[Steiner e.Lib Icon]
Rudolf Steiner e.Lib Section Name Rudolf Steiner e.Lib



Highlight Words

Das Initiaten-Bewußtsein

Schmidt-Nummer: S-5881

Online seit: 31st May, 2010

ZEHNTER VORTRAG
Torquay, 21. August 1924

Einflüsse des außerirdischen Kosmos auf das menschliche Bewußtsein

Sonnenwirkungen und Mondenwirkungen

Tafel 11, 21. August 1924

Ich habe gestern darauf hingewiesen, wie die abnormen, die krankhaft auftretenden Wege in die geistige Welt — auf der einen Seite der Weg des innerlich-mystischen Vertiefens, des tieferen Hineingeratens in die Traumeswelt, und auf der anderen Seite der Weg, der mehr, ich möchte sagen, in einer karikaturhaft naturwissenschaftlichen Weise durch die Erscheinungen geht, welche sich äußerlich bei den Somnambulen, bei den Medien darbieten —, wie diese beiden Wege aufgegriffen und in fruchtbarer Weise fortgeführt werden müssen, wenn tatsächliche Initiationserkenntnis zustande kommen soll. Wir werden nun weiter in dieses Gebiet eindringen, wenn wir uns vor die Seele stellen, unter welchen Einflüssen von Seiten des Kosmos das menschliche Bewußtsein und überhaupt mit dem menschlichen Bewußtsein zusammen die ganze menschliche Wesenheit steht.

Sie können ja leicht übersehen, wie unter allem, was außer den Erdenwirkungen an Wirkungen auf Menschen vorhanden ist, die Sonnenwirkungen und die Mondenwirkungen alles überragen. Man denkt gewöhnlich nicht darüber nach, allein es ist ja heute auch naturwissenschaftlich ganz evident, daß alles auf der Erde nicht wäre, wenn nicht die Sonnenwirkungen, die vom außerirdischen Kosmos auf die Erde herabkommen, da wären.

Die Sonnenwirkungen zaubern das ganze Pflanzenwesen hervor. Die Sonnenwirkungen sind notwendig für alles Tierische, aber auch für alles, was physisch und ätherisch im Menschen ist. Sonnenwirkung kann überall bemerkt werden, wo man sie nur bemerken will, und sie ist durchaus auch für die höheren Wesensglieder des Menschen bedeutsam. Die Mondenwirkung bemerkt man weniger. Sie lebt heute vielfach im Aberglauben, und was man über sie exakt wissen kann, ist entstellt dadurch, daß eben vielfach dem Aberglauben huldigende Vorstellungen über die Mondenwirkungen vorhanden sind, und daß diejenigen, die heute Wissenschaft treiben wollen, sich erhaben fühlen über allen Aberglauben und deshalb auch alles Bedeutsame der Mondenwirkungen zurückweisen und es nicht in die eigentliche Wissenschaft hereinlassen wollen. Da und dort ahnt man aber, nicht nur bei den Dichtern, die da wissen, wie anregend der Mondenzauber auf die Phantasie wirkt, nicht nur bei den Liebenden, die ihre Liebesaffären gern im Mondenlichte abmachen, sondern man ahnt schon bei den Erkennenden, daß durchaus, wenn auch ganz anders geartete, Wirkungen vom Monde aus auf die Erde stattfinden. Da kann man ja ganz besonders merkwürdige Dinge erfahren.

Es gab in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland zwei Gelehrte. Der eine hieß Schieiden, der andere Gustav Theodor Fechner. Gustav Theodor Fechner ging von ganz exaktem Standpunkte aus gern an die geheimeren Naturwirkungen sowohl im Menschen wie draußen in der großen Natur heran. Er sammelte namentlich Daten darüber, eine Art Statistik stellte er auf, wie die Regenmenge, welche an irgendeinem Orte niederfällt, zusammenhängt mit Vollmond und Neumond. Und er bekam eben heraus, seiner Ansicht nach, daß bei gewissen Mondenphasen mehr Regenmenge für irgendeinen Ort da ist als bei anderen Mondenphasen. Das vertrat er. Er genierte sich nicht, gegenüber der landläufigen Wissenschaft auch eine solche Wissenschaft geltend zu machen. Allein sein Kollege an der Universität, Professor Schieiden, der große Botaniker, war anderer Meinung, machte diese Meinung Fechners lächerlich und sagte: Von Mondenwirkungen solcher Art kann überhaupt nicht die Rede sein.

Das Merkwürdige aber war dieses: Die beiden Gelehrten waren verheiratet — es waren damals in der noch verhältnismäßig kleinen Universitätsstadt, die allerdings eine der großen Städte Deutschlands ist, noch patriarchalische Verhältnisse —, es war damals so, daß die Frauen das Regenwasser sammelten, weil sie meinten, daß das ganz besonders gut zum Wäschewaschen ist. Nun gab es also eine FrauProfessor Fechner und eine Frau Professor Schieiden. Und es kam dahin, daß sich in dieser Frage nicht nur die beiden Professoren unterhielten, sondern daß auch die Frauen hinter diese Frage kamen. Und siehe da, der Professor Fechner sagte zu seiner Frau: Nun ja, der Professor Schieiden glaubt ja nicht, daß die Mondenphasen Einfluß auf die Regenmenge haben; also sag' einfach du, du willst diese Mondenphasen benutzen, um das Regenwasser zu sammeln, und die Frau Professor Schieiden kann ja dann nach dir in einer anderen Phase das Regenwasser sammeln; da der Professor Schieiden nicht daran glaubt, daß die Mondenphasen Einfluß haben, so kann ja gar nichts dagegen einzuwenden sein. — Aber siehe da, die Frau Professor Schieiden wollte der Frau Professor Fechner diejenige Mondenphase nicht überlassen, von der ihr Mann nicht glaubte, daß in ihr mehr Regenwasser komme! Also es gab einen sehr netten Universitäts-Familienstreit über diese Sache. Aber er hat ja einen wissenschaftlichen Hintergrund. Und wenn wir, aber mit mehr geisteswissenschaftlichen Mitteln, an solche Wirkungen herangehen, dann kommen wir schon darauf, daß tatsächlich nicht bloß im Aberglauben, sondern in wirklich wissenschaftlicher Weise von starken Mondenwirkungen ebenso gesprochen werden kann wie von Sonnenwirkungen.

