Unsere atlantischen Vorfahren
Unsere atlantischen Vorfahren waren mehr
verschieden von den gegenwärtigen Menschen als sich derjenige
vorstellt, der mit seinen Erkenntnissen sich ganz auf die Sinnenwelt
beschränkt. Nicht nur auf das äußere Aussehen
erstreckt sich diese Verschiedenheit, sondern auch auf die geistigen
Fähigkeiten. Ihre Erkenntnisse und auch ihre technischen
Künste, ihre ganze Kultur war anders, als das ist, was heute
beobachtet werden kann. Gehen wir in die ersten Zeiten der
atlantischen Menschheit zurück, so finden wir eine von der
unsrigen ganz verschiedene Geistesfähigkeit. Der logische
Verstand, die rechnerische Kombination, auf denen alles beruht, was
heute hervorgebracht wird, fehlten den ersten Atlantiern ganz.
Dafür hatten sie ein hochentwickeltes Gedächtnis.
Dieses Gedächtnis war eine ihrer hervorstechendsten
Geistesfähigkeiten. Sie rechneten zum Beispiel nicht, wie wir,
dadurch, daß sie sich gewisse Regeln aneigneten, die sie dann
anwendeten. Ein «Einmaleins» war etwas in den atlantischen
Zeiten ganz Unbekanntes. Niemand hatte seinem Verstande
eingeprägt, daß dreimal vier zwölf ist. Daß er
sich in dem Falle, wo er eine solche Rechnung auszuführen hatte,
zurechtfand, beruhte darauf, daß er sich auf gleiche oder
ähnliche Fälle besann. Er erinnerte sich, wie das
bei früheren Gelegenheiten war. Man muß sich nur
klarmachen, daß jedesmal, wenn sich in einem Wesen eine neue
Fähigkeit ausbildet, eine alte an Kraft und Schärfe
verliert. Der heutige Mensch hat gegenüber dem Atlantier den
logischen Verstand, das Kombinationsvermögen voraus. Das
Gedächtnis ist dafür zurückgegangen. Jetzt denken die
Menschen in Begriffen; der Atlantier dachte in Bildern. Und wenn ein
Bild vor seiner Seele auftauchte, dann erinnerte er sich an so und so
viele ähnliche Bilder, die er bereits erlebt hatte. Danach
richtete er sein Urteil ein. Deshalb war damals auch aller Unterricht
anders als in späteren Zeiten. Er war nicht darauf berechnet,
das Kind mit Regeln auszurüsten, seinen Verstand zu
schärfen. Es wurde ihm vielmehr in anschaulichen Bildern das
Leben vorgeführt, so daß es später sich an
möglichst viel erinnern konnte, wenn es in diesen oder jenen
Verhältnissen handeln sollte. War das Kind erwachsen und kam es
ins Leben hinaus, so konnte es sich bei allem, was es tun sollte,
erinnern, daß ihm etwas Ähnliches in seiner Lehrzeit
vorgeführt worden war. Es fand sich am besten zurecht, wenn der
neue Fall irgendeinem schon gesehenen ähnlich war. Unter ganz
neuen Verhältnisse war der Atlantier immer wieder aufs Probieren
angewiesen, während dem heutigen Menschen in dieser Beziehung
vieles erspart ist, weil er mit Regeln ausgerüstet wird. Diese
kann er auch in den Fällen leicht anwenden, welche ihm noch
nicht begegnet sind. Ein solches Erziehungssystem gab dem ganzen
Leben etwas Gleichförmiges. Durch sehr lange Zeiträume
hindurch wurden immer wieder und wieder die Dinge in der gleichen
Weise besorgt. Das treue Gedächtnis ließ nichts aufkommen,
was der Raschheit unseres heutigen Fortschrittes auch nur im
entferntesten ähnlich wäre. Man tat, was man früher
immer «gesehen» hatte. Man erdachte nicht; man
erinnerte sich. Eine Autorität war nicht der, welcher viel
gelernt hatte, sondern wer viel erlebt hatte und sich daher an viel
erinnern konnte. Es wäre unmöglich gewesen, daß in der
atlantischen Zeit jemand vor Erreichung eines gewissen Alters
über irgendeine wichtige Angelegenheit zu entscheiden gehabt
hätte. Man hatte nur zu dem Vertrauen, der auf lange Erfahrung
zurückblicken konnte.
