[Steiner e.Lib Icon]
Rudolf Steiner e.Lib Section Name Rudolf Steiner e.Lib



Highlight Words

Antworten der Geisteswissenschaft auf die Grossen Fragen des Daseins

Schmidt-Nummer: S-2374

Online seit: 8th July, 2013

WAS HAT DIE GEOLOGIE ÜBER WELTENTSTEHUNG ZU SAGEN?

Berlin, 9. Februar 1911

Es könnte wie ein Alp lasten auf jener Weltanschauung, weldie die Geisteswissenschaft zu ihrer Grundlage hat, wenn in Ernst und in Wahrheit diese Weltanschauung in einen Gegensatz kommen müßte zu den berechtigten Ergebnissen naturwissenschaftlicher Forschung — jener Forschung, welche im Laufe der letzten Jahrhunderte und insbesondere im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts nicht nur auf dem Gebiete der Erkenntnis, sondern auf dem Gebiete des Gesamtfortschrittes der Menschheit so Großes, so Segenbringendes geleistet hat. Insbesondere aber müßte es bedrückend wirken, wenn diese Geisteswissenschaft sich in Widerspruch setzen müßte mit einem Zweige naturwissenschaftlicher Forschung, der verhältnismäßig zu den jüngsten gehört, der aber durch seine Eigenart, seine besonderen Aufgaben geeignet ist, nicht nur im tiefsten Sinne des Wortes das menschliche Interesse zu erregen, sondern der auch Perspektiven eröffnet in dasjenige, was wir nennen das Werden unseres Planeten sowohl, wie das Werden und die Wandlung jener Geschöpfe, welche diesen Planeten bevölkern. Dieser junge Zweig naturwissenschaftlicher Forschung ist die Geologie, jene Wissenschaft, welche insbesondere seit dem zweiten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts, aber auch schon vorher, so gewaltigen Aufschwung genommen hat und trotz der großen Fragen, von denen wir zu sprechen haben werden, die stehengeblieben sind und heute noch dastehen, Bedeutsames geleistet hat. Es wird sich heute für uns hauptsächlich darum handeln, uns das Verhältnis vor die Seele zu führen, in welchem die Geisteswissenschaft zur Geologie stehen muß, und die Frage zu beantworten: wieviel hat im Sinne der Geisteswissenschaft — jenes Wissenszweiges, welcher diesen Betrachtungen hier immer zugrunde gelegen hat — die Geologie über die Frage nach der Entstehung, nach dem allmählichen Werden und der Entwickelung der Erde und ihrer Lebewesen zu sagen?

Da müssen wir uns allerdings kurz vor die Seele führen, um was es sich eigentlich bei den Methoden, bei der Eigenart der geologischen Forschung handelt. Es ist ja wohl bekannt, daß die Geologie ihre Erkenntnisse aus unserem Erdboden heraus selber schöpft, und daß sie aus dem, was sie dort findet, ihre Schlüsse zieht in bezug auf die Art und Weise, wie unser Planet im Laufe der Zeit vielleicht entstanden ist, sich umgewandelt hat. Bekannt ist ja: wenn wir durch irgendwelche Aufschlüsse unseres Erdbodens — zum Beispiel beim Eisenbahnbau, bei Steinbrüchen, im Bergbau — Gelegenheit haben, tiefere Schichten unserer Erde in bezug auf ihre Gesteinsinhalte und ihre sonstigen Inhalte zu studieren, daß sich uns diese Schichten von derjenigen verschieden zeigen, über die wir zunächst unsere Schritte lenken, verschieden von der äußersten Oberfläche. Aber auch innerhalb dieser Oberfläche wieder zeigt sich uns der Boden in der mannigfaltigsten Weise verschieden, wenn wir ihn in bezug auf seine Gesteinsarten und seinen mineralischen Charakter untersuchen. Es ist wohl ferner bekannt, daß zu den interessantesten Forschungen diejenigen gehören, welche sich auf solche Schichten unserer Erdoberfläche beziehen, die deutlich einen derartigen Charakter zeigen, daß wir sagen können, das Material, welches da den

Boden bedeckt, sei ursprünglich im Wasser aufgelöst gewesen oder sei sonstwie unter der Gewalt des Wassers gewesen, sei sozusagen einmal in verflossenen Zeiten von dem Wasser angeschwemmt worden. Wir sehen ja noch heute, wie Flüsse diejenigen Gesteinsmaterialien, welche sich in ihrem Wassergehalt ansammeln, weit forttragen und dann in anderen Gebieten ablagern. Wir sehen, wie sich durch solche Ablagerungen der Boden bedeckt. In derselben Weise haben wir uns in alten Zeiten Anlagerungen über Anlagerungen entstanden zu denken. Uber die eine auf solche Weise entstandene Anlagerung haben wir uns eine andere darübergelagert zu denken, die sich, wenn wir sie untersuchen, so zeigt, daß sie einen von der unteren Schicht verschiedenen Charakter trägt. So zeigt uns unsere Erde schichtenweise ihr Gesteinsmaterial von verschiedenem Charakter. Es ist natürlich unschwer sich zu sagen, daß diejenigen Schichten, welche zuoberst liegen, die jüngsten sein müssen, welche durch die jüngsten Vorgänge unserer Erde aufgelagert worden sind, und daß wir, je tiefer und tiefer wir in das Untere des Erdbodens hineinzuschauen Gelegenheit haben, zu Schichten kommen, die in älteren und immer älteren Zeiten aufgelagert worden sind und eben von den jüngeren Schichten bedeckt worden sind. Ferner ist auch bekannt, daß sich in diesen Schichten unserer Erde allerlei Einschlüsse finden, welche nach den Anschauungen unserer Gegenwart davon herrühren, daß tierische Lebewesen und Pflanzen sozusagen ihren Tod gefunden haben, mit dem Wasser und mit den Schichten fortgeschwemmt, auf natürliche Weise begraben worden sind, und sich dann mehr oder weniger verändert oder unverändert innerhalb des Gesteinsmateriales als die Überreste vorweltlicher Lebewesen finden. Unschwer ist es ferner, sich zu denken, daß wir eine gewisse Beziehung zwischen einer solchen Schicht von Gesteinsmaterial, wie sie da lagert, und den tierischen und pflanzlichen Einschlüssen, die da drinnen sind, annehmen müssen.

Nun darf man sich allerdings nicht vorstellen, daß so bequem über die ganze Erdoberfläche hin jüngere Schichten über die älteren darübergelagert sind, sondern man muß sich klar sein, daß zuweilen bis an die Oberfläche herauf — durch ihren Charakter erkennbar — ältere Schichten lagern, daß im Laufe der Erdentwickelung die mannigfaltigsten Störungen, Durcheinanderlagerungen, Übereinanderlagerungen, Aufstülpungen und so weiter dieser Schichten stattgefunden haben, so daß es der Geologe keineswegs leicht hat, im einzelnen Falle zu sagen, wie die eine Schicht über die andere zu lagern gekommen 1st. Das sind Dinge, die hier nur angedeutet werden können. Jedenfalls dürfen wir von den eben genannten Unregelmäßigkeiten absehen und dürfen annehmen, daß den Geologen die Schichten der Erde mit den Einlagerungen durch alle hindurch zur Verfügung stehen, und daß sie daraus ihre Schlüsse ziehen, wie es eigentlich auf der Erde ausgesehen hat, als die oberste Schicht noch nicht abgelagert war, oder weitere unter der oberen Schicht liegende tiefere Schichten noch nicht da waren und so weiter, — daß man sich also von da aus VorStellungen bilden kann, wie es in vergangenen Zeiten unserer Erde ausgesehen hat.

