Köln, 18. Dezember 1913
Zweiter Vortrag
Bevor ich in der Betrachtung des Christus
Jesus-Lebens weitergehe, möchte
ich einige wenigstens andeutende Bemerkungen machen
über die Art, wie solche Dinge
gefunden werden. Es kann sich ja natürlich
nur darum handeln, mit wenig Worten eine
außerordentlich ausführliche Sache zu
charakterisieren. Aber ich möchte doch, daß Sie
eine Vorstellung haben von dem, was
man okkulte Forschung nennen kann,
die bis zu dem Grade geht, durch den man eindringt zu
solchen konkreten Tatsachen, wie wir
sie gestern zum Beispiel hier betrachten konnten.
Zunächst kann man ja gegenüber
diesen Dingen sagen: Es beruhen diese Forschungen auf einem Lesen in der
Akasha-Chronik. — In allgemeinen Zügen habe ich in
den Artikeln, die in der Zeitschrift «Lucifer-Gnosis»
unter dem Titel «Aus der Akasha-Chronik»
erschienen sind, hingewiesen, wie
ein solches Lesen in der Akasha-Chronik aufzufassen ist. Nun
muß man sich klar darüber sein, daß die
verschiedenen Tatsachen des Weltgeschehens und Weltenseins in
verschiedener Weise gefunden werden
müssen, und so möchte ich jetzt gleichsam
das, was schon gesagt worden ist, noch
genauer zum Ausdruck bringen. Es ist gut, festzuhalten,
daß es im Grunde genommen im Weltenall doch nichts anderes
gibt als Bewußtseine. Außer dem
Bewußtsein irgendwelcher
Wesenheiten ist letzten Endes alles übrige dem
Gebiete der Maja oder der
großen Illusion angehörig. Diese Tatsache
können Sie besonders aus zwei
Stellen in meinen Schriften entnehmen, auch noch aus anderen, besonders aber aus zwei Stellen:
zunächst aus der Darstellung
der Gesamtevolution der Erde von Saturn bis Vulkan in
der «Geheimwissenschaft im
Umriß», wo geschildert wird das Fortschreiten vom
Saturn zur Sonne, von der Sonne zum Mond, vom
Mond zur Erde und so weiter, zunächst
nur in Bewußtseinszuständen. Das heißt, will man
zu diesen großen Tatsachen aufsteigen, so
muß man so weit aufsteigen im
Weltengeschehen, daß man es zu tun hat mit Bewußtseinszuständen. Also man kann
eigentlich nur Bewußtseine schildern, wenn man die
Realitäten schildert. Aus einer anderen
Stelle in einem Buche, das in diesem Sommer
erschienen ist, «Die Schwelle
der geistigen Welt», ist das gleiche zu entnehmen. Da ist
gezeigt, wie durch allmähliches Aufsteigen der Seherblick
sich erhebt von dem, was sich um uns
herum ausbreitet als Dinge, als Vorgänge
in den Dingen, wie das alles sozusagen als
ein Nichtiges entschwindet und
schmilzt, vernichtet wird und zuletzt die Region erreicht wird,
wo nur noch Wesen in irgendwelchen
Bewußtseinszuständen sind. Also, die wirklichen Realitäten der Welt sind Wesen in
den verschiedenen Bewußtseinszuständen. Daß wir in dem
menschlichen Bewußtseinszustand leben und von diesem
Bewußtseinszustand keinen vollen Überblick über
die Realitäten haben, das bewirkt, daß uns dasjenige,
was keine Realität ist, als
eine Realität erscheint.
Ich habe das vergleichsweise schon oft
hervorgehoben. Sie brauchen sich nur
die folgende Frage vorzulegen: Ist ein Haar, ein Menschenhaar,
als solches eine Realität, auch nur im
eingeschränktesten Sinne? Hat
es einen selbständigen Bestand? Unsinn wäre es, zu
sagen, ein Menschenhaar habe einen
selbständigen Bestand. Einen Sinn hat es
nur, es so anzusehen, daß man es als
wachsend am Menschenleibe auffaßt, sonst kann es nicht
vorkommen, es kann nicht für sich bestehen.
Als Realität, die man nur im
gewöhnlichen Leben im Auge hat, als selbständiges Wesen auch nur in diesem irdischen
Sinne ein Haar anzusprechen, empfindet deshalb jeder als
Unsinn, da nirgends ein Haar abgesondert entstehen kann. Die einzelne Pflanze
empfindet man oft als ein einzelnes
Wesen, und doch ist sie ebensowenig ein einzelnes
Wesen wie ein Haar. Denn was das Haar am
Kopfe, das ist die Pflanze am
Organismus der Erde, und es hat gar keinen Sinn, die
einzelne Pflanze zu betrachten. Die
Erde muß man betrachten analog zum Menschen und alle
Pflanzen auf der Erde als zur Erde gehörig, wie das
Haar auf dem Kopfe des Menschen. So wenig
wie außerhalb des Kopfes ein Haar für sich bestehen
kann, so wenig kann eine Pflanze als selbständiges Wesen außerhalb des Organismus
der Erde bestehen. Wichtig ist, zu
berücksichtigen, wo man aufzuhören hat, wenn
man ein Wesen als ein Wesen für
sich ansieht. Aber im letzten Sinne, den der Mensch erreichen kann, ist alles das, was nicht in
einem Bewußtsein wurzelt, kein selbständiges Wesen.
Alles wurzelt in einem Bewußtsein, und zwar in
verschiedener Weise.
Nehmen wir einmal einen Gedanken, also das,
was wir als Menschen denken.
Zunächst sind diese Gedanken in unserem Bewußtsein,
aber sie sind nicht bloß in
unserem Bewußtsein. Sie sind zugleich in dem
Bewußtsein der Wesen der
nächsthöheren Hierarchie, der Angeloi, der
Engel. Während wir einen Gedanken
haben, ist unsere ganze Gedankenwelt zum Beispiel Gedanke der
Engel. Die Engel denken unser Bewußtsein. Und darum werden Sie erkennen, wie
man, wenn man zum Sehertum
aufsteigt, eine andere Empfindung gegenüber dem Anschauen
der Wesen der höheren Welten entwickeln muß als in
der gewöhnlichen
äußeren Wirklichkeit. Wenn man so wie über die
physisch-sinnliche Welt, über das irdische Dasein denkt,
kann man nicht zu einem höheren
Sehertum hinaufkommen. Man muß da nicht bloß
denken, sondern man muß gedacht werden
und ein Wissen davon haben, daß
man gedacht wird. Es ist nicht gerade leicht, weil dazu
Menschenworte heute noch nicht geprägt
sind, genau zu charakterisieren, was man da für eine
Empfindung gegenüber seinem Anschauen hat. Aber man kann etwa — man wähle einen
Vergleich — so sagen, daß man allerlei Bewegungen ausführt und diese
Bewegungen würde man nicht an
sich beobachten, sondern man würde in das Auge
eines Nebenmenschen blicken und dort
das Spiegelbild der eigenen Bewegungen beobachten und sich
sagen: Wenn man da beobachtet, so wisse man daraus, daß man dieses oder jenes mit den
Händen oder dem Mienenspiel
vollführt. Dieses Gefühl hat man schon bei der
nächsten Stufe des Sehertums.