Das hier Gesagte gilt nicht
von den Eingeweihten und ihren Schulen. Denn sie sind ja dem
Entwickelungsgrade ihres Zeitalters voraus. Und für die Aufnahme
in solche Schulen entscheidet nicht das Alter, sondern der Umstand,
ob der Aufzunehmende in seinen früheren Verkörperungen sich
die Fähigkeiten erworben hat, höhere Weisheit aufzunehmen.
Das Vertrauen, das den Eingeweihten und ihren Agenten während
der atlantischen Zeit entgegengebracht worden ist, beruhte nicht auf
der Fülle ihrer persönlichen Erfahrung, sondern auf dem
Alter ihrer Weisheit. Beim Eingeweihten hört die
Persönlichkeit auf, eine Bedeutung zu haben. Er steht ganz im
Dienste der ewigen Weisheit. Daher gilt ja für ihn auch
nicht die Charakteristik irgendeines Zeitabschnittes.
Während also die
logische Denkkraft den (namentlich früheren) Atlantiern noch
fehlte, hatten sie an der hochentwickelten Gedächtniskraft
etwas, was ihrem ganzen Wirken einen besonderen Charakter gab. Aber
mit dem Wesen der einen menschlichen Kraft hängen immer andere
zusammen. Das Gedächtnis steht der tieferen Naturgrundlage des
Menschen näher als die Verstandeskraft, und mit ihm im
Zusammenhange waren andere Kräfte entwickelt, die auch noch
denjenigen untergeordneter Naturwesen ähnlicher waren als die
gegenwärtigen menschlichen Betriebskräfte. So konnten die
Atlantier das beherrschen, was man Lebenskraft nennt. Wie man
heute aus den Steinkohlen die Kraft der Wärme herausholt, die
man in fortbewegende Kraft bei unseren Verkehrsmitteln verwandelt, so
verstanden es die Atlantier, die Samenkraft der Lebewesen in ihren
technischen Dienst zu stellen. Von dem, was hier vorlag, kann man
sich durch folgendes eine Vorstellung machen. Man denke an ein
Getreidesamenkorn. In diesem schlummert eine Kraft. Diese Kraft
bewirkt ja, daß aus dem Samenkorn der Halm hervorsprießt.
Die Natur kann diese im Korn ruhende Kraft wecken. Der
gegenwärtige Mensch kann es nicht. Willkürlich. Er muß
das Korn in die Erde senken und das Aufwecken den Naturkräften
überlassen. Der Atlantier konnte noch etwas anderes. Er
wußte, wie man es macht, um die Kraft eines Kornhaufens in
technische Kraft umzuwandeln, wie der gegenwärtige Mensch die
Wärmekraft eines Steinkohlenhaufens in eine solche Kraft
umzuwandeln vermag. Pflanzen wurden in der atlantischen Zeit nicht
bloß gebaut, um sie als Nahrungsmittel zu benutzen, sondern um
die in ihnen schlummernden Kräfte dem Verkehr und der Industrie
dienstbar zu machen. Wie wir Vorrichtungen haben, um die in den
Steinkohlen schlummernde Kraft in unseren Lokomotiven in
Bewegungskraft umzubilden, so hatten die Atlantier Vorrichtungen, die
sie — sozusagen — mit Pflanzensamen heizten, und in denen
sich die Lebenskraft in technisch verwertbare Kraft umwandelte. So
wurden die in geringer Höhe über dem Boden schwebenden
Fahrzeuge der Atlantier fortbewegt. Diese Fahrzeuge fuhren in einer
Höhe, die geringer war als die Höhe der Gebirge der
atlantischen Zeit, und sie hatten Steuervorrichtungen, durch die sie
sich über diese Gebirge erheben konnten.
Man muß sich
vorstellen, daß mit der fortschreitenden Zeit sich alle
Verhältnisse auf unserer Erde sehr verändert haben. Die
genannten Fahrzeuge der Atlantier wären in unserer Zeit ganz
unbrauchbar. Ihre Verwendbarkeit beruhte darauf, daß in dieser
Zeit die Lufthülle, welche die Erde umschließt, viel
dichter war als gegenwärtig. Ob man sich nach heutigen
wissenschaftlichen Begriffen eine solch größere Dichte der
Luft leicht vorstellen kann, darf uns hier nicht beschäftigen.
