II.
Kapitel
Man
kann eine merkwürdige Parallele finden zwischen dem, was
sich im einzelnen Menschenleben offenbart, und dem, was in der
ganzen Menschheitsentwickelung waltet, wenn man ins Auge
faßt, was den alten Griechen gesagt worden ist von den
Lehrern und Führern des alten Ägyptens über die
Lenkung und Leitung des ägyptischen Geisteslebens. Da wird
erzählt, daß ein Ägypter, als er gefragt wurde,
von wem er gelenkt und geleitet worden sei seit alten Zeiten
her, den Griechen geantwortet habe: In alten, grauen Zeiten
herrschten bei uns und lehrten die Götter, und dann kamen
als Führer erst Menschen. - Menes nannten die Ägypter
den Griechen gegenüber den ersten Führer auf dem
physischen Plan, der als ein menschenähnlicher Führer
anerkannt war. Das heißt: Die Leiter des ägyptischen
Volkes beriefen sich darauf, daß früher die
Götter selber - wie die griechischen Mitteilungen sagen -
das Volk gelenkt und geleitet haben. Bei einer solchen Aussage,
die uns aus alten Zeiten herübertönt, müssen wir
nur immer das Richtige verstehen. Was meinten die Ägypter,
die sagten: Götter waren bei uns die Könige,
Götter waren bei uns die großen Lehrer? - Da hat der,
welcher das zu dem fragenden Griechen gesagt hat, gemeint: Wenn
man in die alten Zeiten des ägyptischen Volkes
zurückgehen würde und diejenigen Menschen, welche in
sich etwas empfanden wie ein höheres Bewußtsein, wie
eine Weisheit von höheren Welten, fragen würde: Wer
sind eigentlich eure Lehrer?, so würden sie antworten:
Wenn ich von meinem eigentlichen Lehrer sprechen wollte,
müßte ich nicht auf diesen oder jenen Menschen zeigen
und sagen: dieser oder jener ist mein Lehrer; sondern wenn ich
meinen Lehrer bezeichnen will, so muß ich mich erst in
einen hellsehenden Zustand versetzen - es ist aus der
Geisteswissenschaft bekannt, daß dies in älteren
Zeiten verhältnismäßig leichter war als in der
Gegenwart -, und dann finde ich meinen wahren Inspirator,
meinen wahren Lehrer; der naht mir nur, wenn mein geistiges
Auge geöffnet ist. - Denn im alten Ägypten stiegen
aus den geistigen Welten solche Wesenheiten zu den Menschen
herunter, die sich nicht im menschlichen physischen Leib
verkörperten. Es herrschten und lehrten durch die
physischen Menschen in grauen Zeiten Ägyptens eben noch
die Götter; und unter «Göttern» verstanden
die alten Ägypter die Wesen, die dem Menschen in seiner
Entwickelung vorangegangen sind.
Im
Sinne der Geisteswissenschaft hat die Erde, bevor sie
«Erde» geworden ist, einen anderen planetarischen
Zustand durchgemacht, den man den «Mondzustand»
nennt. Während dieses Zustandes war der Mensch noch nicht
Mensch im heutigen Sinne; doch gab es andere Wesen auf dem
alten Mond, die nicht die heutige Menschengestalt hatten, die
anders geartet waren, die aber damals auf jener Stufe der
Entwickelung standen, welche der Mensch jetzt auf der Erde
erreicht hat. Man kann deshalb sagen: Auf dem alten Planeten
Mond, der zugrunde gegangen ist, und aus dem später die
Erde wurde, lebten Wesenheiten, welche die Vorgänger der
Menschen waren. In der christlichen Esoterik bezeichnet man
solche Wesenheiten als Engel-Wesenheiten, (Angeloi) -, die
über ihnen stehenden dann als Erzengel (Archangeloi).
Diese letzteren waren in einer noch früheren Zeit Menschen
als die Engel. Was man in der christlichen Esoterik Engel oder
Angeloi, in der orientalischen Mystik «dhyanische
Wesenheiten» nennt, das waren «Menschen»
während des Mondenzeitalters. Diese Wesen stehen nun
während des Erdenzeitalters - insoferne sie auf dem Monde
sich bis zu Ende entwickelt haben - um eine volle Stufe
höher als die Menschen. Der Mensch wird erst am Ende der
Erdenentwickelung dort angekommen sein, wo diese Wesenheiten am
Ende der Mondentwickelung waren. - Als der Erdenzustand unseres
Planeten begann, und der Mensch auf der Erde auftrat, konnten
diese Wesenheiten nicht in einer äußeren
Menschengestalt erscheinen. Denn der menschliche fleischliche
Leib ist im wesentlichen ein Erdenprodukt; er ist angemessen
nur den Wesenheiten, welche jetzt Menschen sind. Jene
Wesenheiten, die um eine Stufe höher stehen als die
Menschen, konnten sich, als die Erde im Beginn ihrer
Entwickelung war, nicht in Menschenleibern verkörpern; sie
konnten sich an der Erdenregierung nur so beteiligen, daß
sie in dem Zustande, den die Menschen der Erdenvorzeit
hellsehend erreichten, diese erleuchteten, inspirierten, und
auf dem Umwege durch diese hellsehenden Menschen in die Lenkung
der Erdengeschicke eingriffen.
Die
alten Ägypter erinnerten sich also noch an einen solchen
Zustand, wo die führenden Persönlichkeiten sich
lebendig bewußt waren ihres Zusammenhanges mit dem, was
man Götter, Engel oder dhyanische Wesenheiten nennt. Was
waren das nun für Wesenheiten, die sich da nicht selber
als Menschen verkörperten, nicht menschliche fleischliche
Gestalt annahmen, sondern auf die geschilderte Art in die
Menschheit hereinwirkten? Sie waren die Vorgänger der
Menschen, die hinausgewachsen waren über die Stufe der
Menschheit.
Es
ist in dieser Zeit mit einem Worte viel Mißbrauch
getrieben worden, das im rechten Sinne hier angewendet werden
kann, mit dem Worte «Übermensch». Wenn man
wahrhaft von «Übermenschen» sprechen wollte, so
könnte man so diese Wesenheiten nennen, die schon
während der Mondenzeit, der planetarischen Vorstufe
unserer Erde, Menschen waren und jetzt über die Menschen
hinausgewachsen sind. Sie konnten nur in einem ätherischen
Leibe den hellsehenden Menschen erscheinen. So erschienen sie
auch, stiegen also aus den geistigen Welten auf die Erde
herunter und regierten selbst noch in den nachatlantischen
Zeiten auf der Erde.
