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Gedanken während der Zeit des Krieges.


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Teil 3

In dem russischen Geistesleben des neunzehnten Jahrhunderts treten Gedankenrichtungen zutage, die das gleiche Antlitz tragen wie der Kriegswille, der sich gegenwärtig von Osten her gegen Mitteleuropa entladen hat. Inwieweit diejenigen Personen im Rechte sind, die behaupten, der Hinweis auf derartige Gedankenrichtungen sei unangebracht, kann auch der wissen, der in solchem Hinweis den rechten Weg zum Verständnisse der in Betracht kommenden Ereignisse sieht. Was man im gewöhnlichen Sinne die «Ursachen» dieser Ereignisse nennt, kann ganz gewiß nicht in solchen Gedankenrichtungen einzelner - sogar heute nicht mehr lebender - Menschen gesucht werden. Mit Bezug auf diese Ursachen werden gewiß diejenigen einmal manche Zustimmung finden, die zeigen werden, daß bei einer Anzahl Personen diese Ursachen liegen, auf die sie dann hinweisen werden. Gegen diese Art, die Sache anzusehen, soll nichts eingewendet, ihr ihre volle Berechtigung nicht bestritten werden. Doch ein anderes, nicht weniger Berechtigtes ist die Erkenntnis der im geschichtlichen Werden wirksamen Kräfte und Triebfedern. Die Gedankenrichtungen, auf die hier gedeutet wird, sind nicht diese Triebfedern; aber diese Triebfedern zeigen sich an und in den Gedankenrichtungen. Wer die Gedankenrichtungen erkennt, hält in seiner Erkenntnis die in den Volkskräften liegenden Wesenheiten fest. Auch daß mit einem gewissen Rechte von vielen behauptet wird, die in Frage kommenden Gedankenrichtungen seien gegenwärtig nicht mehr lebendig, kann nicht eingewendet werden. Was im Osten lebendig ist, flackerte in Denkerseelen auf, formte sich damals zu Gedanken und lebt gegenwärtig - in anderer Form - im Kriegswillen.

Was da auffiackerte, ist die Idee von der besonderen Mission des russischen Volkes. In Betracht kommt die Art, wie diese Idee zur Geltung gebracht wird. In ihr lebt der Glaube, daß das westeuropäische Geistesleben in den Zustand der Greisenhaftigkeit, des Niederganges eingetreten sei, und daß der russische Volksgeist berufen sei, eine vollständige Erneuerung, Verjüngung dieses Geisteslebens zu bewirken. Diese Verjüngungsidee wächst sich aus zu der Meinung, daß alles geschichtliche Werden der Zukunft zusammenfalle mit der Sendung des russischen Volkes. Chomiakow bildet schon in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts diese Idee zu einem umfassenden Lehrgebäude aus. In einem Werke, das erst nach seinem Tode herausgekommen ist, findet sich dieses Lehrgebäude. Es ist getragen von dem Glauben, daß die westeuropäische Geistesentwickelung im Grunde nie darauf angelegt war, den Weg zum rechten Menschentum zu finden. Und daß das russische Volkstum erst diesen Weg finden müsse. Chomiakow sieht in seiner Art diese westeuropaische Geistesentwickelung an. In dieselbe ist, nach dieser Anschauungsart, zunächst eingeflossen das römische Wesen. Dies habe niemals inneres Menschentum in den Taten der Welt zu offenbaren vermocht. Es habe, im Gegenteil, dem menschlich Innerlichen die Formen der äußerlichen Menschensatzungen aufgezwängt, und es habe verstandesmäßig-materialistisch gedacht, was im inneren Weben der Seele ergriffen werden sollte. Diese Äußerlichkeit im Erfassen des Lebens setzte sich, meint Chomiakow, im Christentum der westeuropäischen Völker fort. Deren Christentum lebe im Kopfe, nicht im Innersten der Seele. Was nun Westeuropa als Geistesleben hat, das haben, nach dem Glauben Chomiakows, die modernen «Barbaren» - nach ihrer Art wieder veräußerlichend, was innerlich leben sollte - aus Römertum und Christentum gemacht. Die Verinnerlichung werde nach der ihm von der geistigen Welt einverleibten höheren Mission das russische Volk zu bringen haben. - In einem solchen Lehrgebäude rumoren Empfindungen, deren vollständige Aus deutung ein ausführliches Kennzeichnen der russischen Volksseele notwendig machte. Eine solche Kennzeichnung würde auf Kräfte zu deuten haben, die in dieser Volksseele liegen, und die sie einmal veranlassen werden, aus ihrer inneren Kraft für sich selbst das entsprechend sich anzupassen, was im westeuropäischen Geistesleben waltet und was dann erst dem russischen Volke geben wird, wozu es in dem geschichtlichen Verlaufe reifen kann. Was die anderen Völker von dem Ergebnis dieser Reifung des russischen Volkes werden für sich fruchtbar machen, das sollte das russische Volk diesen Völkern überlassen. Es könnte sonst dem traurigen Mißverständnisse verfallen, eine Aufgabe, die es für sich zu erfüllen hat, alsWeltaufgabe aufzufassen, und ihr damit ihr Allerwesentlichstes zu nehmen. - Da es sich um das Rumoren der Empfindungen von einer solchen mißverstandenen Aufgabe handelt, verband sich eben die in Frage kommende Idee in den Köpfen, in denen sie auftrat, nur allzu häufig mit politischen Gedankenrichtungen, die erweisen, daß in diesen Köpfen diese Idee der Ausdruck derselben Triebkräfte ist, die in anderen Menschen von Osten her den Keim zu dem gegenwärtigen Kriegswillen legten. Wird man auch von dem liebenswürdigen, poetisch hochsinnigen Chomiakow einerseits sagen können, daß er die Erfüllung der russischen Sendung von einer friedlichen Geistesströmung erwartete, so darf doch auch daran erinnert werden, daß sich in seiner Seele diese Erwartung mit dem zusammenfand, was Rußland als kriegerischer Gegner Europas erreichen möchte. Denn man wird ihm gewiß nicht Unrecht tun, wenn man sagt, daß er 1829 als freiwilliger Husar amTürkenkriege deshalb teilnahm, weil er in dem, was Rußland damals tat, ein erstes Aufleuchten von dessen weltgeschichtlicher Sendung empfand. - Was in dem liebenswürdigen Chomiakow oft in poetischer Verklärung rumorte; es rumorte weiter; und in einem Buche Danilewskys «Rußland und Europa», das gegen das Ende des neunzehnten Jahrhunderts von einer Anzahl von Persönlichkeiten wie ein Evangelium über die Aufgabe Rußlands betrachtet wurde, sind die Triebkräfte zum Ausdruck gebracht, welche die «Geistesaufgabe des russischen Volkes» zur völligen Einheit verschmolzen dachten mit einem weit ausgreifenden Erobererwillen. Man braucht nur hinzublicken auf den Ausdruck, den diese Verschmelzung geistigen Wollens mit Angriffsabsichten gegenüber aller Welt gefunden hat, und man wird deutliche Symptome dessen finden, auf was es zunächst auch vielen von denjenigen ankam, die Rußlands Sendung aus dem Wesen der geistigen Welt herleiten wollten. Es wird diese Sendung mit der Eroberung Konstantinopeis zusammengebracht, und von dem Willen, dem damit seine Richtung gewiesen wird, gefordert, daß er, ohne «Liebe und Haß» zu empfinden, sich abstumpfe gegen alles Fühlen gegenüber «Roten oder Weißen, gegenüber Demagogen oder Despoten, gegen Legitime oder Revolutionäre, gegenüber Deutschen, Franzosen, Engländern oder Italienern...», daß er als «wahre Bundesgenossen» nur diejenigen ansehe, die Rußland in seinem Streben unterstützen. Es wird gesagt, daß besonders verderblich sei dem, was Rußland wollen müsse, «in Europa das Gleichgewicht der politischen Triebkräfte», und daß man «jede Verletzung dieses Gleichgewichtes» fördern müsse, «von welcher Seite sie auch kommen mag». «Es obliegt uns, für immer jedes Zusammengehen mit europäischen Interessen von uns zu weisen» .