Die Wissenschaft und das logische Denken können, ihrem ganzen
Wesen nach, niemals etwas darüber entscheiden, was möglich
oder unmöglich ist. Sie haben nur das zu erklären, was
durch Erfahrung und Beobachtung festgestellt ist. Und die besprochene
Dichtigkeit der Luft steht für die okkulte Erfahrung so fest,
wie nur irgendeine sinnlich gegebene Tatsache von heute feststehen
kann. — ebenso steht fest aber auch die vielleicht der heutigen
Physik und Chemie noch unerklärlichere Tatsache, daß damals
das Wasser auf der ganzen Erde viel dünner war als
heute. Und durch diese Dünnheit war das Wasser durch die von den
Atlantiern verwendete Samenkraft in technische Dienste zu lenken, die
heute unmöglich sind. Durch die Verdichtung des Wassers ist es
unmöglich geworden, dasselbe in solch kunstvoller Art zu
bewegen, zu lenken, wie das ehedem möglich war. Daraus geht wohl
zur Genüge hervor, daß die Zivilisation der atlantischen
Zeit von der unsrigen gründlich verschieden gewesen ist. Und es
wird daraus weiter begreiflich sein, daß auch die physische
Natur eines Atlantiers eine ganz andere war als die eines
gegenwärtigen Menschen. Der Atlantier genoß ein Wasser, das
von der in seinem eigenen Körper innewohnenden Lebenskraft ganz
anders verarbeitet werden konnte, als dies im heutigen physischen
Körper möglich ist. Und daher kam es, daß der
Atlantier willkürlich seine physischen Kräfte auch ganz
anders gebrauchen konnte als der heutige Mensch. Er hatte sozusagen
die Mittel, in sich selbst die physischen Kräfte zu vermehren,
wenn er sie zu seinen Verrichtungen brauchte. Man macht sich nur
richtige Vorstellungen von den Atlantiern, wenn man weiß,
daß sie auch ganz andere Begriffe von Ermüdung und
Kräfteverbrauch hatten als der Mensch der Gegenwart.
Eine atlantische Ansiedlung
— das geht wohl schon aus allem Beschriebenen hervor —
trug einen Charakter, der in nichts dem einer modernen Stadt glich.
In einer solchen Ansiedlung war vielmehr noch alles mit der Natur im
Bunde. Nur ein schwach ähnliches Bild gibt es, wenn man
etwa sagt: In den ersten atlantischen Zeiten — etwa bis zur
Mitte der dritten Unterrasse — glich eine Ansiedlung einem
Garten, in dem die Häuser sich aufbauen aus Bäumen, die in
künstlicher Art mit ihren Zweigen ineinandergeschlungen sind.
Was Menschenhand damals erarbeitete, wuchs gleichsam aus der Natur
heraus. Und der Mensch selbst fühlte sich ganz und gar mit der
Natur verwandt. Daher kam es, daß auch sein gesellschaftlicher
Sinn noch ein ganz anderer war als heute. Die Natur ist ja allen
Menschen gemeinsam. Und was der Atlantier auf der Naturgrundlage
aufbaute, das betrachtete er ebenso als Gemeingut, wie der
heutige Mensch nur natürlich denkt, wenn er das, was sein
Scharfsinn, sein Verstand erarbeitet, als sein Privatgut
betrachtet.
Wer sich mit dem Gedanken
vertraut macht, daß die Atlantier mit solchen geistigen und
physischen Kräften ausgestattet waren, wie sie geschildert
worden sind, der wird auch begreifen lernen, daß in noch
früheren Zeiten die Menschheit ein Bild aufweist, das nur noch
in wenigem erinnert an das, was man heute zu sehen gewohnt ist. Und
nicht nur die Menschen, sondern auch die sie umgebende Natur hat sich
im Laufe der Zeiten gewaltig verändert. Die Pflanzen- und
Tierformen sind andere geworden. Die ganze irdische Natur hat
Wandlungen durchgemacht. Vorher bewohnte Gebiete der Erde sind
zerstört worden; andere sind entstanden. — die Vorfahren
der Atlantier wohnten auf einem verschwundenen Landesteil, dessen
Hauptgebiet südlich vom heutigen Asien lag. Man nennt sie in
theosophischen Schriften die Lemurier. Nachdem diese durch
verschiedene Entwickelungsstufen durchgegangen waren, kam der
größte Teil in Verfall. Er wurde zu verkümmerten
Menschen, deren Nachkommen heute noch als sogenannte wilde
Völker gewisse Teile der Erde bewohnen. Nur ein kleiner Teil der
lemurischen Menschheit war zur Fortentwickelung fähig. Aus
diesen bildeten sich die Atlantier. — auch später fand
wieder etwas ähnliches statt. Die größte Masse der
atlantischen Bevölkerung kam in Verfall, und von einem kleinen
Teil stammen die sogenannten Arier ab, zu denen unsere
gegenwärtige Kulturmenschheit gehört. Lemurier,
Atlantier und Arier sind, nach der Benennung der
Geheimwissenschaft, Wurzelrassen der Menschheit. Man denke
sich zwei solcher Wurzelrassen den Lemuriern vorangehend und zwei den
Ariern in der Zukunft folgend, so gibt das im ganzen sieben.
