sie nicht bequem wären. Auch durch die
Bequemlichkeit verurteilt sich der Mensch dazu, in der
Sphäre, die eben besprochen worden ist, Diener zu werden
eine Zeitlang jener Mächte, welche dem Ahriman
unterstehen, welche man bezeichnen kann als die Mächte der
Hindernisse, also jener Geister, die das Arbeiten auf Erden
behindern. Diener der Geister der Hindernisse werden wir
für eine bestimmte, mehr oder weniger lange Zeit durch
alles, was wir in unsere Seele eingegossen haben durch
Bequemlichkeit. So bekommen wir einen Begriff, wie hineinwirken
in das Leben zwischen Tod und Neugeburt die Kräfte, die
wir hier im physischen Leben in der Seele ausgebildet
haben.
Die
nächste Sphäre, zu der sich die Seele erweitert,
bezeichnet man okkult als Venus-Sphäre, astronomisch als
Merkursphäre. Zu ihr bereiten wir uns vor durch
religiöse Eigenschaften, religiöse Gesinnung. Ein
Mensch, der in sich entwickelt hat in der Zeit zwischen Geburt
und Tod eine solche Gesinnung, durch die seine Seele hinblickt
nach den geistigen Urmächten und Urkräften der Welt,
der kann ein geselliges Wesen sein in der Venus-Sphäre, so
daß er zusammenlebt mit anderen Menschen, mit denen seine
Seele sich verwandt gemacht hat auf Erden. Aber auch andere
Geister der höheren Hierarchien treten von da ab in die
menschliche Sphäre ein, und der Mensch lebt da mit
Geistern der höheren Hierarchien zusammen, wenn er
religiöse Gesinnung, religiöse Empfindung,
religiöses Gefühl entwickelt hat. Dagegen verurteilt
er sich zur Einsamkeit, zur Abgeschlossenheit, zu
quälender Einsamkeit, wenn er seine Seele nicht in
Verbindung gebracht hat hier auf Erden mit Impulsen des
religiösen Lebens. Wenn er Atheist gewesen ist hier auf
Erden, dann wird er ein völlig Einsamer von der
Sphäre ab, von der gesprochen worden ist. Und sagen
muß man schon, daß zu völliger Einsamkeit sich
verdammen die Menschen, die heute geradezu großziehen die
Religionslosigkeit. Die Leute, die sich im Monistenbund zum
Beispiel zusammenziehen, versperren sich die innere
Bewegungsfreiheit, und weil sie sich hier unter dieser Fahne
zusammengefunden haben, verurteilen sie sich in jener
Sphäre dazu, jeder in seinem eigenen Käfig zu sitzen;
jeder wird getrennt sein von dem ändern.
Die
nächste Sphäre, in die wir eintreten, ist die
Sonnensphäre. Wiederum sind die Verhältnisse anders,
als sie für die physische Astronomie sind. Wir bekommen
diese Sphäre, wenn wir die Erde mit der Sonne verbinden
und einen Kreis beschreiben mit dieser Verbindungslinie um die
Erde herum. (Es wird gezeichnet.) Geistig sind die
Verhältnisse eben anders als im Physischen. Wir
verbreitern uns bis zu dieser Sphäre hinaus, nachdem wir
die Venus-Sphäre durchlaufen haben. Für diese
Sphäre bereitet uns vor nicht mehr dasjenige, was uns
für die Venus-Sphäre vorbereitet hat. Für die
Venus-Sphäre können wir so vorbereitet sein, daß
wir den Zusammenschluß finden mit all denjenigen
menschlichen Seelen, welchen wir religiös nahegestanden
haben im Leben zwischen Geburt und Tod. In der
Venus-Sphäre sind die Menschen gleichsam abgeschlossen in
Bezirke, wie diejenigen Bezirke sind, in welchen auf Erden die
Völker, die Rassen verbunden sind. So sind in der
Venus-Sphäre Bezirke, in denen diejenigen sich
zusammenfinden, welche verwandt sind in ihrem religiösen
Empfinden. Das genügt aber nicht mehr für die
Sonnensphäre. In der Sonnensphäre fühlt man sich
einsam, wenn man auf Erden nur vorbereitet war für eine
gewisse Art von religiösem Empfinden in der Seele. In der
Sonnensphäre ist man ein geselliges Wesen nur, wenn man im
besten Sinne des Wortes Verständnis herausgebildet hat
