BEGRÜSSUNG
Dornach, 5. September 1924
Johannes Werner Klein: Weil Herr Dr. Rittelmeyer auf
seine Krankheit Rücksicht nehmen muß, ist mir der
Auftrag zugefallen, aus unserem Kreise heraus einige Worte zu
sprechen und auszudrücken, wie wir das Schicksal dankbar
empfinden, wiederum vor Sie hintreten zu dürfen, und wie
wir uns empfinden müssen als eine Schar von Menschen, die
in den Untergangswogen und in den Sturmeswellen der Zeit wie in
einem Schiff zusammenstehen und immerdar die Gefahr des
Ertrinkens vor sich sehen, und die sich weder hinwenden
können zu der Repräsentanz des äußeren,
noch zu der des sogenannten geistigen Kulturlebens unserer
Zeit. Wir müssen es als besondere Gnade betrachten, hier
in Dornach vor Sie hintreten zu dürfen und empfinden es
besonders dankbar, daß Sie uns hergerufen haben und
daß Sie hier zu uns sprechen wollen.
Es
ist jetzt zwei Jahre her, daß wir das letzte Mal als Kreis
hier vor Ihnen standen, in jener gewaltigen Zeit, wo der
Lebensauftrag sich heruntergesenkt hat auf uns. Die meisten von
uns sehen zum ersten Male seitdem die Stätte wieder, wo
dies geschah, sehen mit Erschütterung die letzten
physischen Reste des Goetheanums und können nicht anders,
als mit ihren Gedanken jenen Ort aufsuchen des weißen
Saales, wo das Schicksal des Lebens so stark zu ihnen
gesprochen hat, jenen Ort, wo da draußen jetzt am tiefsten
die Erde aufgerissen ist.
Und
doch lebt als das Größte, als das Stärkste in
unserem Bewußtsein der Abglanz der Tatsache, die sich
seitdem hier abgespielt hat: Das Herüberklingen jener
Botschaft der Weihnachtstagung. Es lebt die Freude in uns, die
in jener Zeit uns gegeben wurde: Es gibt wiederum eine
Mysterienstätte auf der Erde. - Und deshalb ist es unser
erstes, wenn wir jetzt wiederum als Kreis vor Sie hintreten,
zum Ausdrucke zu bringen, wie sehr es unser Wunsch ist, so
intensiv und so stark wie möglich Anschluß zu finden
und uns hineinzustellen in die Impulse, die seit jener Zeit
ausgehen von dieser Stätte hier. Es haben die Freunde
jetzt ausnahmslos alle ihr Gesuch eingereicht aus
persönlicher Initiative um Aufnahme in die Hochschule
für Geisteswissenschaft. Wir wollen damit als Kreis zum
Ausdruck bringen, daß wir uns denkbar innigst und tiefst
als Kreis hineinstellen wollen in das Werk von Dornach.
Nun
haben wir inzwischen wieder ein Jahr lang draußen
gearbeitet. Unsere Arbeit ist in den Grenzen von Deutschland
geblieben, aber wir haben als Kreis doch einen ziemlichen
Zuwachs erfahren dürfen; und wenn Sie es erlauben, werden
wir jetzt Ihnen die neuen Freunde unseres Kreises vorstellen.
(Es werden elf Persönlichkeiten vorgestellt, die sich nach
der im Herbst 1922 erfolgten Begründung der
Christengemeinschaft dem Priesterkreis angeschlossen
haben.)
Die
Tagungen, die wir in dem letzten Jahre miteinander gehabt
haben, sie betrachten wir nicht als das wesentlichste, was wir
geleistet haben. Aber dennoch konnten diese Tagungen für
uns der klarste Spiegel dafür werden, daß die
geistige Welt ein Interesse gewonnen hat an unserem Arbeiten,
daß wir einen Platz erhalten durften in den geistigen
Welten, für den eine Führung da ist. Aber dieses
Bewußtsein kann uns jetzt die Plattform abgeben, daß
das Vertrauen zu unserer Sache mehr und mehr keimend vom Kopfe
auch herunter in unsere wirklichen Tiefen wirken kann. Und mit
diesem heraufragenden Vertrauen zu unserer Sache treten wir vor
Sie hin, da Sie uns die Stimme der wahren Verkündigung der
geistigen Welt sind und möchten Sie bitten, das zu geben,
was uns ermöglichen kann, weiter durch die Zeit den Weg zu
finden.
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