Es geht immer eine aus der andern in der Art hervor, wie dies eben in
bezug auf Lemurier, Atlantier und Arier angedeutet worden ist. Und
jede Wurzelrasse hat physische und geistige Eigenschaften, die von
denen der vorhergehenden durchaus verschieden sind. Während zum
Beispiel die Atlantier das Gedächtnis und alles, was damit
zusammenhängt, zur besonderen Entfaltung brachten, obliegt es in
der Gegenwart den Ariern, die Denkkraft und das, was zu ihr
gehört, zu entwickeln.
Aber auch in jeder
Wurzelrasse selbst müssen verschiedene Stufen durchgemacht
werden. Und zwar sind es immer wieder sieben. Im Anfange des
Zeitraumes, der einer Wurzelrasse zugehört, finden sich die
Haupteigenschaften derselben gleichsam in einem jugendlichen
Zustande; und allmählich gelangen sie zur Reife und zuletzt auch
zum Verfall. Dadurch zerfällt die Bevölkerung einer
Wurzelrasse in sieben Unterrassen. Nur hat man sich das nicht so
vorzustellen, als ob eine Unterrasse gleich verschwinden würde,
wenn eine neue sich entwickelt. Es erhält sich vielleicht eine
jede noch lange, wenn neben ihr andere sich entwickeln. So leben
immer Bevölkerungen auf der Erde nebeneinander, die verschiedene
Stufen der Entwickelung zeigen.
Die erste Unterrasse der
Atlantier entwickelte sich aus einem sehr fortgeschrittenen und
entwickelungsfähigen Teile der Lemurier. Bei diesen zeigte sich
nämlich die Gabe des Gedächtnisses nur in den allerersten
Anfängen und nur in der letzten Zeit ihrer Entwickelung. Man
muß sich vorstellen, daß ein Lemurier sich zwar
Vorstellungen bilden konnte von dem, was er erlebte; aber er konnte
diese Vorstellungen nicht bewahren. Er vergaß sofort wieder, was
er sich vorgestellt hatte. Daß er dennoch in einer gewissen
Kultur lebte, zum Beispiel Werkzeuge hatte, Bauten ausführte und
so weiter, das verdankte er nicht seinem eigenen
Vorstellungsvermögen, sondern einer geistigen Kraft in sich,
die, um das Wort zu brauchen, instinktiv war. Nur hat man sich
darunter nicht den heutigen Instinkt der Tiere, sondern einen solchen
anderer Art vorzustellen.
In theosophischen Schriften
wird die erste Unterrasse der Atlantier Rmoahals genannt. Das
Gedächtnis dieser Rasse war vorzüglich auf lebhafte
Sinneseindrücke gerichtet. Farben, die das Auge gesehen hatte,
Töne, die das Ohr gehört hatte, wirkten lange in der Seele
nach. Das drückte sich darin aus, daß die Rmoahals
Gefühle entwickelten, die ihre lemurischen Vorfahren noch
nicht kannten. Die Anhänglichkeit zum Beispiel an das, was in
der Vergangenheit erlebt worden ist, gehört zu diesen
Gefühlen.
An der Entwickelung des
Gedächtnisses hing nun auch diejenige der Sprache.
Solange der Mensch das Vergangene nicht bewahrte, konnte auch eine
Mitteilung des Erlebten durch die Sprache nicht stattfinden. Und weil
in der letzten lemurischen Zeit die ersten Ansätze zu einem
Gedächtnisse stattfanden, so konnte damals auch die
Fähigkeit ihren Anfang nehmen, das Gesehene und Gehörte zu
benennen. Nur Menschen, die ein Erinnerungsvermögen haben,
können mit einem Namen, der einem Dinge beigelegt ist, etwas
anfangen. Die atlantische Zeit ist daher auch diejenige, in welcher
die Sprache ihre Entwickelung fand. Und mit der Sprache war ein Band
hervorgebracht zwischen der menschlichen Seele und den Dingen
außer dem Menschen. Dieser erzeugte das Lautwort in seinem
Innern; und dieses Lautwort gehörte zu den Gegenständen der
Außenwelt. Und auch ein neues Band entsteht zwischen Mensch und
Mensch durch die Mitteilung auf dem Wege der Sprache. Das alles war
zwar bei den Rmoahals noch in einer jugendlichen Form; aber es
unterschied sie doch in tiefgehender Art von ihren lemurischen
Vorvätern.
