ÜBER DEN VERKEHR MIT DEN TOTEN
Düsseldorf, 27. April 1913
(Hörernotizen)
Das
Verhältnis des Lebens zum Tode wird häufig
mißverstanden. Man findet oft in theosophischen Schriften
die Bemerkung, daß das menschliche Seelenund Geisteswesen
vollständig verschwinden könne. Es wird zum Beispiel
gesagt, daß durch ein gewisses Quantum von Bösem, das
die Menschenseele auf sich lädt, diese Menschenseele im
Laufe der Evolution verschwinden könne. Insbesondere wird
oft betont, als ob Schwarzmagier, die viel Böses getrieben
haben, geradezu einmal in ihrem Dasein ausgelöscht
würden.
Diejenigen, die länger schon teilnehmen an unseren
Bestrebungen, die wissen, daß ich mich immer gewandt habe
gegen solche Behauptungen. Denn das müssen wir vor allen
Dingen voll festhalten, daß alles, was wir als Tod
bezeichnen hier in der physischen Welt, gar keine Bedeutung hat
für die übersinnliche Welt; schon nicht für die
Welt, die als die nächste übersinnliche Welt an die
unsere angrenzt. Ich möchte auch hier von einem gewissen
Gesichtspunkte her auf diese Tatsache aufmerksam machen.
Die
Wissenschaft, die sich hier in der physischen Welt mit den
physischen Dingen befaßt, kommt zu allerlei Gesetzen, zu
allerlei Daseinszusammenhängen innerhalb dieser physischen
Welt. Dasjenige, was man mit diesen Gesetzen an den Wesenheiten
und an den Erscheinungen, die uns umgeben, finden kann, ist
doch nichts anderes als die Gesetzmäßigkeit der
äußeren Sinneswirklichkeit. Wenn wir zum Beispiel
eine Blume mit den gewöhnlichen wissenschaftlichen
Hilfsmitteln untersuchen, so lernen wir die physischchemischen
Gesetze erkennen, die in der Pflanze tätig sind. Es bleibt
aber immer etwas übrig, was sich der Wissenschaft
entzieht, das ist das Leben selbst. Gewiß, in der letzten
Zeit haben sich auch einzelne besonders phantasievolle
Wissenschafter darauf verlegt, allerlei Hypothesen
aufzustellen, wie etwa das pflanzliche Leben begriffen werden
könnte aus den bloß leblosen Substanzen. Das alles
wird aber sehr bald wieder als ein Irrtum erkannt werden, denn
in der physischen Wissenschaft bleibt es nur ein Ideal, das
Leben zu erfassen. Man lernt immer mehr und mehr die chemischen
Gesetze und so weiter kennen, nicht aber das Leben selbst. So
ist für die physischen Erkenntniskräfte das Leben zu
erforschen zwar ein Ideal, aber mit diesen
Erkenntniskräften wird man das Leben nicht erforschen,
weil es etwas ist, was aus der überphysischen Welt
hereinströmt in die physische Welt und innerhalb dieser
Welt seine eigene Gesetzmäßigkeit nicht
enthüllen kann.
Geradeso nun, wie es sich mit dem Leben verhält für
die physische Welt, so verhält es sich mit dem Tode
für die übersinnliche Welt, nur dort mit Bezug auf
den Willen. Kein Willensakt, kein Willensimpuls kann in den
übersinnlichen Welten jemals zu demjenigen führen,
was wir hier in der physischen Welt als den Tod kennen. In
allen übersinnlichen Welten kann höchstens entstehen
die Sehnsucht nach dem Tode, nie aber kann der Tod in den
übersinnlichen Welten eintreten. Es gibt keinen Tod in der
überphysischen Welt. Besonders ergreifend ist das für
die Menschenseele, wenn man unmittelbar erfaßt: Ja, dann
können ja im Grunde genommen alle Wesenheiten der
höheren Hierarchien niemals den Tod kennen, wenn der Tod
etwas ist, was nur auf der Erde erfahren werden kann. Und so,
wie es mit Recht in der biblischen Urkunde heißt, daß
die Engel ihr Antlitz verhüllen vor den Geheimnissen der
physischen Geburt, so ist es auch richtig, zu sagen, daß
die Engel ihr Antlitz verhüllen vor den Geheimnissen des
Todes. Und die Wesenheit, die wir als den bedeutsamsten
Impulsator der Erdenentwickelung kennen, die
Christus-Wesenheit, die sollte als einzige Wesenheit in den
göttlichen Welten diejenige sein, die den Tod kennenlernt.
Alle anderen göttlich-geistigen Wesenheiten kennen den Tod
nicht, sie kennen ihn nur als eine Veränderung aus einer
Form in die andere. Dazu mußte der Christus auf die Erde
herabsteigen, um den Tod durchzumachen. So daß von allen
überphysischen Wesenheiten über den Menschen hinauf
der Christus das einzige Wesen ist, das mit dem Tode
Bekanntschaft gemacht hat in eigenem Erlebnis. Wie gesagt, wenn
man dieses Todeserlebnisproblem im Zusammenhang mit dem
Christus betrachtet, da wirkt es besonders
erschütternd.
