Worte, die ich anläßlich des im September am
Goetheanum abgehaltenen Kurses
über die Apokalypse aussprechen möchte
Unter den Kursen, die zwischen dem 4. und 23. September hier am
Goetheanum gehalten worden sind, war ein solcher für die
Priester der Christengemeinschaft. Er war im strengsten Sinne
nur auf diesen Kreis beschränkt. Nur die Mitglieder des
Vorstandes am Goetheanum waren die einzigen Teilnehmer
außerhalb dieses Kreises.
Die
Priesterschaft hatte schon vor längerer Zeit den Wunsch
ausgedrückt, für den Inhalt dieses Kurses die
Apokalypse zugrunde zu legen.
Es
existiert ein vormals für die Mitglieder der
Anthroposophischen Gesellschaft gedruckter, von mir in
Nürnberg vor den Mitgliedern der damals Theosophischen
Gesellschaft 1908 gehaltener Vortragszyklus «Theosophie an
der Hand der Apokalypse».
Mit
dem damals Gesagten konnte sich das diesmal Vorgebrachte nicht
decken. Damals waren unsere lieben Freunde aus der
Mitgliedschaft von der Erwartung erfüllt, vor allem die
Erkenntnisse kennenzulernen, die der Mensch über die
Entwickelung der Menschheit auf Erden und der Ercte innerhalb
des Sternensystems durch die Anschauung der übersinnlichen
Welt haben kann. Mit einem solchen Thema kann man an den Inhalt
der Apokalypse anknüpfen. Denn dieser Inhalt ist
eigentlich ein Rätsel für alle diejenigen
Persönlichkeiten, die die Bibel lesen. Er steht ja am Ende
dieses Buches. Und er enthält in einem prophetischen
Charakter Angaben über die Erd- und
Menschheitsentwickelung. Indem ich in dem Nürnberger
Vortragszyklus zeigen konnte, wie man in der Bildsprache
des Apokalyptikers dasjenige vielfach wiederfinden
könne, was von den ins Geistige weitergeführten, aber
im Sinne neuerer wissenschaftlicher Gewissenhaftigkeit
gehaltenen Forschungen der Anthroposophie über die
Entwickelung der Menschheit und der Erde innerhalb des
Sonnensystem gesagt werden kann, war es möglich, das
Verhältnis auch der esoterischen Wahrheiten des
Christentums zur Anthroposophie in das rechte Licht zu stellen.
Ich konnte gewissermaßen damals die Einsicht vor die
Zuhörer stellen davon, daß man ewige, die
Menschenseele tief berührende Wahrheiten von zwei Seiten
hören könne: von der Seite des im esoterischen
Christentum erworbenen Schauens und von der des
geisteswissenschaftlichen Erkennens; und man hört ein
Gleiches, wenn man richtig hört.
Diesmal hatte ich eine andere Aufgabe. Und obwohl ich
nicht über das berichten werde, was seiner
Wesenheit nach eben nur für den Priesterkreis bestimmt
sein kann, fühle ich mich doch verpflichtet, hier das zu
sagen, was Anthroposophen über einen Vorgang wissen
sollen, der sich innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft
abspielt.