Nun hatten die Kräfte
in den Seelen dieser ersten Atlantier noch etwas Naturkräftiges.
Diese Menschen waren gewissermaßen noch verwandter den sie
umgebenden Naturwesen als ihre Nachfolger. Ihre Seelenkräfte
waren noch mehr Naturkräfte als die der gegenwärtigen
Menschen. So war auch das Lautwort, das sie hervorbrachten, etwas
Naturgewaltiges. Sie benannten nicht bloß die Dinge,
sondern in ihren Worten lag eine Macht über die Dinge und
auch über ihre Mitmenschen. Das Wort der Rmoahals hatte nicht
bloß Bedeutung, sondern auch Kraft. Wenn man von
einer Zaubermacht der Worte spricht, so deutet man etwas an, was
für diese Menschen weit wirklicher war als für die
Gegenwart. Wenn der Rmoahalsmensch ein Wort aussprach, so entwickelte
dieses Wort eine ähnliche Macht wie der Gegenstand selbst, den
es bezeichnete. Darauf beruht es, daß Worte in dieser Zeit
heilkräftig waren, daß sie das Wachstum der Pflanzen
fördern, die Wut der Tiere zähmen konnten, und was
ähnliche Wirkungen mehr sind. All das nahm an Kraft bei den
späteren Unterrassen der Atlantier immer mehr und mehr ab. Man
könnte sagen, die naturwüchsige Kraftfülle verlor sich
allmählich. Die Rmoahalsmenschen empfanden diese Kraftfülle
durchaus als eine Gabe der mächtigen Natur; und dieses ihr
Verhältnis zur Natur trug einen religiösen Charakter.
Insbesondere die Sprache hatte für sie etwas Heiliges. Und der
Mißbrauch gewisser Laute, denen eine bedeutende Kraft
innewohnte, ist etwas Unmögliches gewesen. Jeder Mensch
fühlte, daß solcher Mißbrauch ihm einen gewaltigen
Schaden bringen müßte. Der Zauber derartiger Worte
hätte in sein Gegenteil umgeschlagen; was, in richtiger Art
gebraucht, Segen gestiftet hätte, wäre, frevelhaft
angewendet, dem Urheber zum Verderben geworden. In einer gewissen
Unschuld des Gefühles schrieben die Rmoahals weniger sich
selbst, als vielmehr der in ihnen wirkenden göttlichen
Natur ihre Macht zu.
Das wurde schon anders bei
der zweiten Unterrasse (den sogenannten Tlavatli-Völkern). Die
Menschen dieser Rasse fingen an, ihren persönlichen Wert zu
fühlen. Der Ehrgeiz, der eine den Rmoahals unbekannte
Eigenschaft war, machte sich bei ihnen geltend. Die Erinnerung
übertrug sich in gewissem Sinne auf die Auffassung des
Zusammenlebens. Wer auf gewisse Taten zurückblicken konnte, der
forderte von seinen Mitmenschen dafür Anerkennung. Er verlangte,
daß seine Werke im Gedächtnisse behalten werden. Und
auf dieses Gedächtnis von den Taten war es auch begründet,
daß eine zusammengehörige Gruppe von Menschen Einen als
Führer erkor. Eine Art Königswürde entwickelte sich.
Ja diese Anerkennung wurde bis über den Tod hinaus bewahrt. Das
Gedächtnis, das Andenken an die Vorfahren oder an
diejenigen, die sich im Leben Verdienste erworben hatten, bildeten
sich heraus. Und daraus ging dann bei einzelnen Stämmen eine Art
religiöser Verehrung Verstorbener hervor, ein
Ahnenkultus. Dieser hat sich in viel spätere Zeiten
fortgepflanzt und die verschiedensten Formen angenommen. Noch bei den
Rmoahals galt der Mensch eigentlich nur in dem Maße, als er sich
im Augenblicke durch seine Machtfülle Geltung verschaffen
konnte. Wollte da jemand Anerkennung für das, was er in
früheren Tagen getan hatte, so mußte er zeigen —
durch neue Taten -, daß ihm die alte Kraft noch eigen ist. Er
mußte gewissermaßen durch neue Werke die alten ins
Gedächtnis rufen. Das Getane als solches galt noch nichts. Erst
die zweite Unterrasse rechnete so weit mit dem persönlichen
Charakter eines Menschen, daß sie dessen vergangenes Leben bei
der Schätzung dieses Charakters mit in Anschlag brachte.
