Rudolf Steiner über das
Hell-Dunkel
(von Assja Turgenieff)
Dornach 1947
.....Wenn das Seelische, das
Gefühlsmäßige angesprochen wird, wie z. B. bei
den Märchen, so verlangt es beim Illustrieren nach der
Farbe; Geist-Inhalte aber, bei denen es auf das Denken ankommt,
wie bei den Bildern der Apokalypse, für die ist das
Zeich-nerische, die Schwarz-Weiß-Kunst das Richtige
– sagte Rudolf Steiner um das Jahr 1917, in der Zeit, als
er sich mit den Problemen des Hell-Dunkel abgab.
Dieser Worte mußte ich
gedenken, als die Aufgabe an mich herantrat, die
apokalyptischen Siegel, wie sie uns aus dem Jahre 1907 in
Reproduktionen erhalten sind, wieder-zugeben.
Es walten eigene,
«geheime Naturgesetze» in der Farbenwelt, die Goethe
in seinen Farbstudien zu ergründen suchte. –
Ausgehend davon, – in einer Reihe von Vorträgen
über die schöpferische Welt der Farben, die er
in Dornach gehalten hat, eröffnete Rudolf Steiner Wege zu
einem neuen Erfassen, einem neuen Gestalten auf diesem Gebiete.
Es zeugen davon seine eigenen Entwürfe, vor allem die nur
in Photographien erhaltene Malerei der kleinen Kuppel des
ersten Goetheanums. Alle diese umfassenden, erst ab 1914 in
Dornach gegebenen Zukunftsimpulse sind denjenigen
Künstlern, welche die sieben apokalyptischen Siegel zu
verwirklichen hatten, 1907 unbekannt gewesen. So waren sie
darauf angewiesen, überwältigende Inhalte in eine aus
altem Können erworbene Form zu gießen. In den
photographischen Reproduktionen geht außerdem die
Farb-wirkung verloren. Befaßt man sich aber eingehender
mit diesen Motiven, so muß man immer mehr ihre
kompositionelle Größe bewundern, aus denen man
unverkennbar die Anweisungen Rudolf Steiners
herausfühlt.
Dieses kompositionelle
Element zu erhalten, wurde daher zur Aufgabe beim Erarbeiten
dieser Motive, wie sie gegenwärtig vorliegen. Soweit es in
dem gegebenen Format möglich war, ist der Versuch gemacht
worden, dem gerecht zu werden, was Rudolf Steiner als Ziel
einer Hell-Dunkel-Kunst gestellt hat: das Licht nicht nur in
seinen sinnlich-wahrnehmbaren Wirkungen, so wie es die
Gegenstände von außen beleuchtet, wiederzugeben,
sondern vor allem das durchscheinende, das von innen aus
kraftende Licht ergreifen zu suchen, – die
«intensive» Lichtwirkung – wie er sie nannte.
Ein Weg dazu ist seine Angabe, das Bild aus einer
Schräg-Schraffierung hervorzubringen, die Licht und
Schatten – besser gesagt Licht und Schwere –
losgelöst vom Gegenständlichen, als formgebende
Kräfte in ihrem ureigenen Element zu erfassen vermag; als
eine im eminentesten Sinne schöpferische Welt geheimer
Naturgesetze. Damit ist auch ein weiter Weg in eine
Zukunftsentwicklung der Kunst eröffnet. –
Es wurden hier die
plastischen Formen der sieben Säulen so, wie sie in ihrem
ersten Stadium im Jahre 1907 beim Münchener Kongreß
geformt waren, beibehalten. Ihnen sind die Worte, die Rudolf
Steiner auf einer mit der Feder gezeichneten Skizze für
das erste Goetheanum im Jahre 1912 geschrieben hat – noch
bevor er an ihr plastisches Er-arbeiten ging –,
hinzugefügt:
Das Es, An Es, In Es, Ich,
Vom Ich, Aus Mir, Ich Ins Es.
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