Diese Wesenheiten hatten die merkwürdige Eigenschaft - und
haben sie auch heute noch -, daß sie nicht zu denken
brauchen; man könnte auch sagen, daß sie gar nicht
denken können, wie der Mensch denkt. Wie denkt denn der
Mensch ? Mehr oder weniger so, daß er von einem gewissen
Punkte ausgeht und sich sagt: ich habe das oder jenes
begriffen; und von diesem Punkte aus versucht er nun
verschiedenes andere zu verstehen. Wenn das nicht der Weg des
menschlichen Denkens wäre, so wäre der Schulweg
für manches nicht so schwierig. Man kann nicht von einem
Tage auf den andern Mathematik lernen, weil man an einem Punkte
anfangen und langsam vorschreiten muß. Das dauert lange.
Man kann nicht mit einem Blick eine ganze Gedankenwelt
überschauen; denn das menschliche Denken verläuft in
der Zeit. Es ist ein Gedankenbau nicht mit einem Schlage in der
Seele gegenwärtig. Man muß suchen, muß sich
anstrengen, um den Fortgang der Gedanken zu finden. Diese
Eigentümlichkeit des Menschen haben die gekennzeichneten
Wesenheiten nicht; sondern es tritt ein weiter Gedankenbau in
ihnen mit derselben Geschwindigkeit auf, mit der etwa ein Tier
sich klar ist, wenn es etwas für seinen Instinkt
Eßbares vor sich hat, daß es darnach schnappen will.
Instinkt und nachdenkerisches Bewußtsein zeigen in bezug
auf diese Wesenheiten keinen Unterschied, sie sind ein und
dasselbe. So wie die Tiere Instinkt haben auf ihren Stufen, in
ihrem Reiche, so haben diese dhyanischen Wesenheiten oder
Angeloi unmittelbares geistiges Denken, unmittelbares geistiges
Vorstellen. Durch dieses instinktive Vorstellungs-Innenleben
sind sie wesentlich anders geartet als die Menschen.
Man
kann sich nun leicht einen Begriff davon bilden, wie es
unmöglich ist, daß diese Wesenheiten ein solches
Gehirn oder einen solchen physischen Leib benutzen, wie sie die
Menschen haben. Sie müssen einen ätherischen Leib
benutzen, weil ein menschlicher Leib und ein menschliches
Gehirn die Gedanken nur in der Zeit vermitteln, während
diese Wesenheiten nicht die Gedanken in der Zeit ausbilden,
sondern gleichsam wie von selbst die ihnen zukommende Weisheit
in sich aufblitzen fühlen. Sie können unmöglich
in dem Sinne Falsches denken, wie der Mensch. Ihr
Gedankenablauf ist eine unmittelbare Inspiration. Daher hatten
diejenigen Persönlichkeiten, welche an diese
übermenschlichen oder Engel-Wesenheiten herankommen
konnten, das Bewußtsein: da stehen sie der sicheren
Weisheit gegenüber. Wenn also selbst noch im alten
Ägypten der Mensch, der als Mensch Lehrer oder König
war, diesem seinem geistigen Führer gegenüberstand,
so wußte er: Das Gebot, das er gibt, die Wahrheit, die er
sagt, sind unmittelbar richtig, können nicht falsch sein.
Das empfanden dann wieder diejenigen, auf welche diese
Wahrheiten übertragen wurden.
Die
hellseherischen Menschheitsführer konnten so sprechen,
daß man aus ihren Worten selbst das zu empfangen glaubte,
was aus der geistigen Welt herunterkam. Kurz, es war ein
unmittelbarer Strom hinauf nach den höheren leitenden
Geistes-Hierarchien.
Was
an der Kindheit des Menschen wirkt, das kann man im großen
in der Welt der Menschheit arbeiten sehen als die über der
ganzen Menschheits-Evolution schwebende nächste Welt der
Geistes-Hierarchien, als das nächste Reich der Angeloi
oder übermenschlichen Wesenheiten, die um eine Stufe
höher stehen als die Menschen und unmittelbar in die
geistigen Sphären hinaufragen. Sie tragen aus diesen
Sphären das auf die Erde herunter, was in die menschliche
Kultur hineinarbeitet. Beim Kinde ist es die Leibesgestaltung,
in welcher sich die höhere Weisheit ihren Abdruck schafft;
in der Menschheitsentwickelung der Vorzeit kam die Kultur in
ähnlicher Art zur Ausgestaltung.
So
empfanden die Ägypter, welche schilderten, daß sie
mit einem Göttlichen im Zusammenhang standen, das
Geöffnetsein der Seele der Menschheit gegenüber den
Geistes-Hierarchien. Wie die Kindesseele bis zu dem Zeitpunkt,
der in den vorhergehenden Ausführungen angedeutet ist,
ihre Aura den Hierarchien öffnet, so öffnete die
ganze Menschheit ihre Welt durch ihre Arbeit den Hierarchien,
mit denen sie im Zusammenhang stand.
Am
bedeutsamsten war dieser Zusammenhang bei denjenigen Lehrern,
die wir als die heiligen Lehrer der Inder bezeichnen, den
großen Lehrern der ersten nachatlantischen Kultur, jener
ersten indischen Kultur, die sich ausgebreitet hat im
Süden Asiens. Als die atlantische Katastrophe
vorübergegangen war, und die Physiognomie der Erde sich
verändert hatte, so daß die neue Gestaltung Asiens,
Europas und Afrikas auf der östlichen Halbkugel sich
entwickelt hatte, da wirkte - und zwar noch vor der Zeit, auf
die hier als in den alten Berichten erwähnte hingedeutet
wurde -, die Kultur der alten großen Lehrer Indiens. Der
heutige Mensch wird sich im allgemeinen eine recht falsche
Vorstellung von diesen großen Lehrern Indiens machen. Denn
wenn zum Beispiel einem heutigen Gebildeten einer der
großen Lehrer Indiens gegenübertreten würde, so
würde der Gebildete der Gegenwart sonderbare Augen machen
und vielleicht sagen: Das soll ein <Weiser> sein? So habe
ich mir nie einen Weisen vorgestellt! - Denn im Sinne dessen,
was bei dem heutigen Gebildeten klug oder gescheit ist, haben
die alten heiligen Lehrer Indiens nichts Gescheites zu sagen
gewußt. Sie waren im heutigen Sinne einfältige,
schlichteste Menschen, die in der allereinfachsten Weise
geantwortet hätten, selbst auf Fragen des
alltäglichen Lebens. Und es gab für sie viele Zeiten,
in denen man aus ihnen kaum anderes herausbringen konnte, als
dieses oder jenes Wort, das einem heutigen Gebildeten recht
unbedeutend scheinen würde. Aber es gab auch wieder
für diese heiligen Lehrer bestimmte Zeiten, in denen sie
sich als etwas anderes denn als bloße schlichte Menschen
darstellten. In diesen Zeiten mußten sie dann in der
Siebenzahl beieinander sein, weil das, was jeder einzelne von
ihnen empfinden konnte, harmonisch wie in einem Zusammenklang
von sieben Tönen mit den anderen sechs Weisen
zusammenwirken mußte, so daß also jeder nach seinem
besonderen Instrument und seiner besonderen Entwickelung die
Möglichkeit hatte, dies oder jenes zu schauen. Und aus dem
Zusammenklang dessen, was jeder einzelne erschaute, entstand
das, was als die Urweisheit aus alten Zeiten heraufklingt, wenn
man die wirklichen okkulten Urkunden zu entziffern versteht.