für jedes religiöse Empfinden, wenn man
gewissermaßen die tiefere Toleranz entwickelt hat für
alle Religionssysteme der Erde. Bis in unsere Zeit war seit dem
Mysterium von Golgatha das äußere christliche
Religionsbekenntnis gewissermaßen ausreichend; denn dieses
christliche Religionsbekenntnis enthält in gewisser Weise
doch ein über ein beschränktes Religionssystem weiter
hinausgehendes Verständnis in ganz anderer Art als andere
Religionssysteme. Man kann sich wirklich davon leicht
überzeugen. Viele andere Religionssysteme sind noch auf
gewisse Bezirke der Erde beschränkt, und man kann, wenn
man nur sehen will, sehr leicht sehen, wie der Bekenner der
HinduReligion, des Buddhismus und so weiter schon sprechen wird
von einer Gleichberechtigung aller Religionen und
Religionsweisheit im allgemeinen, aber wenn man tiefer eingeht
auf das, was er meint, so findet man, daß er nur seine
eigene Religion meint. Er verlangt im Grunde genommen von den
anderen Menschen, daß sie seine eigene Religion
anerkennen. Das nennt er dann Gleichberechtigung der
Religionen. Versuchen Sie, theosophische Zeitschriften zu
lesen, welche dem Gebiete Indiens entstammen. Da wird das, was
die Inder sagen, als die allgemeine Weltreligion ausgegeben und
von denjenigen, die das nicht anerkennen, wird gesagt, daß
sie keine redlichen Theosophen seien. Das Urchristentum ist von
Anfang an nicht auf diesen Ton gestimmt, besonders da, wo es
abendländische Religion geworden ist. Würde es im
Abendland so sein, wie es in Indien ist, so hätten wir
heute eine Wotan-Religion; das würde dann sein, was zum
Beispiel für den Orient die HinduReligion ist. Das
Abendland hat aber nicht die aus ihm herausgewachsene Religion
genommen, sondern von vornherein die Religion eines Stifters,
der außerhalb des Abendlandes gelebt hat, des Christus
Jesus. Unegoistisch hat das Abendland eine Religion in sein
Wesen aufgenommen. Das ist ein prinzipieller Unterschied. Und
es liegt im Grunde genommen die wahre Toleranz gegenüber
jedem Religionssystem im Wesen des Christentums, wenn auch
dieses Wesen vielleicht von abendländischen Christen
schlecht verstanden worden ist.
Eigentlich ist für den Christen jeder ein Christ, wie er
sich auch sonst benennen mag. Und es ist nur eine
Engherzigkeit, wenn man christliche Dogmen überall
verbreiten will. Weitherzigkeit ist etwas ganz anderes. Wenn
man den Hindu, den Chinesen, den Buddhisten betrachtet, wenn
man auf die tieferen Elemente seines Wesens eingeht, so wird
man überall die Anfänge des Christentums finden, wird
herausheben aus dem, was er selbst denkt, dasjenige, was die
Ansätze des Christentums sind, ohne daß man den Namen
des Christus zu nennen braucht. Aber dieses engere Christentum
ist doch eigentlich, wie es heute den Menschen zwischen Geburt
und Tod gegeben wird, nur eine Vorbereitung für die
Sonnensphäre nach dem Tode. Da ist noch etwas anderes
notwendig für diese Sonnensphäre: dasjenige ist
notwendig, was wir im richtigen, wahren Sinne als Theosophie
bezeichnen. Sie gibt uns jenes innere Verständnis für
alle Religionssysteme der Erde, für das Wesen aller
Religionssysteme der Erde. Wenn wir uns dieses Verständnis
aneignen hier auf Erden, dann bereiten wir uns in rechter Weise
für die Sonnensphäre vor. Dieses Verständnis
für die verschiedenen Religionen und für das
Mysterium von Golgatha, für den ChristusImpuls,
müssen wir haben, wenn wir nicht Einsiedler werden sollen
gegenüber ändern Menschenseelen und gegenüber
den Geistern der höheren Hierarchien in der
Sonnensphäre zwischen Tod und neuer Geburt.