Aber damit haben wir gewissermaßen schon dasjenige erschöpft, was in die Tatsache hereinspielt, welche das gewöhnliche Bewußtsein des heutigen Menschen umfaßt. Der heutige Mensch lebt sozusagen unter dem Einflüsse von Erde, Mond und Sonne. Der heutige Mensch ist auch in seinem Bewußtsein im wesentlichen abhängig von Erde und Mond und Sonne. Denn, wie ich schon angedeutet habe, das äußerlich Sichtbare der Sterne ist ja nicht das Wesentliche, auch nicht das äußerlich Sichtbare der Sonne und des Mondes. Wir haben ja ausdrücklich darüber gesprochen, wie die Mondensphäre diejenigen Wesenheiten in sich birgt, welche einstmals die großen Urlehrer der Menschheit waren. So birgt die Sonnensphäre eine große Summe von geistigen Wesenheiten. Jeder Stern ist eine Kolonie von Wesenheiten, wie die Erde die kosmische Kolonie des Menschentums ist. Aber wie gesagt, der Mensch, der heute seine Zeit zubringt zwischen der Geburt und dem Tode, er lebt fast ausschließlich unter dem Einfluß von Erde,Sonne und Mond. Und nun handelt es sich darum, genauer kennenzulernen, wie der Mensch mit seinem ganzen bewußten und auch leiblichen Zustande, also mit seinem geistigen, seelischen und physischen Zustande unter dem Einflüsse von Sonne und Mond lebt.

Nehmen wir da die extremsten Bewußtseinszustände, zwischen denen der Traumzustand liegt, nehmen wir das wache Tagesbewußtsein und das bewußtseinsleere — wenn ich den Widerspruch bilden darf —, das bewußtseinsleere Schlafbewußtsein, das traumlose Schlafbewußtsein. Wenn wir den Menschen verfolgen, wie er da sich befindet während des Schlafes — physischer Leib und Ätherleib sind getrennt vom astralischen Leib und Ich —, dann finden wir, wie der Mensch in dem, was er aus seinem physischen und aus seinem ätherischen Leibe als astralischen Leib und Ich herausgezogen hat, zwischen dem Einschlafen und Aufwachen innerlich die Sonnenwirkungen sorgsam bewahrt.

Wir schauen vom Aufwachen bis zum Einschlafen äußerlich auf die Sonne hin. Wir schauen ja auch auf ihre Wirkung hin, wenn eine vollständige Regendecke da ist; denn das, was wir von den anderen Dingen sehen, sind ja die zurückgeworfenen Sonnenstrahlen. Wir stehen während des ganzen Wachens unter dem Einflüsse der die Dinge äußerlich bescheinenden Sonne. In dem Augenblicke, wo wir in den anderen Zustand hinüberschlafen, fängt an, für das geistige Auge schaubar, in unserem Ich und unserem astralischen Leibe das Sonnenlicht zu erglänzen. Da haben wir zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen Sonne in uns. Sie wissen ja, es gibt gewisse Mineralien, wenn man sie unter gewissen Verhältnissen bestrahlt und läßt dann den Raum finster werden, so bewahren sie das Licht und strahlen es dann im Finstern als Nachwirkung zurück. So ist es für das geistige Anschauen mit dem menschlichen Ich und dem menschlichen Astralleibe. Sie sind gewissermaßen übertönt von dem äußeren Sonnenlichte in dem Zustand des Wachens. Sie fangen an zu glimmen und zu leuchten, indem sie das Sonnenlicht nunmehr in sich tragen zwischen dem Einschlafen und Aufwachen.

So daß wir sagen können: Im Wachen ist der Mensch unter dem Einflüsse der äußeren Sonnenwirkungen. Im Schlafe ist der Menschunter dem Einflüsse der Sonnenwirkung, die er nunmehr selber bis zum Aufwachen in sich trägt. — Wir haben Sonne in uns, wenn wir schlafen, und lassen in der Nacht nur den physischen und den ätherischen Leib zurück. Aber im Geistigen beleuchten wir selber mit dem, was wir jetzt als das aufbewahrte Sonnenlicht haben, während des Schlafes von außen unseren physischen und unseren ätherischen Leib. Und würden wir das nicht tun, würden wir nicht von außen mit unserem bewahrten Sonnenlichte unsere Haut und bis in das Innere der Sinnesorgane hinein uns bestrahlen, so würde der Mensch früh ganz trocken, verdorrt werden, verwelken. Wir leisten in der Tat für Frische und Wachstum und Vitalität unseres Organismus alles dadurch, daß wir während des Schlafens durch das bewahrte Sonnenlicht von außen gegen unsere Haut und gegen unsere Sinne strahlen. Und es ist wirklich so, daß während des Schlafens der Mensch, indem er draußen ist mit seinem Ich und seinem Astralleibe, erstens seine Haut bescheint durch das Sonnenlicht, zweitens aber das Sonnenlicht wirft durch Augen und Ohren bis zurückdringend in die Nerven. Das ist das Phänomen des menschlichen Schlafen, daß die Sonne scheint, vom menschlichen Ich und menschlichen Astralleibe aus selber in den Menschen hineingehend, auf die Haut aufstrahlend, da wo Sinnestore sind, in den Menschen hineinstrahlend (siehe Zeichnung «Schlafen» S. 202, rot).

Dann tritt, gleichgültig ob Neumond oder Vollmond ist — denn dadurch ändern sich die Wirkungen nur, aber sie sind da bei allen Mondenphasen — , dann tritt für die Mondenwirkungen das ein, daß sie von außen an den Menschen herankommen und sich erstrecken über den physischen und den Ätherleib. So daß wir also haben — ich müßte den ganzen Menschen zeichnen —: im physischen und Ätherleib während des Schlafens Sonnenwirkungen vom Ich und astralischen Leib; Mondenwirkungen von außen auf den physischen und Ätherleib. Sehen Sie, damit ist der Schlafzustand in bezug auf den Kosmos charakterisiert. Der Mensch steht durch sein Inneres mit der Sonne in Beziehung, steht nach außen mit dem Monde in Beziehung, denn astralischer Leib und Ich sind ja doch das Innere, wenn sie jetzt auch außen sind. (Siehe Zeichnung «Schlafen».)