Nun ist ferner allgemein die interessante Tatsache bekannt, daß die obersten Schichten — also die jüngsten unseres Erdmateriales — Einschlüsse der vollkommeneren tierischen und pflanzlichen Lebewesen zeigen, und daß wir, in je tiefere Schichten wir kommen, zu den Resten unvollkommenerer Lebewesen gelangen, die wir heute bei den niedrigeren Arten und Gattungen des Tier- und Pflanzenreiches aufzuzählen gewohnt sind. Wir kommen dann gewissermaßen zu den untersten Schichten unserer Erdoberfläche, die immer wieder und wieder von anderen Schichten bedeckt worden sind, kommen zu der sogenannten kambrischen Schicht unserer Erdentwickelung und sehen da, wie von unseren tierischen Lebewesen in dieser Schicht nur Einschlüsse derjenigen Tiere sind, die noch kein Wirbelskelett besessen haben. Wir treffen dann andere Tiere mit einem Wirbelskelett in den Schichten, die oben lagern, die also die Geologie berechtigt ist, als jüngere Schichten des Erdenwerdens anzusehen.

So scheint die Geologie eine volle Bestätigung dessen zu liefern, was die Naturwissenschaft heute aus anderen Voraussetzungen her kennt: daß sich im Prozeß unserer Erdentwickelung langsam und allmählich die Lebewesen von unvollkommenen zu vollkommeneren Gebilden entwickelt haben. Wenn wir etwa einen Blick auf die kambrische Schicht werfen, die unterste Ablagerung, und uns denken, alle übrigen Schichten wären noch nicht entstanden, so müßten wir uns denken, daß in den ältesten Zeiten nur die niedersten tierischen Wesenheiten vorhanden waren, die noch kein Skelett besessen haben und die ersten Vorläufer der unvollkommenen Tiere waren, dann ihr Grab gefunden haben und auf die unterste Schicht des Gesteinsmateriales abgelagert worden sind. Wir müssen uns vorstellen, daß diese Wesen Nachkommen gehabt haben, sich vielleicht unter andern Verhältnissen verändert haben, die dann eingetreten sind. Wir sehen bei der nächsten Schicht, die also jünger ist, solche Tiere auftreten, die in gewisser Beziehung skelettartige Bildungen schon in sich haben. Und indem wir uns den jüngeren Schichten nähern, sehen wir immer vollkommenere und vollkommenere Tierarten auftreten, bis wir heraufkommen in die Tertiärschichten, wo wir sehen, daß die Säugetiere bereits da sind, und dann in den Schichten, die noch jünger sind als die Tertiärschichten, den Menschen auftreten sehen.

Sie wissen, daß es heute eine Vorstellungsart gibt, die sich einfach denkt, daß die niederen Tiere, die zur Zeit des Kambriums gelebt haben, Nachkommen gehabt haben, von denen ein Teil stehengeblieben ist, ein anderer Teil sich weiterentwickelt hat und dann zu den skelettartigen Tieren und so weiter geworden ist; so daß wir das Auftreten vollkommenerer Tiere in den späteren, jüngeren Schichten so zu erklären hätten, daß sich die unvollkommensten, einfachsten tierischen und pflanzlichen Lebewesen allmählich vervollkommnet hätten. Das gäbe ein rein anschauliches Bild der allmählichen Entwickelung des Lebens und auch der sonstigen Vorgänge auf unserer Erde — so etwa, wie es sich dem Auge des Beobachters zeigte, der während der Jahrbillionen und Jahrbillionen hätte zuschauen können, welche die Geologie für dieses Geschehen herausgerechnet hat. Damit wir uns auch vor die Seele führen, wie die Methoden und Forschungsarten sind, darf folgendes angedeutet werden. Wenn man zum Beispiel sieht, wie heute noch gewisse Schichten durch Flußanschwemmungen oder dergleichen im Laufe von so und so vielen Jahren abgelagert werden und man die Höhe einer solchen Schicht mißt, so daß sich ein gewisses Maß ergibt und man sagen kann: in soundsovielen Jahren hat sich eine solche Schicht abgelagert, — dann kann man berechnen, wie lange es gedauert hat, bis sich solche Schichten abgelagert hatten, wie wir sie ins Auge faßten, vorausgesetzt, daß die Verhältnisse so waren, wie sie heute sind. Da kommen dann die verschiedensten Zahlen heraus, je nach den verschiedenen Berechnungen, welche die Geologen angestellt haben. Es ist nicht nötig sich darin zu ergehen, daß darüber Widersprüche vorhanden sind, denn wer die Widersprüche kennt, wird wissen, daß sie nichts zu bedeuten haben, wenn sie auch wirklich manchmal recht kraß sind und die Verschiedenheiten sich zwischen vielen Billionen von Jahren belaufen, die von den einzelnen ForSchern zu verzeichnen sind.

Wenn wir uns das alles vorführen, haben wir doch nur ein Bild dessen, wie sich nach den Anschauungen der Geologie — genau in dem Ton, in dem das jetzt Gesagte geschildert worden ist — die Vorgänge in unserer Erdentwickelung in den letzten Jahrbillionen abgespielt haben. Die Geologie zwingt uns weiter, allen diesen Vorgängen andere vorauszusetzen. Denn alle diese Schichten, welche Reste tierischer Lebewesen eingeschlossen enthalten, ruhen gewissermaßen auf anderen, die ja dann bis an die Oberfläche herausragen, indem sie die über sie gelagerten Schichten durchbrechen und Gebirge bilden und so sichtbar werden, so daß die Vorstellungen der Geologie dazu führen, daß alle Reste von Lebewesen führenden Schichten unserer Erde auf einer anderen Schicht ruhen, welche uns sozusagen in ein Alter unserer Erde zurückweist, das allem Leben vorangegangen ist. Denn die Zusammensetzung dieser ältesten und untersten Schicht unserer Erdoberfläche zeigt uns, daß, als sie entstanden ist, gewissermaßen — wenigstens nach den VorStellungen der Gegenwart — Leben, wie es heute ist, nicht auf unserer Erde gewaltet haben kann. Die Geologie sieht sich bemüßigt anzunehmen, daß die unterste Schicht einem Feuerprozeß ihre Entstehung verdankt, innerhalb dessen es unmöglich ist, sich irgendein Leben zu denken, so daß uns die Geologie im Werdegange unserer Erdentwickelung in alte Zeiten zurückführen würde, in denen gewissermaßen aus einem Feuerprozeß heraus älteste Gesteins- und Mineraiarten sich gebildet haben. Erst später haben sich auf der Grundlage dieser untersten Schicht die jüngeren, Lebewesenreste führenden Schichten durch solche Vorgänge abgelagert, die sich zugetragen haben, als unsere Erde durch die AusStrahlung ihrer Wärme in den Weltenraum schon so abgekühlt war, daß Leben möglich wurde. Das alles hat man sich begleitet zu denken von Prozessen physischer, chemischer Art, die nicht im einzelnen geschildert werden können.

Wenn wir so gleichsam in diese ältesten Zeiten unserer Erde zurückschauen, nachdem eine gewisse Abkühlung bereits eingetreten ist — man denkt sich in der Geologie die Erde vor der ersten Gesteinsbildung in einem noch heißen Zustande, so finden wir unseren Erdball — entsprechend der Oberfläche zu — mit einer Grundschicht behaftet und sehen, wie sich über diese Grundschicht jene Schichten ausbreiten, die in ihren Einschlüssen lebendige Zeugen dafür liefern, daß sich Leben auf unserer Erde seit langen Zeiten abgespielt hat. Wenn wir diese ältesten Schichten, auf denen die lebenführenden ruhen, in bezug auf ihr Gesteinsmaterial betrachten, das im wesentlichen das ist, was man als Granit benennt, so schauen wir damit auf eine Gestalt unseres Erdballs, die uns denselben noch als eine Art von leblosem Zustand im Sinne unserer heutigen Geologie zeigt. Das ist dort, wo die oberen Schichten offen sind und der Granit heraustritt und Gebirge bildet: gleichsam als Zeugnis für die ältesten Zeiten unserer Erde.