Jene Urkunden sind nicht die Offenbarungen der Veden - so sehr
wir auch diese Veden bewundern können; sondern was die
heiligen Lehrer Indiens gelehrt haben, das liegt noch viel
früher, als die Abfassung der Veden, und nur ein schwacher
Nachklang davon ist das, was man in diesen gewaltigen Werken
vor sich hat. Aber wenn diese Männer
gegenüberstanden, ein jeder einem übermenschlichen
Vorfahren der Menschheit, wenn sie hinschauten hellsehend in
die höhern Welten, hinhörten hellhörend auf das,
was sie durch diesen Vorgänger der Menschheit vernahmen,
so leuchtete es wie die Sonne aus ihren Augen. Und dann wirkte
das, was sie sagen konnten, überwältigend auf ihre
Umgebung, so daß alle Hörenden wußten: Jetzt
spricht nicht das, was menschliches Leben oder menschliche
Weisheit ist, sondern jetzt wirken herein in die Menschenkultur
Götter, übermenschliche Wesenheiten.
Von
diesem Hereinklingen dessen, was die Götter wußten,
nahmen die alten Kulturen ihren Ausgang. Erst nach und nach in
der nachatlantischen Zeit schloß sich sozusagen das Tor
gegenüber der göttlich-geistigen Welt, die ja
während der atlantischen Zeit noch völlig offen war
für die menschliche Seele. Und man empfand in den
verschiedenen Ländern, bei den verschiedenen Völkern,
wie der Mensch immer mehr und mehr auf sich selber angewiesen
wurde. So zeigt sich in anderm Sinne an der Menschheit, was
sich am Kinde offenbart. Erst ragt die göttlich-geistige
Welt herein durch die unbewußte Seele des Kindes, die
leibgestaltend schafft; dann kommt der Augenblick, in welchem
der Mensch sich als «Ich» fühlen lernt, bis zu
dem er sich dann im späteren Leben zurückerinnert. Da
liegt das, von dem gesagt werden kann, daß der Weiseste
noch lernen kann von der Seele des Kindes. Dann aber wird der
einzelne sich selbst überlassen, das Ich-Bewußtsein
tritt auf, und alles fügt sich jetzt so zusammen, daß
man sich an das Erlebte zurückerinnern kann. - So kam auch
im Leben der Völker die Zeit, wo sie anfingen, sich mehr
abgeschlossen zu fühlen von der göttlichen
Inspiration der Urväter. Wie das Kind abgeschlossen wird
von der Aura, die das Kindeshaupt in den ersten Jahren
umschwebt, so traten auch im Leben der Völker immer mehr
und mehr die göttlichen Urväter zurück, und die
Menschen wurden angewiesen auf ihr eigenes Forschen und ihr
eigenes Wissen. Wo die Geschichte so spricht, da wird das
Hereindringen der Führung der Menschheit empfunden.
«Menes» nannten die Ägypter den, der die erste
«menschliche» Kultur inauguriert hat; und sie deuten
zu gleicher Zeit an, daß der Mensch dadurch auch in die
Möglichkeit kam, zu irren. Denn von da ab war er
angewiesen auf das Werkzeug seines Gehirns. Daß der Mensch
in Irrtum verfallen konnte, wird dadurch symbolisch angedeutet,
daß in die Zeit, in welcher die Menschen von den
Göttern verlassen wurden, die Stiftung des Labyrinthes
versetzt wird, das ein Abbild ist der Windungen des Gehirns als
des Werkzeuges für die eigenen Menschengedanken, in
welchen sich der Träger dieser Gedanken verlieren kann.
Manas nannten die Orientalen den Menschen als denkendes Wesen,
und Manu heißt der erste Hauptträger des Denkens.
Minos nannten die griechischen Völker den ersten
Ausgestalter des menschlichen Gedankenprinzips, und auch an
Minos knüpft sich die Sage vom Labyrinth, weil die
Menschen fühlten, wie sie seit seiner Zeit von der
unmittelbaren göttlichen Leitung allmählich in eine
solche Leitung übergingen, durch welche das
«Ich» in anderer Art die Einflüsse der
höheren Geisteswelt erlebt.
Außer jenen Urvätern der Menschen, den wahren
Übermenschen, die auf dem Monde ihre Menschheit absolviert
hatten und nun Engel geworden waren, gibt es noch andere
Wesenheiten, die auf dem Monde ihre Entwickelung nicht
vollendet haben. Die Wesenheiten, die man in der orientalischen
Mystik dhyanische Wesenheiten, in der christlichen Esoterik
Angeloi nennt, haben ihre Entwickelung auf dem alten Monde
vollendet und sind, als der Mensch auf der Erde sein Werden
begann, schon um eine Stufe höher gewesen als die
Menschen. Aber andere Wesenheiten gab es, die ihre menschliche
Entwickelung auf dem alten Monde nicht abgeschlossen hatten,
gerade wie die höheren Kategorien der luziferischen
Wesenheiten nicht ihre Entwickelung abgeschlossen hatten. Als
der Erdenzustand unseres Planeten begann, war in dem
gekennzeichneten Sinne nicht nur der Mensch vorhanden; sondern
er empfing auch die Inspiration der göttlich-geistigen
Wesenheiten, denn sonst hätte er - ähnlich wie das
Kind - nicht vorwärts kommen können; und dadurch
waren außer diesen kindlichen Menschen auch die
Wesenheiten mittelbar für die Erde vorhanden, die auf dem
Monde ihre Entwickelung abgeschlossen hatten. Zwischen diesen
aber und den Menschen waren noch solche Wesenheiten, die ihre
Entwickelung auf dem Monde nicht abgeschlossen hatten,
Wesenheiten, die höherer Art waren als die Menschen, weil
sie schon während der alten Mondenzeit Engel, dhyanische
Wesenheiten hätten werden können. Aber sie sind
damals nicht bis zur vollen Reife gekommen, sind
zurückgeblieben unter den Engeln, ragten aber doch in
bezug auf alles, was der Mensch sein Eigen nannte, weit
über den Menschen hinaus. Das sind im Grunde genommen
diejenigen Wesenheiten, die in den Scharen der luziferischen
Geister die unterste Stufe einnehmen. Mit diesen Wesenheiten,
die zwischen den Menschen und den Engeln mitten drinnen stehen,
beginnt eben schon das Reich der luziferischen Wesenheiten.