 Abbildung 1
Abbildung 1
Bild anklicken für große Ansicht.
 

Im Wachen ist es umgekehrt. Wenn wir aufwachen, tragen wir innerlich, ganz innerlich die Mondenwirkungen in uns, und die Sonnenwirkungen kommen von außen. So daß wir sagen können: Wenn wir wachen, so kommen die Sonnenwirkungen von außen unmittelbar an den physischen und Ätherleib heran, und das Ich und der astralische Leib im Inneren stehen unter dem Einflüsse der bewahrten Mondenkräfte. Wenn wir also schematisch dieses zeichnen für das Wachen, so haben wir auf den physischen Leib und den Ätherleib die Sonnenwirkungen, also Sonnenwirkungen von außen (gelb), innerlich auf Ich und astralischen Leib Mondenwirkungen (grün). (Siehe Zeichnung: «Wachen».)

Wir tragen also, während wir wachen und uns von außen in bezug auf unseren physischen und Ätherleib die Sonnenwirkung bestrahlt, innerlich in uns während des Wachens die bewahrten Mondenwirkungen. Im Ich des Menschen und im astralischen Leibe lebt die Sonne während des Schlafens und der Mond während des Wachens. Im physischen und Ätherleib lebt die Sonne während des Wachens, der Mond während des Schlafens. Und dadurch, daß das so ist, auch dann ist, wenn der Mensch ein Nachtschwärmer wird und sich in der Nacht, statt zu schlafen, vorbereitet für den Kopfschmerz des nächsten Morgens, auch dann bleiben diese Wirkungen in derselben Weise vorhanden; denn wenn auch die äußere Konstellation nicht beachtet wird, diese Dinge sind so, daß sie durch die eigene Trägheit, durch das Beharrungsvermögen im Kosmos trotzdem für den Menschen so verlaufen.

Der Mensch, auch wenn er bei Tag schläft und bei Nacht wacht, trägt auch während des nächtlichen Wachens in seinem Ich und in seinem astralischen Leib die Mondenwirkungen; und die Sonnenwirkungen kommen an ihn heran, nur daß sie dann in Form von Straßenlaternen, oder wenn er irgendwo auf dem Felde liegt, in Form des schwachen Sternenlichtes und dergleichen an ihn herankommen. Aber es sind überall die Sonnenwirkungen, welche der Mensch im Schlafe bewahrt, die Mondenwirkungen, die der Mensch im Wachen innerlich in sich trägt. Und umgekehrt ist es für den physischen und für den Ätherleib in bezug auf das Äußere des Menschen. Dieser Konstellation verdankt der Mensch sein gewöhnliches Bewußtsein zwischen Geburt und Tod. Wir werden nun sehen, wie das Aufsteigen zu anderen Bewußtseinsformen diese Sache ändert. Denn beim Initiaten wird das Verhältnis nun zu Sonne und Mond etwas geändert, immer mehr und mehr geändert, und in dieser Änderung des Verhältnisses zum Kosmos besteht der Weg in die geistige Welt hinein.

Das lebendige Erfassen der Mondensphäre als Ausgangspunkt eines Initiatenweges

Wie der Mensch drinnensteht in der Welt, wie er Sonne und Mond gegenübersteht mit dem gewöhnlichen Bewußtsein, das brauche ich nicht zu schildern, das kann vor jeder Seele stehen, wenn sie sich darauf besinnt, wie der Tag ausschaut, wie man als Mensch im Tag, wie man als Mensch in der Nacht lebt. In dem Augenblicke, wo der Mensch beginnt, seine innere Seelenkraft zu verstärken für das sonst chaotische Traumbewußtsein, in dem Momente, wo er es dahin bringt, das sonst träumende Bewußtsein zu einem Werkzeug der Auffassung der Realität zu machen, in demselben Momente wird der Mensch schon gewahr, wie der im Wachzustande in seinem Ich bewahrte Mond dadrinnen ist. In dem Augenblicke, wo man wirklich den Traum durch Initiatenerkenntnis in Wirklichkeit verwandelt, fühlt man sich wie von einem zweiten Menschen durchdrungen. Aber man weiß, in diesem zweiten Menschen lebt die Kraft der Mondensphäre. Also im beginnenden Initiatenbewußtsein sagt man sich: In mir lebt die Kraft der Mondensphäre, und sie hat eigentlich immer die Tendenz, in mir einen zweiten Menschen auszubilden, den ich dann in meinem ersten Menschen wie in einer Hülle in mir trage. Und jetzt beginnt auch schon der Kampf, wenn nicht beim Tagbewußtsein, im wachen Bewußtsein, sondern im Schlafbewußtsein der Mond innerlich im Menschen zu wirken beginnt — in diesem zweiten Menschen, von dem ich jetzt gerade spreche, daß er normal durch die inneren Mondenwirkungen ausgelöst wird beim Menschen, wenn der durch den wirklichen Mond in der Nacht ausgelöst wird, wenn da dieserzweite Mensch sich geltend macht im dumpfen Schlafzustande, dann will dieser zweite Mensch, der im ersten, im gewöhnlichen Menschen drinnensteckt, im Mondenlichte herumwandeln und nimmt den ersten Menschen mit. Und jener somnambule Zustand entsteht, den wir bei den Mondenwandlern auftreten sehen.

Jetzt stellen Sie sich vor, wenn äußerlich der Mond scheint, kann auferweckt werden der zweite Mensch, der dann in besondere magische, das heißt außergewöhnliche, von Naturwirkungen abweichende Wirkungen hineinbringt. Der Mensch wandelt herum. Stellen Sie sich diesen Nachtwandler vor. Bei herabgedämpftem Bewußtsein tut der Mensch allerlei, was er bei gewöhnlichem Bewußtsein nicht tun würde. Er würde bei gewöhnlichem Bewußtsein ruhig im Bette liegenbleiben. Da ist sein Ort. Statt dessen wandelt er draußen herum, steigt auf Dächern herum. Er sucht dasjenige Gebiet auf, das eigentlich außer seinem physischen Leibe sein soll.