Man weiß nur im allgemeinen, daß man denkt,
aber man beobachtet sich im Bewußtsein
der Wesen der nächsthöheren Hierarchie. Man
läßt seine Gedanken von den Engeln denken. Man
muß wissen, daß man nicht selbst
seine Gedanken in seinem Bewußtsein dirigiert, sondern
daß die Wesen der nächsthöheren
Hierarchie diese Gedanken
dirigieren. Man muß das Bewußtsein der Engel,
einen durchwallend und durchwebend,
fühlen. Dann erlangt man gleichsam einen Aufschluß über die fortlaufenden
Impulse der Entwickelung, zum
Beispiel über die Wahrheit des Christus-Impulses, wie er
auch jetzt noch fortwirkt, nachdem
er einmal da ist. Die Engel können diese
Impulse denken; wir Menschen können
sie denken und charakterisieren, wenn wir uns gegenüber
unseren Gedanken so verhalten, daß wir sie hingeben den Engeln, daß diese in uns denken.
Das erlangt man eben durch
fortgesetztes Üben, wie ich es in meinem Buche «Wie
erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?»
beschrieben habe. Von einem gewissen
Moment an verbindet man ein Gefühl, einen Sinn mit
den Worten: Deine Seele denkt jetzt nicht
mehr; sie ist ein Gedanke, den die
Engel denken. — Und indem das für das einzelne
menschliche Erleben eine Wahrheit
wird, erlebt man in sich, sagen wir, die Gedanken der
allgemeinen Christus-Wahrheiten oder auch andere
Gedanken über die weise
Führung der Erdenevolution.
Diejenigen Dinge, welche sich beziehen auf
die einzelnen Epochen der
Erdenentwickelung, auf die urindische Epoche, auf die
urpersische Epoche und so weiter,
die werden gedacht von den Erzengeln. Durch weiteres Üben kommt man dazu, nicht bloß von
den Engeln gedacht zu werden,
sondern von den Erzengeln erlebt zu werden. Man muß
nur im weiteren Verlauf seines Übens
dazu kommen, daß man weiß: Du gibst dein Leben dar für das Leben der
Erzengel. — In dem Buche «Die Schwelle der geistigen Welt» ist einiges
Genauere von diesen Dingen
geschildert, nämlich, wie man das Gefühl bekommt,
wenn man seine Übungen
fortsetzt — auch in München habe ich davon
gesprochen — , mit grotesken Worten, als wenn man den Kopf
in einen Ameisenhaufen hineinstecken
würde. Die Ameisen sind die Gedanken, die sich bewegen. Während man im gewöhnlichen
Leben meint, man denke seine
Gedanken, kommt man durch das Üben dazu,
einzusehen, daß die Gedanken in
einem denken, weil die Angeloi, die Engel, in
einem denken. Und im weiteren Verlauf des
Übens bekommt man das Gefühl, daß man in verschiedene Gebiete der
Welt durch die Erzengel getragen
wird und dadurch diese Gebiete kennenlernt. Wer in richtiger
Weise die ägyptische Kultur, die indische Kultur
schildert, der weiß erst einen
Sinn zu verbinden mit dem, was es heißt: Deine
Seele wird getragen von einem Erzengel in
diese oder jene Zeit. — Es ist
so, wie wenn die Säfte unseres Lebens wüßten,
daß sie den Lebensprozeß unterhalten und im
Organismus wie das Blut herumgeführt werden. So weiß der Seher: er wird von den
Erzengeln im Lebensprozeß der Welt
herumgeführt.
Aber die Dinge, die sich auf die
Durchdringung der Seele eines einzelnen Erlebnisses beziehen,
sie können erst erforscht werden, wenn die Seele einen Sinn verbindet mit den Worten: Die
Seele reicht sich als Speise dar den
Urbeginnen oder Archai, den Geistern der Persönlichkeit.
— Das soeben Gesagte nimmt sich grotesk aus, aber wahr
ist es, daß man solche konkrete
Tatsachen wie das Leben des Jesus von Nazareth nicht erforschen kann, bevor man nicht einen
Sinn mit den Worten verbindet: man
werde als geistige Nahrung gegessen und diene so den Geistern der Persönlichkeit. Es ist
etwas, das selbstverständlich für den Menschen, der
heute in der äußeren Welt steht, sich
wie Wahnsinn anhört.
Selbstverständlich! Aber dennoch, so wahr der
Bissen Brot, der in unseren Magen geht,
unsere Nahrung wird — und wenn
er es sich überlegen könnte, so würde er wissen,
daß er einen Sinn und
Lebenszweck hat, indem er durch uns Nahrung wird — ,
ebenso wahr ist es, daß wir Menschen den Sinn haben, den
Archai zur Nahrung zu dienen. Während wir hier auf der
Erde herumspazieren, sind wir
zugleich Wesen, die fortwährend von den Archai verzehrt,
gegessen werden. Nicht leugnen werden Sie, daß die
Menschen das im gewöhnlichen Leben nicht wissen, daß
sie das Wahnsinn nennen würden, wenn ihnen jemand so etwas
sagte. Der Mensch ist gegenüber den Archai dasselbe, was das Weizenkorn für Sie als
physische Menschen ist. Aber dies
nicht nur theoretisch wissen, sondern so leben gegenüber
den Archai, wie das Weizenkorn leben würde, wenn es zu
Brei zermalmt durch unsere
Zähne, durch Gaumen und Magen geht mit diesem Bewußtsein: Ich bin Speise des Menschen
— , so auch wissen: Ich bin
Speise den Archai, ich werde verdaut von den Archai, das
ist ihr Leben, was ich lebe in ihnen
— dies lebendig wissen, heißt, sich
versetzen in das Bewußtsein der
Geister der Persönlichkeit, der Archai, ebenso wie es
heißt, sich versetzen in das Bewußtsein der Erzengel,
wenn man weiß: Deine Seele wird getragen von den
Erzengeln in diese oder jene Zeit
— , und wie es heißt, sich versetzen in das
Bewußtsein der Engel, wenn man weiß: Meine Gedanken
werden gedacht von den
Engeln.
Die Zustände des Erlebens müssen
andere werden, wenn man lesend in
die höheren Welten eindringen will. Notwendig ist,
mit Wissen verzehrt
zu werden
von den Geistern der Persönlichkeit, wenn
diejenigen Tatsachen erforscht werden
sollen, die so konkret wie das Leben
des Jesus von Nazareth in der Menschheitsentwickelung
dastehen.