Goethe, der neben dem, daß er ein großer Dichter war, auch ein großer Naturdenker und Naturforscher war, hat insbesondere tief empfunden, wenn ihm dieses älteste Steinsgebilde unserer Erde, der Granit, entgegengetreten ist, wie dieses körnige Gesteinsmaterial etwas ist, auf dem gleichsam wie auf dem Knochengerüst der Erde das andere alles sich erhebt. Das flößte Goethe etwas ein, was ihm wie der Widerklang einer Ur-Ruhe unseres Planeten war, und mit Ehrfurcht betrachtete er dieses Gestein. Ein solcher Mensch konnte nicht anders, als die Vorgänge innerhalb unserer

Erdentwickelung nicht nur mit dem Verstände, sondern auch mit dem Herzen zu betrachten, was uns diese Uberreste enthüllen über das Erdenwerden. Tief ergreifend und tiefer noch in die Geheimnisse hineinführend als alles abstrakte Denken sind die Worte, die Goethe angesichts dieses «ältesten Sohnes der Natur», wie er sich ausdrückt, angesichts des Granits sprach:

«... Mit diesen Gesinnungen nähere ich midi euch, ihr ältesten würdigsten Denkmäler der Zeit. Auf einem hohen nackten Gipfel sitzend und eine weite Gegend überschauend, kann ich mir sagen: Hier ruhst du unmittelbar auf einem Grunde, der bis zu den tiefsten Orten der Erde hinreicht, keine neuere Schicht, keine aufgehäuft zusammengeschwemmte Trümmer haben sich zwischen dich und den festen Boden der Urwelt gelegt, du gehst nicht wie in jenen fruchtbaren schönen Tälern über ein anhaltendes Grab, diese Gipfel haben nichts Lebendiges erzeugt und nichts Lebendiges verschlungen, sie sind vor allem Leben und über alles Leben. In diesem Augenblicke, da die inneren anziehenden und bewegenden Kräfte der Erde gleichsam unmittelbar auf mich wirken, da die Einflüsse des Himmels mich anher umschweben, werde ich zu höheren Betrachtungen der Natur hinaufgestimmt, und wie der Menschengeist alles belebt, so wird auch ein Gleichnis in mir rege, dessen Erhabenheit ich nicht widerstehen kann. So einsam, sage ich zu mir selber, indem ich diesen ganz nackten Gipfel hinabsehe und kaum in der Ferne am Fuße ein geringwachsendes Moos erblicke, so einsam, sage ich, wird es dem Menschen zu Mute, der nur den ältesten ersten tiefsten Gefühlen der Wahrheit seine Seele eröffnen will.»

Das ist die Stimmung, die Goethe überkam, als er dieses Gestein betrachtete, das durch seine ganze Beschaffenheit zeigt, daß es nichts Lebendiges in sich haben konnte, also auch nichts Lebendiges wie die darüberliegenden Schichten verschlungen haben konnte.

So skizzenhaft das ist, was ich bisher anführen durfte, es zeigt doch — gleichsam in großen Kohlestrichen — das Bild, das man sich heute aus der Geologie heraus über den Gang der Erde und ihre Lebewesen machen kann. Nun aber hat man nicht immer so gedacht, und es hat sich diese Denkweise nur ganz allmählich herausgebildet. Denn zum Beispiel zur Zeit, als sich Goethe mit Geologie beschäftigte, tobte in einer gewissen Weise ein Streit über die Entstehung unserer Erde, den man den Streit der Plutonisten und der Neptunisten nennt. Einer der hauptsächlichsten Vertreter der letzteren war der mit Goethe auch bekannte Geologe Werner. Dieser war der Anschauung, daß sich im wesentlichen alles, was wir an Schichtungen innerhalb unseres Erdbodens zu schauen haben, nicht auf irgendwelche FeuerWirkungen zurückführen läßt, sondern daß alles, was man erforschen kann, darauf hinweist, daß die Erde im Grunde genommen doch nur aus einem wässerigen Elemente, einer wässerigen Gestaltung unseres Planeten sich herausgebildet habe. Daß selbst die ältesten Schichtungen Ablagerungen aus dem Wasser seien, daß also auch der Granit nicht durch das brodelnde Feuer sich herausgebildet habe, sondern ebenfalls aus dem Wasser sich abgelagert habe und nur durch die späteren Vorgänge im Laufe der Zeit sich so umgeändert habe, daß heute sein Wasserursprung nicht mehr so klar erscheint. Alles ist sozusagen aus dem Wasser entstanden — das war eine Grundanschauung der Neptunisten und namentlich Werners. Dagegen stand die Anschauung der Plutonisten, die davon ausging, daß unsere Erde mit unserem ganzen Planetensystem sich aus einem gasförmigen, mit hoher Temperatur behafteten Weltennebel herausgebildet, sich durch Abkühlung herausgesondert und weiter durch Ausstrahlung der Wärme in den Weltenraum abgekühlt habe. Daß dann Verhältnisse eingetreten sind, wo durch die Wärmewirkungen der Granit und vielleicht ähnliche Gesteinsarten haben entstehen können, daß aber durch die Ausstrahlung der Wärme nur die Oberfläche der Erde abgekühlt worden sei, während das Innere noch immer feurig-flüssig wäre, und daß die Vulkanausbrüche und die Erscheinung der Erdbeben lebendige Zeugen dafür seien, daß der Erdboden Reste eines feurigflüssigen Zustandes in seinem Innern berge. Die Anhänger der Neptunistischen Schule sahen dagegen in allen vulkanischen Erscheinungen nur solche Vorgänge zugrunde liegend, welche gewissermaßen durch Druck oder durch chemische Verhältnisse im Innern der Erde, das sie sich durchaus nicht feurig dachten, es möglich machten, daß sich gewaltige innere Katastrophen abspielten, die sich nach außen entladen, so daß wir erst jetzt solche Vorgänge haben, die sich nach oben so ausleben, daß sie ganze Gebirgsmassive aus dem Innern der Erde hervorschieben. Kurz: wir haben es noch in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts mit einem sehr interessanten Streit zwischen derjenigen Anschauung zu tun, die man kurz einmal mit dem Worte bezeichnen kann, das Goethe im «Faust» gebraucht: «Alles ist aus dem Wasser entsprungen», und derjenigen Anschauung, nach welcher im Grunde genommen doch allen Erdbildungen die Vorgänge von FeuerWirkungen zugrunde liegen. Dann muß gedacht werden, daß sich oben an der äußersten Schale, die sich zum Innern wie die Eischale zum Eidotter verhält, etwas abgespielt hat, wodurch eine ganz dünne Schicht als Abkühlungsschicht geblieben ist, die sozusagen die Erde als Bedeckungs-Schicht des mächtigen Erdvulkanes umgibt, der unser Erdplanet, auf dem wir herumwandeln, wäre.

Nun müssen wir uns die Frage vorlegen: Was hat diese äußere Forschung zu sagen, und was hat die Geisteswissenschafl mit den Mitteln, die in den bisher gehaltenen Vorträgen charakterisiert worden sind, über das Werden der Erde zu verkünden? — Über die Stufen der Erde, die jetzt da sind und die vorangegangen sind, können Sie sich auch noch genauer unterrichten durch meine «Geheimwissenschaft im Umriß». — Wie weit bringt uns im Grunde genommen die Geologie? Wir wollen es jetzt mit klaren Worten zusammenfassen.