Wenn wir zwischen Tod und neuer Geburt in die Sonnensphäre
hineinkommen, dann finden wir da zweierlei. Das erste, was wir
finden, ist etwas, was wir nur bildlich ausdrücken
können: wir finden einen leeren Thron, einen leeren
Weltenthron. Und dasjenige, was wir suchen können auf
diesem leeren Weltenthron, das können wir nur finden in
den Bildern der Akasha-Chronik. Auf diesem Thron, den wir da
leer finden, wenn wir die Zeit zwischen Tod und neuer Geburt
durchleben, hat einstmals innerhalb der Sonnensphäre der
Christus gesessen. Er hat sich verbreitet bis in die
Erdensphäre hinein durch das Mysterium von Golgatha, und
seit jener Zeit müssen die Erdenbewohner hier auf Erden
sich ein Verständnis für den Christus-Impuls aneignen
können und diesen Impuls gedächtnismäßig
behalten: dann können sie erkennen das Bild, das in der
Akasha-Chronik erscheint, wenn sie sich hineinleben in diese
Sonnensphäre. Wer hier auf Erden sich nicht dieses
Verständnis errungen hat, der erkennt nicht, wer da
einstmals auf diesem Thron gesessen hat und was jetzt nur noch
im Bild vorhanden ist, und er kann sich nicht zurechtfinden im
Leben innerhalb der Sonnensphäre zwischen Tod und neuer
Geburt. Da sehen wir, wie es Erdenmission der Menschenseelen
ist, hier sich den Zusammenhang mit dem Mysterium von Golgatha
zu suchen, wie wir ihn suchen innerhalb unserer spirituellen
Bewegung. Dadurch behalten wir die Erinnerung zwischen Tod und
neuer Geburt von dem ChristusImpuls und werden innerhalb der
Sonnensphäre kein Einsiedlerwesen, sondern ein geselliges
Wesen durch die Kräfte, die wir mitgenommen haben; so
daß wir dann gleichsam durch unsere eigene, mitgebrachte
Kraft das Bild beleben das nur noch als Bild in der
Sonnensphäre ist — von dem Christus. Und wir
müssen uns so viel Kraft von der Erdenzeit mitnehmen,
daß diese Kraft uns auch für die folgende Zeit bleibt
und nicht verlorengehen kann.
Aber ein Zweites finden wir noch in dieser Sonnensphäre,
einen zweiten Thron, und der ist jetzt eingenommen von einer
realen Wesenheit, von Luzifer. Und so fühlen wir uns
zwischen Tod und neuer Geburt, wenn wir die Sonnensphäre
erreicht haben, wie es eben beschrieben worden ist, auf der
einen Seite dem Christus, auf der ändern Seite dem Luzifer
gegenüber. Würden wir den ChristusImpuls nicht in uns
aufgenommen haben, so müßte Luzifer allein unser
Führer werden. Haben wir aber aufgenommen den
ChristusImpuls, so stehen wir auf der weiten Reise durch das
Weltall unter der Führung auf der einen Seite des
Christus-Impulses, auf der ändern Seite des Luzifer; denn
diesen brauchen wir auch für die folgenden Zeiten. Wir
brauchen auch Luzifer, denn er führt uns jetzt in der
richtigen Weise durch die anderen Weltensphären hindurch,
zunächst bis zur Mars-Sphäre hin.
Das
ist die nächste Sphäre, zu der wir uns erweitern
zwischen Tod und neuer Geburt. Damit uns Luzifer in solcher
Weise führen kann, wie es für uns Menschen angemessen
ist, müssen wir den Christus-Impuls als Gegengewicht
haben; dann ist der LuziferImpuls für uns heilsam; sonst
ist er ein Schlechtes für uns. Noch etwas anderes ist
notwendig geworden: In der Mars-Sphäre müssen wir die
Möglichkeit haben, mit unserm ganzen Wesen Rechnung zu
tragen gewissen Veränderungen, die auf dem Mars im Laufe
der letzten Jahrhunderte sich zugetragen haben. Diese
Veränderungen sind etwa in folgender Weise zu schildern.
Durch gewisse Kräfte stehen alle einzelnen
Weltenkörper in Verbindung miteinander; mit der Erde
stehen in Verbindung die anderen Weltenkörper. Von ihnen
strahlen die Kräfte aus. Von dem Mars und seiner
Sphäre strahlt in der Tat nicht nur die Lichtwirkung aus,
die auf die Erde kommt, sondern es strahlen auch geistige
Kräfte aus. Wenn wir in ältere Jahrhunderte
zurückgehen, finden wir, daß vom Mars ausgestrahlt
sind diejenigen Kräfte, welche die Menschen enthusiasmiert
haben zu dem, was die Menschen in älteren Zeiten
brauchten: physische Kräfte, um die Menschheitsevolution
zu fördern. Es ist nicht bloß ein Mythus, sondern
eine okkulte Wahrheit, daß dasjenige, was als kriegerische
Kraft und kriegerische Verwicklung sich in der Welt entwickelt
hat, was die Menschen tatkräftig, mutig gemacht hat durch
Jahrhunderte und Jahrtausende, von der Einströmung der
Marskräfte herrührt. Aber es ist im Leben eines
Planeten so, daß seine Kräfte eine aufsteigende und
eine absteigende Entwickelung durchmachen. Und der Mars hat in
den letzten Jahrhunderten seine Aufgabe in gewisser Weise
geändert. Was jetzt noch an kriegerischen Kräften
entwickelt wird, das ist abflutendes kriegerisches Leben der
früheren Jahrhunderte; neues strömt nicht mehr an
befeuernden Kräften des Mars ein. Denn an der Wende des
sechzehnten zum siebzehnten Jahrhundert, da war der Mars an
einem entscheidenden Punkt angelangt, an einem Punkte, der sich
im Mars-Sein nur vergleichen läßt mit der Zeit, da
die Erde an einem entscheidenden Punkte angekommen ist zur Zeit
des Mysteriums von Golgatha. Es ist etwas ungeheuer
Bedeutsames, was wir hier berühren. Mars ging durch einen
entscheidenden Punkt. Das wußte man innerhalb der
Erdenmysterien, da wo für die großen geistigen
Angelegenheiten des Erdenseins die Entscheidung getroffen wird.
