Gerade so wie in der Geologie irrt man in der Meteorologie, wenn man
auf das tatsächlich von Goethe Errungene eingeht und darinnen die
Hauptsache sucht (siehe [«Versuch einer Witterungslehre», Abschnitt
«Selbstprüfung»] Natw. Schr.., 2. Bd.., S. 397f..). Seine
meteorologischen Versuche sind ja nirgends vollendet. Überall ist nur
auf die Absicht zu sehen. Sein Denken war immer darauf gerichtet, den
prägnanten97
Punkt zu finden, von dem aus
sich eine Reihe von Erscheinungen von innen heraus regelt. Alle
Erklärung, die von da und dort Äußerungen, Zufälliges
herbeizieht, um eine regelmäßige Reihe von Phänomenen zu
verbinden, war seinem Sinne nicht gemäß. Er suchte, wenn ihm ein
Phänomen aufstieß, alles mit ihm Verwandte, alle Tatsachen, die
in denselben Kreis gehörten; so daß ihm ein Ganzes, eine
Totalität vorlag. Innerhalb dieses Kreises mußte sich dann ein
Prinzip finden, das alle Regelmäßigkeit, ja den ganzen Kreis der
verwandten Erscheinungen als eine Notwendigkeit erscheinen ließ.
Nicht naturgemäß erschien es ihm, die Erscheinungen dieses
Kreises durch Herbeiziehung von außerhalb desselben
liegenden Verhältnissen zu erklären. Hierinnen haben wir den Schlüssel
zu dem Prinzipe, das er in der Meteorologie aufstellte, zu suchen.
«Die völlige Unzulänglichkeit, so konstante Phänomene den Planeten, dem Monde, einer unbekannten Ebbe und Flut des Luftkreises zuzuschreiben, ließ sich Tag für Tag mehr empfinden..»98
«Alle dergleichen Einwirkungen aber lehnen wir ab; die Witterungserscheinungen auf der Erde halten wir weder für kosmisch noch planetarisch, sondern wir müssen sie nach unseren Prämissen für rein tellurisch erklären..»*99
Er wollte die
Erscheinungen der Atmosphäre auf ihre in dem Wesen der Erde selbst
liegenden Ursachen zurückführen. Es handelte sich zunächst darum, den
Punkt zu finden, wo sich die alles übrige bedingende
Grundgesetzlichkeit unmittelbar ausspricht. Ein solches Phänomen
lieferte der Barometerstand. Den sah denn auch Goethe als das
Urphänomen an und suchte alles übrige an ihn anzuschließen. Das
Steigen und Sinken des Barometers suchte er zu verfolgen und darinnen
glaubte er auch eine Regelmäßigkeit wahrzunehmen. Er studierte
die Schrönsche Tabelle und fand,
«daß gedachtes Steigen und Fallen an verschiedenen, näher und ferner, nicht weniger in unterschiedenen Längen, Breiten und Höhen gelegenen Beobachtungsorten einen fast parallelen Gang habe».100
Da ihm
dieses Steigen und Fallen unmittelbar als Schwereerscheinung erschien,
so glaubte er in den Veränderungen des Barometers einen unmittelbaren
Ausdruck für die Qualität der Schwerkraft selbst zu erkennen. Man
muß in diese Goethesche Erklärung nur nichts weiter hineinlegen.
Goethe lehnte ja alles Aufstellen von Hypothesen ab. Er wollte nicht
mehr als einen Ausdruck für eine zu beobachtende Erscheinung
liefern, nicht eine eigentliche, faktische Ursache, im Sinne der
heutigen Naturwissenschaft. An diese Erscheinung sollten die
übrigen atmosphärischen Erscheinungen naturgemäß sich anreihen.
Am meisten interessierte den Dichter die Wolkenbildung. Für diese
hatte er in der Lehre Howards ein Mittel gefunden, die fortwährend
schwankenden Gebilde in gewissen Grundzuständen festzuhalten und so,
«was in schwankender Erscheinung lebt», mit «dauernden Gedanken zu
befestigen». Er suchte nur noch ein Mittel, das der Umbildung der
Wolkenformen zu Hilfe kam, sowie er in jener «geistigen Leiter» ein
Mittel fand, die Umbildung der typischen Blattgestalt an der Pflanze
zu erklären. Sowie ihm dort jene geistige Leiter, so ist ihm in der
Meteorologie ein verschiedenes «Geeigenschaftetsein» der Atmosphäre in
verschiedenen Höhen der Faden, an dem er die einzelnen Gebilde
befestigt. Da wie dort muß man festhalten, daß es Goethe
nie einfallen konnte, einen solchen Faden für ein wirkliches Gebilde
anzusehen. Er war sich genau bewußt, daß nur das einzelne
Gebilde als für die Sinne im Raume wirklich anzusehen ist, und
daß alle höheren Erklärungsprinzipien nur für die Augen des
Geistes da sind. Heutige Widerlegungen Goethes sind deshalb
vielfach ein Kampf mit Windmühlen. Man legt seinen Prinzipien eine
Wirklichkeitsform bei, die er ihnen selbst absprach, und glaubt ihn
damit überwunden zu haben. Jene Form der Realität aber, die er
zugrunde legte, die objektive, konkrete Idee, kennt die heutige
Naturlehre nicht. Goethe muß ihr daher von dieser Seite aus
fremd bleiben..*