Sehen Sie, ins Normale übersetzt, zur bewußten innerlichen Erfahrung gebracht, ist das der Fall im beginnenden Initiatenbewußtsein; nur daß man sich da nicht der Mondenwirkung nähert, der wirklichen Mondenwirkung von außen, sondern die innerlich getragene Mondenwirkung das Bewußtsein vom zweiten Menschen ausbilden läßt. Und man muß nun alle Kraft zusammenhalten, damit einem dieser zweite Mensch jetzt nicht weggeht. Mit dem ersten Menschen würde man ruhig bleiben. Aber dieser zweite Mensch, der könnte weggehen, wesenlos in die Irre wandeln, ganz falsche Wege gehen. Man muß ihn halten.

Das ist eben dasjenige, was bei der Erwerbung des Initiatenbewußtseins unbedingt eintreten muß: innere Festigkeit und Haltung, damit dasjenige, was heraus will, in einem drinnenbleibt und man es verbunden erhält mit dem ganz gewöhnlichen, nüchternen Bewußtsein, das man in seinem physischen Leibe hat. Aber man muß fortwährend kämpfen dagegen, daß einem dieser zweite Mensch, der sich da durch das verstärkte innere Mondenwesen gebildet hat, nicht davongeht. Und dieser zweite innere Mensch, der sich da bildet, er hat eine sehr starke Anziehung zu allem, was da Stoffwechselwirkungen, Bewegungswirkungen sind im Menschen, zu allem, was vom Magen undanderen Organen ausgeht; zu all dem hat er eine sehr, sehr starke Anziehung. Und er nimmt diese Kräfte sehr, sehr stark in Anspruch.

Das, sehen Sie, ist das Vorliegende, dasjenige, was zunächst Erfahrung ist für das beginnende Initiatenbewußtsem, daß es einen von den zwei Wegen geht, die gegangen werden müssen: den Weg durch die Ausgestaltung der Traumeswelt, durch die Realisierung, durch die Verwirklichung der Traumeswelt. Und besinnt man sich nun — und man muß sich eben besinnen, wie ich jetzt auseinandergesetzt habe -, dann kommt man darauf: äußerlich ist der Tag, doch innerlich trägt man die Nacht in sich; und es erwacht mitten im Tag etwas wie eine innerliche Nacht.

Tritt dieses Initiatenbewußtsein auf, dann, sehen Sie, dann ist da für die äußeren Augen der Tag, für das äußere Angreifen von Dingen der Tag; aber im Räume dieses Tages, da beginnt überall zu weben und zu leben das geistige Mondenlicht, das herumstrahlt, herumscheint, und das Geistige beginnt zu beleuchten. Also man weiß, man setzt durch seine eigene Seele in den Tag die Nacht hinein. Wenn das alles im vollen Bewußtsein geschieht, so geschieht, wie etwas anderes am Tage vom besonnenen Menschen verrichtet wird, wenn dieser besonnene Mensch in die Tageswirkungen die Monden-Nachtwirkungen hereinzuzaubern vermag, dann ist er auf dem richtigen Pfad. Wenn er aber irgend etwas in sich hereinbringt ohne das volle Bewußtsein, daß da im Tage die Nacht aufgeht durch seine innerlichen Kräfte, dann gerät er auf den falschen Weg, der zuletzt ins Mediumhafte führt.

So ist also das volle Bewußtsein, die innerliche Beherrschung der Tatsache, in die man sich hineinlebt, dasjenige, was maßgebend ist, nicht die Erscheinung an sich, nicht die Tatsache an sich, sondern die Art, wie man sich in sie hineinlebt. Könnte der gewöhnliche Monden-Nachtwandler in dem Augenblicke, wo er auf dem Dache oben herumsteigt, seine volle Besonnenheit entwickeln, er wäre in diesem Moment ein Initiat. Das wird er nicht, sondern wenn Sie ihn anschreien, damit er erwacht, fällt er herunter. Wenn er nicht herunterfiele, sondern das volle Wachbewußtsein entwickelte und dann in diesem Zustand bleiben könnte, dann wäre er ein Initiat. Dasjenige, was da auf krankhafte Weise entwickelt wird, nicht bloß in gesunder, sondern inübergesunder Weise zu entwickeln, das ist die Aufgabe der Initiationserkenntnis. Sie sehen, wie haarscharf nebeneinander stehen Falsches und Richtiges in der geistigen Welt. In der physischen Welt kann man noch, weil man da ja die grobmaschige Logik, die grobmaschige Erfahrung hat, Falsches vom Richtigen leicht unterscheiden. Sobald man in die geistige Welt eindringt, ist diese Unterscheidung außerordentlich schwer, hängt ganz ab von der inneren Haltung, von der inneren Besonnenheit.

Und weiter, wenn der Mensch so die Nacht im Tag erweckt hat, dann verliert allmählich das Mondenlicht den Charakter des äußeren Schemens. Es scheint nicht mehr so äußerlich. Es bewirkt nur ein allgemeines Lebensgefühl. Aber etwas anderes tritt auf. An diesem geistigen Nachthimmel erglänzt jetzt in wunderbarem glimmenden Lichte Merkur. Es geht der Stern Merkur in dieser in den Tag hineingezauberten Nacht wirklich auf, aber nicht so, wie man den Merkur durch das Teleskop sieht, sondern man wird gewahr: das ist etwas Lebendiges. Man kann noch nicht gleich die lebendigen Geistwesen, die den Merkur bewohnen, unterscheiden, aber man wird gewahr im allgemeinen an der Art und Weise, wie einem der Merkur entgegentritt, daß man es mit einer geistigen Welt zu tun hat.