Eine weitere Folge der
Gedächtniskraft für das Zusammenleben der Menschen war die
Tatsache, daß sich Gruppen von Menschen bildeten, die durch die
Erinnerung an gemeinsame Taten zusammengehalten wurden. Vorher
war solche Gruppenbildung ganz von den Naturmächten, von der
gemeinsamen Abstammung bedingt. Der Mensch tat durch seinen eigenen
Geist noch nichts hinzu zu dem, was die Natur aus ihm gemacht hatte.
Jetzt warb eine mächtige Persönlichkeit eine Anzahl von
Leuten zu einer gemeinsamen Unternehmung, und die Erinnerung an
dieses gemeinsame Werk bildete eine gesellschaftliche Gruppe.
Diese Art
gesellschaftlichen Zusammenlebens prägte sich erst so recht bei
der dritten Unterrasse (den Tolteken) aus. Die Menschen dieser Rasse
begründeten daher auch erst das, was man Gemeinwesen, was man
die erste Art der Staatenbildung nennen kann. Und die Führung,
die Regierung dieser Gemeinwesen ging von den Vorfahren auf die
Nachkommen über. Was vorher nur im Gedächtnisse der
Mitmenschen weiterlebte, das übertrug jetzt der Vater auf den
Sohn. Dem ganzen Geschlechte sollten die Werke der Vorfahren nicht
vergessen werden. In den Nachkommen noch wurde das
geschätzt, was der Ahne getan hatte. Man muß sich nur klar
darüber sein, daß in jenen Zeiten die Menschen wirklich
auch die Kraft hatten, ihre Gaben auf die Nachkommen zu
übertragen. Die Erziehung war ja darauf berechnet, in
anschaulichen Bildern das Leben vorzubilden. Und die Wirkung dieser
Erziehung beruhte auf der persönlichen Macht, die von dem
Erzieher ausging. Er schärfte nicht die Verstandeskraft, sondern
Gaben, die mehr instinktiver Art waren. Durch ein solches
Erziehungssystem ging wirklich die Fähigkeit des Vaters in den
meisten Fällen auf den Sohn über.
Unter solchen
Verhältnissen gewann bei der dritten Unterrasse die
persönliche Erfahrung immer mehr an Bedeutung. Wenn sich
eine Menschengruppe von einer anderen abgliederte, so brachte sie zur
Begründung ihres neuen Gemeinwesens die lebendige Erinnerung mit
an das, was sie am alten Schauplatz erlebt hatte. Aber zugleich lag
in dieser Erinnerung etwas, was sie für sich nicht entsprechend
fand, worinnen sie sich nicht wohl fühlte. In bezug darauf
versuchte sie dann etwas Neues. Und so verbesserten sich mit jeder
neuen solchen Gründung die Verhältnisse. Und es war nur
natürlich, daß das Bessere auch Nachahmung fand. Das waren
die Tatsachen, auf Grund derer es in der Zeit der dritten Unterrasse
zu jenen blühenden Gemeinwesen kam, die in der theosophischen
Literatur beschrieben werden. Und die persönlichen Erfahrungen,
die gemacht wurden, fanden Unterstützung von seiten derer, die
in die ewigen Gesetze der geistigen Entwickelung eingeweiht
waren. Mächtige Herrscher empfingen selbst die Einweihung, auf
daß die persönliche Tüchtigkeit den vollen
Rückhalt habe. Durch seine persönliche Tüchtigkeit
macht sich der Mensch allmählich zur Einweihung fähig. Er
muß erst seine Kräfte von unten herauf entwickeln, damit
dann die Erleuchtung von oben ihm erteilt werden könne. So
entstanden die eingeweihten Könige und Völkerführer
der Atlantier. Gewaltige Machtfülle war in ihrer Hand; und
groß war auch die Verehrung, die ihnen entgegengebracht
wurde.