Von
diesen Wesenheiten kann man außerordentlich leicht
irrtümlich denken. Man könnte fragen: Warum haben die
göttlichen Geister, die Regenten des Guten, zugelassen,
daß solche Wesenheiten zurückgeblieben sind und
dadurch das luziferische Prinzip in die Menschheit hereinkommen
lassen? - Man könnte auch einwenden, daß die guten
Götter alles zum Guten lenken. Diese Frage liegt nahe. Und
das andere Mißverständnis, das entstehen könnte,
drückt sich in der Meinung aus: Diese Wesenheiten seien
eben «böse» Wesenheiten. Beides ist nur ein
Mißverständnis. Denn diese Wesenheiten sind durchaus
nicht bloß «böse» Wesenheiten, obwohl der
Ursprung des Bösen in der Menschenentwickelung bei ihnen
gesucht werden muß, sondern sie stehen mitten zwischen den
Menschen und den Übermenschen. Sie ragen in gewisser Art
an Vollkommenheit über die Menschen hinaus. In allen
Fähigkeiten, die sich die Menschen erst erwerben
müssen, haben diese Wesenheiten schon eine hohe Stufe
erlangt, und sie unterscheiden sich von den früher
geschilderten Vorfahren der Menschen dadurch, daß sie -
weil sie ihre Menschheit auf dem Monde nicht abgeschlossen
haben -, noch fähig sind, während sich der Mensch auf
der Erde entwickelt, sich in Menschenleibern zu inkarnieren.
Während die eigentlichen dhyanischen oder
Engelwesenheiten, welche die großen Inspiratoren der
Menschen sind, und auf die sich die Ägypter noch beriefen,
nicht in Menschenleibern erscheinen, sondern sich nur
offenbaren konnten durch die Menschen, sind die Wesenheiten,
die zwischen Menschen und Engeln mitten drinnen stehen, noch in
der Vorzeit fähig, sich in menschlichen Leibern zu
verkörpern. Daher findet man in der lemurischen und
atlantischen Zeit unter den Menschen auf der Erde solche, die
in sich tragen als innerste Seelennatur eine
zurückgebliebene Engelwesenheit, das heißt: es gehen
in der alten lemurischen und atlantischen Zeit unserer Erde
nicht nur gewöhnliche Menschen auf der Erde herum, die
durch ihre aufeinanderfolgenden Inkarnationen zu dem kommen
sollen, was dem Menschheitsideal entspricht, sondern es gehen
unter den Menschen früherer Zeiten solche Wesen herum, die
äußerlich wie die anderen Menschen aussehen. Sie
müssen den menschlichen Leib tragen, denn die
äußere Gestalt eines Menschen im Fleisch ist
abhängig von den irdischen Verhältnissen. Aber
namentlich in den älteren Zeiten befanden sich unter den
Menschen solche Wesen, die zu der untersten Kategorie der
luziferischen Individualitäten gehörten. Neben den
Engelwesenheiten, die auf die menschliche Kultur durch die
Menschen wirkten, inkarnierten sich auch solche luziferische
Wesenheiten und begründeten an verschiedenen Orten
Menschheitskulturen. Und wenn in den Legenden alter Völker
geschildert wird, daß da oder dort der eine oder der
andere große Mensch lebte, der eine Kultur
begründete, so ist eine solche Individualität nicht
damit zu kennzeichnen, daß man sagt: Da ist eine
luziferische Wesenheit verkörpert, die muß
Träger eines Bösen sein; - sondern in der Tat kommt
unendlich viel Segensreiches in die menschliche Kultur durch
diese Wesenheiten.
Aus
der Geisteswissenschaft ist bekannt, daß in den alten
Zeiten, namentlich in der atlantischen Zeit, so etwas wie eine
Art menschlicher Ursprache vorhanden war, eine Art von
Sprechen, welche über die ganze Erde hin ähnlich war,
weil «Sprechen» in jenen Zeiten viel mehr aus dem
Innersten der Seele kam als heute. Das kann schon aus folgendem
entnommen werden. In den atlantischen Zeiten empfanden die
Menschen alle äußeren Eindrücke so, daß die
Seele, wenn sie etwas Äußeres ausdrücken wollte
mit einem Laut, gedrängt wurde zu einem Konsonanten. Was
also im Raume vorhanden war, drängte dazu, konsonantisch
nachgeahmt zu werden. Das Wehen des Windes, das Rauschen der
Wellen, das Geschütztsein durch ein Haus empfand man und
ahmte es nach durch Konsonanten. Was man dagegen innerlich
erlebte an Schmerz oder Freude, oder auch, was ein anderes
Wesen empfinden konnte, das ahmte man nach im Vokal. Daraus
kann man sehen, daß die Seele im Sprechen zusammenwuchs
mit den äußeren Vorgängen oder Wesenheiten.
Aus
der Akasha-Chronik ergibt sich das folgende. Einer Hütte,
die sich nach der alten Art über eine Familie wölbte
und dieser Schutz und Schirm gab, näherte sich zum
Beispiel ein Mensch, beobachtete die Hütte in der Art, wie
sie sich wölbte als Form räumlich über der
Familie. Das schützende Sichwölben der Hütte
drückte er durch einen Konsonanten aus, und daß
darinnen Seelen in Leibern sich wohl befinden - was er
mitfühlen konnte -, drückte er durch einen Vokal aus.
Da entstand der Gedanke: «Schutz», «Schutz habe
ich», «Schutz über menschlichen Leibern».
Dieser Gedanke ergoß sich dann in Konsonanten und Vokale,
die nicht anders sein konnten, als sie waren, weil sie
eindeutig ein unmittelbarer Abdruck des Erlebnisses waren.
Das
war über die ganze Erde hin so. Es ist kein Traum,
daß es eine menschliche «Ursprache» gegeben hat.
Und in einem gewissen Sinne verstehen die Eingeweihten aller
Völker noch nachzuempfinden diese Ursprache. Ja, in allen
Sprachen sind gewisse Lautanklänge, die nichts anderes
sind als Reste dieser menschlichen Ursprache.