Nämlich seit dem zwölften Jahrhundert sind die
entscheidenden Vorbereitungen getroffen worden innerhalb der
Mysterienentwickelung der Erde, um der Veränderung der
Mars-Sphäre Rechnung zu tragen. Die Kräfte, die der
Mars aussenden sollte, um Mut und Tatkraft auf die Erde zu
bringen, waren vorbei für den Mars: sie sollten nicht mehr
auf die Erde hereindringen. Damit aber, daß der Mars eine
solche Krisis durchgemacht hat, verändert sich auch
für die Seelen, die da leben zwischen Tod und neuer
Geburt, dasjenige, was sie durchzumachen hätten in der
Mars-Sphäre nach dem Tode. Wenn der Mensch nämlich
über die Sonnensphäre hinauskommt, strahlen in sein
Seelensein Kräfte ein, die schon für die nächste
Inkarnation Bedeutung haben. Die Seele, die in den alten
Zeiten, vor dem siebzehnten Jahrhundert durch die
Mars-Sphäre durchgegangen war, die kam mit jenen
Kräften in Berührung, die sie mit Mut und Tatkraft
durchdrangen. Luzifer war der Führer zu den Quellen
für Mut und Tatkraft. Aber die Seelen, die in
späterer Zeit ankamen, konnten das Charakteristische nicht
mehr finden: Mars ging da durch seine Krisis. Da wo innerhalb
der Mysterien die großen spirituellen Entscheidungen
getroffen werden, da rechnet man nicht bloß mit dem
Menschenleben zwischen Geburt und Tod, sondern auch mit seinem
Heil und Unheil zwischen Tod und neuer Geburt; das heißt,
man sieht in den Mysterien darauf, daß der geistigen
Kultur der Menschheit diejenigen Dinge eingefügt werden,
die bewirken, daß die Seelen nach dem Tode die
verschiedenen Sphären richtig durchmachen können.
Wenn wir begreifen wollen, um was es sich hier in der
MarsSphäre handelt, müssen wir folgendes betrachten.
Es tritt eine große, entscheidende Sache vom zwölften
Jahrhundert ab an die rosenkreuzerischen Mysterien heran
dadurch, daß man sich folgendes sagen mußte. Es
kommen für die Erdentwickelung ganz besondere Zeiten, die
Zeiten der äußeren materiellen Kultur, der
äußeren materiellen Triumphe. Gegen diese kann man
sich zwar nicht wenden; obwohl sie nichts Geistiges bringen,
muß man sie notwendig haben, diese Zeit der Maschinen,
Luftschiffe und so weiter, aber sie bringen eine Art von
Seelentod. Man kann sich nicht dagegen wenden, der Mensch
muß sich da hineinleben. — Das materialistische
Zeitalter mußte kommen; nur war es immer die Anstrengung
höherer geistiger Wesenheiten, ein Gegengewicht zu
schaffen gegen dieses materialistische Zeitalter. Wenn wir
alles das betrachten, was in der Erdentwickelung als ein
Gegengewicht zutage getreten ist gegen den Materialismus, haben
wir die letzte, bedeutsamste Erscheinung in Franz von
Assisi; jenem Franz von Assisi, der sich in seinem
Franz-von-Assisi-Sein abwandte von allem äußeren
Leben, der jenes Ihnen ja bekannte Dasein führte in
Assisi, das so wunderbar von Giotto an die Wände
der Kirche von Assisi gemalt ist, so daß heute, wo diese
Gemälde schon so vielfach übermalt sind, uns das
Leben doch noch so ergreifend von den Wänden
herunterstrahlt. Und obzwar auch er eine Entwickelung nach dem
Materialismus hin durchgemacht hat, so muß man doch sagen:
es ist noch verbreitet in der Gegend um den Ort von Assisi
herum die spirituelle Atmosphäre des Franziskus, jene
Atmosphäre, die in sich aufgenommen hat die Elemente eines
zwar weltfremden, aber seelenvertrauten Lebens nicht nur der
Menschenseele, sondern vertraut der Seele der Natur. Sie
können in dem Zyklus über «Der Mensch im Lichte
von Okkultismus, Theosophie und Philosophie» jene
wunderbare Dichtung nachlesen, in der Franz von Assisi das
ausströmte, was er empfand gegenüber der Seele der
Natur und der Naturwesen. Man kann sagen, schönere
Töne hat kein Dichter, so schöne Töne über
das Naturdasein vielleicht nur Goethe wiedergefunden. Woher kam
das alles? Das kam alles davon, daß Franz von Assisi in
seiner vorhergehenden Inkarnation, im siebenten, achten
Jahrhundert in einer Mysterienschule, die in der Nähe des
Schwarzen Meeres war, ein Schüler war einer
Individualität, die nicht mehr in einer Inkarnation im
physischen Leibe verkörpert war.