Vielleicht dienten die Bemerkungen, die ich
gemacht habe, doch auch
einigermaßen dazu, das ganz Andersartige dieser okkulten
Forschung darzulegen gegenüber den Forschungen in der
äußeren Welt. Denn das
Bild können Sie durchaus durchdenken, und es gibt
Ihnen richtige Anhaltspunkte: Sie
können sich in das Weizenkorn versetzen,
das zu Brei zermalmt wird, zwischen den
Zähnen zerkleinert wird, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was durchaus
analogisch richtig ist, wenn es sich um ein Lesen im
Bewußtsein der Archai handelt. Man muß auch da seelisch zermalmt werden und
muß es fühlen. Das heißt, höhere Forschung ist nicht
möglich ohne innere Tragik, ohne inneres Erleiden. So glattweg abstrakt, daß es
nicht wehtut, so wie die Forschungen
in der physischen Welt verlaufen, so ist eine Forschung
in den höheren Welten nicht zu
erlangen, wenn sie mehr sein soll als Phantasterei. Daher die Bemühungen, die ich
gestern versuchte: abzulenken bei der
Schilderung des Jesuslebens von abstrakten Begriffen,
von abstrakten Schilderungen. Erinnern Sie
sich, worauf ich in der Hauptsache
Ihre Aufmerksamkeit lenkte als auf das, worauf es ankommt. Ich
sagte: So war das Leben des Jesus von Nazareth zwischen
dem zwölften, achtzehnten, zwanzigsten
und bis zum dreißigsten Jahr.
— Was man da schildert, das ist es weniger, worauf es
ankommt. Worauf es ankommt, ist, ein lebendiges Fühlen zu
bekommen von dem, was die Jesusseele durchgemacht hat, indem
sie das erlebte, was geschildert worden ist, nachzufühlen
den Schmerz der Einsamkeit, den unendlichen Schmerz, einsam
dazustehen mit Urwahrheiten, für die keine Ohren da waren,
zu hören. Hinweisen wollte ich auf das Empfindungsleben des Jesus von Nazareth. Den
dreifachen großen Mitschmerz der Menschheit für die
Zeit vom zwölften bis zum dreißigsten Jahr wollte ich darlegen. Nicht so
sehr dadurch, daß Sie die Ereignisse, die ich versuchte anzudeuten, nun sich
selbst oder anderen erzählen,
wissen Sie etwas von der Bedeutung des Jesus-Erlebens
als einer Vorbereitung zum Mysterium
von Golgatha, sondern dadurch erst,
daß Sie sich eine Vorstellung verschaffen, die tief Ihre
Seele bewegt und erschüttert, eine Vorstellung von dem,
was gelitten werden mußte von
diesem Menschen Jesus von Nazareth, bis er herantreten
konnte an das Mysterium von Golgatha, damit
der Christus-Impuls in die
Erdenentwickelung einfließen konnte.
Dadurch wird eine lebendige Vorstellung von
diesem Christus-Impuls hervorgerufen, daß man dieses Leiden sich wieder
erweckt, daß man die Tatsachen
schildern muß, die sich auf solche Dinge beziehen,
wie die jetzt betrachteten, indem
man versucht, Empfindungen zu vergegenwärtigen. Das
können Sie aus der Art der Akasha-Forschung entnehmen, die
ich in ein paar Worten zu charakterisieren versuchte. Je
mehr es gelingt, diese wogenden,
wellenden und webenden Empfindungen einer solchen Wesenheit, wie Jesus von Nazareth es war,
wieder in sich zu empfinden, desto
mehr dringt man in solche Geheimnisse ein.
Was nunmehr in diesem Jesusleben kommt
— ich brauche es nicht zu schildern, es ist oft davon gesprochen worden — ,
daß durch die Johannestaufe im Jordan in die drei
Hüllen des Jesus von Nazareth, nachdem sie durchgeistigt
worden waren durch das Leben des Zarathustra-Ichs in ihnen, die
Christus-Wesenheit eintrat, also eine Wesenheit aus
dem Gebiete der geistigen Welt herabstieg
und das weitere Schicksal hatte, nun
durch drei Jahre in einem Menschenleibe zu sein, an
einen Menschenleib gebunden. Wichtig
ist es, daß wir uns klarmachen, was das eigentlich für eine Tatsache ist. Denn im
Grunde genommen unterscheidet sich diese Tatsache ganz
beträchtlich von allen anderen Tatsachen der
Erdenentwickelung. Und in dem Augenblick, wo wir jetzt
herantreten an das Ereignis, durch das in
die Hüllen des Jesus von Nazareth die Christus-Wesenheit
einzog, treten wir an etwas heran, was eigentlich nicht mehr bloß eine menschliche
Angelegenheit der Erdenentwickelung ist. Das muß man sich
auch einmal klarmachen.
Man kann diese Angelegenheit vom
menschlichen Standpunkt betrachten. Dann sagt man: Es hat
einmal einen Menschen gegeben, wie wir ihn geschildert haben. Er nahm auf die
Christus-Wesenheit, den Christus-Impuls. — Aber man kann die
Sache auch ganz anders
betrachten, obwohl die
Betrachtungen, die man dabei anzustellen hat, recht
dünn an Vorstellungen verlaufen
müssen; das macht aber nichts. Wir werden uns nach unserer geisteswissenschaftlichen
Vorbereitung etwas dabei denken können.
Nehmen wir einmal an, wir säßen
im Rate der Menschen nicht als Menschen und betrachteten das Mysterium von Golgatha,
sondern wir säßen im Rate
der höheren Hierarchien als ein Wesen der
höheren Hierarchien und
betrachteten das Mysterium von Golgatha. In geistiger Beziehung
ist diese Änderung des Gesichtspunktes durchaus
möglich. Es läßt sich dies vergleichen etwa
damit: Wenn wir einen Berg vor uns
haben, auf dessen mittlerer Höhe ein Dorf liegt, kann man
das Dorf von unten sehen, man kann
es aber auch vom Gipfel des Berges anschauen. Es ist ganz natürlich, daß man
meistens das Mysterium von Golgatha
vom menschlichen Standpunkte aus ansieht. Man kann aber
auch einmal hinaufsteigen in die
Sphäre der höheren Hierarchien. Wie
würde man dann sprechen von dem
Mysterium von Golgatha?
Dann müßte man sagen: Als die Erde mit ihrer
Entwickelung begonnen hat, da hatten
die Wesenheiten der höheren Hierarchien mit den Menschen
gewisse Absichten. Sie wollten die irdische Entwickelung
in einer bestimmten Weise lenken.