Aber in dieser Tatsache lag
auch der Grund zum Niedergang und zum Verfall. Die Ausbildung der
Gedächtniskraft hat zur Machtfülle der
Persönlichkeit geführt. Der Mensch wollte etwas
durch diese seine Machtfülle gelten. Und je
größer die Macht wurde, desto mehr wollte er sie für
sich ausnützen. Der Ehrgeiz, der sich entwickelt hatte, wurde
zur ausgesprochenen Selbstsucht. Und damit war der Mißbrauch der
Kräfte gegeben. Wenn man bedenkt, was die Atlantier durch die
Beherrschung der Lebenskraft vermochten, so wird man begreifen,
daß dieser Mißbrauch gewaltige Folgen haben mußte. Es
konnte eine weite Macht über die Natur in den Dienst der
persönlichen Eigenliebe gestellt werden.
Das geschah in vollem
Maße durch die vierte Unterrasse (die Ur-Turanier). Die
Angehörigen dieser Rasse, die in der Beherrschung der genannten
Kräfte unterrichtet wurden, gebrauchten diese vielfach, um ihre
eigensinnigen Wünsche und Begierden zu befriedigen. In solcher
Art gebraucht, zerstören sich aber diese Kräfte in ihrer
Wirkung aufeinander. Es ist so, wie wenn die Füße einen
Menschen eigensinnig vorwärts bewegten, während sein
Oberkörper nach rückwärts wollte. Solche
zerstörende Wirkung konnte nur dadurch aufgehalten werden,
daß im Menschen sich eine höhere Kraft ausbildete. Und das
war die Denkkraft. Das logische Denken wirkt zurückhaltend auf
die eigensüchtigen persönlichen Wünsche. Den Ursprung
dieses logischen Denkens haben wir bei der fünften Unterrasse
(den Ursemiten) zu suchen. Die Menschen fingen an, über die
bloße Erinnerung an Vergangenes hinauszugehen und die
verschiedenen Erlebnisse zu vergleichen. Die Urteilskraft
entwickelte sich. Und nach dieser Urteilskraft wurden die
Wünsche, die Begierden geregelt. Man fing an, zu rechnen,
zu kombinieren. Man lernte, in Gedanken zu arbeiten. Hat man
früher sich jedem Wunsche hingegeben, so frägt man jetzt
erst, ob der Gedanke den Wunsch auch billigen könne.
Stürmten die Menschen der vierten Unterrasse wild los auf die
Befriedigung ihrer Begierden, so begannen diejenigen der fünften
auf eine innere Stimme zu hören. Und diese innere Stimme wirkt
eindämmend auf die Begierden, wenn sie auch die Ansprüche
der eigensüchtigen Persönlichkeit nicht vernichten
kann.
So hat die fünfte
Unterrasse die Antriebe zum Handeln in das menschliche Innere
verlegt. Der Mensch will in diesem seinem Innern mit sich ausmachen,
was er zu tun oder zu lassen hat. Aber das, was so im Innern an Kraft
des Denkens gewonnen wurde, ging an Beherrschung äußerer
Naturgewalten verloren. Mit diesem kombinierenden Denken kann man nur
die Kräfte der mineralischen Welt bezwingen, nicht die
Lebenskraft. Die fünfte Unterrasse entwickelte also das Denken
auf Kosten der Herrschaft über die Lebenskraft. Aber gerade
dadurch erzeugte sie den Keim zur Weiterentwickelung der Menschheit.
Jetzt mochte die Persönlichkeit, die Selbstliebe, ja die
Selbstsucht noch so groß werden: das bloße Denken, das ganz
im Innern arbeitet und nicht mehr unmittelbar der Natur Befehle
erteilen kann, vermag solche verheerende Wirkungen nicht anzurichten
wie die mißbrauchten früheren Kräfte. Aus dieser
fünften Unterrasse wurde der begabteste Teil ausgewählt,
und dieser lebte hinüber über den Niedergang der vierten
Wurzelrasse und bildete den Keim zur fünften, der arischen
Rasse, welche die vollständige Ausprägung der denkenden
Kraft mit allem, was dazu gehört, zur Aufgabe hat.