Wird einem im Geiste das Mondenlicht zum allgemeinen Lebenselixier, in dem man sich drinnen fühlt, dann geht allmählich der Geiststern Merkur in dieser in den Tag hineingezauberten Nacht auf. Heraus tritt aus diesem funkelnden Dämmern und dämmernden Funkeln, in dem einem der Merkur entgegentritt, diejenige Wesenheit, die dann als das Götterwesen Merkur bezeichnet wird. Den braucht man. Den braucht man unbedingt, sonst kommt Verwirrung zustande. Man muß zunächst in der geistigen Welt dieses Wesen finden, von dem man genau weiß, es gehört zu den Merkurwesen. Und dadurch, daß man ihn kennenlernt, kann man den zweiten Menschen, der in einem belebt wird, nun beherrschen, willentlich beherrschen. Man braucht nicht mehr so wie ein Mondenwandler sich unbestimmten Wegen zu überlassen, sondern man kann an der Hand dieses Götterboten Merkur die bestimmten Wege in die geistige Welt hinein tun.

Und so handelt es sich darum: Will man die richtigen Wege in die geistige Welt hinein finden, so muß man ganz bestimmte Erfahrungen zunächst machen, welche lenkend und leitend sind. Der gewöhnliche Mystiker vertieft sich in sein Inneres. Da kommt ein Gefühlsbrei zustande, in dem alles durcheinandergerührt ist; Gott und Welt und Engel und Teufel, sie sind ja bei dem gewöhnlichen Mystiker durcheinandergerührt. Höchstens kann es zu allgemeinen Träumen kommen, an denen man nicht unterscheiden kann, ob sie aus der Geschlechtssphäre oder aus der Kopfsphäre sind. Im allgemeinen sind sie durcheinandergebrodelt, die Erlebnisse, oder breiartig durcheinandergerührt. Das ist die unklare, die nebulose Mystik, die den Traum nicht durchhellt, die den Traum im Gegenteil mit größerem Chaos, das dann nur dem Initiaten verständlich ist, durchwirkt.

Solche Erlebnisse, wie sie beschrieben werden, die so wunderbar sind, so großartig poetisch sind wie die von Katharina von Siena und ähnliche, die kann nur der Initiat verstehen, denn nur er weiß, was da eigentlich vorgeht. Und daher kann gesagt werden: Treibst du deine Initiation mit vollem Bewußtsein, das so klar und durchsichtig wie das Bewußtsein ist, wenn du rechnest oder Geometrie treibst, gehst du mit dieser ganzen vollen Besonnenheit in diese Dinge hinein, so findest du den rechten Weg. — Erst dadurch, daß du weißt, du zauberst die innerliche Nacht in den äußeren Tag hinein, findest du die wirkliche, reale geistige Welt. So wie niemand leugnen kann, daß der Mond aufgeht, daß der Merkur aufgeht in der äußeren Raumeswelt, daß das nicht erträumt, sondern real ist, so findet man das, wenn man mit vollem Bewußtsein hineingeht und Geistwesen begegnet, so, wie man in der physischen Welt Menschen begegnen kann. Und falsche Wege werden überall da gegangen, wo man den Geist suchen will, ohne sich bewußt zu werden dessen, was da in der geistigen Welt ist. Wenn man nur auf Erden bleibt und meinetwillen mit Medien experimentiert, ohne in die geistige Welt wirklich einzutreten, sondern nur an dem, was die Medien äußerlich auswirken, experimentieren will, nicht dem Geistigen wirklich begegnet, dann ist man auf falschem Wege. Alles, was nicht das Bewußtsein erweckt in der geistigen Welt, sondern im Schlafe weiterwandelt und nur die Wirkungen studieren will wie der äußerliche Okkultismus, ist auf falschem Wege. Alles dasjenige, was, indem es in die geistige Welt eintritt, sogleich der geistigen Welt als einer Realität entgegentritt, die aber geistig ist, ist auf richtigem Pfade.

Und, sehen Sie, so ist das innerliche, lebendig erkennende Erfassen der Mondensphäre der Ausgangspunkt des einen Initiationsweges. Und wir können sagen: Was sonst im Wachen, wo der menschliche Mond im Inneren wirkt, was sonst im Wachen nur mit Bezug auf Sonne und Mond auftritt, das tritt jetzt so auf beim Initiaten während des Wachens, wie es sonst im Schlafe auftritt. Der Mensch wird gewahr der Mondenwirkungen, wie wenn sie äußerlich wären. Er zaubert die Nacht in den Tag hinein. Und statt daß für die gewöhnliche Nachtbetrachtung der ganze Himmel gleich sternenbeglänzt wird, geht zuerst geistig der Stern Merkur auf. Und hat man dann nach dem Wege, wie ich es geschildert habe in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», hat man es dahin gebracht, Imaginationen auszubilden, zu wirklichen Imaginationen zu kommen, so tritt einem eben m dieser Mondenwelt während des Tages die Welt der Imaginationen als Wirklichkeit entgegen.

Aber indem man in die Merkurwirkungen eintritt, gehen diese Imaginationen zu ihren Wesenheiten über. Man stellt jetzt nicht mehr bloß Visionen dar, hinter denen nichts Reales ist, sondern man stellt jetzt Visionen wie Imaginationen vor — aber die gehen zu ihren entsprechenden Wesenheiten hin. Sie können daher, wenn Sie noch nicht weit genug gekommen sind in Ihrem Initiationsweg, die Vision des Archangelos, des Erzengels, haben, aber es bleibt eine Vision. Erst wenn Sie weiterdringen, dann geht diese Vision zum Erzengel wirklich hin, und Sie schauen dann die Vision des Erzengels, der darinnensteckt. Vorerst, beim bloßen Mondenscheine, braucht er nicht drinnenzustecken. Jetzt steckt er drinnen. Und so werden Sie sich der Merkurwirkungen bewußt, indem Ihre visionäre Welt in eine wahre Wahrnehmungswelt des Geistigen hineinfließt. Das alles kann nur — das muß immer wieder erwähnt werden — bei vollster Besonnenheit in richtiger Weise erreicht werden.