Aber in diese vorgesehene Lenkung der irdischen Angelegenheiten der Menschheit hat sich
zunächst Luzifer hineingemischt. Da also schaut man als
eine Wesenheit der höheren Hierarchien auf die
Erdenentwickelung herab, wie man die Menschengeschicke leiten
will — da verändert Luzifer die Richtung
dieser Entwickelung, die man in
anderer Form leiten wollte.
Jetzt sieht man weiter herunter auf die
Menschheitsevolution und sagt sich:
Nicht alles, was da unten geschieht, geschieht durch uns.
Da mischt sich fortwährend
Luzifer hinein. Dadurch, daß Luzifer sich hineinmischte
und später auch noch Ahriman dazu kam, ist
gegenüber den Taten der
höheren Hierarchien ein fremdes Element in der
Menschheitsentwickelung darin. Man kann in
einer gewissen Weise es so
ausdrücken, daß diese Wesenheiten der höheren
Hierarchien sich sagten: Bis zu
einem gewissen Grade ist das irdische Feld für uns
verloren. Da sind Kräfte darinnen, die dieses irdische
Feld mit den Menschenseelen uns entfernen.
Nun geschieht die Lenkung durch die
höheren Hierarchien so, daß diese stufenweise, je nach ihren Kräften,
an dieser Führung beteiligt
sind, zunächst die niedrigsten. Die Angelegenheiten
der Erdenentwickelung werden so
geführt, daß zwar die hohen Wesenheiten bis hinauf zu
den höchsten tätig sind, daß sie aber
gewisse Angelegenheiten durch ihre
Diener besorgen lassen, durch die Engel, Erzengel und Archai, so daß zunächst
diese eingreifen in die Evolution.
Wir versetzen uns, so sagte ich —
selbstverständlich in aller Demut — ,
in den Rat der höheren Hierarchien,
nicht in den Rat der Menschen. Wir
können dann sagen: Da sind unsere Boten, die Engel,
Erzengel und Archai; sie
könnten unsere Befehle so gut ausführen, wenn
nicht in dem irdischen Felde fremde
Kräfte darinnen wären. — Und da
kommt dann der große Rat der
Götter heraus, der etwa zu folgendem Resultat führt: Weil wir nicht in der Lage waren,
Luzifer und Ahriman von der irdischen Entwickelung abzuhalten,
dadurch haben unsere Diener, die
Engel, Erzengel und Archai, die Möglichkeit
verloren, von einem bestimmten Zeitpunkte
an für die Menschen das zu tun,
was in unserem Sinne getan werden müßte. — Und
dieser Zeitpunkt war eben der, in
den das Mysterium von Golgatha fiel.
Als dieser Zeitpunkt heranrückte,
mußten sich die Götter der höheren Hierarchien
sagen: Wir verlieren die Möglichkeit, daß unsere
Diener in die Menschenseelen eingreifen. Dadurch, daß wir
Luzifer und Ahriman nicht abhalten
konnten, sind wir nur imstande, bis zu diesem
Zeitpunkt zu wirken durch unsere Diener.
Dann entstehen in den Menschenseelen
Kräfte, die nicht mehr von den Engeln, Erzengeln
und Archai dirigiert werden können.
Die Menschen entfallen uns durch die
Kräfte von Luzifer und Ahriman.
Das war tatsächlich — wenn wir
so sagen dürfen — die « Stimmung
im Himmel», als der Zeitpunkt
herannahte, mit dem die neue Zeit als ihrem Beginne rechnet. Daß durch ihre Diener nicht
mehr genügend gesorgt werden
konnte für die Menschen von einem bestimmten Zeitpunkte
an, das war die große «Angst» der Götter.
Sie werden den Ausdruck nicht
mißverstehen, denn Sie sind vorbereitet durch die
Geisteswissenschaft, daß
Ausdrücke einen anderen Sinn und Empfindungswert bekommen, wenn
man sich ihrer bedient zur Charakterisierung der höheren
Welten.
Diese Götterangst rückte heran;
immer quälender und quälender und quälender wurde sie — wenn wir so sagen
dürfen — in den Himmeln. Da entstand der
Entschluß, den Sonnengeist herabzusenden, ihn
hinzuopfern, indem man sich sagte: Er soll
fortan ein anderes Los wählen,
als im Rate der Götter zu sitzen; er soll einziehen auf
den Schauplatz, wo menschliche
Seelen leben. Wir opfern diesen Sonnengeist hin. Bis jetzt
lebte er unter uns, in den Sphären der höheren
Hierarchien; jetzt zieht er durch das Tor
des Jesus in die Erdenaura ein.
So war es im Rate der Götter, als das
Mysterium von Golgatha eintrat. So sieht die Sache von oben
aus. Wir haben es also mit einer Angelegenheit der die Erde
führenden Götter, nicht bloß mit einer
menschlichen Angelegenheit zu tun. Die
Sache kann so angesehen werden,
daß man nicht bloß fragt: Was muß für die
Menschheit geschehen, damit sie nicht auf der abschüssigen
Bahn sich verliert? — sondern
von der anderen Seite konnte so gefragt werden: Was
haben wir Götter zu tun, um
einen Ausgleich zu schaffen für das, was geschehen ist,
indem wir Luzifer und Ahriman zulassen mußten bei
der Erdenevolution?
Und nun kann man sich eine Empfindung davon
verschaffen, daß das Mysterium
von Golgatha noch etwas anderes ist als eine bloß
irdische Angelegenheit, daß es eine
Angelegenheit der Götter ist, ein Ereignis der Götterwelt. Wahrhaftig, bedeutender
noch als es für die Menschen
war, daß sie den Christus aufnehmen konnten, war es
für die Götter, daß
sie abgeben mußten den Christus an die Erde.
Und was ist eigentlich im Grunde genommen
das Erkennen des Mysteriums von
Golgatha noch außer dem, daß man darin das
Mittelpunktsereignis der Erde erkennen kann? — Daß
man, indem man hinschaut auf das Mysterium von Golgatha, es als
eine Götterangelegenheit ansieht; daß die Götter
da ein Himmelsfenster öffnen, daß sie ihre
Angelegenheiten eine Weile vor den Augen
der Menschen abmachen, und daß
der Mensch zuschauen kann bei dieser
Götterangelegenheit! Das
muß man fühlen lernen, indem man hinblickt auf das
Mysterium von Golgatha, daß es
so ist, wie wenn man vor dem immer verschlossenen Himmelshause
hinginge, und wie wenn man in diesem Punkte an einem Fenster vorbeiginge und durch dieses Fenster
hineinsehen dürfte in das, was
sonst immer hinter den Mauern des Götterwohnsitzes
unsichtbar war.