Diese Sprache ist angeregt in der menschlichen Seele durch die
Inspiration der übermenschlichen Wesenheiten, der wahren
Vorgänger der Menschen, die ihre Entwickelung auf dem
Monde vollendet hatten. Man kann nun daraus sehen: Wenn es
bloß diese Entwickelung gegeben hätte, so würde
das ganze Menschengeschlecht im Grunde genommen eine große
Einheit geblieben sein; über die ganze Erde hin würde
man einheitlich gesprochen und gedacht haben. Die
Individualität, die Mannigfaltigkeit hätte sich nicht
ausbilden können - und damit auch nicht die menschliche
Freiheit. Daß der Mensch eine Individualität werden
konnte, dazu mußten Spaltungen in der Menschheit
eintreten. Daß in den verschiedensten Gegenden der Erde
die Sprachen verschieden wurden, das rührt von der Arbeit
solcher Lehrer her, in denen eine luziferische Wesenheit
inkarniert war. Je nachdem diese oder jene -
zurückgebliebene - Engelwesenheit bei diesem oder jenem
Volke inkarniert war, konnte sie in dieser oder jener Sprache
die Menschen unterweisen. Also die Fähigkeit, eine
besondere Sprache zu sprechen, führt bei allen
Völkern zurück auf das Vorhandensein solcher
großen Erleuchter, die zurückgebliebene Engelwesen
waren und weit höher standen als die Menschen ihrer
unmittelbaren Umgebung. Die Wesen, die zum Beispiel geschildert
werden als die ursprünglichen Heroen der griechischen oder
sonstigen Völker, die in menschlicher Gestalt wirkten, das
sind solche, in denen eine zurückgebliebene Engelwesenheit
inkarniert war. Man darf also diese Wesenheiten durchaus nicht
etwa bloß als «böse» Wesenheiten
bezeichnen. Im Gegenteil. Sie haben den Menschen das gebracht,
was sie über den ganzen Erdball hin zu freien Menschen
vorbestimmt hat, was dasjenige differenzierte, das sonst ein
gleichförmiges Ganzes über die ganze Erde hin
gebildet hätte. So ist es bei den Sprachen, so ist es in
vielen Gebieten des Lebens. Die Individualisierung, die
Differenzierung, die Freiheit - können wir sagen - kommt
von diesen Wesenheiten, die zurückgeblieben waren auf dem
Monde. Zwar war es die Absicht der weisen Weltenführung -
so könnte man sagen -, alle Wesenheiten in der
planetarischen Entwickelung bis zu ihrem Ziele zu bringen; aber
wenn dies in unmittelbarer Art geschähe, so würden
gewisse Dinge nicht erreicht. Es werden gewisse Wesenheiten in
ihrer Entwickelung zurückgehalten, weil diese eine
besondere Aufgabe in dem Werdegang der Menschheit haben. Weil
die Wesen, welche ihre Aufgabe auf dem Monde voll erreicht
hatten, nur eine einheitliche Menschheit hätten erzeugen
können, deshalb wurden ihnen entgegengestellt jene Wesen,
die auf dem Monde zurückgeblieben waren und die dadurch
die Möglichkeit bekamen, dasjenige, was eigentlich ein
Fehler bei ihnen war, zum Guten zu wenden.
Von
da aus eröffnet sich auch die Aussicht auf die Frage:
Warum besteht in der Welt das Böse, das Schlechte, das
Unvollkommene, das Krankhafte? - Man betrachte dies unter dem
Gesichtspunkt, unter dem eben die unvollkommenen Engelwesen
betrachtet worden sind. Alles, was zu irgendeiner Zeit ein
Unvollkommenes, ein Zurückgebliebenes darstellt, wird in
der Entwickelung doch zu einem Guten gewendet. Daß in
einer solchen Wahrheit keine Rechtfertigung der bösen
Handlungen des Menschen gesehen werden darf, braucht wohl nicht
erst erwähnt zu werden.
Damit ist auch schon die Frage beantwortet: Warum
läßt die weise Weltenregierung gewisse Wesenheiten
zurückbleiben, so daß sie nicht ihr Ziel erreichen?
Das geschieht eben deshalb, weil es in der Zeit, die auf
solches Zurückbleiben folgt, seinen guten Sinn hat. Denn
als die Völker sich noch nicht selber lenken und leiten
konnten, da lebten die Lehrer der Zeiten und der einzelnen
Menschen. Und alle die einzelnen Völkerlehrer - Kadmos,
Cheops, Pelops, Theseus und so weiter - haben in gewisser
Beziehung eine Engelwesenheit in dem Grunde ihrer Seele. Daraus
ist ersichtlich, wie in der Tat die Menschheit auch in dieser
Beziehung einer Leitung, einer Führung untersteht.
Nun
bleiben aber auf jeder Stufe der Evolution Wesenheiten
zurück, die nicht das Ziel erreichen, das erreicht werden
kann. Man fasse noch einmal die alte ägyptische Kultur ins
Auge, die sich vor mehreren Jahrtausenden im Nil-Lande
abgespielt hat, wo sich übermenschliche Lehrer den
Ägyptern offenbarten, von denen diese selbst sagten,
daß sie wie Götter die Menschen leiteten. Daneben
aber wirkten auch solche Wesenheiten, die nur halb oder zum
Teil ihre Engelstufe erreicht hatten. Nun muß man sich
klar darüber sein, daß der Mensch im alten
Ägypten eine bestimmte Entwickelungsstufe erreicht hat,
das heißt die Seelen der gegenwärtigen Menschen haben
in der ägyptischen Zeit die entsprechende Stufe erreicht.
Aber nicht allein der geführte Mensch erlangt etwas
dadurch, daß er sich führen läßt, sondern
auch bei den leitenden, führenden Wesenheiten bedeutet
dieses Leiten etwas, das sie weiterbringt in ihrer
Entwickelung. Ein Engel zum Beispiel ist mehr, nachdem er die
Menschen eine Zeitlang geführt hat, als er war, bevor
diese Führung angefangen hat. Durch seine Arbeit in der
Führung kommt auch der Engel weiter, und zwar sowohl der,
welcher ein voller Engel ist, als auch der, welcher in seiner
Entwickelung zurückgeblieben ist. Alle Wesen können
immer weiterkommen; alles ist in fortwährender
Entwickelung befindlich. Aber auf jeder Stufe bleiben wieder
Wesenheiten zurück. Man kann in der alten ägyptischen
Kultur im Sinne des Vorstehenden unterscheiden: die
göttlichen Führer, die Engel, dann die
halb-göttlichen Führer, welche die Engelstufe nicht
ganz erreichten, und dann die Menschen. Aber gewisse Wesen aus
der Reihe der Übermenschen bleiben wieder zurück, das
heißt sie führen nicht so, daß sie alle ihre
Kräfte zum Ausdruck bringen, bleiben als Engel
während der alten ägyptischen Kulturstufe
zurück. In derselben Art bleiben die unvollendeten
Übermenschen zurück. Während also die Menschen
unten vorrücken, bleiben oben unter den dhyanischen
Wesenheiten oder Engeln gewisse Individualitäten
zurück. Als die ägyptisch-chaldäische Kultur zu
Ende ging und die griechisch-lateinische begann, sind
zurückgebliebene leitende Wesenheiten aus der ersteren
Kulturepoche vorhanden. Diese können aber nun ihre
Kräfte nicht anwenden, denn sie werden in der Führung
der Menschheit von anderen Engeln oder halbengelhaften
Wesenheiten ersetzt. Das heißt aber: sie können
dadurch auch ihre eigene Entwickelung nicht fortsetzen.