Nun
ist es tatsächlich so, daß der Mensch selbst ja in
dieser übersinnlichen Welt, wo es keinen Tod gibt, lebt,
wenn er durch die Pforte des Todes durchgegangen ist. Er kann
hier durchgehen, aber er kann sich nicht auslöschen, denn
er wird dann aufgenommen in Welten, in denen es eine
Vernichtung nicht geben kann.
Das, was man als ähnlich mit dem Tode in der
überphysischen Welt betrachten kann, ist etwas ganz
anderes als der Tod. Es ist das, was man, wenn man menschliche
Worte anwenden will, bezeichnen muß mit dem Worte
Einsamkeit. Und nie kann der Tod die Austilgung von irgend
etwas sein, was in der überphysischen Welt eintritt, wohl
aber tritt Einsamkeit auf. — Die Einsamkeit in der
übersinnlichen Welt ist wie der Tod hier; sie ist keine
Vernichtung, aber sie ist schlimmer als die Einsamkeit hier. Es
ist ein Zurückblicken auf die eigene Wesenheit. Und was
das heißt, das merkt man erst, wenn es eintritt, dieses
Nichtswissen als nur von sich selbst.
Nehmen wir zum Beispiel ein Menschenwesen, welches hier auf der
Erde wenig entwickelt hat von dem, was man Sympathie für
andere Menschen nennen kann, welches im wesentlichen nur sich
selbst gelebt hat. Ein solches Wesen findet Schwierigkeiten,
wenn es durch die Pforte des Todes gegangen ist, vor allen
Dingen andere Menschenwesen kennenzulernen. Ein solches Wesen
kann in der überphysischen Welt mit anderen Wesen
zusammenleben, aber nichts von diesen anderen Wesen bemerken.
Es ist nur ausgefüllt von seinem eigenen Seeleninhalt; es
sieht nur, was es in sich selbst erlebt. Der Fall kann
eintreten, daß ein Mensch, der sich ferne gehalten hat aus
übertriebenem Egoismus von jeglicher Menschenliebe hier
auf Erden, daß der durch die Pforte des Todes geht und
dann nur zu leben hat nach dem Tode in der Erinnerung an sein
letztes Erdenleben; daß er keine neuen Erlebnisse haben
kann, weil er kein Wesen kennt, mit keinem Wesen zusammenkommt
und ganz auf sich angewiesen ist. Denn durch unsere Wesenheit
als Mensch bereiten wir uns in der Tat dazu vor, nach dem Tode
eine ganz besondere Welt für uns zu haben.
Hier auf der Erde kennen wir, da wir nicht von der Wissenschaft
belehrt werden — denn die kann uns ja nur belehren
über das, was der Mensch nicht mehr ist, da sie ja nur den
Leichnam kennt —, hier kennt sozusagen der Mensch sich
selbst eigentlich nicht. Das Gehirn denkt, aber es kann sich
nicht selbst denken. Einen Teil von uns sehen wir; etwas mehr
davon noch, wenn wir in den Spiegel schauen; aber das ist ja
nur die Außenseite. Der Mensch lebt hier nicht in sich, er
lebt mit der äußeren Welt, die auf seine Sinne wirkt.
Durch uns selbst, durch das, was wir hier erleben können,
bereiten wir uns vor, daß wir selbst in den Makrokosmos
uns ausbreiten, selbst zum Makrokosmos werden, zu dem werden,
was wir hier sehen. Hier sehen wir den Mond. Dann, im
nachtodlichen Leben breiten wir uns so aus, daß wir der
Mond sind, wie wir jetzt unser Hirn sind. Wir breiten uns aus
zum Saturn so, daß wir Saturn sind, wie wir jetzt unsere
Milz sind. Der Mensch wird Makrokosmos. Wenn die Seele den Leib
verlassen hat, breitet sie sich aus über das ganze
Planetensystem, so daß alle Menschen zugleich denselben
Raum erfüllen; sie stecken ineinander, aber sie wissen
nichts voneinander. Die geistigen Beziehungen erst machen es
aus, daß man voneinander weiß. Dazu bereiten wir uns
schon vor durch unser Leben hier auf Erden, daß wir uns
ausbreiten über die ganze Welt, die wir hier in ihrem
sinnlichen Abglanz sehen. Aber was ist dann unsere Welt?
Wie
jetzt unsere Welt bei Tage ist: Berge und Flüsse,
Bäume, Tiere, Mineralien, wie jetzt also diese Welt um uns
ist und wir in dieser Welt leben, so stecken wir dann in
unserer Welt drinnen, und diese Welt ist unser Organismus. Das
sind unsere einzelnen Organe. Und unsere Welt sind wir selbst.