So fühlt sich auch in Ehrfurcht der
wirklich okkultistisch empfindende Mensch gegenüber dem
Mysterium von Golgatha wie jemand, der um ein Haus herumschleicht, das überall
verschlossen ist, nur ahnend, was
darinnen vorgeht. An einer Stelle aber ist ein Fenster,
durch das er Zeuge werden kann von einem
kleinen Ausschnitt dessen, was darinnen vorgeht. Solch ein
Fenster gegenüber der geistigen Welt ist für den Menschen das Mysterium von
Golgatha. So muß man das
empfinden, was da geschah, als die Christus-Wesenheit
herabstieg in den Leib oder
eigentlich in die drei Hüllen des Jesus von
Nazareth. Immer tiefer und tiefer
sollen wir uns mit dieser Idee durchdringen,
daß wir Zuschauer sind durch das
Mysterium von Golgatha bei einer Götterangelegenheit.
Wenn von solchen Dingen gesprochen wird,
müssen die Worte in einer
anderen Weise gebraucht werden als im gewöhnlichen
Leben. Man muß von etwas
sprechen, wie von der «Angst», der
«Furcht» der Götter
vor dem Zeitpunkt, der dann erfüllt werden mußte in
der Erdenevolution mit dem Mysterium
von Golgatha. Man muß die Worte
für die heilig-geistigste Angelegenheit der Menschheit in
umgeprägter Weise gebrauchen. Es ist unendlich leicht
für alle diejenigen in der
Welt, die nur allzusehr bereit sind, aus Torheit, aus
Frivolität, aus Eitelkeit oder
aus anderen Gründen, herabzuwürdigen, was im
heiligsten Sinne gemeint ist. Man braucht
ja nichts anderes zu tun, als irgend
etwas, was als Wort geprägt ist, so umzudrehen, wie man
das Wort im exoterischen Leben haben
will. Und man hat die Möglichkeit, in ihr Gegenteil zu
verkehren eine solche Sache, die der Menschenseele abgerungen
ist, wenn sie ausgesprochen ist bloß aus der
inneren Nötigung heraus, die
Wahrheiten der geistigen Welt zu verkündigen, die so
schwer sich der Seele entreißen. Man verkehrt sie,
indem man sie lächerlich, teuflisch,
satanisch findet, wenn die nötige Frivolität, die nötige Leichtfertigkeit in
den Seelen vorhanden ist. Diese ist
in unserer Zeit nur allzusehr verbreitet in den Seelen.
Und nur allzu gering ist die
Wachsamkeit derer, welche da hüten sollten
den Schatz der heilig-geistigen Wahrheiten,
die gerade in unserer Gegenwart in
die Herzen der Menschen einziehen sollen.
Wie groß ist die Bequemlichkeit, mit
der man seinen Geist nähren möchte! Wie oft muß man Bejammernswertes
sehen! Wenn nur ein wenig über
den Materialismus hinaus vom Geiste gesprochen wird, so
erklären sich die Leute dadurch leicht
befriedigt, weil sie sich dabei nicht anzustrengen, besonders ihr Gemüt nicht
anzustrengen brauchen. Man sollte fühlen, wie man dadurch,
daß man an der heiliggeistigen Betrachtung der heiligsten
Angelegenheiten der Erdenentwickelung teilnimmt, eine
Verantwortlichkeit hat gegenüber dem Gut
der Schätze des Wissens, die sich auf
die geistige Welt beziehen. Die Frivolität unserer Zeit auf diesem Gebiete ist so
groß und nimmt es so leicht.
Sie werden sie da und dort immer wieder auftauchen
sehen, vielleicht aber in ihrer
ganzen Abscheulichkeit nur bemerken, wenn Sie wachsam genug sind und Ihre Herzen genug für
das Heiligste der geistigen
Wahrheiten entzündet sind. Vielleicht können Sie sie
dann taxieren und dadurch gute
Hüter der Geistesschätze sein, die wir alle
zusammen zu hüten berufen
sind.
Man kann ein so ernstes Wort vielleicht am
leichtesten da sprechen, wo man auf
so etwas Wichtiges hinzudeuten hat, wie das ist: daß
das Mysterium von Golgatha nicht
bloß eine menschliche Angelegenheit, sondern eine Götterangelegenheit ist, und daß
wir wie durch ein Fenster hineinschauen in diese Angelegenheit
der Götter. Aber gerade das, was zu solcher Charakteristik geschieht, es wird in
einer solchen Weise entstellt
werden, daß ich hier davon gar nicht sprechen mag.
Dann wird vielleicht der Zeitpunkt
für Sie alle kommen, wo Sie sich auf die Wahrheit besinnen müssen, daß wir Worte
für die sinnliche Welt umprägen müssen, wenn wir sie für die
übersinnliche Welt anwenden wollen, und daß es leicht
ist, sie dann in anderem Sinne zu deuten.
Das populäre Christentum gab das, was
ich jetzt angedeutet habe, mit den
Worten: Der Vater opferte der Menschheit seinen Sohn! —
In diese Worte geprägt liegt
auch für Menschenherzen, die fühlen wollen,
in populärer Art das angedeutet, wovon
im wahren Sinne gesagt werden kann: Das Mysterium von Golgatha
ist eine Götterangelegenheit!
Und wenn wir das zusammennehmen, was ich
ausgesprochen habe, so werden wir
eine Vorstellung von dem bekommen können, was sich
vollzog in der Tatsache, die wir als die
Johannestaufe im Jordan bezeichnen. Auf sie folgte dann das,
was ja auch in den Evangelien angedeutet wird: Die Versuchung.
Vom Gesichtspunkte der Akasha-Chronik werden wir etwa sagen:
Nachdem der Jesus von Nazareth die Christus-Wesenheit in sich aufgenommen hatte,
mußte er in die Einsamkeit gehen. Und in der Einsamkeit
hatte er jetzt visionäres Erleben, das annähernd
richtig in den Worten der hellseherischen Evangelienschreiber
geschildert wird. Man kann es in ähnlicher Weise
aussprechen; es muß nur eben angedeutet werden, daß
jetzt die Christus-Wesenheit mit den drei
Leibern des Jesus von Nazareth wirklich in Verbindung war. Das heißt, sie war herabgestiegen
aus den geistigen Höhen und nun
an die Fähigkeiten der drei Leiber gebunden. Es
wäre also falsch, wenn sich
jemand vorstellen wollte, daß der Christus jetzt,
weil er doch einer höheren Welt
angehörte, aus der er herabgestiegen war, die höhere Welt gleich hätte anschauen
können, Einblick in sie gehabt
hätte. Das ist nicht der Fall. Wer das unverständlich
findet, der soll doch einmal
bedenken, was es heißt, daß einer ein Hellseher
ist. Wer ist ein Hellseher? Sie alle
sind Hellseher! Alle! Keiner ist da, der nicht ein Hellseher ist. Warum sieht er nicht
hell? Weil er die Organe nicht
ausgebildet hat, um sich der Kräfte, die in allen Menschen
sind, zu bedienen. Es handelt sich
nicht darum, daß wir Fähigkeiten haben,
sondern darum, daß wir sie
benützen können.
