WELCHEN SINN
HAT DIE ARBEIT
DES MODERNEN
PROLETARIERS?
Konzept für den
öffentlichen Vortrag vom 8. März 1919 in
Zürich
1. Als dieser Vortrag
angekündigt wurde, wird mancher gefragt haben: woher kommt
dieser, der da reden will? Und aus der Antwort, die aus
verschiedenen Gesichtspunkten darauf gegeben wurde, könnte
die Meinung entstanden sein: von dieser Seite hat man
genug gehört.
2.
Ich werde nicht von
Verständigung reden. Denn ich bin mit denen einverstanden,
die nichts von dem halten, was von vielen Seiten jetzt um der
Verständigung willen geredet wird.
3.
Durch mehr als ein
halbes Jahrhundert konnten die bisher herrschenden
Menschenklassen sehen, wie sich eine Bewegung gestaltete, die
in sich Menschen vereinigte, welche ihnen zuriefen: ihr habt im
Laufe der neueren Zeit die Führung gehabt, was da ist als
soziale Ordnung: ihr habt es gemacht. Doch wir sagen euch: so
geht es nicht weiter. Doch die so gerufen haben: sie haben
wenig Verständnis gefunden. Und jetzt: der sogenannte
Weltkrieg. Er hat diese Bewegung in einem neuen Lichte gezeigt.
Er hat aber auch das Unvermögen gezeigt, mit den Gedanken,
welche sich die herrschenden Klassen über die Gesellschaft
gebildet haben, weiter zu wirtschaften. Die soziale Bewegung
während dieser Katastrophe.
4.
Es sind Bewegungen
innerhalb dieser führenden Klassen entstanden. Unter den
verschiedensten Namen. Doch ihnen allen konnten
diejenigen, welche durch ihre soziale Lage selbst zur
Entwickelung einer sozialen Bewegung gekommen waren, kein
Vertrauen entgegenbringen. Sie mußten ihnen sagen: ihr
denkt aus eurer Klasse heraus. Was gedacht werden muß zur
Gesundung der Zustände, kann nicht von denen
gefunden werden, welche an der Gestaltung dieser
Zustände mitgewirkt haben. Nur diejenigen können eine
Vorstellung von dem haben, was zu geschehen hat, die nicht von
euren Vorurteilen angesteckt sind, die belehrt sind durch
dasjenige, was ihnen ihre soziale Lage lehren
kann.
5.
Wie sich die
Verhältnisse gebildet haben. Der moderne Proletarier hat
sich eine Wissenschaft ausgebildet. Die leitenden Kreise haben
sich nur langsam zu manchem bequemt.
6.
Die Frage nach der
Bedeutung der menschlichen Arbeitskraft steht hinter allem. Sie
steckt so dahinter, daß sie eine Frage der
Menschenwürde ist. Die Arbeitskraft als
Ware.
7.
Allein da muß die
Sache in der richtigen Weise angesehen werden. Es muß
gesehen werden, daß die Arbeitskraft niemals eine Ware
sein kann. Und weil man sie dazu gemacht hat, steckt man in
einerLebenslüge. — Der Arbeiter sieht sich dem
Kapitalbetrieb gegenüber und einem Wirtschaftsleben, das
seine Arbeitskraft zur Ware macht.
8.
Es ist, um diese
Lebenslüge aufrecht zu erhalten, oft davon
gesprochen worden: Thron und Altar müssen die
soziale Ordnung erhalten. Aber wird dem, was bedrückt,
abgeholfen, wenn an die Stelle tritt: Maschine und
Kontor?
9.
Wird ein Gedeihliches
kommen, wenn dem modernen Staate als Rahmen ein anderes
Wirtschaftssystem eingefügt wird?
9a. Alles Vertrauen
wird der Organisierung des Wirtschaftslebens
entgegengebracht. Man frägt nur: wie soll
dieses sozialisiert werden?
10.
Es kann nur helfen:
die Gliederung des sozialen Organismus. Nicht die
Verschmelzung. Eingesehen muß werden: die Tatsache,
daß Geistesleben nur gedeihen kann, wenn es befreit
ist. Rechtsleben, wenn es nicht von den Interessen des
Wirtschaftskreislaufes bestimmt wird. Wirtschaftsleben nur,
wenn es nicht Gewalt entwickeln kann, weil es auf sich selbst
angewiesen ist.
11.
Das Kapital kann nur
in einem freien Geistesleben wirken. Denn es ist nicht durch
das Wirtschafts- oder das Rechtsleben zu dem geworden, was es
ist, sondern durch die individuellen Fähigkeiten der
Menschen. Die Arbeitskraft kann nur von dem Rechtsstaate aus
geregelt werden, denn sie wird zur Beute der Gewalt, wenn nur
das Wirtschaftsleben sie regelt.
12.
Es kommt darauf an zu
verstehen: umzudenken ist notwendig. —