Wir schauen uns von der Umwelt an. Das beginnt ja schon
unmittelbar nach dem Tode im Ätherleibe. Da haben wir das
Tableau unseres eigenen Lebens vor uns. Würde der Mensch
hier nicht Verhältnisse anknüpfen zu anderen
Wesenheiten, vor allen Dingen zu anderen Menschen, und, wie es
jetzt immer mehr und mehr durch die Geisteswissenschaft
geschehen soll, zu den Wesenheiten der höheren
Hierarchien, so würde das eintreten, daß er zwischen
Tod und neuer Geburt nichts zu tun hätte, als nur
fortwährend sich selbst anzuschauen. Und, ich sage es
nicht, um eine Trivialität zu sagen, sondern ich sage es,
weil die scheinbare Trivialität hier ein
Erschütterndes ist: das ist nicht gerade ein
begehrenswerter Anblick, durch viele Jahrhunderte nur sich
selbst zu betrachten. Denn eine Welt für uns sind wir dann
selbst. Das aber, was uns dieses unser Selbst zu einer weiteren
Welt erweitert, das sind die Verhältnisse, die wir hier
auf Erden angeknüpft haben. Dazu ist das Erdenleben da,
daß wir Beziehungen und Verhältnisse entwickeln, die
sich dann fortsetzen über den Tod hinaus. Denn alles das,
was uns in der geistigen Welt zu einem geselligen Wesen macht,
müssen wir hier anknüpfen. Als Qual erlebt der Mensch
in der geistigen Welt die Furcht vor der Einsamkeit. Und diese
Furcht kann uns in einem gewissen Sinne immer wiederum
befallen, denn wir machen zwischen dem Tod und einer neuen
Geburt gleichsam verschiedene Stadien durch, innerhalb welcher
wir, wenn wir auch für den vorhergehenden Zustand uns eine
gewisse Geselligkeit angeeignet haben, im nächsten Zustand
wieder in Einsamkeit verfallen können. Die nächste
Zeit nach dem Tode ist ja in der Tat so, daß wir
eigentlich nur mit denjenigen gute Beziehungen haben
können, die auf der Erde hier zurückgeblieben sind
oder die etwa in einer Zeit, die nicht ferne von unserer
Sterbezeit liegt, gestorben sind. Die allernächsten
Beziehungen wirken da über den Tod hinüber. Und in
bezug darauf kann ja gerade von denjenigen, die hier
zurückgeblieben sind, von den sogenannten Lebenden, vieles
gewirkt werden; denn der Zurückbleibende kann, weil
Beziehungen zwischen ihm und dem Toten bestehen, diesem Toten
Kunde geben von der physischen Welt aus, Kunde geben von seinen
eigenen Erkenntnissen über die geistige Welt. Das ist vor
allem möglich durch das Vorlesen für die Toten. Wir
können einem Toten den größten Dienst erweisen,
wenn wir uns hinsetzen, das Bild des Toten vor unserer Seele,
und ihm leise ein geisteswissenschaftliches Buch vorlesen, ihn
unterrichten. Man kann ihm auch seine eigenen Gedanken, die man
in sich aufgenommen hat, zutragen; immer sich das Bild des
Toten recht lebhaft vorstellend. Wir dürfen nicht geizen
mit dieser Sache; dadurch überbrücken wir den
Abgrund, der uns von unseren Toten trennt. Nicht nur in den
extremsten Fällen, sondern in jedem Fall können wir
den Toten Gutes tun. Das ist ein tröstliches Gefühl,
das den Schmerz lindern kann über das Ableben eines
Menschen, den man liebt.
Nun, meine lieben Freunde, je mehr wir in die
übersinnliche Welt kommen, desto mehr hören die
Einzelheiten auf. In der astralischen Welt finden wir noch
einzelne Beziehungen; aber je höher wir kommen, finden
wir, daß dasjenige, was zwischen den einzelnen Wesenheiten
ist, aufhört. Da sind alles Wesenheiten; die Beziehungen
dazwischen sind die seelischen Beziehungen, und wir müssen
auch diese Beziehungen haben, wenn wir nicht einsam sein
sollen. Das aber ist die Mission der Erde, daß der Mensch
hier die Beziehungen knüpfen kann, sonst bleibt er einsam
in der geistigen Welt. Für die nächste Zeit nach dem
Tode sind es verwandtschaftliche, freundschaftliche
Beziehungen, die wir hier angeknüpft haben im
Zusammenleben mit anderen Menschen, die sich fortsetzen
über den Tod hinaus und die unsere Welt ausmachen. Man
kann zum Beispiel, wenn man mit Seherblicken erforscht die
Welt, in der die Toten weilen, einen solchen Toten zusammen
finden mit denen, die er hier auf Erden verfolgen kann. Bei
vielen Menschen der Gegenwart sieht man dann, wie sie mit den
unmittelbar Gestorbenen, den zehn Jahre vorher oder nachher
Gestorbenen leben. Man sieht dann, wie viele zusammenleben mit
einer Anzahl von Ahnen, mit denen sie blutsverwandt waren. Das
ist ein Anblick, der sich dem Seher oft darbietet. Seit
Jahrhunderten verstorbene Ahnen, an die schließt der
Verstorbene sich an. Das ist aber nur eine gewisse Zeit
hindurch. Nachher würde sich der Mensch aber wieder
ungeheuer einsam fühlen, wenn nicht andere Beziehungen
walteten, die zwar ferner sind, die aber trotzdem den Menschen
vorbereiten, in der geistigen Welt ein geselliges Wesen zu
sein. Innerhalb unserer Bewegung haben wir ja in dieser
Beziehung einen Grundsatz, der aus einer kosmischen Aufgabe
entspringt: die Beziehungen der Menschen untereinander
möglichst mannigfaltig zu gestalten. Daher treiben wir
Anthroposophie nicht nur so, daß der einzelne
Vorträge hält. Wir versuchen in der Gesellschaft die
Menschen so zusammenzufassen, daß sich auch
persönliche Beziehungen bilden, und diese Beziehungen sind
auch gültig für die übersinnliche Welt. So
daß der Mensch dadurch, daß er hier
gesellschaftsmäßig einer gewissen Strömung
angehört, Zusammenhänge für drüben schafft.