Besonders kennzeichnend ist die Stellung, welche der feinsinnige russische Philosoph Wladimir Solowieff gegenüber diesen Gedanken- und Empfindungsrichtungen eingenommen hat. Solowieff kann als eine der bedeutendsten Verkörperungen russischen Geisteswesens angesehen werden. In seinen Werken lebt schöne philosophische Kraft, edle geistige Aufschau, mystische Tiefe. Doch von der in den Köpfen seiner Landsgenossen rumorenden Idee der hohen Sendung des Russentums war auch er lange durchdrungen. Auch bei ihm fand sich diese Idee zusammen mit der anderen von der Abgelebtheit des Westeuropäertums. Für ihn war der Grund, warum Westeuropa der Welt nicht zum Offenbaren des vollen innersten Menschentums habe verhelfen können, der, daß dieses Westeuropa das Heil erwartet habe von der Entwickelung der im Menschen liegenden Eigenkräfte. Doch in solchem Streben aus den Eigenkräften des Menschen heraus, konnte Solowieff nur einen ungeistigen Irrweg sehen, von dem die Menschheit erlöst werden müsse dadurch, daß, ohne menschliches Zutun, durch ein Wunder sich aus anderen Welten geistige Kraft auf die Erde ergieße und daß dasjenige Volkstum, welches zum Empfangen dieser Kraft auserwählt sei, der Retter der verirrten Menschheit werde. In dem Wesen des russischen Volkes sah er dasjenige, was vorbereitet sei zum Empfangen solcher außermenschlicher Kraft und daher zum Retter des wahren Menschentums. Solowieffs Verwachsensein mit dem russischen Wesen brachte es dahin, daß in seiner Seele das Rumoren des russischen Ideales eine Zeitlang wohlwollend hinblicken mochte auf andere, die von diesem Rumoren gleichfalls besessen waren. Doch konnte dies nur sein, bis seine von echtem Idealismus erfüllte Seele zu der Empfindung erwachte, daß dieses Rumoren auf der mißverständlichen Auffassung eines Zukunftideales für die eigene Entwickelung des russischen Volkes beruhte. Er machte die Entdeckung, daß viele andere gar nicht davon sprechen, welchem Ideale das russische Volk zu seinem eigenen Heile nachstrebe, sondern daß sie das russische Volk, wie es gegenwärtig ist, selber zum Idole machen. Und durch diese Entdeckung wurde Solowieff zu dem herbsten Kritiker derjenigen, die unter der Flagge einer Sendung des russischen Volkes die gegen Westeuropa gerichteten Angreiferinstinkte wie heilsame Triebkräfte der ferneren Geistesentwickelung in den Willen der Nation einführten. Aus der Lehre des Buches Danilewskys «Rußland und Europa» starrte Solowieff die Frage entgegen: Warum muß Europa mit Besorgnis auf das blicken, was sich innerhalb der Grenzen Rußlands vollzieht? Und in der Seele des Russen nimmt diese Frage die Form an: «Warum liebt uns Europa nicht?» Und Solowieff, der die russischen Angreiferinstinkte im Kleide der Ideen von der weltgeschichtlichen Mission Rußlands besonders in Danilewskys Buch ausgesprochen sah, fand in einer Kritik dieses Buches (1888) in seiner Art die Antwort auf diese Frage. Danilewsky hatte gemeint, «Europa fürchtet uns als den neuen und höheren Kulturtypus, welcher berufen ist, die Greisenhaftigkeit der romanisch-germanischen Zivilisation zu ersetzen». Dies führt Solowieff als den Glauben Danilewskys an. Und darauf erwidert er: «Dennoch führen sowohl der Inhalt des Buches Danilewskys wie auch seine späteren Zugeständnisse und diejenigen seines gleichgesinnten Freundes - gemeint ist Strachow, der für Danilewskys Ideen nach dessen Tode eintrat - auf eine andere Antwort: Europa blickt