Und dann, wenn der Mensch weiter seine Meditationen treibt, sein Inneres weiter erkraftet, aktiver und aktiver macht, dann erlangt er zuder Merkurwirkung hinzu die Venuswirkung. Und siehe da, wenn die Venuswirkung auftritt, wenn in dieser in den Tag hineingezauberten inneren Nacht die Venus aufgeht, da verlieren sich gegenüber den Wesenheiten, die da aufgetreten sind, die in den Bildern der Imagination, der realen Visionen erscheinen, da verlieren sich darinnen die Visionen, und man steht mit leerem Bewußtsein gegenüber der geistigen Welt. Man weiß, die geistigen Wesenheiten sind da. Man ist in der Venussphäre angelangt. Die geistigen Wesenheiten sind da. Man wartet, bis einem entgegenkommt die Sonnensphäre. Das ganze ist eine Vorbereitung, um nun die Sonne ein zweites Mal zu erleben. Man tut ja das alles während des Tagwachens, wo man in den Sonnenwirkungen von außen steht. Man macht diesen Weg durch, den ich beschrieben habe, durch Mond, Merkur, Venus. Da verlieren sich die Visionen. Man dringt weiter. Der ganze Weg war ein Weg von Erde zu Mond, zu Merkur, zu Venus, zur Sonne hin. Man dringt in das Innere der Sonne. Man schaut die Sonne ein zweites Mal, geistig. Sie bleibt noch nicht, ist undeutlich, aber man weiß: man schaut sie geistig. Man schaut in das Innere der Sonne hinein.

Es ist so, wenn ich einen ganz groben Vergleich gebrauchen darf, wie wenn man sich sagen würde: Ich sehe dort etwas in der Ferne; ich nähere mich ihm, halte es zuerst für etwas künstlich Gemachtes, nähere mich ihm, greife es an, da fängt es mich in seinen Zähnen an der Hand. Jetzt weiß ich, das ist nicht künstlich gemacht, das ist ein wirklicher Hund. Ich werde gewahr, daß das ein Inneres war. Dieser grobe Vergleich kann Sie darauf aufmerksam machen, daß das etwas ist, was Realität hat. Man geht von der Erde durch die Mondenwirkungen, Merkurwirkungen, Venuswirkungen und kommt darauf, die Sonne zu schauen, so daß man merkt: sie ist ein lebendiges Geistwesen; da leben auch Wesen darinnen.

Das ist zunächst der Weg, der ausgebildet werden kann und der durch und durch auf jedem seiner Schritte zeigt, wie der Initiat, indem er weiterschreitet, die volle Besonnenheit bewahren muß und dann auf richtigem Wege wandelt; und wie der Mensch, wenn er gar nicht gewahr wird, daß er, indem er in irgendeiner Weise aus sich herausgeht, in den Kosmos tritt und daß der Kosmos geistig wird vor seinemgeistigen Blick, wie er da auf falschem Wege geht. Sehen Sie, innerlich muß man den Unterschied zwischen wahren und falschen Wegen in der geistigen Anschauung kennen.

Das Ergreifen der menschlichen Organisation in Imaginationen

Nun habe ich bereits gestern angedeutet, wie aus einer Notwendigkeit der Zeit heraus von den verschiedensten psychisch-okkulten Gesellschaften, welche in einer karikaturhaften Nachahmung naturwissenschaftlicher Methoden arbeiten, gesucht wird, an äußeren Erscheinungen die geistige Welt zu erforschen. Mißverstehen Sie mich nicht, ich will nicht als Kritiker dieser Methoden auftreten, da ich zu genau weiß, wie stark die Sehnsucht sein kann, durch Beobachtung äußerer Tatsachen auf naturwissenschaftlichem Wege in das Wesen der geistigen Welt hineinzukommen. Ich will nur zeigen, wie diese Wege in Irrtum führen und wie sich dagegen die wahren Wege verhalten müssen. Es ist durchaus begreiflich heute, weil wir im naturwissenschaftlichen Zeitalter leben und weiterleben müssen, daß Menschen auftreten, die über die geistige Welt so forschen wollen, wie man in der Naturwissenschaft unmittelbar forscht, und die für unsicher halten andere, rein geistige Wege. Und so kommen sie darauf, zu sagen: Auf der einen Seite liegt eben die normale Welt vor; da gehen Menschen herum, die ihre Absichten ausführen, die ihnen vom äußerlichen sozialen Leben auferlegt sind; da gehen Menschen herum, die im Sinne dieses äußerlichen sozialen Lebens denken und wirken. Das hat weiter, weil man es gewohnt ist, nichts Besonderes. Darinnen forscht eben die Naturwissenschaft, die sich mit den äußeren Erscheinungen, mit Wärme-, Licht-, elektrischen, magnetischen Erscheinungen und so weiter befaßt.

Nun treten aber auch im Leben abnorme Tatsachen auf. Menschen verhalten sich als automatische Schreiber, als Vollführer von diesem oder jenem, wozu sie in Hypnose, durch Suggestion veranlaßt werden. Man vermutet, auf diese Weise spricht eine unbekannte Welt herein in diese gewöhnliche Welt. Man will diese äußeren Zeichen, die man da bekommt, diese abnormen Tatsachen deuten. Man will deuten, wie es kommt, wenn in New York jemand irgend etwas lebhaft denkt und erlebt und ein mit ihm in Seelengemeinschaft in Europa lebender Mensch innerlich die Nachricht davon bekommt, es weiß, wie man sonst nur durch die drahtlose Telegraphie auf äußere Weise Nachricht bekommt. Solche Erscheinungen, die man zu Hunderten, zu Tausenden anführen könnte, sie werden auf naturwissenschaftlich-äußerem, statistischem Wege erforscht.

Der Weg kann deshalb nicht zu einem Ziele führen, weil, wenn man nicht eine geistige Richtung hat, in die man gehen soll, die aber in der geistigen Welt selber drinnenliegen muß. Dann bleiben alle diese Erscheinungen, so wunderbar sie sein mögen, als Aggregate in der äußeren Welt liegen, eines neben dem anderen. Man kommt überhaupt nicht zu einem Wissen, zu einer Erkenntnis, kann diese Erscheinungen nur registrieren, als etwas Wunderbares anschauen, Hypothesen ersinnen über die geistige Welt, die aber keine Bedeutung haben, weil die Erscheinungen selber in dieser äußeren Welt, in die sie ja hereingestellt sind, zu einer äußeren Welt eben nicht wirklich sprechen, was sie sind. Wir können noch so viel mit Medien, mit äußeren naturwissenschaftlichen Tatsachen uns abgeben, die geistige Welt offenbart sich hinein; aber sie spricht sich nicht aus über das, was sie eigentlich ist.