Aber es kommt eine Zeit, wo viel allgemeinere Beziehungen
notwendig sind. Es kommt eine Zeit, wo sich die Seelen einsam
fühlen, welche ohne moralische Seelenverfassung, ohne
moralische Begriffe durch die Pforte des Todes gegangen sind,
welche hier im physischen Dasein die moralische
Seelenverfassung verleugnet haben. Menschen mit moralischer
Seelenverfassung sind ja tatsächlich hier auf unserer Erde
einfach dadurch, daß sie moralische Menschen sind, mehr
wert als unmoralische Menschen. Für die ganze
Erdenmenschheit ist ein moralischer Mensch mehr wert als ein
unmoralischer Mensch, wie eine gesunde Magenzelle zum Beispiel
mehr wert ist für den ganzen Menschen als eine kranke. Man
kann nicht im einzelnen genau ausführen, worin der Wert
eines moralischen Menschen besteht für die ganze
Menschheit, worin der Schaden besteht eines unmoralischen
Menschen, aber Sie werden mich verstehen. Der Mensch ohne
moralische Seelenverfassung ist ein krankes Glied der
Menschheit. Das bedeutet aber, daß er durch diese
unmoralische Seelenverfassung sich für die anderen
Menschen immer fremder macht. Moralisch sein heißt
zugleich anerkennen, daß man zu allen Menschen Beziehungen
hat. Daher ist für alle moralischen Menschen die
allgemeine Menschenliebe etwas Selbstverständliches.
Unmoralische Menschen kommen in einer gewissen Zeit nach dem
Tode dahin, daß sie sich einsam fühlen infolge ihres
Unmoralischseins. So daß es eine Phase gibt, wo uns von
den Qualen der Einsamkeit nur enthebt unsere moralische
Seelenverfassung.
Und
so finden wir, wenn wir die Menschen nach dem Tode im
Makrokosmos ausgebreitet verfolgen, daß es in der Tat die
unmoralischen Menschen trifft, die sich einsam fühlen,
daß die moralischen Menschen aber Anschluß finden an
andere Menschen, die mit ihnen in einer gewissen Weise
moralische Vorstellungen haben. Wie hier auf Erden die Menschen
sich nach Nationen oder nach anderen Gruppen zusammenfinden, so
finden wir unter den Menschen, die zwischen dem Tod und einer
neuen Geburt leben, wenn wir sie mit Seherblick verfolgen,
daß sie sich dort auch gliedern, aber daß sie geteilt
sind nach gemeinsamen moralischen Begriffen und Empfindungen.
Menschen mit den gleichen moralischen Empfindungen finden sich
zu Gruppen zusammen und leben dann gesellig zwischen dem Tod
und einer neuen Geburt.
Dann kommt eine Phase der Entwickelung, in der sich ein jeder
einsam fühlt, selbst wenn er moralische Begriffe und
Empfindungen hat, wenn ihm religiöse Vorstellungen fehlen.
Religiöse Vorstellungen sind die Vorbereitung für die
Geselligkeit in der übersinnlichen Welt in einer
bestimmten Phase des Lebens zwischen dem Tod und einer neuen
Geburt. Und da finden wir wiederum, daß die Menschen, die
sich herausgliedern aus den religiösen Zusammenhängen
und Empfindungen, zur Einsamkeit sich verdammt finden. Wir
finden die Menschen mit gleichen religiösen Bekenntnissen
in Gruppen zusammen. Dann aber kommt eine Zeit, in welcher das
wiederum nicht genügt, in einer Religionsgemeinschaft
gelebt zu haben, es kommt eine Zeit, in der man sich doch
wieder einsam fühlen kann. Das ist eine Zeit, in der
überhaupt zwischen Tod und neuer Geburt Wichtiges vorgeht.
Es ist die Zeit, wo wir entweder uns einsam fühlen, trotz
Gemeinschaft im Religiösen mit religiös
Gleichgesinnten, oder wo wir Verständnis gewinnen für
jede Menschenseele in ihrer Äußerung. Zu dieser
Gemeinschaft können wir uns nur vorbereiten, indem wir uns
Verständnis aneignen für alle religiösen
Bekenntnisse. Früher, vor dem Mysterium von Golgatha, war
das nicht nötig, weil da die Erlebnisse der geistigen Welt
andere waren. Es ist aber jetzt nötig geworden.