Es
ist das eine merkwürdige Sache. Franz von Assisi hatte in
seiner unmittelbar vorhergehenden Inkarnation in einer
Mysterienstätte gelebt, war mit anderen Schülern
zusammen Schüler einer Wesenheit, die nur noch im
Geistesleib unter den Schülern, zu denen auch Franz von
Assisi gehörte, dazumal wirkte. Und dies war kein anderer
als der Buddha, von dem wir wissen, daß er als Gautama
Buddha zum letzten Mal verkörpert war. Er wirkte dennoch
weiter im geistigen Leibe. Wir wissen, daß er noch als
geistige Wesenheit der Geburt des Jesusknaben des
Lukas-Evangeliums beigewohnt hat. Er hat weiter gewirkt in der
Schule, in der Franz von Assisi in seiner vorhergehenden
Inkarnation gelebt hat. Da hat dieser die Impulse seines
seelenvertrauten Lebens aufgenommen, jenes Lebens, das die
Menschen wegführen sollte von all dem, was gerade auf der
Erde sich weiter verbreiten sollte, hinwegführen sollte
von dem rein materiellen Leben. Und das ist in Franz von Assisi
geblieben, das sehen wir nachwirken in der
Franz-von-Assisi-Inkarnation. Aber es konnte nicht so kommen,
daß auf der Erde in dem Zeitalter, das schon einmal die
materialistische Mission hatte, viele Seelen sich etwa einer
Franz-von-Assisi-Gemeinschaft anschlössen. Diejenigen
konnten es nicht tun, die mit der Zeit fortzuschreiten hatten.
So war gewissermaßen ein Zwiespalt geschaffen. Es konnte
nicht kommen, daß auf der einen Seite nur
äußere, materielle Kultur war, auf der anderen Seite
Bekenner des Franz von Assisi. So groß und gewaltig Franz
von Assisi ist, so wenig konnte das für die späteren
Zeiten taugen, was er als Regeln gegeben hatte. Wie konnte es
nur kommen? Was mußte über die Erde kommen?
Das
setzte man in bedeutsamen Perspektiven fest in den
Rosenkreuzermysterien seit dem zwölften Jahrhundert. Man
sagte sich: Der Mensch wird mit dem Erdenleib arbeiten
müssen, wird sich hineinleben müssen
äußerlich zwischen Geburt und Tod in das materielle
Dasein, und er wird mitgehen müssen mit den Triumphen
dieses materiellen Daseins. Aber die Möglichkeit muß
geschaffen werden für jede Seele, die sich hineinlebt,
sich befreundet mit dem materiellen Dasein, mit einem Teil
ihres Wesens gleichsam Verständnis für das innerliche
Erlebnis zu haben dessen, was im Franz-vonAssisitum liegt.
— Darin besteht ja das Wesen des Fortschrittes der Seelen
auf Erden, daß diese Seelen gleichsam zwei Naturen
erhalten müssen, immer mehr, je weiter sie der Zukunft
entgegengehen; daß wir mit unseren Seelengliedern die
Impulse des Erdendaseins ergreifen und uns damit befreunden
können; daß wir aber in uns auch Augenblicke und
Stunden entwickeln müssen, in denen wir einsam hingegeben
sein können dem Leben der Seele selber. Während wir
weltfreundlicher und weltvertrauter werden, müssen wir
zugleich Stunden haben, in denen wir seelenvertraut werden
können. Während wir auf der einen Seite dem Edison
nachfolgen, müssen wir auf der ändern Seite ganz
still im Innern Schüler des Franz von Assisi oder seines
großen Lehrers, des Buddha, werden können. Das
muß jede Seele, wenn sie auch hineingestoßen ist ins
materielle Leben, so fühlen können. Und darauf
mußte vorbereitet werden in den Rosenkreuzermysterien.