Die Geologie kann uns sagen: Sieh einmal, was du an Schichtbildungen an der Erdoberfläche findest. So wie diese Schichten gelagert sind, zeigen sie dir, daß Ablagerungen stattgefunden haben, jedenfalls in den jüngsten Zeiten, daß dadurch tierische Wesen ihr Grab gefunden haben, deren Nachkommen jetzt noch auf der Erde sind, aber auch solche, welche ausgestorben sind, und die wir nur dadurch als Bewohner der Erde kennenlernen, daß wir ihre in der Erde befindlichen Reste ausgraben. Da werden wir bis zu einer untersten Schicht der Erdoberfläche geführt, die noch immer zu dem gehört, was sich zum ganzen Planeten so verhält wie die Eischale zum Eidotter, und die uns zeigt, daß sie einer Feuerwirkung wohl ihren Ursprung verdanken könnte. Tiefer Blickende allerdings, wie zum Beispiel Goethe, sprechen sich schon vorsichtiger aus, auch da, wo sie ganz geologisch denken wollen. Und es ist interessant, das Wort Goethes zu vernehmen, das er über diese untere Schicht spricht.

«... In den innersten Eingeweiden der Erde ruht sie — diese Steinart — unerschüttert, ihre hohen Rücken steigen empor, deren Gipfel nie das alles umgebende Wasser erreichte. Soviel wissen wir von diesem Gestein und wenig mehr. Aus bekannten Bestandteilen, auf eine geheimnisreiche Weise zusammengesetzt, erlaubt es aber so wenig seinen Ursprung aus Feuer wie aus Wasser herzuleiten.»

Also Goethe macht schon darauf aufmerksam, daß eventuell sowohl Feuerwie Wasserwirkungen nicht dasjenige sein könnten, was uns auf die geheimnisvolle Bildung dieses ältesten Sohnes unserer Erde, des Granits, hinweise. Wenn wir einfach neben die geologische Forschung, die uns im Grunde genommen nun nicht weiterführen kann, dasjenige hinstellen, was die Geisteswissenschaft sagt, was aus der hellseherischen Forschung gewonnen ist, so nimmt es sich etwa in folgender Weise aus.

Blicken wir mit dem geistigen Auge, das uns durch die Methoden geschärft werden kann, die im Laufe dieser Vorträge öfter angeführt worden sind, in die Vorzeit unseres Planeten, so erscheint uns in gewisser Beziehung das, was sich dem sinnlichen Auge darbieten dürfte, ungefähr in derjenigen Zeit und Zeitfolge, die uns durch die geologische Forschung dargeboten wird. Wir blicken gewissermaßen da auch zurück, wie die geologische Forschung sich eigentlich in der Phantasie den rückläufigen Blick konstruieren mußte. Wir schauen von jenen Wesen, die wir heute nach unseren menschlichen Begriffen als vollkommen bezeichnen, indem wir nach rückwäts gehen, auf immer unvollkommenere und unvollkommenere Lebewesen auf der Erde, und wir sehen sich darin zuweilen groteske Formen mischen, die zum Beispiel in den verschiedenen Sauriergestalten enthalten sind, im Ichthyosaurus, Plesiosaurus, Dinosaurus, Archaeopteryx. Wir finden dann Wesenheiten, die nichts von einem Wirbelskelett gehabt haben und so weiter und treffen in der Tat durch den hellseherischen Blick auf eine Zeitepoche unserer Erde, in welcher wir nicht solche Wesenheiten schauen können, wie sie jetzt auf unserer Erde leben. Wir müssen also zugeben, daß auch die geisteswissenschaftliche Forschung dieses allmähliche Ansteigen der Vervollkommnungsgrade aus ihren eigenen Quellen heraus schauen kann. Wenn wir nun so zurückgehen und gewissermaßen bei dem Zeitpunkt mit der hellseherischen Forschung ankommen, den die Geologie mit dem Granit fixiert, der sich im Sinne der heutigen Geologie aus dem schon abgekühlten, aber noch immer in Feuerwirkungen wogenden Erdengebilde herausgeballt hat, so müssen wir fragen: Was hat die Geologie — was hat die Geisteswissenschaft nun als Voraussetzungen einer früheren Zeit anzunehmen?

Wenn wir innerhalb der Geologie auf einem wirklich sicheren Boden bleiben — eigentlich sollte das, was jetzt gesagt wird, kein Naturforscher bezweifeln dann hat die Geologie hinter dem, was jenseits des Granits nach der Vorzeit zu liegt, nur Vermutungen. Solche Vermutungen kann sie auch darüber haben, wie es im Innern der Erde ausgeschaut habe, denn die Bohrlöcher, die durch Bohrungen in die Erde hineingearbeitet worden sind, führen nur so weit, daß man sie als winzig kleine Nadelstiche bezeichnen muß. Vermutungen und Hypothesen, weiter nichts, Ahnungen höchstens noch über das, was dem Gewoge und Getriebe der Granitbildung vorangegangen ist!

Die Geisteswissenschaft nun folgt — allerdings mit jenem Blick, dessen Eigentümlichkeiten hier öfter charakterisiert worden sind — dem Erdenwerden, rückwärtslaufend, in die Vorzeit und findet in dem Reiche, das man mit Augen sehen kann, immer unvollkommenere und unvollkommenere Wesen alsdie Vorläufer unserer gegenwärtigen irdischen Lebewelt. Aber sie findet, daß die Erde, wenn wir sie so rückwärtssehend verfolgen, gewaltig anders sich darstellt, als sie sich in der jetzigen Zeit darstellt. Wie sie sich gegenwärtig als die mineralische Grundlage zeigt, auf der wir wandeln, umgeben von der Luft, wo sich die Nebel, die Wolkenbildungen und so weiter finden, so stellt sie sich, indem wir so in die Vorzeit zurückschreiten, durchaus nicht dar. Eine große Anzahl von Stoffen, die heute in den Tiefen der Erde sind, waren in früheren Zeiten noch in der Umgebung der Erde und schlugen sich erst nach und nach nieder. Das muß auch die Geologie zugeben. Aber je weiter wir zurückgehen, desto mehr finden wir, daß unsere Erde überhaupt als Planet ein ganz anderes Gebilde, etwas ganz anderes wird, daß gewissermaßen das, was jetzt Luftumkreis ist, immer mehr und mehr, indem wir nach rückwärts gehen, uns selber den Charakter eines Lebewesens zeigt. Daß wir im Umkreis unserer Erde nicht nur solche mineralische Luft und solche mineralische Wolkenbildung finden, wie wir sie jetzt haben, sondern daß wir innerhalb dessen, was zu unserer Erde gehört, in den ältesten Zeiten etwas wie lebendige Glieder eines großen lebendigen Wesens finden. Wir kommen uns vor, wenn wir so nach rückwärts schreiten, wie wenn wir heute als ganz winzige Wesen in einem menschlichen Organismus stehen könnten, wenn wir darinnen auf dem festen Boden eines Knochen stünden und hinaussehen könnten und draußen das Blutsystem, das Nervensystem und so weiter wie eine Umwelt sehen würden. So würde jemand in alten Zeiten, der auf der Erde gestanden und hinausgeschaut hätte, nicht mineralisches Weben und mineralische Luft gesehen haben, sondern lebendiges, pulsierendes Leben. Je weiter wir zurückkommen, desto mehr wäre dies der Fall, so daß wir bis zu der Epoche zurückkommen könnten, die wir als Granitbildung bezeichnen. Und wir könnten uns sagen: Da ist die Erde im Grunde genommen ein mächtiges Lebewesen, hat ein zahlreiches, mannigfaltiges Leben in sich, ist noch nicht von den Lebewesen belebt, die heute auf ihr herumwandeln oder sich im Wasser und so weiter aufhalten, sondern die da drinnen leben — gleichsam wie Parasiten des ganzen lebendigen Erdenorganismus, die in seinem Blute schwimmen, wie heute die Regenmassen in der Luft und dergleichen mehr. Dann kommen wir zu einer Zeit, von der wir sagen müssen: Auf dem Erdboden herrscht allerdings eine so große Temperatur, daß sich Leben nicht entwickeln kann, aber im Umkreise entwickelt sich Leben, Leben, das herunter will, aber nicht herunter kann. Warum kann es nicht herunter? Da unten wird durch den Feuerprozeß, den Prozeß hoher Erwärmung zunächst das aufgenommen, was das Lebendige unserer Erde so aus sich heraus absondert, wie unser lebendiger Organismus die festen Bestandteile, die Knochen, aus den weichen Teilen heraus absondert. Und jetzt blicken wir auf die Granitbildung und sagen: Das Material, welches der Granit enthält — Quarz, Feldspat und Glimmer — ist ursprünglich aufgelöst in dem großen lebendigen Wesen: Erde. Das braucht zur Entwickelung die Tatsache, daß es sich dieser Stoffe entledigen kann, es sondert sie aus, läßt sie zur Erde fallen. Was unten ist, nimmt dies Ausgesonderte auf, bildet ein Grundmassiv, ein Knochengerüst in dem Lebewesen Erde. Und wenn wir noch weiter zurückgehen, müssen wir die Ursachen suchen, warum die ganze lebendige Erde aus sich heraus die Stoffe abgesondert hat, welche als chemische Stoffe heute unsere Erde bilden und nicht zugleich diejenigen sind, die sich im tierischen, pflanzlichen oder menschlichen Organismus befinden. Diese Stoffe wurden damals nach und nach auf ähnliche Weise durch Feuer- oder Wasserwirkung abgesondert und dann umgebildet zum Knochengerüst unserer Erde.