Vorbereitend dafür ist das richtige Verstehen des
Christentums. Denn das, was das Wesen des Christentums
ausmacht, das ist ja nicht anzutreffen in anderen
religiösen Bekenntnissen. Es ist nicht richtig, das
Christentum hinzustellen neben andere religiöse
Bekenntnisse. Gewiß, einzelne christliche Bekenntnisse
stehen vielleicht engherziger da. Aber das richtig verstandene
Christentum hat schon den Impuls in sich zum Verständnis
einer jeden religiösen Richtung. Denn wie hat der
Abendländer das Christentum aufgenommen? Nehmen Sie den
Hinduismus. Dazu kann sich nur die Hindu-Rasse bekennen.
Würden wir hier in Europa eine Rassenreligion entwickelt
haben, so hätten wir heute noch den Wotandienst; das
wäre die abendländische Rassenreligion. Das Abendland
hat ein Bekenntnis angenommen, das nicht aus seiner eigenen
Volkssubstanz hervorgeht, sondern das gekommen ist aus dem
Orient. Etwas wurde angenommen, was nur durch seinen geistigen
Inhalt wirken konnte. Denn keine Rassenoder Volksreligion
konnte den Christus-Impuls aufsaugen. Das Volk, das den
Christus zwischen sich sah, hat sich nicht dazu bekannt. Das
ist das Eigentümliche im Christentum: Der Keim liegt in
ihm, Universalreligion zu sein. Man braucht nicht intolerant zu
sein gegen andere Religionen, und man kann doch sagen: Die
christliche Mission besteht nicht darin, Dogmen beizubringen
den Leuten. Natürlich lacht der Buddhist über ein
Bekenntnis, das nicht einmal die Reinkarnationslehre hat. Er
sieht ein solches Bekenntnis als nichts Rechtes an. Aber das
recht verstandene Christentum setzt voraus, daß jeder
Mensch ein Christ ist in seinem inneren Wesen. Wenn Sie zu
einem Hindu gehen und sagen: Du bist ein Hindu und ich bin ein
Christ — so hat man das Christentum nicht verstanden.
Erst wenn man von dem Hindu sagen kann: In seinem innersten
Wesen ist dieser Hindu ein so guter Christ wie ich selbst; er
hat nur keine andere Gelegenheit gehabt zunächst, als sich
mit einem vorbereitenden Bekenntnis bekanntzumachen, daraus ist
er noch nicht herausgekommen; ich muß ihm klarmachen, wo
seine Religion mit der meinigen zusammenstimmt —, dann
hat man das Christentum verstanden. Das beste wäre, die
Christen lehrten den Hindu Hinduismus und versuchten dann, den
Hinduismus weiterzubringen, damit der Hindu den Anschluß
fände an die allgemeine Evolution. Dann erst verstehen wir
das Christentum, wenn wir jeden Menschen für einen
Christen halten im innersten Herzen; dann ist das Christentum
erst die Religion, die hinübergeht über alle Rassen,
alle Farben, alle Stände. Das ist das Christentum.
Heute treten wir in ein neues Zeitalter ein. Die Art, wie das
Christentum durch die verflossenen Jahrhunderte gewirkt hat,
wirkt nicht mehr. Und das neue Verständnis des
Christentums, das wir brauchen, das ist erst noch zu leisten
durch die anthroposophische Weltanschauung. Die
anthroposophische Weltanschauung ist in dieser Beziehung ein
Instrument für das Christentum. Unter den Religionen, die
auf Erden erschienen sind, ist das Christentum die letzte
Erscheinung. Keine neuen Religionen kann man mehr
begründen. Auch diese Begründungen haben ihre Zeit
gehabt. Sie folgten aufeinander und trieben als letzte
Blüte das Christentum hervor. Heute aber ist die Mission
die, das Christentum in seinen Impulsen immer mehr
auszugestalten. Deshalb versuchen wir, bewußter, als es
bisher geschehen ist, durch unsere geisteswissenschaftliche
Bewegung auf alle Religionen der Erde liebevoll einzugehen.
Denn so bereiten wir uns auch vor für den Zeitabschnitt
zwischen Tod und neuer Geburt, wo wir uns einsam fühlen,
weil wir nicht wahrnehmen können Seelen, die da sind, zu
denen wir aber keinen Zugang haben. Wenn wir hier den
Hinduismus verkennen, spüren wir drüben den Hindu
nur, wir spüren sein Dasein, aber wir finden keinen Zugang
zu ihm.
Sehen Sie, dieser Zeitpunkt ist zugleich der, in dem wir
unseren astralischen Leib so weit ausgedehnt haben, daß
wir zwischen Tod und neuer Geburt Sonnenbewohner geworden sind.