Was
als geistige Substanz durch die Priesterschaft der
Christengemeinschaft strömt, ist ihr vor zwei Jahren
innerhalb des seither abgebrannten Goetheanums aus der
geistigen Welt durch meine Vermittlung gereicht worden. Dieses
Darreichen war ein solches, daß die Christengemeinschaft
gegenüber der Anthroposophischen Gesellschaft völlig
selbständig dasteht. Es konnte bei der
Begründung gar nichts anderes als eine solche
Selbständigkeit angestrebt werden. Denn diese Bewegung
für christliche Erneuerung ist nicht aus der
Anthroposophie herausgewachsen. Sie hat ihren Ursprung bei
Persönlichkeiten genommen, die vom Erleben im Christentum
heraus, nicht vom Erleben in der Anthroposophie heraus einen
neuen religiösen Weg suchten. Sie empfanden den Drang, in
einem lebendigen Ergreifen des übersinnlichen Gehaltes des
Christentums die Verbindung der Menschen-seele mit ihrer ewigen
Wesenswelt zu finden. Sie glaubten fest daran, daß es ein
solches lebendiges Ergreifen geben müsse. Aber sie
empfanden, daß die Wege, die sich ihnen gegenwärtig
für die Erlangung des Priesteramtes öffnen, sie zu
diesem Ergreifen nicht führen können. So kamen
denn diese Zöglinge eines ehrlich und geistgemäß
gemeinten Priestertums vertrauensvoll zu mir. Sie hatten
Anthroposophie kennen gelernt. Sie waren überzeugt,
daß ihnen Anthroposophie vermitteln könne, was sie
suchten. Aber sie suchten nicht den anthroposophischen Weg, sie
suchten einen spezifisch religiösen.
Ich
verwies sie darauf, daß der Kultus und die ihm zugrunde
liegende Lehre allerdings durch die Anthroposophie dargereicht
werden können, trotzdem die anthroposophische Bewegung die
Pflege des geistigen Lebens von anderen Seiten aus als ihre
Aufgabe betrachten müsse.
Es
gelang dann, an Dr. Rittelmeyer mit den Bestrebungen dieser
Zöglinge eines geistig orientierten christlichen
Priestertums heranzutreten. In ihm war eine Persönlichkeit
vorhanden, die christlicher Priester und Anthroposoph im
wahrsten Sinne des Wortes war. Er hatte, zwar ohne den Kultus,
aber in weitem Sinne dem Geiste nach, die christliche
Erneuerung in dem Wirken seiner Person dargelebt. Aus der
Anthroposophischen Gesellschaft heraus für die christliche
Erneuerung etwas darreichen, forderte wie
selbstverständlich die praktische Frage heraus: wie wird
Rittelmeyer das Dargereichte aufnehmen? Wie wird er sich zu der
Verwirklichung des Gewollten stellen? Denn die
anthroposophische Bewegung mußte in Rittelmeyer das
Vorbild einer Persönlichkeit sehen, die Christentum und
Anthroposophie in der inneren Harmonie des Herzens und in der
äußeren Harmonie des Wirkens vereint hatte.
Und
Rittelmeyer sagte aus vollem Herzen heraus «Ja».
Damit war für die selbständige Bewegung für
christliche Erneuerung ein fester Ausgangspunkt gewonnen. Und
es konnte, was geschehen sollte, hier im Goetheanum vor zwei
Jahren inauguriert werden.
Seither ist die Priestergemeinschaft der christlichen
Erneuerung ihren Weg in der energischsten Weise gegangen. Sie
entfaltet eine segensreiche und heilsame Tätigkeit.
Nach zwei Jahren - der Jahrestag der eigentlichen
Begründung fiel in die Kurszeit - empfanden nun diese
Priester das Bedürfnis, in ein näheres
Verhältnis zur Apokalypse zu treten.
Ich
glaubte für ein solches näheres Verhältnis etwas
tun zu können. Meine Geisteswege hatten mir
ermöglicht, den Spuren des Apokalyptikers nachzugehen.
Und
so meinte ich, daß ich in diesem Kurse eine Darstellung
ermöglichen werde, die dieses «Priesterbuch» im
wahren Sinne dem «Priester» als geistigen Führer
übermitteln kann. Die Menschen-Weihehandlung steht in der
Mitte des Priesterwirkens; von ihr strahlt aus, was durch
Kultusart von der Geistwelt in die Menschenwelt dringt. Die
Apokalypse kann in der Mitte der Priesterseele stehen; von ihr
kann in alles Priesterdenken und Priesterempfinden einstrahlen,
was die opfernde Menschenseele aus der Geistwelt gnadevoll
empfangen soll.
So
dachte ich über die Aufgaben dieses Kurses für
Priester, als an mich der Wunsch herangetreten ist, ihn zu
halten. In diesem Sinne habe ich ihn nun gehalten.
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