Wenn wir nun weiter zurückfragen, wie es kommt, daß die Stoffe nun aus dem Erde-Lebewesen herausgesondert wurden und einen Grundstock bildeten, aus dem das Leben gewichen ist, und nach den Ursachen fragen, durch welche das hat kommen können, so stoßen wir auf etwas, was — spricht man von ihm als von Vorgängen innerhalb unserer Erdentwickelung — heute noch im weitesten Umkreis sehr leicht Ärgernis erregt, und zwar nicht bei naturwissenschaftlichen Denkern — diese sollten es anerkennen —, sondern besonders bei denen, die auf ein paar Vorstellungen hin, die sie gewonnen haben, eine Weltanschauung bauen wollen. Wir müssen aber hinweisen auf das, was die Geisteswissenschaft aus ihren Betrachtungen heraus zeigt, daß eben so die Wahrheit ist. Es zeigt sich nämlich, daß diesen Prozessen — gleichsam des Aussonderns der Gesteinsmaterialien — innerhalb des Erde-Lebewesens vorausgegangen ist ein solcher Prozeß, den wir nun mit einem heutigen Vorgang bezeichnen können, wenn wir auf unseren eigenen Innenvorgang hinweisen, der ja für die äußere Wissenschaft wenig bekannt ist, der aber auch in diesen Vorträgen — ich kann das auch nur andeutungsweise sagen — durch die Geisteswissenschaft bereits ein wenig beschrieben worden ist, — auf jenen Vorgang, der sich den ganzen Tag über in unserem eigenen Leibe abspielt, wenn wir durch Arbeit, durch die Begriffe, die der Geist schafft, unsere Muskeln, die Werkzeuge unseres Gehirns, überhaupt unsern ganzen Leib anstrengen. Da spielt sich der Prozeß ab, den wir als Ermüdung bezeichnen. Das ist im wesentlichen eigentlich eine Art Zerstörungsprozeß des Organismus. Deshalb können wir sagen: Während wir heute vom Morgen bis zum Abend unser waches Tagesleben führen, indem wir denken, fühlen und wollen, spielen sich in uns Zerstörungsprozesse ab, die wir dann als Ermüdung fühlen. Solche Prozesse geistig-seelischer Art, die aber in die Materie hineinwirken, wird als äußere Naturwirkungen eine naturwissenschaftliche Weltanschauung gewiß nicht leicht zugeben wollen. Aber sie waren in jenem großen, gewaltigen Organismus vorhanden, der einst die Erde war. Und als sich die Erde dem Zeitpunkt näherte, wo sich der Granit und ähnliches abgesondert hat, wurde sie von lauter solchen Zerstörungsprozessen ergriffen, die so wirkten, daß ein Geistig-Seelisches an einem Materiellen arbeitete. In jenen Organismus, in den früher hineingearbeitet waren nicht nur die Stoffe, die heute der pflanzliche, tierische und menschliche Organismus hat, sondern auch die Stoffe, welche heute unser Erdmassiv ausmachen, ergoß sich alles, was von solchen durch geistig-seelische Vorgänge bewirkten Zerstörungsprozessen vorhanden war. Diese Zerstörungsprozesse leiteten in dem großen Lebewesen Erde dasjenige ein, was dann herbeiführte, daß dasjenige — gleichsam durch einen Absonderungsprozeß — ausgestoßen wurde, was wir heute an chemischen Stoffen im Aufbau unserer Erde haben, was wir nicht in den organischen Leibern finden.

So werden wir durch die Geisteswissenschaft zu der Erde zurückgeführt als zu einem Organismus — nicht zu einem Urzustand unserer Erde, in welchem sie sozusagen tote Masse war, sondern wo die Erde ursprünglich ein großer Organismus war. Im Sinne der Geisteswissenschaft muß man nämlich eine Frage, die heute ganz falsch gestellt wird, geradezu umdrehen. Keine Wissenschaft wird — wenn sie annimmt, daß unsere Erde einstmals eine tote Kugel war, worin nur chemische und physikalische Prozesse sich abgespielt haben — in der Lage sein, erklären zu können, wie aus dieser toten Kugel heraus das Leben hat entstehen können. Das ist eine große Streitfrage, aber sie wird in der Regel ganz falsch gestellt. Denn man fragt gewöhnlich: Wie hat sich aus dem Leblosen Leben entwickeln können? — Aber so ist es nicht: nicht dem Lebendigen geht das Leblose voran, sondern umgekehrt, dem Leblosen geht das Lebendige voran. Das leblose Mineral isteinAbsonderungsprodukt, wie unsere Knochen eine Absonderung unseres Organismus sind. So ist alles Gestein ein Absonderungsprodukt unseres Erdenorganismus, und geistig-seelische Prozesse sind es — wenn auch zunächst Zerstörungsprozesse —, die bewirkt haben, daß unser Erdenorganismus zu solchen Absonderungen kam. Wenn wir weiter zurückgingen, würden wir sehen, daß dieser Gang uns noch viel weiter führen würde. Wir würden da von dem, was sich in unserem Mineraiischen abspielt, zu der Erde als einem Organismus geführt, ja, wir sehen jetzt schon, indem wir noch weiter zurückgehen, kommen wir nicht nur zu einem Organismus, sondern zu einem Gebilde unseres Planeten, das von geistigseelischen Wirkungen durchsetzt ist. Wir leiten nicht nur das Leben nicht auf Lebloses zurück, sondern wir führen das Leblose zurück auf Absonderungsprozesse aus dem Lebendigen, und wir nehmen das Lebendige als Folgezustand des Geistig-Seelischen an. Je weiter wir zurückgehen, desto mehr nähern wir uns dem, woraus wirklich entsprungen ist, was wir heute als Mineralien, Pflanzengebilde und so weiter vor uns haben: Wir nähern uns dem Geistigen und lassen uns von der Geisteswissenschaft sagen, daß nicht nur aus einem leblosen, feurigen Urnebel sich dasjenige gebildet hat, was uns heute in der Mannigfaltigkeit der Erderscheinungen gegenübertritt, sondern daß sich alles aus dem Geistigen herausgebildet hat, daß ursprünglich unsere Erde lauterer Geist war. Der Fortgang war so, daß auf der einen Seite aus dem Geistigen sich die Gebilde absonderten, die mehr nach dem Mineralischen zu liegen, und daß auf der anderen Seite die Möglichkeit dazu kam, daß gewisse neue Gebilde entstanden, die eine neue Form geistiger Wirkungen aufnehmen konnten. Denn wenn wir jetzt den umgekehrten Weg nehmen und sagen: In den alten Gesteinsmaterialien haben wir etwas, was sich aus dem ursprünglichen Erdenorganismus herausgesondert hat, und wir gehen dann weiter bis in unsere Zeit, so geschieht diese Absonderung fortwährend. Der Granit ist nur die älteste Absonderung. Aber die Prozesse, die Absonderungen bilden, werden immer weniger und weniger lebensvolle Prozesse sein, werden immer mehr und mehr bloße chemische, mechanische Prozesse sein, so daß wir zuletzt in unserer Zeit nur noch jene Wasserwirkungen haben, die beobachtet werden können, wenn zum Beispiel ein Fluß das Gesteinsmaterial von einem Orte zum andern trägt. Aber was uns da als mechanisch-chemische Prozesse entgegentreten, das ist nur das letzte Produkt, ist das, was das gesetzmäßige Mineral geworden ist, was als Folgezustand von dem eingetreten ist, was sich ursprünglich als LebensWirkungen abgespielt hat.