Sehen Sie, da tritt dann diejenige Forschung ein, von der ich gestern sagte, daß von Dr. Wegman mit mir zusammen nun versucht wird, auch exakt sie darzustellen. Diese Forschung geht ebensowenig wie die andere Forschung, die ich jetzt eben dargestellt habe, die das innere Traumleben zu erhellen sucht, so vor, daß sie die geistige Welt vermeidet; sondern sie geht so vor, daß sie direkt mit dem Ziele, das sich in der geistigen Welt selber eröffnet, die Erscheinungen nimmt, die sich darbieten für eine solche Forschung. Aber diese Erscheinungen liegen nicht in den zerstreuten wunderbaren Tatsachen, die uns auf die eben geschilderte Weise in der Außenwelt entgegentreten. Diese Erscheinungen liegen auf dem Gebiete, das der medizinisch, anatomisch und physiologisch Durchgebildete anschaut, wenn er von dem Begreifen der äußeren Form eines Menschenorgans, der Lunge oderder Leber oder irgendeines anderen Organs aufsteigt zu einem imaginativen Erfassen dieses Organs, wenn er allmählich beginnt, die menschliche Organisation in Imaginationen sich vor die Seele stellen zu können.

Sehen Sie, es ist das also möglich, wenn man die Organe des Menschen, die normalerweise nicht wie die äußeren Naturerscheinungen wirken, sondern die normalerweise so wirken wie die abnormen Erscheinungen, wenn man diese Organe zu studieren vermag, wenn man also von einer im Menschen liegenden, wissenschaftlichanatomischen Erkenntnis ausgehen kann, die sich dann erhebt zum geistigen Durchschauen der menschlichen Organisation. Vom ganzen Menschen geht man aus bei der Methode, die ich vorhin geschildert habe. Von den einzelnen menschlichen Organen, die man durch eine geistige Anatomie ergreift und unmittelbar anschaut, geht man aus bei dem Wege, der zum Richtigen führen kann gegenüber dem Irrtümlichen, das die äußeren Erscheinungen auf statistisch karikiert naturwissenschaftliche Weise begreift. Daher können Sie verstehen, daß sich erst ein Mensch finden mußte, der in dieser Weise ganz regulär im Medizinischen drinnensteht, damit die Dinge dargestellt werden können.

Nun handelt es sich im weiteren darum, daß in dem Augenblicke, wo m dieser Weise ein menschliches Organ von einem Menschen geistig erfaßt wird, wo ein Mensch also dasteht, der in dieser Weise Anatomie anschaut, daß dann in seinen Gedanken dieses Ziel nicht als ein unbestimmtes Ziel lebt. Und jetzt geht nicht ein innerlicher Mensch auf, wie ich ihn früher beschrieben habe, sondern es geht ein äußerlicher Mensch auf, ein kosmischer Mensch, der allerdings noch nebulos erscheint, aber wie ein kosmischer Mensch, wie ein großer, gigantischer Mensch, der Mensch, wie er angeschaut wird nicht als Erdenganzes, sondern angeschaut wird dadurch, daß man seine Organe anschaut, innerlich geistig umfaßt. Dadurch, daß sich diese Organe im Geiste zeigen, steht nicht mehr der Erdenmensch bloß da, sondern der Mensch, der umfassend ist den Kosmos. Dann schaut man: Geradeso wie man früher hineingezaubert hat in die Tagwelt die Nachtwelt, die Mondenwelt, so zaubert man jetzt herein in denMenschen, in dasjenige, was jetzt nicht der ganze Mensch, der konturierte Mensch ist, sondern der aus seinen einzelnen Organen bestehende Mensch, in das zaubert man herein die Impulse der Saturnsphäre.

Geradeso wie früher die Mondensphäre hereingezaubert worden ist in das gewöhnliche Tagesbewußtsein, so wird jetzt in das wissenschaftliche Bewußtsein die Saturnsphäre hereingezaubert, und man wird gewahr, daß die Kräfte des Saturn in jedem Organ auf besondere Art wirken, daß die Kräfte des Saturn wirken in der Leber zum Beispiel am allerstärksten, in der Lunge verhältnismäßig sehr schwach, im Kopfe am allerwenigsten. Man wird also das Ziel gewahr, das man so aussprechen lernt: Du hast den Saturn allüberall zu suchen. Und ebenso wie man früher vorgedrungen ist durch Meditation, so dringt man jetzt durch ein Sich-Hineinleben in dieses Suchen des Saturn, des innerlichen Geistgefüges in jedem Organe, so dringt man jetzt ein in die Jupitersphäre und lernt erkennen, wie jedes Organ eigentlich das irdische Abbild eines geistig-göttlichen Wesens ist. Der Mensch trägt innerlich in seinen Organen die Abbilder geistig-göttlicher Wesen. Der ganze Kosmos, der zuerst ein großer Mensch gewesen ist in der Saturnsphäre, der ganze Mensch wird als ein gigantisches kosmisches Wesen klar, aber indem er als die Summe, als das innerlich-organische Zusammenwirken von Göttergenerationen erscheint.