Damit ist der Blick gewendet auf eine Kategorie von
Wesenheiten, die ihre Kräfte hätten anwenden
können während der ägyptischen Zeit, sie aber in
dieser Zeit nicht voll angewendet haben. In der darauffolgenden
griechisch-lateinischen Zeit konnten sie sie nicht anwenden,
weil sie damals von anderen führenden Wesenheiten
abgelöst wurden und die ganze Beschaffenheit dieser Zeit
ihr Eingreifen unmöglich machte. So wie diejenigen
Wesenheiten, die auf dem alten Monde ihre Engelstufe nicht
erreicht hatten, später die Aufgabe hatten, während
der Erdenzeit wieder tätig einzugreifen in die
Entwickelung der Menschheit, so haben nun jene Wesenheiten,
welche in der ägyptisch-chaldäischen Kultur als
führende Wesenheiten zurückgeblieben sind, auch die
Aufgabe, später wieder in die Kultur, als
zurückgebliebene Wesenheiten, einzugreifen. Wir werden
also erschauen können eine spätere Kulturepoche, in
welcher zwar dann zur Führung gekommene Wesenheiten da
sind, welche die normal fortschreitende Entwickelung lenken, in
welcher aber neben diesen noch andere Wesenheiten eingreifen,
welche früher zurückgeblieben sind, und namentlich
solche, die während der alten ägyptischen Kultur
zurückgeblieben sind. Diese damit angedeutete
Kulturperiode ist unsere eigene. Wir leben in einer Zeit, in
welcher neben den normalen Lenkern der Menschheit noch
eingreifen solche zurückgebliebene Wesenheiten der alten
ägyptischen und chaldäischen Kultur.
Man
hat die Entwickelung der Tatsachen und Wesenheiten so
anzusehen, daß die Vorgänge in der physischen Welt
als Wirkungen (Offenbarungen) gelten müssen, deren wahre
Ursachen in der geistigen Welt liegen. Unsere Kultur ist im
großen und ganzen nach der einen Seite durch eine
Aufwärtsbewegung nach der Spiritualität
gekennzeichnet. In dem Drang gewisser Menschen zur
Spiritualität offenbaren sich diejenigen geistigen Lenker
der gegenwärtigen Menschheit, welche für sich ihre
normale Entwickelungsstufe erlangt haben. In allem, was heute
den Menschen hinaufführen will in das, was uns die
Theosophie überliefert von den großen spirituellen
Weistümern, offenbaren sich diese normalen Lenker unserer
Entwickelung. Aber auch die während der
ägyptisch-chaldäischen Kultur zurückgebliebenen
Wesenheiten greifen ein in unsere Kulturtendenzen; sie
offenbaren sich in vielem, was gegenwärtig und in
nächster Zukunft gedacht und geleistet wird. Sie treten in
allem in die Erscheinung, was unserer Kultur das
materialistische Gepräge gibt, und sind oft selbst in dem
Streben nach dem Spirituellen bemerkbar. Wir erleben eben im
wesentlichen ein Wiederauferstehen der ägyptischen Kultur
in unserer Zeit. Die Wesenheiten, welche als die unsichtbaren
Leiter dessen anzusehen sind, was in der physischen Welt
geschieht, zerfallen demnach in zwei Klassen. Die erste Klasse
enthält diejenigen geistigen Individualitäten, welche
bis in unsere Gegenwart herein für sich eine normale
Entwickelung durchgemacht haben. Sie konnten daher in die
Lenkung unserer Kultur eingreifen, während die Leiter der
unserer Epoche vorangehenden griechisch-lateinischen Zeit ihre
Mission für die Kulturführung in dem ersten
christlichen Jahrtausend allmählich beendeten. Die zweite
Klasse, welche ihre Arbeit mit den Wesenheiten der ersten
Klasse zusammenfließen läßt, sind geistige
Individualitäten, welche in der
ägyptisch-chaldäischen Kultur ihre Entwickelung nicht
vollendet haben. Sie mußten während der folgenden
griechisch-lateinischen Zeit untätig bleiben und
können jetzt wieder tätig sein, weil unsere Gegenwart
eben Ähnlichkeiten mit der
ägyptisch-chaldäischen Zeit hat. So kommt es,
daß in der gegenwärtigen Menschheit vieles auftaucht,
das sich wie ein Wiederauferstehen der alten ägyptischen
Kräfte ausnimmt, darunter ist aber auch vieles wie ein
Wiederauferstehen solcher Kräfte, die damals geistig
wirkten und die jetzt in materialistischer Umprägung
wiedererscheinen. Man kann, um dies zu kennzeichnen, auf ein
Beispiel hinweisen, wie alte ägyptische Erkenntnisse in
unserer Zeit wieder auflebten. Man denke an Kepler. Er war ganz
durchdrungen von der Harmonie im Weltenbau; und dies ist zum
Ausdruck gekommen in seinen bedeutsamen mathematischen Gesetzen
der Himmelsmechanik, in den sogenannten Keplerschen Gesetzen.
Diese sind scheinbar recht trocken und abstrakt; aber bei
Kepler sind sie herausgeboren aus einem Vernehmen der Harmonie
des Weltalles. Man kann in Keplers Schriften selbst lesen, wie
er sagt: damit er finden konnte, was er gefunden hat,
mußte er hingehen zu den heiligen Mysterien der
Ägypter, diesen ihre Tempelgefäße entwenden und
durch sie das in die Welt bringen, wovon erst spätere
Zeiten wissen werden, was es für die Menschheit bedeutet.
Solche Worte Keplers sind durchaus nicht eine bloße
Phrase, sondern in ihnen war das dunkle Bewußtsein
vorhanden von einem Wiedererleben dessen, was er in der
ägyptischen Zeit - während seiner damaligen
Verkörperung - kennengelernt hat. Wir dürfen durchaus
die Vorstellung hegen, daß Kepler in die alte
ägyptische Weisheit während eines seiner
früheren Leben eingedrungen ist, und daß in seiner
Seele diese ägyptische Weisheit in jener Form neu
gestaltet auftrat, die der neueren Zeit angemessen ist. Es ist
erklärlich, daß mit dem ägyptischen Genius in
unsere Kultur ein materialistischer Zug hereinkommt, denn die
Ägypter hatten einen starken Materialismus als Einschlag
ihrer Spiritualität, der sich zum Beispiel darin einen
Ausdruck gab, daß man den physischen Leib der Verstorbenen
einbalsamierte, das heißt man legte einen Wert auf die
Erhaltung des physischen Leibes. Das ist aus der
ägyptischen Zeit in entsprechend anderer Form zu uns
herübergekommen. Dieselben Kräfte, die damals nicht
ihren Abschluß gefunden hatten, greifen in verwandelter
Art in unsere Zeit wieder ein. Aus der Gesinnung, welche die
Leichen einbalsamierte, wurden die Anschauungen, welche heute
bloß den Stoff anbeten. Der Ägypter balsamierte seine
Leichen ein und bewahrte damit etwas, was ihm wertvoll war. Er
meinte, daß die Entwickelung der Seele nach dem Tode in
Zusammenhang stehe mit der Erhaltung des physisch-materiellen
Leibes. Der moderne Anatom seziert dasjenige, was er sieht, und
glaubt dadurch, die Gesetze der Menschheitsorganisation zu
erkennen. - In unserer heutigen Wissenschaft leben die
Kräfte der alten ägyptischen und chaldäischen
Welt, die damals fortschreitende Kräfte waren, jetzt aber
zurückgebliebene darstellen, und die man erkennen
muß, wenn man den Charakter der Gegenwart richtig
würdigen will. Diese Kräfte werden dem Menschen der
Gegenwart schaden, wenn er ihre Bedeutung nicht kennt; er wird
keinen Schaden durch sie nehmen, sondern sie zu guten Zielen
führen, wenn er sich ihres Wirkens bewußt ist und
sich dadurch in das rechte Verhältnis zu ihnen bringt.