Wir betreten da die Sonne. Denn in der Tat, wir erweitern uns
in den ganzen Makrokosmos hinaus, und wir sind dann so weit,
daß wir das Sonnenwesen berühren in der Zeit, wo wir
allgemeine Menschenliebe brauchen. Und dieses Begegnen mit der
Sonne zeigt sich in folgendem: Erstens zeigt es sich darin,
daß wir die Möglichkeit verlieren, allen Menschen
Verständnis entgegenzubringen, wenn wir nicht
Zusammenhänge gewonnen haben mit dem Impuls: «Wo
immer zwei in meinem Namen vereinigt sind, da bin ich mitten
unter ihnen.» Christus hat nicht gemeint: Wo immer zwei
Hindus oder ein Hindu und ein Christ zusammen sind, da bin ich
mitten unter ihnen, sondern: Wo immer zwei zusammen sind, die
ein wahres Verständnis haben für meine Impulse, da
bin ich mitten unter ihnen. — Dieses Wesen war bis zu
einem gewissen Zeitpunkt auf der Sonne. Da war gleichsam sein
Thron. Dann hat es sich vereinigt mit der Erde. Darum
müssen wir den Christus-Impuls hier auf der Erde erleben,
dann bringen wir ihn auch mit hinauf in die geistige Welt. Denn
wenn wir auf der Sonne ankommen ohne den Christus-Impuls, so
ist für uns nichts da als eine unverständliche
Eintragung in die Akasha-Chronik. Seitdem der Christus sich
vereinigt hat mit der Erde, muß man auf Erden
Verständnis gewinnen für den Christus. Man muß
das Christus-Verständnis mitbringen, sonst kann man
drüben den Christus nicht finden. Wenn wir uns gegen die
Sonne zu entwickeln, dann verstehen wir, wenn wir hier ein
Verständnis für den Christus gewonnen haben,
dasjenige, was in die Akasha-Chronik eingetragen ist. Denn das
hat er auf der Sonne zurückgelassen. Das ist das
Bedeutsame, daß das Verständnis für den Christus
hier auf der Erde angeregt werden muß, dann kann man es
auch in den höheren Welten behalten. Manche Dinge werden
einem erst klar, wenn man gewisse Zusammenhänge ins Auge
fassen kann.
Es
gibt theosophische Strömungen, die nicht einsehen
können, daß der Christus-Impuls wie ein Schwerpunkt
in der Mitte der Erdenentwickelung liegt, von dem ab es immer
höher geht. Wenn daher Menschen kommen, die sagen, der
Christus könne mehrmals auf Erden erscheinen, so ist es,
als wenn man sagte: Ein Waagebalken muß an zwei Punkten
aufgehängt werden. Mit einer solchen Waage kann man doch
nicht wägen. So unsinnig, wie das in der physischen Welt
wäre, so unsinnig ist die Behauptung gewisser Okkultisten
von den wiederholten Erdenleben des Christus. Nur dadurch zeigt
man, daß man ein Verständnis für den
ChristusImpuls gewonnen hat, wenn man in der Lage ist zu
verstehen, daß der Christus der einzige Gott ist, der
durch den Tod gegangen ist und der deshalb auf die Erde
herunterkommen mußte.
Derjenige, der sich hier ein Christus-Verständnis
angeeignet hat, dem steht drüben ein Thron nicht leer auf
der Sonne. Dann kann er auch eine andere Begegnung, die jetzt
eintritt in dieser Zeit, erkennen: dann tritt an den Menschen
auch Luzifer heran, und zwar jetzt nicht als Versucher, sondern
als eine berechtigte Macht, die an seiner Seite sein muß,
wenn er sein weiteres Fortkommen finden soll in der geistigen
Welt. Die gleichen Eigenschaften sind nur an einem unrechten
Ort verderblich. Luzifer spinnt hier in der physischen Welt ein
Verhältnis an, das verderblich ist. Aber nach dem Tode,
von der Sonne an, muß Luzifer dem Menschen beistehen. Der
Mensch muß dem Luzifer begegnen. Zwischen Luzifer und
Christus muß er den weiteren Weg machen. Christus bewahrt
sein Seelisches, erhält sein Seelisches mit all dem, was
das Seelische schon erworben hat in den vorhergehenden
Inkarnationen. Die Aufgabe der luziferischen Kraft ist, den
Menschen zu unterstützen, daß er in der berechtigten
Weise auch die Kräfte der anderen Wesenheiten der
Hierarchien für seine neue Inkarnation verwerten lernt.
Ganz gleich, wann dieser Zeitpunkt erreicht worden ist, von dem
gesprochen worden ist: es tritt einmal die Notwendigkeit an den
Menschen heran, zuerst zu fixieren, an welchem Punkt der Erde
seine nächste Inkarnation zu erfolgen hat und in welchem
Lande. Das muß schon geschehen in der Mitte der Zeit
zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Das ist sogar das
erste, was zu geschehen hat, daß weit voraus bestimmt wird
Ort und Land, in welchem die Menschenseele
wiederverkörpert wird.
Dazu bereitet sich der Mensch vor dadurch, daß er schon
hier Beziehungen zu höheren Welten anknüpft. Aber er
muß von Luzifer unterstützt werden. Nun nimmt er von
einer gewissen Art von Wesenheiten der höheren Hierarchien
die Kräfte, die ihn hindirigieren an den bestimmten Ort
und zu dem bestimmten Zeitpunkte.