Wiederum ist notwendig, daß dieser Weg in voller Besonnenheit gegangen wird. Aber er muß so gegangen werden, daß in ihm die Kräfte wirken, die all das aufrechterhalten können. Sie müssen bedenken, das alles sind ja Wirkungen, die zunächst wie im Status nascendi leben, die da sind, aber indem sie da sind, sogleich wieder vergehen. So daß man sie ja schon leicht erfassen kann; aber es wird unmöglich, sie zu beschreiben, sie festzuhalten, sie irgendwie gedanklich-bildhaft zu gestalten, wenn man dem unterliegt, was hier die Gefahr ist, daß [nämlich], indem alles das, was ich Ihnen erzählt habe, hervortritt und alles gleich wiederum vor dem Bewußtsein vergeht, so daß man gar nicht dazu kommt, es anzuschauen. Sehen Sie, die modernen Menschen vom Psychical research, die denken ja gar nicht daran, da wirklich das Geistige heranzurufen. Sie möchten das alles laboratoriumsmäßig machen, in beliebiger Weise, indem sie A, B, C, alsMenschen in das Laboratorium hineinrufen und das ausführen. So lassen sich die geistigen Realitäten nicht an die für den Menschen erkennbare Welt heranbringen, vor allen Dingen nicht diese Realitäten, die in dieser Weise erfaßt und nach und nach wirklich wissenschaftlich beschrieben werden sollen.

Das, was ich gestern von dem medizinischen Buche gesagt habe, wird nur den alleresten, elementaren Anfang darstellen können, und das wird nach langer Zeit, wenn wir nicht mehr leben werden, die ausgebildete Wissenschaft erst werden. Aber so sehr diese Dinge auch in der geistigen Welt heute vorhanden sind, so sehr sie zum Beispiel unter den Wesen gang und gäbe sind, die nicht auf Erden, sondern in der Sonne leben, so sehr können sie auf die geschilderte Weise in das Erdenbewußtsein hereingebracht werden. Nur muß man eben nicht glauben, daß man laboratoriumsmäßig Versuche machen kann, und auch nicht glauben, daß man mit der abstrakten Anatomie und so weiter, wie sie in den Lehrbüchern steht, da weiterkommen könnte. Da handelt es sich darum, daß das alles durch den lebendigen Menschen geht. Warum?

Weil diese Dinge nur festgehalten werden können, wenn man sie mit denjenigen Kräften anfaßt, die auch aus dem gemeinsamen Zusammenstreben von Menschen zustande kommen, wenn sie sozusagen erfaßt werden mit den Kräften, die die Menschen aus ihren früheren Erdenleben in sich tragen, und diese Kräfte vor allen Dingen zum Halten, zum Festhalten dieser Dinge benutzt werden. Dann, wenn das geschieht, tritt in jene Welt der Saturn- und Jupitersphäre dasjenige ein, was man die Marssphäre nennen kann. Von da ab beginnen die Dinge zu sprechen. Von da ab werden die Dinge offenbar durch Inspiration. Und dann kommt man wiederum zurück zur Sonne mit dem inspirierten Bewußtsein. Das ist der andere Weg, der sich heute als derjenige ergibt, den die Naturwissenschaft fordert, den die Initiaten, von denen ich gestern gesprochen habe, gerne vermeiden möchten. Es ist ihnen unbehaglich, wenn sie auf diesen Weg kommen, der aber gegangen werden muß.

Denn der Weg durch die Mondensphäre — das wird Ihnen auch aus den heutigen Auseinandersetzungen klar sein —, der ist ja gerade vonden alten Initiaten wunderbar gegangen worden, und man hat auch wunderbare Dinge, namentlich in der «Secret Doctrine» von Helena Petrowna Blavatsky in bezug auf diesen Mondenweg. Man muß nur das Richtige vom Unrichtigen unterscheiden können; dann sind aber großartige Wahrheiten in dieser «Secret Doctrine». Aber es ist der Weg, welcher hinaufgeht durch das Mondenastrallicht, in dem Helena Petrowna Blavatsky in wunderbarer Weise leben konnte, und in dem ihr für ihre Interpretationen der Merkurbote ein ganz wunderbarer Führer geworden ist. Man kann das sehen, wenn man ihre Auseinandersetzungen verfolgt, wie sie überall die Imagination an die richtige Stelle hinleitet. Es ist ja wunderbar bei der Blavatsky: Wenn sie eine Imagination entwickelt, so ist diese Imagination da; der Merkurbote leitet sie; er leitet sie hinein da, wo eine verborgene Bibliothek ist. Die Idee entsteht in ihr; der Merkurbote leitet sie hin zu einem sorgfältig vom Vatikan bewahrten Buche; die Blavatsky liest darinnen. Und manches steht bei der Blavatsky, was sie sonst nicht hätte finden können, weil es der Vatikan sorgfältig bewahrte, weil es gut seit Jahrhunderten bewahrt ist! Dieser Weg ist tatsächlich derjenige, der viel, viel begangen ist, und den man sorgfältig unterscheiden muß von alledem, was an fester innerer Haltung gemacht wird, wie ich es erwähnt habe.

Und der andere Weg führt diejenige Bahn, die ich beschrieben habe, die rechnet mit dem modernen naturwissenschaftlichen Wege, den ja Helena Petrowna Blavatsky auch haßte wie die Nacht, das heißt, sie haßte die Nacht, aber der gewöhnliche Mensch fürchtet Gespenster. Das ist der Weg, der gegangen werden muß in der Weise, wie ich es Ihnen gekennzeichnet habe, der sich bewußt werden muß, daß er in den karmischen Kräfteentwickelungen der Menschen die Stütze, die Stärke findet, nicht so sehr um die Erinnerungen zu bekommen, sondern um sie festzuhalten, so daß sie beschrieben werden können. Da muß schon die gegenwärtige Wissenschaft menschlich vertieft werden, so wie ich das gestern an meiner Mitarbeiterin auf diesem Gebiete charakterisiert habe. Sie sehen also, an dem Exempel kann man am besten erörtern, wie sich die richtigen Wege und die falschen Wege ergeben. Nicht durch Definitionen erreicht man das, sondernman erreicht das dadurch, daß man an realen Beispielen die Dinge erörtert.

So viel noch darüber gesagt werden kann in der kurzen Zeit, werde ich mir erlauben, morgen noch hinzuzufügen zu den Dingen, um in gewissem Sinne für diesen Kursus dann einen Abschluß zu haben.




Zuletzt aktualisiert: 24-Mar-2024
Das Rudolf Steiner Archiv wird unterhalten von:
Der e.Librarian: elibrarian@elib.com
[Spacing]