gegnerisch und mit Befürchtung auf uns, weil im russischen Volke dunkle und unklare elementarische Gewalten leben, weil dessen geistige und Kulturkräfte ärmlich und ungenügend sind, dafür aber seine Ansprüche offenbar und scharf bestimmt zutage treten. Gewaltig tönen nach Europa hinaus die Rufe von dem, was das russische Volk als Nation wolle, daß es die Türkei und Österreich vernichten wolle, Deutschland schlagen, Konstantinopel und, wenn möglich, auch Indien an sich reißen wolle. Und wenn man uns frägt, womit wir an Stelle des an uns Gerissenen und Zerstörten die Menschheit beglücken wollen, welche geistige und Kuiturverjüngung wir in die Weltentwickelung bringen wollen, dann müssen wir entweder schweigen oder sinnlose Phrasen schwätzen. Und wenn das bittere Geständnis Danilewskys gerecht ist, daß Rußland krank zu werden beginnt, dann müßten wir uns, statt mit der Frage: Warum liebt uns Europa nicht? vielmehr mit einer anderen beschäftigen, einer uns näher liegenden und uns wichtigeren Frage: Warum und weshalb sind wir krank? Physisch ist Rußland noch ziemlich stark, wie es sich in dem letzten russischen Kriege gezeigt hat; also ist unser Leiden ein sittliches. Auf uns lasten, dem Worte eines alten Schriftstellers gemäß, die im Volkscharakter verborgenen und uns nicht zum Bewußtsein kommenden Sünden - und so ist es vor allem nötig, diese in das Licht des hellen Bewußtseins heraufzubringen. Solange wir geistig gebunden und paralysiert sind, müssen uns alle unsere elementarischen Instinkte nur zum Schaden gereichen. Die wesentliche, ja die einzig wesentliche Frage für den wahren Patriotismus ist nicht die Frage über die Kraft und über die Berufung, sondern über die Sünden Rußlands.»

Man wird auf diese im Osten Europas zutage tretenden Willensrichtungen deuten müssen, wenn man von wirksamen Kräften im Angreiferwillen dieses Ostens sprechen will; was durch Tolstoi zum Ausdruck gekommen ist, stellt unwirksame Kräfte dar.

Eine Beleuchtung kann diese Lehre von der «Sendung Rußlands» erfahren dadurch, daß man neben ihr ein Beispiel betrachtet von der Art, wie innerhalb des Geisteslebens, auf welches die Sprecher von dieser Sendung als auf ein zur Greisenhaftigkeit verurteiltes herabblicken, eine solche Sendung eines Volkes empfunden wird. Schiller stand in seinem Gedankenleben Fichte besonders nahe, als er in seinen «Briefen, die ästhetische Erziehung des Menschen betreffend» nach einem Ausblicke suchte, der den Menschen in sich den «höheren», den «wahren Menschen» schauen läßt. Man wird, wenn man sich auf die Seelenstimmung einläßt, die in diesen ästhetischen Briefen Schillers waltet, in ihnen einen Höhepunkt deutschen Empfindens finden können. Schiller ist der Meinung, daß der Mensch in seinem Leben nach zwei Seiten hin unfrei werden könne. Unfrei ist er, wenn er sich der Welt so gegenüberstellt, daß er die Dinge nur durch die Notwendigkeit der Sinne auf sich wirken läßt; da beherrscht ihn die Sinneswelt, und seine Geistigkeit stellt sich unter diese. Aber auch, wenn der Mensch nur der in seiner Vernunft waltenden Notwendigkeit gehorcht, ist er unfrei. Die Vernunft hat ihre eigenen Forderungen, und der Mensch kann, wenn er sich diesen Forderungen unterwirft, nicht das freie Walten seines Willens in der starren Vernunftnotwendigkeit erleben. Durch sie lebt er zwar auf geistige Art, aber die Geistigkeit unterjocht das Sinnesleben. Frei wird der Mensch, wenn er das auf die Sinne Wirkende