Wir sehen also, wie sich in der Tat im Laufe unserer Erdentwickelung in bezug auf das, was den Grund bildet, auf dem wir herumwandeln, etwas abspielt, was wir in ähnlicher Weise im einzelnen menschlichen oder tierischen Organismus haben. Da sehen wir, wie dieser Mensch bis zu einem gewissen Zeitpunkt lebt, wie er dann durch die Pforte des Todes schreitet, seinen Leib als Leichnam ablegt, und sehen die Prozesse, die bloß mineralische Prozesse sind, sich fortsetzen. Während der Lebenszeit des Leibes aber waren diese chemischen und physikalischen Prozesse in geistig-seelische Vorgänge einbezogen. So kommen wir auch zu einem Zeitpunkt des Erdendaseins zurück, wo die Prozesse, die wir heute als chemische und mechanische sich abspielen sehen, eingefangen und durchsetzt waren von organischen, ja von geistig-seelischen Prozessen. Was sich aber auf dem Boden unserer Erde abspielt, das ist sozusagen nur die eine Strömung, die aus früheren zunächst mehr lebendig organisdhen und dann geistigen Vorgängen geblieben ist. Dieser Boden mußte entstehen, sich bilden, damit auf seinem Grunde sich nun ein anders geartetes Leben abspielen kann: dasjenige Leben, das allmählich zu unserem Leben wurde, damit sozusagen nach und nach solche Gehirnwerkzeuge bei den Lebewesen sich ausbilden konnten, wodurch diese nun den Geist innerlich sich vergegenwärtigen können, innerlich sich Gedanken und Empfindungen bilden können, die gleichsam die äußeren Vorgänge erkennend und fühlend wiederholen. Daher muß die gesamte Stoffmasse unserer Erde erst «durchgesiebt» werden, die heute bloß mineralischen Stoffe ausgeschieden werden und diejenigen zurückbehalten werden, welche heute die Organismen bilden können, die nur von einem Teile des alten Stoffmassives durchsetzt sind. Das sind die Teile, die sich erst jetzt bilden können — zum Beispiel zu dem, was heute der Mensch ist. Der Geist, der im Menschenkopfe, im Menschenherzen lebt, der also in einem Wesen lebt, das gewissermaßen feiner organisiert ist als das gesamte Erdplanetenwesen, dieser Geist konnte nur in einem solchen Wesen entstehen, das erst aus sich ausgesondert erhalten hat die andere Stoffmasse, die heute nicht zum organischen Leben gehört. Durchgesiebt worden ist das gesamte Stoffmassiv unserer Erde, und was abgeflossen ist, das wurde zur Grundlage gemacht, die dem rein mineralischen Leben übergeben worden ist, damit sich darauf ein neues Leben entwickeln konnte, das wir nun in dem Augenblick in seine unterste Form eintreten sehen, wo von der nachfolgenden Zeit die einfachsten Wesen in der kambrischen Form von der Geologie uns vorgeführt werden.

Wenn wir so im Sinne der Geisteswissenschaft betrachten, was an heutigem Leben vorhanden ist, so werden wir sagen müssen: Dieses Leben war ursprünglich im Umkreise der Erde, ist dann gleichsam aus diesem Umkreise herabgekommen, konnte aber den Boden der Erde nicht früher betreten, bevor es nicht dasjenige vorausgeschickt hatte, was es an Stoffmassen brauchte, um darauf herumzuwandeln. Der Zersetzungsprozeß, der durch geistig-seelische Prozesse hervorgerufen worden ist, ist der EinleitungsVorgang zu zwei Strömungen, die sich seither abspielen: einer aufsteigenden Strömung, die ein feiner, höher geartetes Leben entfaltete — das brauchte nur einen Teil der Stoffmassen — und einer anderen Strömung, welche die Zersetzung fortsetzt und als Grundlage sich bietet für die feineren Organismen, die sich dann bis zum Menschen herauf entwickeln. Diese feineren Organismen sind in einer aufsteigenden Entwickelung. Warum? Weil sie dadurch-was man ja heute auch nicht zugeben wird daß sie das gröbste Material wie in einem gewaltigen Ausscheidungsprozeß abgesondert haben, durch den dann die Erdoberfläche wurde, in die Lage gekommen sind, sich von der Erde und ihren InnenWirkungen mehr oder weniger abzuschließen, und nun dem hingegeben sind, was an Weltenwirkungen von außen auf die Erde hereinströmt. Sie sind nun den geistigeren Vorgängen der Weltenwirkungen ausgesetzt und verdanken dem das Aufsteigen von den unvollkommenen Lebewesen bis zum Menschen.