Sehen Sie, wenn wir ein hervorragendes Beispiel wählen
wollen: Als Luther erscheinen mußte, mußte sein
Erscheinen im achten, neunten Jahrhundert vorbereitet werden.
Da mußten schon die Kräfte hindirigiert werden in das
Volk hinein, wo er wirken mußte. Dazu muß Luzifer
mitwirken, daß Zeit und Ort unserer Wiedergeburt bestimmt
werden können. Dadurch, daß der Mensch den Christus
in seiner Seele trägt, bewahrt er dasjenige, was er sich
erarbeitet hat. Dazu aber ist der Mensch noch nicht reif, zu
wissen, wo sein Karma am besten ausgewirkt werden kann: dazu
muß ihm Luzifer helfen.
Dann vergeht wiederum einige Zeit. Und das nächste ist,
daß über die Frage zu entscheiden ist — und das
ist eine erschütternde Tätigkeit, man kann ja nicht
anders, als diese Dinge mit gewöhnlichen Worten zu
charakterisieren —, es muß die Frage entschieden
werden: Wie muß denn eigentlich das Elternpaar beschaffen
sein in seinen eigenen Charaktereigenschaften, welches
tatsächlich den Menschen, der nun an einen bestimmten Ort
zu einer bestimmten Zeit zur Erde gebracht werden soll,
hervorbringen muß? Das muß alles schon lange vorher
bestimmt werden. Daraus aber folgt ein anderes: daß jetzt
von höheren Hierarchien, und nun wiederum mit
Unterstützung von Luzifer, lange, lange bevor der
betreffende Mensch geboren ist, schon die Vorbereitungen
gemacht werden durch die ganzen Generationen herunter. Es
mußte für Luther schon im zehnten, elften Jahrhundert
bestimmt werden, welche Ahnen es sein mußten, in deren
Nachkommenschaft er geboren werde, damit das rechte Elternpaar
Luthers da sein könne. Die physische Wissenschaft glaubt,
daß der Mensch die Eigenschaften seiner Ahnen annimmt. In
Wirklichkeit wirkt der Mensch aus der übersinnlichen Welt
auf die Eigenschaften seiner Ahnen. Wir sind in gewisser Weise
schuld daran, wie unser Urururgroßvater war.
Natürlich nicht alle Eigenschaften kann der Mensch
bewirken; aber es müssen doch unter anderen auch die
Eigenschaften da sein, die wir dann brauchen. Was man ererbt
von seinen Vätern hat, das hat man zuerst in seine
Väter hineinströmen lassen.
Zuerst wird also festgelegt Ort und Zeit der Geburt. Dann wird
die Ahnenschaft ausgewählt. Im Grunde ist das, was man
Kindesliebe nennt, nichts anderes als das Hervortreten dessen,
daß man sich verbindet mit dem, was man seit Jahrhunderten
herangebildet hat aus der übersinnlichen Welt. Und das,
was als Empfängnis auftritt, ist, daß der Mensch dann
die Kräfte empfängt, die an seinem eigenen Leibe
mitarbeiten, namentlich am Kopf und an der allgemeinen
Leibesform. Daher müssen wir uns vorstellen, daß von
da an am meisten an uns gearbeitet wird in der tieferen
Struktur des Kopfes, weniger an Händen und
Füßen, auch weniger am Rumpfe, aber am Kopfe gegen
den Rumpf zu. Das ziselieren wir aus. Dann setzen wir die
Arbeit fort nach der Geburt. Aber wir gliedern erst alles in
den Astralleib ein. Wir bereiten die Kopfform astralisch vor.
Das geht sogar so weit, daß wir sagen können:
zuallerletzt wird in das astralische Vorbild, das sich dann
verbindet mit der Leibesform, das geformt, was dann die
Schädelform gibt. Die Schädelform ist für jeden
Menschen individuell. Das wird zuletzt ausziseliert, was die
Gehirnform ist. Und das, was uns dann auf Erden durch die
Vererbung gegeben wird, ist im Grunde genommen das, was in der
Lage ist, durch seine Substanz sich zusammenzufinden mit dem,
was wir aus der übersinnlichen Welt heraus mitbringen.
— Denken Sie sich das, was aus der übersinnlichen
Welt kommt, sei eine Schale; das Wasser, das sie ausfüllt,
wird durch die Vererbungssubstanz gegeben. Durch die reine
Vererbung allein wird nur das gegeben, was sozusagen die
Eigentümlichkeit ist unseres mehr vom Nervenund Blutsystem
unabhängigen Körpersystems. Ob wir große, starke
oder ob wir schwache, feine Knochen haben, das hängt
weniger ab von den Kräften, die wir bekommen durch die
vorbereitenden Mächte, als von der Vererbung. Die
Individualität, die in dieser Zeit an diesem Ort geboren
werden soll zur Auswirkung ihres Karma, sie wird geboren durch
Menschen mit starken Knochen oder Menschen mit blondem Haar und
so weiter; das wird durch die Vererbungslinie ermöglicht.