Die Menschen der sechsten
Unterrasse (der Akkadier) bildeten die Denkkraft noch weiter aus als
die fünfte. Sie unterschieden sich von den sogenannten Ursemiten
dadurch, daß sie die angeführte Fähigkeit in einem
umfassenderen Sinne zur Anwendung brachten als jene. — Es ist
gesagt worden, daß die Ausbildung der Denkkraft zwar die
Ansprüche der eigensüchtigen Persönlichkeit nicht zu
den verheerenden Wirkungen kommen ließ, die bei den
früheren Rassen möglich waren, daß aber diese
Ansprüche durch sie nicht vernichtet wurden. Die Ursemiten
regelten zunächst ihre persönlichen Verhältnisse so,
wie es ihnen ihre Denkkraft eingab. An die Stelle der bloßen
Begierden und Gelüste trat die Klugheit. Andere
Lebensverhältnisse traten auf. Waren vorhergehende Rassen
geneigt, den als Führer anzuerkennen, dessen Taten tief in das
Gedächtnis sich eingeprägt hatten oder der auf ein Leben
reicher Erinnerung zurückblicken konnte, so wurde jetzt solche
Rolle dem Klugen zuerkannt. Und war vordem das maßgebend,
was in guter Erinnerung lebte, so betrachtete man jetzt das als das
Beste, was dem Gedanken am besten einleuchtete. Unter dem Einflusse
des Gedächtnisses hielt man ehedem so lange an einer Sache fest,
bis man sie als unzureichend erfand, und dann ergab sich im letzteren
Falle von selbst, daß derjenige mit einer Neuerung durchdrang,
welcher einem Mangel abzuhelfen in der Lage war. Unter der Wirkung
der Denkkraft aber entwickelte sich eine Neuerungssucht und
Veränderungslust. Jeder wollte durchsetzen, was seine Klugheit
ihm eingab. Unruhige Zustände beginnen daher unter der
fünften Unterrasse, und sie führen in der sechsten dazu,
daß man das Bedürfnis empfand, das eigensinnige Denken des
Einzelnen unter allgemeine Gesetze zu bringen. Der Glanz in
den Staaten der dritten Unterrasse beruhte darauf, daß
gemeinsame Erinnerungen Ordnung und Harmonie bewirkten. In der
sechsten mußte durch ausgedachte Gesetze diese Ordnung
bewirkt werden. So hat man in dieser sechsten Unterrasse den Ursprung
von Rechts- und Gesetzesordnungen zu suchen. — Und während
der dritten Unterrasse geschah die Absonderung einer Menschengruppe
nur, wenn sie gewissermaßen dadurch aus ihrem Gemeinwesen
hinausgedrängt wurde, weil sie sich innerhalb der durch
Erinnerung vorhandenen Zustände nicht mehr wohl fühlte. In
der sechsten war das wesentlich anders. Die berechnende Denkkraft
suchte das Neue als solches, sie spornte zu Unternehmungen und
Neugründungen. Daher waren die Akkadier ein
unternehmungslustiges Volk, zur Kolonisation geneigt. Insbesondere
mußte der Handel der jung aufkeimenden Denk- und Urteilskraft
Nahrung geben.
Bei der siebenten
Unterrasse (den Mongolen) bildete sich ebenfalls die Denkkraft aus.
Aber es blieben bei ihnen Eigenschaften der früheren
Unterrassen, namentlich der vierten, in viel stärkerem Maße
vorhanden als bei der fünften und sechsten. Dem Sinn für
die Erinnerung blieben sie treu. Und so gelangten sie zu der
Überzeugung, daß das Älteste auch das Klügste
sei, das, was sich am besten vor der Denkkraft verteidigen kann. Die
Beherrschung der Lebenskräfte ging zwar auch ihnen verloren;
aber was sich in ihnen an Gedankenkraft entwickelte, das hatte selbst
etwas von dem Naturgewaltigen dieser Lebenskraft. Zwar hatten sie die
Macht über das Leben verloren, niemals aber den unmittelbaren
naiven Glauben an dasselbe. Ihnen war diese Kraft zu ihrem
Gotte geworden, in dessen Auftrage sie alles taten, was sie
für richtig hielten. So erschienen sie ihren Nachbarvölkern
wie von dieser geheimen Kraft besessen und ergaben sich ihr
selbst auch in blindem Vertrauen. Ihre Nachkommen in Asien und
einigen europäischen Gegenden zeigten und zeigen noch viel von
dieser Eigenart.
Die in den Menschen
gepflanzte Denkkraft konnte ihren vollen Wert in der Entwickelung
erst erlangen, als sie einen neuen Antrieb erhielt in der
fünften Wurzelrasse. Die vierte konnte doch nur diese Kraft in
den Dienst dessen stellen, was ihr durch die Gabe des
Gedächtnisses anerzogen war. Die fünfte gelangte erst zu
solchen Lebensformen, für welche die Fähigkeit des
Gedankens das rechte Werkzeug ist.
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