Die Christus-Wesenheit hatte alle
möglichen Fähigkeiten, aber in den drei Hüllen des Jesus von Nazareth hatte sie
nur die Fähigkeiten, die den
drei Hüllen, den drei Leibern des Jesus von Nazareth
entsprachen. Daher mußten sie auch so kompliziert
vorbereitet werden, da die
Fähigkeiten dieser drei Hüllen allerdings hohe
Fähigkeiten waren, die mehr bedeuteten als die
entsprechenden Fähigkeiten aller anderen Menschen auf der
Erde. Aber der Christus war an sie gebunden,
so wahr, als Ihre hellseherischen
Fähigkeiten an die Organe gebunden sind, die Sie haben und nur noch nicht benützen
können. Das war möglich
durch die Fähigkeiten, welche die Zarathustra-Seele in
den drei Leibern des Jesus von
Nazareth zurückgelassen hatte, daß jetzt
der Christus sich dieser
Zarathustra-Fähigkeiten in ihrem Überreste in
den drei Leibern bediente, um zunächst
einer Wesenheit gegenüberzutreten, die allen Stolz, allen
Hochmut, deren eine Menschenseele fähig ist, aufrütteln sollte. Dieser
Wesenheit trat der Christus Jesus entgegen.
In diesem Augenblick verspürte er, was
diese Wesenheit in ihm durch jene
innere Sprache der Visionen auswirkte: Das, was in der
Bibel geschildert ist mit den Worten:
«Alle Reiche, die du um dich siehst», es waren die Reiche der geistigen Welt,
«die können dein sein, wenn du mich als den Herrn dieser Welt
anerkennst!» Wenn man es im
Stolz, im Hochmut am höchsten bringt und mit diesem Stolze
in die geistige Welt hineingeht, so
kann man innerhalb dieser geistigen Welt, dadurch, daß der Hochmut alles
überflutet, in den Besitz des Weltreiches des Luzifer kommen, wenn man alles andere
zurückläßt, außer dem Hochmut. Man ist nur als Mensch nicht
dazu organisiert; man würde
einem furchtbaren Schicksal entgegengehen.
Vor diese Möglichkeit wurde der
Christus Jesus gestellt. Und jetzt tauchten in seiner Seele zwei Bilder auf: ein Bild, das
dem Erlebnis entsprach, das er auf
dem Wege zum Jordan gehabt hatte mit dem Menschen, den ich Ihnen gestern als den Verzweifelten
schilderte. Und vor dem Jesus von
Nazareth stand wieder die Gestalt, die an den Verzweifelten
herangetreten war im Traume. Diese Gestalt sah er wieder
als den, der da sagte: Erkenne mich an als
den Herrn der Welt. — Dann erkannte er auch wieder in der Gestalt denjenigen, den
er vor den Toren der Essäer als Luzifer gesehen hatte.
Dadurch wußte er jetzt, daß Luzifer zu ihm sprach, und — er wies seinen
Angriff zurück. Er besiegte Luzifer.
Da traten zwei Wesen in einem zweiten
Angriff an ihn heran, und das, was
er als Eindruck bekam, entsprach wiederum ungefähr
dem, was in der Bibel geschildert
wird. Gesagt wurde ihm: Zeige deine ganze Furchtlosigkeit, deine Stärke, was du als
Mensch vermagst, indem du dich hinunterstürzest von den
Höhen und dich nicht vor Schaden fürchtest. — In einem
solchen Falle soll in der
Menschenseele alles erwachen an
Kraftbewußtsein, an Mut, der den Menschen
aber auch mutwillig machen kann. Zwei
Gestalten standen vor ihm. Dadurch,
daß Jesus den Eindruck vor den Essäertoren gehabt
hatte, es seien Luzifer und Ahriman,
die da fortflohen, und dadurch, daß er den Eindruck hatte, in der einen Gestalt verhülle
sich das Wesen, das dem
Aussätzigen, dem er auf dem Wege zum Jordan begegnet war,
sich als der Tod gezeigt hatte,
dadurch erkannte er jetzt Luzifer und Ahriman. So wurde das,
was er auf jenem Wege erlebt hatte, wiedererlebt.
Auch diese Attacke wies er ab. Er besiegte
Luzifer und Ahriman!
Da kam Ahriman noch einmal heran. Und jetzt
war auch das, was Ahriman als eine
Art Versuchung vor dem Christus Jesus sagte, etwas,
was sich wiedergeben läßt mit den
Worten der Bibel: «Mache, daß diese Steine zu Brot werden, um Deine Macht zu
zeigen.» Aber jetzt war es,
daß der Christus Jesus nicht vollständig Antwort
geben konnte auf das, was Ahriman
forderte. Den ersten und den zweiten Angriff
konnte er abschlagen: den Angriff des
Luzifer allein und des Luzifer und
Ahriman zusammen, die sich gegenseitig paralysierten. Aber
jetzt konnte er den Angriff des
Ahriman nicht abschlagen. Daß so der Angriff des Ahriman
nicht ganz abgeschlagen werden konnte, das behielt
eine Bedeutung für die Wirksamkeit des
ganzen Christus-Impulses auf der
Erde.
Ich muß schon in einer etwas
populären, ja fast trivialen Form charakterisieren, was
das heißt: Mache diese Steine zu Brot, daß sie
Nahrung werden für die Menschen. — Ahriman ist
zunächst durch die Wirksamkeit
der höheren Hierarchien für den Rest der
Erdenentwikkelung bis zum Vulkan hin nicht vollständig aus
dem Feld zu schlagen. Es wird niemals unmöglich sein,
durch rein geistige Anstrengung die
innere Versuchung des Luzifer zu besiegen: die von innen
aufsteigenden Wünsche, Begierden, Leidenschaften, was
aufsteigt an Stolz, an Hochmut, an
Übermut. Luzifer läßt sich, wenn er allein den
Menschen angreift, durch Geistiges besiegen. Auch wenn Luzifer
und Ahriman, beide zusammen, von
innen heraus den Menschen angreifen, so läßt sich durch geistige Mittel der Sieg
erringen. Wenn aber Ahriman allein ist, versenkt er seine
Wirksamkeit in das materielle Geschehen der Erdenevolution. Da
ist er nicht ganz aus dem Felde zu
schlagen. Ahriman, Mephisto, Mammon
— es decken sich ja diese Begriffe — ,
sie stecken im Gelde, in alledem, was mit
dem äußeren natürlichen Egoismus zusammenhängt. Indem immer notwendig ist,
daß sich dem Menschenleben
etwas von dem beimischt, was äußerlich
materialistisch ist, muß der Mensch mit Ahriman rechnen.