Wenn wir die Erdentwickelung so ansehen, blicken wir auf den Grund und Boden, auf dem wir herumgehen, ohne daß wir die einzelnen Vorgänge in Betracht ziehen, so hin, daß wir uns sagen: Wir stehen auf ihm, er enthält — in dem Granit und in dem, was sich darauf abgesondert hat — dasjenige, was die Reiche der Lebewesen nicht braudien konnten, die es nur so verwenden konnten, daß sie es als Boden absonderten, um darauf herumzuwandeln. Und was als Fortsetzung davon vorhanden ist, ist ein 2erstörungs- und Auflösungsprozeß. Da müßten wir uns im Grunde genommen mit dem Gedanken bekannt machen: Wenn uns heute der Geologe den Erdboden darlegt, wie er aus Tälern und Gebirgen besteht und sich schichtenweise aufbaut, so müßte das etwas wie ein sich zersetzender Leichnam sein, der einen alten ZerstÖrungs- und Zersetzungsprozeß fortsetzt. Wir wandelten dann im Sinne der Geisteswissenschaft auf einem solchen Zerstörungsprozeß, damit wir einen Grund und Boden haben, den wir haben mußten, wenn wir die blühenden, die nach der Zukunft weisenden Kräfte ins Auge fassen, die nach der anderen Seite gehen als die, welche uns im Erdboden entgegentreten. Denn diese nach der Zukunft weisenden Kräfte sind etwas, was sozusagen unabhängig vom Erdboden in die menschlichen Seelen, die menschlichen Geister hereindringt, vielleicht auch in jene Wesen, die außerhalb des Menschlichen sind, die sich erst auf Grundlage des Erdbodens erheben. Im Erdboden selbst aber hätten wir etwas Zerfallendes. Geisteswissenschaftlich-geologisch betrachtet würde uns unsere Erde als ein immer mehr und mehr zerfallender Leichnam erscheinen, und die geologischen Gesetze würden zugleich Gesetze des sich auflösenden Erdenleichnams sein. Und der Mensch auf der Erde würde etwas sein, was sich aus dem Erdenleichnam heraushebt, wie sich die menschliche Seele, wenn sie durch die Pforte des Todes schreitet, vom Leichnam erhebt und diesen jenen Kräften zurückläßt, die ihn zersetzen und zerstören.

Es könnte ein trübes Bild bieten, wenn man dies sagt. Aber es wird nur ein trübes Bild bieten, wenn man sozusagen am Geist verzweifelt und den Geist lediglich an die

Materie gebunden hält und glaubt, daß mit dem Abfall des Menschen von der lebendigen Erdengestalt überhaupt das Ende des Menschen gekommen ist. Wenn man die Dinge aber betrachtet, wie es eine gesunde Naturbetrachtung ergibt, so muß man sagen: Es muß sich in gewisser Weise erfüllen, daß nicht nur der einzelne Mensch, sondern die ganze Menschheit den Erdenleib nach und nach abwirft, um in andere Regionen der Entwickelung nach und nach aufsteigen zu können. Wir wären somit — geisteswissenschaftlich-geologisch betrachtet — über die Mitte der Erdentwickelung schon seit jener Zeit hinaus, seitdem der «älteste Sohn der Erde» abgesondert worden ist, und die Wesen, die einen Zukunftsanfang bilden, werden sich auf der damit gebildeten Grundlage weiter entfalten.

Was sagt nun zu einer solchen geisteswissenschaftlichgeologischen Auffassung die moderne Geologie? Wenn Worte, Theorien, Hypothesen, Weltanschauungen in Betracht kommen, die leichthin und flugs von Parteiströmungen und so weiter gebildet sind, dann kann man sehr leicht konstruieren, wie eine solche Geisteswissenschaft mit dem naturwissenschaftlichen Denken in Widerspruch gerät. Aber wenn man diese Geisteswissenschaft, die ebenso streng und methodisch wie irgendeine andere Wissenschaft arbeitet, im Verhältnis zu der Naturwissenschaft betrachtet, so ist es schon nötig, daß man zu dem hinblickt, was die NaturWissenschaft wirklich zu sagen hat, das heißt also in bezug auf das heute Gesagte die Frage aufwirft: Was hat die Geologie in bezug auf das Erdenwerden zu sagen? Heute werden in populär-wissenschaftlichen Schriften und in populären Weltanschauungen oft Dinge in die Menge gebracht, die sehr sekundärer Natur sind, und dann wird gesagt: das habe «die Wissenschaft» festgestellt. Wenn man dies dann mit dem vergleicht, was die «vertrackten, halb wahnsinnigen» Geistesforscher sagen, so wird sich das manchem herausstellen als etwas, worauf man sich «überhaupt nicht einlassen kann». Denn so wird mancher sagen, der von der Geisteswissenschaft vielleicht nicht viel mehr kennt als das, was von allerlei abgelegenen Quellen zu ihm kommt. Aber man muß sich da schon zu dem wenden, was die wirkliche Wissenschaft und die wirkliche Geisteswissenschaft zu sagen hat. Denn nicht wie populäre Weltanschauungen, die aus der Wissenschaft nur scheinbar gewonnen sind, ist die Geisteswissenschaft zu betrachten, sondern mit der Strenge, mit der jede wahre Wissenschaft von den wahren Forschern an den Quellen zu betrachten ist. Da stellt sich denn etwas heraus, was ich Ihnen nicht anders schildern kann, als daß ich Sie auf dasjenige Werk hinweise, das einem der bedeutendsten Geologen unserer Zeit entsprungen ist und das ein sehr bekannter Geologe unserer Zeit die geologische Epopöe des neunzehnten Jahrhunderts genannt hat: das «Antlitz der Erde» von Eduard Sueß. Man darf sagen, daß in diesem Werke, an dem Sueß nicht Jahre, sondern Jahrzehnte — und zwar in der denkbar sorgfältigsten Weise — gearbeitet hat, die geologischen Forschungen, die dieser jüngste Zweig der Naturwissenschaft im Verlauf weniger Jahrzehnte hervorgebracht hat, zusammenfließen. Was zeigt sich da?

Eduard Sueß war einmal der, welcher gesagt hat: Sehen wir einmal ab von allen Vorurteilen der Neptunisten, der Plutonisten und von allem, was sich sonst an Theorien durch die Geologen des neunzehnten Jahrhunderts angehäuft hat. Konstruieren wir nicht, sondern sehen wir das an, was sich als die Physiognomie, als das Bild der Erdoberfläche darbietet. — Von der allerdings sinnenfälligen, aber reinen und durch keine Theorie und Hypothese getrübten Anschauung ist Eduard Sueß ausgegangen. Da hat er dann andere Anschauungen gewonnen als die, welche lange Jahrzehnte hindurch gang und gäbe waren. Er ist zu dem Resultat gekommen, daß die Gebirge, die uns als scheinbar mächtige Massive entgegentreten, sich doch nur wie die Runzeln auf der Apfelschale ausnehmen und sich in keiner anderen Weise erklären lassen als dadurch, daß man annimmt, daß gewisse Kraftwirkungen rein physikalischchemischer Art im Erdplaneten walten, durch deren Tätigkeit unsere Unebenheiten, unsere Täler und Berge, die verschiedenen Schichten und so weiter zustande kommen; so daß im wesentlichen die Verteilung von Wasser und Land, die Bildung der Kontinente und so weiter dadurch zu erklären ist, daß sich Faltungen bilden, daß gewisse Kräfte die Erdmassive zusammenschieben, wodurch sich gewisse Erdmassen zu Gebirgen auftürmen. Andre Kräfte sind tätig, die bewirken, daß das Aufgetürmte dann zusammenstürzt; dadurch geschieht dann das Bilden der Meere. Also durch Zusammenstürze, durch Uberstülpungen und Zusammenfaltungen und so weiter erklärt er zum Beispiel das Gebirgsmassiv der Alpen. In einer geistvollen Weise wird so gezeigt, daß das ganze Antlitz der Erde durch solche Zusammenschiebungen, Einstürze, Faltungen und so weiter zustande gekommen ist. Meeresbildungen und Bildung der Kontinente werden zum Beispiel dadurch erklärt, daß gewisse Einstürze geschehen, daß die Wasser nach der einen Richtung abfließen, und dort, wo Wasser früher war, wird auf diese Weise Land freigelegt und so weiter. Wir haben es also mit einer Erdoberfläche zu tun, wo Prozesse geschehen, die auf einem Durcheinanderrütteln der Erdmassen von mechanischen Kräften und auf Einstürzen beruhen. Und indem sich Sueß ein Gesamtbild zu madien versucht von dem, was auf dem Boden vorgeht, auf dem wir herumwandeln, gelangt er zu einem eigentümlichen Resultat: daß es im Grunde genommen überhaupt ein Prozeß der Zerstörung ist, der sich auf unserer Erdoberfläche abspielt, und daß eigentlich der Boden, wo wir heute den Pflug über den Acker führen, aus dem unsere Früchte kommen, nur dadurch entstanden ist, daß von irgendwo anders her Faltungen, Einstürze — kurz: Zerstörungsprozesse gewirkt haben. Ich brauche nur wenige Worte aus diesem bedeutendsten Werke der gegenwärtigen Geologie zu zitieren, und Sie können daraus entnehmen, wohin den gewissenhaften Naturforscher Eduard Sueß die rein sinnenfällige geologische Betrachtungsweise geführt hat.