Diese Kräfte müssen ihre Verwertung finden; man
würde sonst nicht die großen Errungenschaften in der
Technik, Industrie und so weiter in der Gegenwart haben. Es
sind Kräfte, die luziferischen Wesenheiten der untersten
Stufe angehören. Wenn man sie nicht in richtiger Weise
erkennt, dann hält man die materialistischen Impulse der
Gegenwart für die einzig möglichen, und sieht nicht
die anderen Kräfte, welche hinaufführen in das
Spirituelle. Aus diesem Grunde muß ein klares Erkennen von
zwei Geistesströmungen in unserer Zeit sprechen.
Wären durch die weise Weltenführung während der
ägyptisch-chaldäischen Zeit solche Wesenheiten nicht
zurückgeblieben, so würde es der gegenwärtigen
Kultur an der nötigen Schwere fehlen. Es würden dann
nur die Kräfte wirken, welche den Menschen mit voller
Gewalt ins Geistige bringen wollen. Die Menschen würden
nur allzusehr geneigt sein, sich diesen Kräften zu
überlassen. Sie würden Schwärmer werden. Solche
Menschen würden nur etwas wissen wollen von einem Leben,
das so schnell wie möglich sich vergeistigt; und eine
Gesinnung wäre für sie maßgebend, die eine
gewisse Verachtung des Physisch-Materiellen zeigte. Die
gegenwärtige Kulturepoche kann aber ihre Aufgabe nur
erfüllen, wenn die Kräfte der materiellen Welt zur
vollsten Blüte gebracht und so allmählich auch ihr
Gebiet der Geistigkeit erobert wird. Wie die schönsten
Dinge zu Verführern und Versuchern der Menschheit werden
können, wenn ihnen der Mensch einseitig folgt, so
wäre, wenn die gekennzeichnete Einseitigkeit Platz griffe,
die große Gefahr vorhanden, daß alle möglichen
guten Bestrebungen als Fanatismus sich kundgeben würden.
So wahr es ist, daß die Menschheit durch ihre edlen
Impulse vorwärts gebracht wird, so wahr ist es auch,
daß durch die schwärmerische und fanatische
Vertretung der edelsten Impulse das Schlimmste für die
richtige Entwickelung bewirkt werden kann. Nur wenn man in
Demut und in Klarheit und nicht aus der Schwärmerei heraus
nach dem Höchsten strebt, kann Heilsames für den
Fortgang der Menschheit geschehen. Damit die
Gegenwarts-Leistung die nötige Schwere auf der Erde habe,
damit man Verständnis habe für das Materielle,
für die Dinge des physischen Planes, deshalb hat die
Weisheit, welche in der Weltenlenkung wirkt, diejenigen
Kräfte zurückgelassen, die ihre Entwickelung
hätten während der ägyptischen Epoche vollenden
sollen, und die jetzt die Blicke der Menschen hinwenden auf das
physische Leben.
Aus
dieser Darstellung ist ersichtlich, wie die Entwickelung unter
dem Einfluß normal fortschreitender und auch
zurückbleibender Wesenheiten geschieht. Der hellseherische
Blick kann das Zusammenarbeiten der beiden Klassen von
Wesenheiten in der übersinnlichen Welt verfolgen. Er
begreift dadurch das geistige Geschehen, von dem die physischen
Tatsachen, innerhalb welcher der Mensch der Gegenwart steht,
die Offenbarung sind.
Man
bemerkt, daß es nicht genügt zum Verständnis der
Weltvorgänge, wenn durch irgendwelche Übungen das
geistige Auge, das geistige Ohr geöffnet sind
gegenüber der geistigen Welt. Man hat dadurch nur
erreicht, daß man sieht, was da ist, daß man die
Wesenheiten wahrnehmen kann und weiß: da sind geistige
Wesenheiten der Seelenwelt oder des Geistgebietes. Aber es ist
auch notwendig, zu erkennen, welcher Art diese Wesenheiten
sind. Irgendeine Wesenheit des Seelen- oder Geistgebietes kann
einem begegnen; man weiß dann aber noch nicht, ob sie in
fortschreitender Entwickelung ist, oder ob sie zur Kategorie
der zurückgebliebenen Mächte gehört; ob sie also
vorwärts schiebt oder die Entwickelung hemmt. Diejenigen
Menschen, welche sich die hellseherischen Fähigkeiten
aneignen und nicht zugleich sich das volle Verständnis
für die charakterisierten Entwickelungsbedingungen der
Menschheit erwerben, können im Grunde genommen niemals
wissen, was für eine Art von Wesenheiten ihnen begegnet.
Das bloße Hellsehen muß ergänzt werden durch
eine klare Beurteilung des in der übersinnlichen Welt
Geschauten. Diese Notwendigkeit ist im höchsten Maße
gerade für unsere Zeit vorhanden. Sie war nicht in
gleichem Maße zu allen Zeiten zu berücksichtigen.
Geht man zurück in sehr alte Menschheitskulturen, so
findet man andere Verhältnisse. Wenn im ältesten
Ägypten ein Mensch hellsehend war, und es trat ihm eine
Wesenheit der übersinnlichen Welt entgegen, so hatte diese
gleichsam an der Stirne geschrieben, wer sie ist. Der
Hellsehende konnte sie nicht mißdeuten. Dagegen ist die
Möglichkeit des Mißverständnisses
gegenwärtig eine sehr große. Während die alte
Menschheit dem Reiche der geistigen Hierarchien noch nahe stand
und sehen konnte, welchen Wesen sie begegnete, ist die
Irrtumsmöglichkeit heute eine sehr große, und der
einzige Schutz gegen schwere Schädigung ist nur die
Bemühung um solche Vorstellungen und Ideen, wie sie in dem
Vorhergehenden angedeutet sind.
Einen Menschen, der in die geistige Welt zu schauen vermag,
nennt man in der Esoterik einen «Hellseher». Aber nur
Hellseher sein, ist nicht genug. Ein solcher könnte wohl
sehen, aber nicht unterscheiden. Derjenige, welcher sich die
Fähigkeit erworben hat, die Wesen und Vorgänge der
höheren Welten zu unterscheiden voneinander, wird ein
«Eingeweihter» genannt. Die Einweihung bringt die
Möglichkeit, zu unterscheiden zwischen den verschiedenen
Arten von Wesenheiten. Es kann also jemand hellsehend sein
für die höheren Welten, braucht aber kein
Eingeweihter zu sein. Für die alten Zeiten war die
Unterscheidung der Wesenheiten nicht besonders wichtig; denn
wenn die alten Geheimschulen die Schüler zum Hellsehen
gebracht hatten, war die Gefahr des Irrtums keine sehr
große. Gegenwärtig aber ist die
Irrtumsmöglichkeit in hohem Maße vorhanden. Daher
sollte in aller esoterischen Schulung darauf Rücksicht
genommen werden, daß immer zu der Fähigkeit der
Hellsichtigkeit hinzuerworben werde die Einweihung. Der Mensch
muß in dem Maße, als er hellseherisch wird,
fähig werden, zu unterscheiden zwischen den besonderen
Arten der übersinnlichen Wesenheiten und
Vorgänge.