Sollte der Christus den Menschen auf
Erden so recht helfen, so mußte er Ahriman wirksam sein
lassen. Ahriman, das Materielle, muß mitwirken bis
zum Schluß der Erdenevolution.
Durch den Christus mußte die Wirksamkeit des Ahriman
unbesiegt bleiben. Ahriman wurde nicht vollständig
besiegt. Der Christus muß sich
herbeilassen, bis zum Ende der Erdenentwickelung mit Ahriman zu
kämpfen. Ahriman mußte dableiben.
Dasjenige, was wir im Inneren an Angriffen
des Luzifer, an Angriffen von Luzifer und Ahriman zugleich
haben, können wir als Menschen besiegen. Die Kämpfe
in der materiellen Außenwelt müssen ausgekämpft
werden bis zum Schlüsse der Erdenentwickelung.
Daher mußte der Christus den
Ahriman zwar in Schach halten, aber ihn neben
sich bestehen lassen. Daher konnte es
geschehen, daß Ahriman auch neben dem Christus auf Erden wirksam blieb während
der drei Jahre, die Christus im
Leibe des Jesus von Nazareth wirkte, und daß er
dann in die Seele des Judas
hineinfuhr und tätig war in dieser Seele zum
Verrat des Christus. Was durch Judas
geschah, hängt zusammen mit dem, was die nicht ganz gelöste Frage der
Versuchung ist nach dem Ereignis am
Jordan.
Nach und nach erst, langsam und
allmählich, verband sich die Christus-Wesenheit mit den
drei Leibern. Das dauerte drei Jahre. Anfangs
war sie nur lose verbunden, und erst
allmählich preßte sie sich in die drei Leiber hinein. Erst als es zum Tode ging, war eine
wirkliche Durchdringung der drei
Leiber mit der Christus-Wesenheit da. Und all dem Leide und dem Schmerz gegenüber, die Jesus
von Nazareth, wie ich Ihnen
geschildert habe, in den drei Stadien seiner Entwickelung
erlebt hat, ist unendlich viel größer das, was jetzt
der Christus erlitt, indem er sich
während drei Jahren nach und nach die Möglichkeit
errang, ganz unterzutauchen in die drei menschlichen
Hüllen. Das war ein
fortgehender Schmerz, aber ein Schmerz, der wiederum
sich verwandelte in Liebe und Liebe
und Liebe. Und da kam das Folgende: Wenn wir so im ersten, im zweiten und im dritten Jahr
die Art betrachten, wie der Christus Jesus im Kreise seiner
nächsten Schüler lebte, so ist das verschieden in den verschiedenen Jahren. Im
ersten Jahr war der Christus, wie
gesagt, nur lose verbunden mit dem Leibe des Jesus
von Nazareth. Da kommt es alle Augenblicke
vor, daß der physische Leib da
oder dort ist, und die Christus-Wesenheit wandelt
mittlerweile umher. Wo in den
anderen Evangelien erzählt wird, daß da oder
dort der Herr seinen Jüngern
erschien, da war der physische Leib an einem
anderen Aufenthaltsort, während der
Christus im Geistigen herumwanderte im Lande.
Das war im Anfang. Dann verband sich immer
mehr und mehr die Christus-Wesenheit
mit dem Leibe des Jesus von Nazareth. Und dann
geschah es später, wenn der Christus
im Kreise seiner nächsten Schüler ging, daß diese mit ihm in innerer Weise verbunden
waren so, daß er sozusagen
nicht abgesondert von ihnen lebte. Je mehr er sich in seinen
Leib einlebte, desto mehr lebte er sich in das innerste Wesen
seiner Schüler ein. Jetzt ging
er in der Schar seiner Schüler durch die Lande.
Bald sprach er durch diesen, bald durch
jenen Schüler durch die innige Gemeinschaft, wie er in die anderen sich einlebte, so
daß, wenn sie über Land
gingen, nicht mehr der Christus Jesus nur sprach,
sondern einer der Jünger; aber
der Christus sprach durch ihn. Und mit einer
solchen Gewalt lebte er sich in die
Jünger ein, daß sich der Gesichtsausdruck des
Jüngers, durch den der Christus sprach, so
veränderte, daß, wer
außen zuhörte aus dem Volke, dem gegenüber, der
da sprach, das Gefühl hatte,
dieses sei der Meister. Der andere aber, welcher der
Christus war, fiel so in sich zusammen,
daß er gleichsam wie gewöhnlich aussah. So sprach er
bald durch diesen, bald durch jenen im Lande
umher. Das war das Geheimnis seiner
Wirksamkeit in der letzten Zeit der
drei Jahre.
Und wenn er so dahinzog mit seinen
Jüngern und den Feinden immer
gefährlicher erschien, dann sagten diese: Wie können
wir ihm nachstellen?
Wir können doch nicht die ganze Schar
verhaften? Denn man weiß ja nie,
wenn man den herausgreift, der da spricht, ob man
den Richtigen hat oder den Falschen. Greift
man den Falschen, dann ist der
Richtige entkommen. Nie wußte man, ob man in dem, den
man vor sich sah, nun auch den
Richtigen hatte. Das war die große Angst!
Man wußte, daß einmal der, einmal
ein anderer sprach, und der Richtige war nicht zu erkennen,
weil er die gewöhnliche Form von einem anderen annahm.
Es war etwas Wunderbares mit dieser Schar.
Daher war es notwendig, daß ein Verrat geschah. Denn so,
wie die Sache gewöhnlich dargestellt wird, so war sie
nicht. Was sollte es denn heißen, daß der Judas dem
einen Kuß geben mußte, welcher der Richtige war? Das
wäre doch nach der
gewöhnlichen Schilderung nicht schwer gewesen, den
Jesus von Nazareth zu fassen. Der Kuß
hätte keinen Sinn, wenn nicht einer, der da genau wissen konnte, welcher der Richtige
war, ihn denen anzeigen mußte, die es nicht wußten.
Aber aus dem angedeuteten Grunde
wußten ja die Feinde nicht, wer der Richtige
war.
Erst als die großen Leiden ihm
unmittelbar bevorstanden, als das Mysterium von Golgatha eintrat, da war eine
vollständige Verbindung der
Christus-Wesenheit mit den Leibern des Jesus von Nazareth
hergestellt. Da geschah dann dasjenige, was ja in schöner
Weise in den anderen Evangelien
geschildert ist. Vor allen Dingen ist für den Seherblick,
der sich Akasha-Chronik-mäßig hinrichtet auf das, was
damals geschehen ist, durchaus eine
der wirklichen Tatsachen, daß, während
der Christus am Kreuze hing, in der Gegend
von Golgatha weitum die Erde so wie
bei einer Sonnenfinsternis verfinstert war. Ich kann
nicht sagen, ob es sich um eine
Sonnenfinsternis oder um eine mächtige Wolkenverfinsterung handelte, aber eine solche
Finsternis, wie sie sonst bei einer
Sonnenfinsternis beobachtet werden kann, war um das
Ereignis des Mysteriums von Golgatha
herum.