«... Der Zusammenbruch des Erdballs ist es, dem wir beiwohnen. Er hat freilich schon vor sehr langer Zeit begonnen, und die Kurzlebigkeit des menschlichen Geschlechtes läßt uns dabei guten Mutes bleiben. Nicht nur im Hochgebirge sind die Spuren vorhanden. Es sind große Schollen hunderte, ja in einzelnen Fällen viele tausende von Fuß tief gesunken, und nicht die geringste Stufe an der Oberfläche, sondern nur die Verschiedenheit der Felsarten oder tiefer Bergbau verraten das Dasein des Bruches. Die Zeit hat alles geebnet. In Böhmen, in der Pfalz, in Belgien, in Pennsylvanien, an zahlreichen Orten zieht der Pflug ruhig seine Furchen über die gewaltigsten Brüche.»

Hier haben Sie das Ergebnis sorgfältiger Wissenschaft über den Boden, auf dem wir herumwandeln. Denken Sie sich jetzt, was die Geisteswissenschaft über die Einleitung dieses Prozesses durch einen geistig-seelischen Zerstörungsprozeß zu sagen hat, dessen Fortsetzung auf der einen Seite bedeutet den physikalisch-mechanischen Zerstörungsprozeß, der auf der Erdoberfläche geschieht und den die Geologie durch sorgfältige Forschung von sich aus zu behaupten genötigt ist. So ist es auf allen Gebieten. Wenn Sie die wirklichen Forschungen, die Tatsachen zu Rate ziehen, werden Sie überall sehen: Hier steht die Geisteswissenschaft mit dem, was sie aus der hellseherischen Forschung heraus zu sagen hat, und dort die Naturwissenschaft, die nur unbeeinflußt von monistischen, materialistischen oder sonstigen Vorurteilen gedacht werden muß, die auf reinem, gesundem Boden der Tatsachen steht. Überall, werden Sie sehen, mündet die Geisteswissenschaft so in die NaturWissenschaft ein, daß die Naturwissenschaft durch das, was sie aus dem reinen Boden der Tatsachen zu liefern hat, einen ausgiebigsten Beweis für das bringt, was die GeistesWissenschaft von sich aus zu sagen hat. Niemals ist ein Widerspruch zwischen Geisteswissenschaft und wahrer Naturwissenschaft vorhanden. Widersprüche bestehen nur zwischen gesunder Geisteswissenschaft, die auf die Realität losgeht, und den Theorien der Phantasten und derjenigen, die da sagen, sie stünden auf dem festen Boden der Wissenschaft, die aber sofort den festen Boden verlieren, wenn sie nicht in das einmünden, was die Tatsachen sagen, sondern in das, was sie selbst über die Tatsachen sagen möchten. Die Geisteswissenschaft läßt sich von den geistigen Tatsachen sagen, was diese von den Weltengeheimnissen zu sagen haben. Naturwissenschaft blickt mit ihren Methoden auf das hin, was sich ihr ergeben hat und was sie zu sagen hat. Beide stehen in vollstem Einklang. Und wenn Sie nicht jene populären Werke nehmen, die sagen: «das und das steht wissenschaftlich fest», sondern wenn Sie zu den Quellen gehen, dann können Sie insbesondere auf dem Gebiete der Geologie finden, wie die Geologen überall bis zu einem gewissen Punkte vordringen und dann Fragezeichen hinsetzen. Wenn man bei diesen Fragezeichen angekommen ist, kann man von ihnen ausgehen, indem man jetzt die geisteswissenschaftliche Forschung betrachtet. Diese sagt uns dann: Wenn es richtig ist, was die Hellsichtigkeit zeigt, so muß sich das äußere Tatsachenmaterial so und so gestalten. In dem geologischen Falle hat sich gezeigt: Wenn es richtig ist, was die Geisteswissenschaft darzustellen hat, dann muß als die Fortsetzung des heutigen Zersetzungsprozesses unser Erdball jetzt im Zusammenbruch sein. Geologie, die auf die Tatsachen geht, zeigt aus den Gesetzen, daß es so ist! Die Ergebnisse der Naturwissenschaft sind überall die Konsequenzen der geisteswissenschaftlichen Forschung. Wenn wir den ganzen Geist und Sinn dieser Auseinandersetzung betrachten, werden wir keineswegs darüber trübsinnig werden, daß wir auf einem Boden gehen, der ein sich zersetzender Leichnam ist. Denn wir sehen ein, daß auf diesem Boden sich das entwickelt hat, was wiederum Zukunftskeime in sich enthält.

Auch die folgenden Vorträge werden uns immer mehr zeigen, daß ebenso, wie der Mensch auf seinen Geist sieht, so das Geistige, das sich einst den Boden unter den Füßen bereitet hat, Zukunftsepochen entgegengeht, die es auf immer höheren und höheren Höhen zeigen werden. Wenn schon der Geologe Sueß — weil er durch den Umgang mit der Natur auf alles Schöne der Natur selbst in den Zerstörungsprozessen eingeht — das Antlitz der Erde zu bewundern versteht, indem er in seinem großen, monumentalen Werke die beherzigenswerten Worte sagt: «Im Angesichte dieser offenen Fragen erfreuen wir uns des Sonnenscheines, des gestirnten Firmamentes und aller Mannigfaltigkeit des Antlitzes unserer Erde, welche durch eben diese Vorgänge erzeugt worden ist, zugleich erkennend, bis zu welchem Grade das Leben von der Eigenart und den Schicksalen des Planeten beherrscht ist», wenn schon der Geologe — sich über allen Pessimismus erhebend — diesen Ausblick in der Seele empfindet, dann sagt erst recht der Geistesforscher, der weiß, daß das Goethesche Wort wahr ist: die Natur hat den Tod erfunden, um viel Leben zu haben und der auch weiß, daß es erkenntnismäßig wahr ist zu sagen: die Natur hat den Tod erfunden, um immer höheres und immer geistigeres Leben zu haben — es sagt der Geistesforscher, der dies weiß: Wenn wir auch hinblicken müssen auf das, was ein höheres Leben sich ausgesondert hat, wie auf einen in Zerstörungsprozessen begriffenen Leichnam, so sehen wir doch in allem, was auf diesem Boden wandelt, Keime leuchten dessen, was in unseren Herzen Hoffnung und Sicherheit erregen kann. Das aber sagt uns: Wir wandeln auf dem Boden, den uns die Vorwelt gegeben hat, den sie in seiner Zersetzung, in seiner Zerstörung zu dem Boden unter unseren Füßen hat werden lassen. Wir wandeln auf diesem Boden, ahnend — indem wir uns in unserem Geiste zu Himmelshöhen erheben —, daß wir diesen Boden im Laufe der zukünftigen Entwickelung zur rechten Zeit zu verlassen haben, um in den Schoß der geistigen Welt aufgenommen zu werden, mit der wir uns, wenn wir es recht verstehen, so innig verbunden fühlen.




Zuletzt aktualisiert: 24-Mar-2024
[Spacing]