Christian Rosenkreutz hatte die Aufgabe, dafür
vorzusorgen.
Wie
kann das geschehen? Dadurch nur, daß eine gewisse Zeit des
Lebens zwischen Tod und neuer Geburt für die Seele in
einer ganz bestimmten Weise angewendet werden kann. Da sagte
man sich in den Rosenkreuzermysterien: Der Mars verliert
sozusagen seine alte Aufgabe; geben wir ihm eine neue. Mit dem
Beginn des siebzehnten Jahrhunderts, um die Wende des
sechzehnten zum siebzehnten Jahrhundert, wurde abgesandt der
Buddha, der ohnedies seine letzte Erdeninkarnation durchgemacht
hatte, nach dem Mars, nach der Mars-Sphäre, und man kann
sagen, indem man ganz richtig spricht: In jenem Zeitpunkt hat
für den Mars der Buddha etwas Ähnliches vollbracht,
wie — nur in einem größeren Maßstab
— der Christus auf Erden im Mysterium von Golgatha
vollbracht hat. Dasjenige, was vom Mars immer ausgegangen ist
und was in seiner Wesenheit lag, hat dazumal der Buddha durch
sein Opfer umgewandelt. Er hat die ganze Natur und Wesenheit
des Mars umgewandelt. Für den Mars ist der Buddha der
große Erlöser geworden. Es war ein Opfer für
ihn. Sie brauchen sich nur zu erinnern, wie der Buddha
aufgestiegen ist zu der Lehre, der Botschaft vom großen
Frieden, vom harmonischen Dasein. Er wurde jetzt hinausversetzt
in die planetarische Sphäre, aus der die Kraft des
Aggressiven hervorgegangen ist. Er, der Friedensfürst,
kreuzigte sich gleichsam, wenn auch nicht durch das Mysterium
von Golgatha. So wird etwas anderes in die Mars-Sphäre
gebracht: der Mars wird von der Wesenheit des Buddha
durchdrungen. Wie auf Erden die Substanz des Christus
ausgeflossen ist von dem Mysterium von Golgatha, so strömt
aus auf die Mars-Sphäre die Friedenssubstanz des Buddha
und ist seitdem in der Mars-Sphäre.
So
wurde innerhalb des Rosenkreuzermysteriums gesprochen. Durch
die Aussendung des Buddha konnten die Menschenseelen zwischen
Tod und neuer Geburt eine Zeitlang in der Sphäre des Mars
leben, nachdem sie in der Sonnensphäre sich eingefunden
hatten und bis dahin den Christus-Impuls getragen haben.
Nachdem die Seele dorthin eingetreten ist durch das richtige
Durchdrungensein von dem Christus-Impuls und durch die
Führung des Luzifer, kommt die Seele weiter hinaus in die
Mars-Sphäre, und gerade in unserer Zeit tritt in der
Mars-Sphäre dasjenige ein, was früher nicht hat
eintreten können: es werden die Seelen durchdrungen von
dem, was auf Erden nicht mehr erfolgen kann, durchdrungen von
dem Buddha—Franz-von-Assisi-Element. Zwischen Tod und
neuer Geburt kann jede Seele das durchmachen, wenn sie in
entsprechender Weise vorbereitet ist, was wie in einem letzten
Aufschwung im Seelenleben des Franz von Assisi sich ausgelebt
hat auf Erden, was aber seither auf Erden nicht mehr eine
rechte Heimat haben kann. Indem die Menschenseele die
Sphäre des Buddha in dem Leben zwischen Tod und neuer
Geburt auf dem Mars durchmacht, kann sie daselbst die Kraft
aufnehmen, die sie zu dem befähigen wird, was eben gesagt
worden ist: daß sie später durch eine neue Geburt in
ein rein materielles Dasein treten kann, hineingeworfen sein
kann in ein Erdendasein, welches immer materialistischer sein
wird, aber dennoch Kräfte entwickeln kann mit einem
ändern Teil des Seelenwesens, um hingegeben zu sein der
geistig-seelischen Welt. So liegt es mit den Geheimnissen, die
sich verbergen zwischen Tod und neuer Geburt.
Dann verbreiten wir uns immer mehr und mehr in die
Sternenweiten hinaus zu Jupiter, Saturn und noch weiter hinaus.