Wenn der okkulte Blick das Leben auf der
Erde bei einer solchen Verfinsterung
ansieht, dann zeigt sich ihm alles Lebende ganz anders,
als wenn eine solche Verfinsterung nicht da
ist. Der Zusammenhang des
Ätherleibes und des physischen Leibes ist bei den Pflanzen
ein ganz anderer; und auch bei den
Tieren stellen sich Astralleib und Ätherleib
während einer solchen Verfinsterung
ganz anders dar. Bei einer solchen Sonnenfinsternis ist es ganz
anders auf der Erde, als wenn die Sonne einfach fehlt in der Nacht. Natürlich ist es
nicht so, wenn im gewöhnlichen
Sinne der Himmel mit Wolken bedeckt ist, sondern nur,
wenn eine besonders dichte Verfinsterung
eintritt, und eine solche war damals
eingetreten. Wie gesagt, ich weiß noch nicht, ob es eine
Sonnenfinsternis war, aber was zu sehen ist, das ist so wie
eine Sonnenfinsternis. Während dieser Veränderung auf
der Erde, auch im physischen Sinne, ging das, was wir die
Christus-Wesenheit nennen, über in die lebendige Erdenaura. Die Erde hatte durch den
Tod des Christus Jesus den Impuls des Christus
empfangen.
Das Größte, was sich auf Erden
zugetragen hat, muß man mit solch einfachen Worten stammeln, weil es eigentlich
menschlichen Worten nicht
möglich ist, dieses Größte irgendwie auch nur
annähernd sinngemäß zu schildern.
Dann, als der Leib des Jesus herabgenommen
wurde und in ein Grab gelegt war,
ist das wiederum eine wirkliche Beobachtung, daß
ein Naturereignis eintrat, wie
etwas, was in das moralische Menschenleben hereintritt. Ein Wirbelwind entstand, ein Erdspalt
bildete sich, der den Leib des Jesus
aufnahm, während weggewirbelt wurden die Tücher von
dem Leichnam. Erschütternd ist diese Beobachtung, daß
die Anordnung der Tücher, wie
sie im Johannes-Evangelium geschildert wird, sich wirklich dem anschauenden Blick
ergibt.
Diese beiden Ereignisse:
Erdenverfinsterung, Erdbeben und mächtiger Wirbelwind, sie
zeigen uns so an einem Punkte der Erdenentwickelung, wie die
Naturereignisse zugleich mit geistigen Ereignissen
eintraten. Sonst findet etwas Derartiges
nur bei lebenden Wesen statt, wie
zum Beispiel einer Handbewegung der Willensentschluß und
das Denken vorhergeht. Die
Entwickelung der Erde ging so vor sich, daß
wir es im gewöhnlichen Leben nur mit
mechanischen Tatsachen zu tun haben.
Nur in einem besonderen Augenblick haben wir es —
auch bei anderen Tatsachen der Erde,
aber bei dieser Tatsache im höchsten Maße — mit dem Zusammenfallen einer
geistigen mit zwei physischen Tatsachen zu tun.
Ich glaube nicht, daß durch die
Betrachtung dieser konkreten Tatsachen, die jetzt möglich
ist, einer kleinen Anzahl von Seelen als eine
Art Fünftes Evangelium zu
erzählen, die große Idee beeinträchtigt
werden kann, die wir uns mehr theoretisch
von der Bedeutung des Mysteriums von
Golgatha geschaffen haben. Im Gegenteil, ich glaube,
wer versucht, immer tiefer und tiefer diese
konkreten Tatsachen auf sich wirken
zu lassen, fühlt das bekräftigt, was früher mehr
theoretisch, mehr abstrakt, mehr gedankenmäßig
über das Mysterium von Golgatha
vorgetragen worden ist. Man wird aus der Art dieser Tatsachen
erkennen, daß in diesem Zeitpunkt unserer
Erdenentwickelung wichtige Ereignisse dieser Erdenentwickelung
sich vollziehen werden.
Man wird vielleicht erst die richtige
Empfindung und Seelennuance gegenüber dem Mysterium von Golgatha durch die
Erkenntnis dieser konkreten
Tatsachen erlangen, und diese Empfindungsnuance wollte
ich durch das, was ich aus dem Fünften
Evangelium mitgeteilt habe, in Ihre
Seelen legen. Vielleicht werden die einen oder die anderen,
die an anderen Zyklen teilnehmen
können, oder auch wiederum einmal die Freunde hier in Köln, noch etwas anderes aus
diesem Fünften Evangelium
mitbetrachten können. Denn das müssen wir sagen:
Ganz abgesehen davon, daß die
Menschheit heute so wenig Neigung zeigt, solche Tatsachen entgegenzunehmen, wie die sind, von
denen jetzt gesprochen worden ist, abgesehen davon war die
größte Notwendigkeit vorhanden, daß solche Tatsachen gerade jetzt in
die Erdenentwickelung einfließen. Daher werden sie
mitgeteilt, trotzdem es wahrhaftig schwierig ist, über diese Dinge zu sprechen. Und
trotzdem man, wenn man seiner
Neigung folgen würde, nicht darüber sprechen
möchte, werden sie mitgeteilt,
aus einer inneren Verpflichtung heraus, solange sie
Menschenseelen gesagt werden können. Man wird sie in
der Menschheitsentwickelung
brauchen. Die Seelen, welche sie jetzt aufnehmen, werden sie
für die Arbeit, die sie in seelisch-geistiger Beziehung in
der weiteren Menschheitsentwickelung zu leisten haben,
ganz gewiß brauchen.
Sie sehen, nach und nach lernen wir durch
unsere Betrachtungen dasjenige
kennen, was in unseren Seelen aufleben soll, damit wir
rechte Glieder in der
fortschreitenden Menschheitsevolution werden. Das ist
ja der Sinn der Menschheitsentwickelung auf
der Erde, daß die Menschenseelen immer bewußter ihre
Aufgaben erkennen.
Der Christus ist erschienen. Sein Impuls
hat als Tatsache gewirkt. Lange Zeit
konnte er als Tatsache mehr im Unbewußten wirken;
dann mußte er wirken
können durch das bisher Verstandene. Er wirkte
durch das, was er war, nicht durch das
Verstandene. Aber immer notwendiger wird es, daß die
Menschen ihn auch verstehen lernen, den Christus, der durch die Leiber des Jesus von Nazareth
in die Erdenaura und damit in das lebendige Menschengeschehen
eingezogen ist.
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