Die
besondere Aufgabe: ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen den
Prinzipien des Hellsehens und dem der Einweihung, trat in der
neueren Zeit an die führenden Mächte der Menschheit
heran. Notwendigerweise mußten Führer der geistigen
Schulung das Gekennzeichnete mit dem Beginne der neueren Zeit
ins Auge fassen. Diejenige esoterische Geistesrichtung, welche
der Gegenwart angemessen ist, macht es sich daher zum Prinzip,
zwischen Hellsehen und Einweihung stets das richtige
Verhältnis herzustellen. Es wurde dies notwendig in der
Zeit, als die Menschheit eine Krisis durchmachte in bezug auf
ihr höheres Erkennen. Diese Zeit ist die des dreizehnten
Jahrhunderts. Etwa um das Jahr 1250 herum haben wir das
Zeitalter, in welchem die Menschen sich am meisten
abgeschlossen fühlten von der geistigen Welt. Für den
hellseherischen Rückblick auf dieses Zeitalter ergibt sich
folgendes. Es konnten sich damals die hervorragendsten Geister,
die nach einem gewissen höheren Erkennen strebten, sagen:
Was unsere Vernunft, unser Intellekt, was unser geistiges
Wissen finden kann, ist beschränkt auf die Welt, die uns
als physische umgibt; wir können mit unserm menschlichen
Forschen und Erkenntnisvermögen nicht eine geistige Welt
erreichen; wir wissen von dieser nur dadurch, daß wir die
Nachrichten über sie, welche uns die Menschen der Vorwelt
hinterlassen haben, in uns aufnehmen. Es war damals eine Zeit
der Verfinsterung des unmittelbaren geistigen Einblickes in die
höheren Welten. Daß dies gesagt wurde in der Zeit,
als die Scholastik blühte, hat seinen guten Grund.
Ungefähr das Jahr 1250 ist die Zeit, in welcher die
Menschen dazu kommen mußten, die Grenze zu ziehen zwischen
dem, was man glauben muß nach dem Eindrucke, den die
überkommenen Überlieferungen machten, und dem, was
man erkennen kann. Das Letztere blieb auf die physische
Sinneswelt beschränkt. Und dann kam die Zeit, wo immer
mehr und mehr die Möglichkeit sich ergab, wieder einen
Einblick zu gewinnen in die geistige Welt. Aber dieses neue
Hellsehen ist von anderer Art als das alte, das eben mit dem
Jahre 1250 im wesentlichen erloschen war. Für die neue
Form der Hellsichtigkeit mußte die abendländische
Esoterik streng das Prinzip aufstellen, daß Einweihung die
geistigen Ohren und geistigen Augen zu führen habe. Damit
ist die besondere Aufgabe charakterisiert, welche sich eine in
Europa in die Kultur eintretende esoterische Strömung
stellte. Als das Jahr 1250 heranrückte, begann eine neue
Art der Führung zu den übersinnlichen Welten.
Diese Führung wurde vorbereitet von den Geistern, welche
damals hinter den äußerlichen geschichtlichen
Ereignissen standen und schon Jahrhunderte früher die
Vorbereitungen trafen für das, was für eine
esoterische Schulung durch die 1250 gegebenen Bedingungen
notwendig wurde. Wenn mit dem Worte «moderne
Esoterik» kein Mißbrauch getrieben wird, so kann es
für die geistige Arbeit dieser höher entwickelten
Personen angewendet werden. Von ihnen weiß die
äußere Geschichte nichts. Was sie taten, trat aber
doch in aller Kultur zutage, die sich im Abendlande seit dem
dreizehnten Jahrhundert entwickelt hat.
Die
Bedeutung des Jahres 1250 für die geistige Entwickelung
der Menschheit tritt besonders dann zutage, wenn man das
Ergebnis der hellseherischen Forschung berücksichtigt, das
in folgender Tatsache gegeben ist. Selbst solche
Individualitäten, die in den vorhergehenden Inkarnationen
schon hohe geistige Entwickelungsstufen erreicht hatten und die
um das Jahr 1250 herum wieder inkarniert wurden, mußten
eine Zeitlang eine vollständige Trübung ihres
unmittelbaren Einblickes in die geistige Welt erleben. Ganz
erleuchtete Individuen waren wie abgeschnitten von der
geistigen Welt und konnten von ihr nur aus der Erinnerung an
frühere Verkörperungen etwas wissen. So sieht man,
wie von jener Zeit an notwendig wurde, daß in der
geistigen Lenkung der Menschheit ein neues Element auftrat. Das
war das Element der wahren modernen Esoterik. Durch dasselbe
ist erst im echten Sinne zu verstehen, wie in die Führung
der ganzen Menschheit und auch des einzelnen Menschen
eingreifen kann für alle Betätigungen dasjenige, was
wir den Christus-Impuls nennen.
Von
dem Mysterium auf Golgatha bis zum Eingreifen der modernen
Esoterik liegt die erste Zeit des Verarbeitens des
Christus-Prinzips in den Menschenseelen. Die Menschen nahmen
den Christus in dieser Zeit gewissermaßen für die
höheren Geisteskräfte unbewußt auf, so daß
sie später, als sie gezwungen wurden, ihn bewußt
aufzunehmen, alle möglichen Fehler machten und in ein
Labyrinth in bezug auf das Christus-Verständnis gerieten.
Man kann verfolgen, wie in der ersten Zeit des Christentums das
Christus-Prinzip sich in untergeordnete Seelenkräfte
einlebte. Dann kam eine neue Zeit, in welcher die Menschen der
Gegenwart noch darinnen stehen. Ja, sie sind in gewisser
Beziehung erst im Anfange des Verständnisses des
Christus-Prinzipes für die höheren
Seelenfähigkeiten. Im weiteren Verlauf dieser Darstellung
soll gezeigt werden, daß der Rückgang der
übersinnlichen Erkenntnis bis in das dreizehnte
Jahrhundert hinein und das andersartige langsame Wiederaufleben
desselben seit jener Zeit zusammenfällt mit dem Eingreifen
des Christus-Impulses in die Menschheitsentwickelung.
So
kann die moderne Esoterik aufgefaßt werden als die
Erhebung des Christus-Impulses zum treibenden Elemente in der
Führung jener Seelen, welche sich gemäß den
Entwickelungsbedingungen der neueren Zeit zu einer Erkenntnis
der höheren Welten durchringen wollen.
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