Was jetzt geschildert worden ist, das geht eigentlich nur mit
den fortgeschrittensten Seelen vor sich. Seelen, welche sich
nicht die Bedingungen jetzt erworben haben, sondern sie erst
später erwerben werden, solche Seelen verbinden sich in
dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt nur mit den der Erde zu
allernächst gelegenen Sphären. Die anderen
Sphären machen sie auch durch, aber in einem gewissen
schlafähnlichen, unbewußten Zustand. In den
äußeren Sphären, in den Sphären
außerhalb der Sonne, werden die Kräfte gesammelt, die
der Mensch aufnehmen muß, damit er wieder arbeiten kann,
indem er einer neuen Geburt zuschreitet, mitarbeiten kann am
Aufbau eines neuen Leibes. Das was im Menschen ist, ist nicht
bloß auf der Erde in ihn hereingekommen. Es ist die
größte Kurzsichtigkeit, wenn die Materialisten
glauben, daß der Mensch ein Geschöpf der Erde sei.
Wenn der Mensch sich so aufbaut mit den Kräften, die er
mitbekommt, auferbaut im umfänglichsten Sinne, so sind in
diesen Kräften des Aufbaues kosmische Kräfte, die der
Mensch sich erst holen mußte. Indem er zwischen Tod und
neuer Geburt sich erweitert bis zur Sonnensphäre, hat er
immer noch zu tun mit den Kräften, die aus dem vorherigen
Leben nachwirken. Die Kräfte, die er braucht, um das in
die Erdensphäre hineinzuarbeiten, was seinen physischen
Leib vom Umkreis her konstruieren kann, das muß er aus den
Kräften holen, die außerhalb der Sonnensphäre an
ihn herantreten. Der Mensch muß sich wirklich zum Kosmos
erweitern zwischen Tod und neuer Geburt, er muß mit dem
Kosmos leben; denn auf Erden allein sind nicht die Kräfte
da, welche den Menschen wirklich zustande bringen können.
Aus dem Menschenkeim, der da entsteht durch das Zusammenwirken
der beiden Geschlechter, würde niemals ein neuer Mensch
entstehen können, wenn nicht folgendes geschehen
würde.
Da
ist dieser kleine Menschenkeim. Mit diesem Menschenkeim
verbindet sich etwas ungeheuer Großes und Bedeutsames,
etwas, was sich zuerst verbreitet hat in geheimnisvoller Weise
in unendlichen Weltenweiten und was sich dann wieder
zusammenzog. Nachdem der Mensch sich verbreitet hat bis zur
Sternensphäre hin, beginnt er sich wieder
zusammenzuziehen. Er geht durch die Saturn-, Jupiter-, Mars-,
Sonnen-, Venus-, Merkur-, Mondsphäre durch, wird immer
kleiner und kleiner. Und indem er kleiner wird, hat er in sich
hereingenommen die geistigen Kräfte des Kosmos. Und immer
kleiner und kleiner wird er. Und das, was da zuletzt
komprimiert wird, zusammengedrückt wird als kleine
geistige Kugel, das ist eben aus einer ungeheuren
Verdünnung zusammengedrückt. Und dieses verbindet
sich jetzt mit der physischen Kugel, die die Keimzelle ist, und
befruchtet sie von den geistigen Reichen herein. So sehen wir,
wie der Mensch durch die Geburt ins Dasein tritt.
Nachdem er durch den letzten Tod ging, verbreitete er sich in
Weltenfernen hinaus, wurde gleichsam eine Riesenkugel. Geistig
war er mit den geistigen Wesenheiten und Tatsachen zusammen;
dann komprimiert er sich wiederum, wird immer kleiner und
kleiner, bis der Zeitpunkt gekommen ist, wo er sich durch die
ihm innewohnenden Kräfte mit der physischen Materie
verbindet. Was mit der menschlichen Keimzelle zusammen einen
menschlichen Leib gestaltet, das ist aus dem Kosmos
hereingeholt. Aus dieser menschlichen Keimzelle, auch wenn sie
befruchtet ist, könnte, was okkult untersucht werden kann,
nichts entstehen, das lebensfähig ist auf Erden, wenn sich
nicht mit ihr diese zusammengepreßte GeistKugel verbinden
könnte. Und was würde nur aus der Menschenkeimzelle
entstehen? Aus dieser könnte nur die Anlage für die
Sinne und das Nervensystem entstehen, aber nichts, was
lebensfähig ist. Die Sinne, das Nervensystem, zu ihnen
kann die Erde die Kräfte hergeben. Dasjenige, was um sie
herum gegliedert wird, das muß hereingeholt werden aus dem
Kosmos. Und erst wenn einmal eine neue Wissenschaft begreifen
wird die Vorgänge in der menschlichen Keimzelle nach
Anleitung dieser okkulten Erkenntnis, wird dasjenige
begreiflich sein, was jetzt einem klar denkenden Menschen in
keiner naturwissenschaftlichen Darstellung verständlich
sein kann. Ob Sie die geistvollen Auseinandersetzungen
darüber bei Haeckel lesen oder andere, Sie werden
überall finden, daß die Dinge nicht aus sich selbst
heraus verständlich sind. Was man eben nicht weiß,
das ist, daß sich ein Drittes mit dem verbindet, was von
Vater und Mutter kommt. Das dritte kommt herein aus dem
Kosmos.