— Wenn die physischen Vererbungstheorien richtig
wären, so würden Menschen herauskommen mit
verkümmertem Nervensystem und nur den Anlagen zu den
Händen und Füßen.
Der
seherische Blick erst führt ja zu den Dingen, die wirklich
bedeutungsvoll sind. So kann ich Ihnen den folgenden Fall
erzählen: Es begegnete mir ein Mensch mit einem
Wasserkopf. Er unterschied sich sehr wesentlich von der ganzen
übrigen Familie. Warum hatte er einen Wasserkopf? Weil das
Konzil der höheren Wesen mit Luzifer etwa so lautete: Ja,
der Mensch muß dort geboren werden; das ist das beste
Elternpaar. Aber er kann nicht in der richtigen Weise auf die
Ahnenschaft wirken, so, daß er herstellen kann das, was
ihm die richtige Substanz geben kann, damit der Kopf richtig
verhärtet wird. Er muß erst während des Lebens
das Gehirn an die Struktur anpassen. Es konnte von diesem
Menschen nicht die Möglichkeit gefunden werden, die
Ahnenschaft so vorzubereiten, daß der Kopf entsprechend
verhärtet wurde.
Das
alles sind sehr wichtige Sachen, und wir sehen daran gleichsam
die Technik, wie wir uns hereinarbeiten in die Welt. Wenn das
einmal richtig angeschaut wird von der Wissenschaft, so wird
man spüren das Hereinwirken der höheren Welt.
Wenn wir mit Luzifer und Christus weiterschreiten, so
kommen wir in das richtige Verhältnis zur
Fortentwickelung.
Zuerst sind also im nachtodlichen Leben zu überwinden die
Gefahren der Vereinsamung durch die Verbindungen mit anderen
Menschen, durch moralische Verbindungen, durch religiöse
Verbindungen. Dann arbeitet man an dem neuen Menschen, der sich
dann verkörpern soll. Jetzt hat man eine Aufgabe, wenn man
statt der Welt um sich, sich selber vor sich hat.
Wenn so der Mensch die Stadien durchlebt, in denen er ein
geselliger Mensch sein konnte, sich aber in Einsamkeiten
hineinlebte, dann entsteht in ihm so etwas wie die Sehnsucht
nach dem Tode. Diese Sehnsucht nach dem Tode, was ist sie? Sie
ist die Sehnsucht nach dem Unbewußtsein. Aber man wird
nicht unbewußt, man wird nur einsam. Wir haben es in den
höheren Welten nicht mehr mit Substanzfragen zu tun,
sondern mit Bewußtseinsfragen. Einsamkeit bedeutet daher:
Sehnsucht haben nach einem vorübergehenden Auslöschen
des Bewußtseins. Das gibt es für die Seelen, die
keine Beziehung haben zu anderen Seelen. Aber Tod gibt es
drüben nicht.
Wie
der Mensch hier lebt, rhythmisch, zwischen Wachen und Schlafen,
so lebt er in der anderen Welt sich in sich selbst
zurückziehend und in Geselligkeit mit anderen Seelen;
zwischen Geselligkeit und Einsamkeit rhythmisch wechselnd, so
ist das Leben in der höheren Welt. Und wie wir in der
höheren Welt leben, das hängt ab davon, wie wir uns
hier vorbereitet haben, so wie ich es vorhin ausgeführt
habe.
Auf
die Frage, ob man auch bei der Geburt oder früh
verstorbenen Kindern vorlesen könne, antwortete Rudolf
Steiner:
Ein
Kind ist man nur hier auf der Erde. Manchmal stellt sich dem
seherischen Blick dar, daß ein Mensch, der als kleines
Kind gestorben ist, eine Individualität ist, die weniger
Kind ist in der geistigen Welt als mancher, der mit achtzig
Jahren gestorben ist. Man kann daher nicht denselben
Maßstab anlegen.
Ich
habe schon einmal geschildert, wie das Bild okkult zu verstehen
ist, das gewöhnlich den Namen führt «Die Schule
von Athen». Ich machte in der letzten Zeit Bekanntschaft
mit einem jungverstorbenen Menschenwesen. Das konnte mich
aufmerksam machen im Verkehr mit ihm gerade auf das, was in den
Gedanken von Raffael erhalten geblieben ist von diesem
Bilde. Und da schildert dieses Menschenwesen, wie in der Tat
bei der Gruppe vorne links auf dem Bilde etwas übermalt
ist. Was da übermalt ist, ist die Stelle, wo etwas
aufgeschrieben wird. Da steht jetzt ein pythagoreischer Satz.
Ursprünglich stand da eine Evangelienstelle! — Sie
sehen also, daß ein solches «Kind» ein sehr
entwickeltes Menschenwesen sein kann, das einen führt auf
die Dinge, die man nur sehr schwer finden kann.
So
möchte ich sagen, man kann das Vorlesen auch in bezug auf
jungverstorbene Kinder ausüben.
|