Eigentlich weiß nur, oder heute kann man sagen, wußte
nur eine gewisse Menschenklasse von diesem Geheimnis, aber das
hört jetzt immer mehr und mehr auf. Die Kinder und ihre
Ammen und Erzieher, bei ihnen kommt oder kam es wenigstens zur
Sprache, wenn sie davon erzählten, daß der Storch
oder andere Wesenheiten etwas hereinbringen, wodurch die
Menschen zur Welt kommen können. Das ist zwar nur ein
bildlicher Ausdruck für einen geistigen Vorgang, doch ist
es gescheiter, als was heute die gescheiten Leute vertreten.
Aber es gilt für die heutige Zeit als aufgeklärt, die
menschlichen Verhältnisse materialistisch zu
erklären. Diese bildliche Darstellung sollte schon noch
auf die kindlichen Seelen, auf ihre Imagination wirken!
Freilich, die Menschen sagen: Die Kinder glauben jetzt nicht
mehr an den Storch, weil diejenigen, die das Märchen
erzählen, das selbst nicht mehr glauben. Aber diejenigen,
die heute Anthroposophen werden, die glauben an das Bild des
Storches, und sie werden bald finden, daß in diesen
bildlichen Darstellungen etwas Gutes gegeben worden ist
für die geistigen Vorgänge.
Damit haben wir die kosmische Seite des Lebens zwischen Tod und
neuer Geburt betrachtet, übermorgen wollen wir mehr die
menschliche Seite des praktischen Lebens berühren.
Jetzt aber wollen wir noch einer Sache gedenken. Kant
hat einmal, man möchte sagen, so recht aus einer Ahnung
heraus den bedeutsamen Ausspruch getan: «Zwei Dinge
erfüllen das Gemüt mit immer neuer Bewunderung und
Ehrfurcht: der bestirnte Himmel über mir und das
moralische Gesetz in mir.» Der Ausspruch kann dem
Okkultisten bedeutsam erscheinen. Denn was besteht für ein
merkwürdiges Verhältnis zwischen dem gestirnten
Himmel und dem, was in unserem Seelenleben als unser Bestes
ist? Es ist beides ein und dasselbe. Wir erweitern uns zwischen
Tod und Neugeburt bis über den gestirnten Himmel hinaus,
und seine Kräfte bringen wir in das Leben herein und
fühlen sie als die bedeutsamsten Kräfte unserer
Seele. Kein Wunder, sind wir doch das äußere Abbild
desselben! Wir sehen hinauf zum gestirnten Himmel, wo wir waren
zwischen Tod und neuer Geburt, und sehen das, was wir
hereingenommen haben, in uns. Kein Wunder, daß wir uns
verwandt fühlen mit dem, was da in uns lebt als
Richtungslinien unseres Seelenlebens, und dem, was da aus dem
gestirnten Himmel in uns hereinscheint und was wir kraften
fühlen in uns, wenn wir an unser tiefstes Seelenleben
appellieren. Eins ist der gestirnte Himmel mit uns und
wir mit ihm, wenn wir unser gesamtes Dasein betrachten. —
So müssen wir uns sagen, daß uns eine solche
geisteswissenschaftliche Betrachtung nicht nur dasjenige gibt,
was wir Wissen, was wir Erkenntnis nennen können im
gewöhnlichen Sinn des Lebens; sie gibt uns wirklich
moralische Kraft und Rückhalt in dem Fühlen, daß
das ganze Universum in uns lebt. Und stückweise sehen wir
uns von diesem Universum durchdrungen werden, wenn wir das
Leben zwischen Tod und Neugeburt durchgehen. Ja, es ist
verborgen für den äußeren Blick, dieses Leben
zwischen Tod und Neugeburt; aber auch das ist verborgen, was in
den Tiefen unseres Seelenseins uns antreibt, uns anstiftet. Und
dennoch, es ist in uns, wirkt in uns und gibt uns unsere Kraft,
dieses unser bestes Sein. Den Himmel tragen wir in uns, weil
wir den Himmel durchleben, bevor wir in dieses physische Dasein
eintreten. Die Verpflichtung fühlen wir dann, uns dieses
Himmels würdig zu machen, der so viel für uns getan
hat, daß wir ihm unser ganzes inneres Sein verdanken.
Davon dann übermorgen, wo wir das Leben mehr menschlich
von einer solchen Seite betrachten werden, die mehr in die
praktische Lebensbetätigung eingreift.
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