so erleben kann, daß sich in dem Sinnenfälligen ein Geistiges offenbart, und wenn er das Geistige selbst so erlebt, daß es ihm wohlgefällig sein kann wie das Sinnlich-Wirksame. Das ist der Fall, wenn der Mensch dem Kunstwerk gegenübersteht, wenn der Sinneseindruck geistiger Genuß, wenn das geistig Erlebte, den Sinneseindruck verklärend, erfühlt wird. Auf diesem Wege wird der Mensch «ganz Mensch». Von vielen Ausblicken, die sich aus dieser Vorstellungsart ergeben, sei hier abgesehen. Nur auf eines sei hingewiesen, was mit dieser Schillerschen Anschauung erstrebt wird. Es wird einer der Wege gesucht, auf denen der Mensch durch sein Verhältnis zur Welt den «höheren Menschen» in sich findet. Aus der Betrachtung der menschlichen Wesenheit heraus wird dieser Weg gesucht. Man stelle nur wirklich neben diese Vorstellungsart, die im Menschen menschlich mit dem Menschen selbst sprechen will, die andere, welche meint, die russische Volksart sei diejenige, die im Gegensatz zu anderen Volksarten die Welt zum wahren Menschentum führen müsse.

Fichte sucht diese im Wesen der deutschen Gesinnung liegende Vorstellungsart in seinen «Reden an die deutsche Nation» mit den Worten zu kennzeichnen: «Es gibt Völker, welche, indem sie selbst ihre Eigentümlichkeit behalten, und dieselbe geehrt wissen wollen, auch den anderen Völkern die ihrigen zugestehen, und sie ihnen gönnen und verstatten; zu diesen gehören ohne Zweifel die Deutschen, und es ist dieser Zug in ihrem ganzen vergangenen und gegenwärtigen Weltleben so tief begründet, daß sie sehr oft, um gerecht zu sein, sowohl gegen das gleichzeitige Ausland als gegen das Altertum, ungerecht sind gegen sich selbst. Wiederum gibt es andere Völker, denen ihr eng in sich selbst verwachsenes Selbst niemals die Freiheit gestattet, sich zu kalter und ruhiger Betrachtung des Fremden abzusondern, und die daher zu glauben genötigt sind, es gebe nur eine einzige mögliche Weise, als gebildeter Mensch zu bestehen, und dies sei jedesmal die, welche in diesem Zeitpunkte gerade ihnen irgendein Zufall angeworfen; alle übrigen Menschen in der Welt hätten keine andere Bestimmung, denn also zu werden, wie sie sind, und sie hätten ihnen den größten Dank abzustatten, wenn sie die Mühe über sich nehmen wollten, sie also zu bilden. Zwischen Völkern der ersten Art findet eine der Ausbildung des Menschen überhaupt höchst wohltätige Wechselwirkung der gegenseitigen Bildung und Erziehung statt, und eine Durchdringung, bei welcher dennoch jeder, mit dem guten Willen des anderen, sich selbst gleich bleibt. Völker von der zweiten Art vermögen nichts zu bilden, denn sie vermögen nichts in seinem vorhandenen Sein anzufassen; sie wollen nur alles Bestehende vernichten und außer sich allenthalben eine leere Stätte hervorbringen, in der sie nur immer die eigene Gestalt wiederholen können; selbst ihr anfängliches scheinbares Hineingehen in fremde Sitte ist nur die gutmütige Herablassung des Erziehers zum jetzt noch schwachen, aber gute Hoffnung gebenden Lehrlinge; selbst die Gestalten der vollendeten Vorwelt gefallen ihnen nicht, bis sie dieselben in ihr Gewand gehüllt haben, und sie würden, wenn sie könnten, dieselben aus den Gräbern aufwecken, um sie nach ihrer Weise zu erziehen.» So urteilt Fichte über manche Nationaleigentümlichkeiten; allein auf dieses Urteil folgt sogleich ein Satz, der diesem Urteil alle Färbung eines eigenen Nationalhochmuts nehmen will: «Ferne zwar bleibe von mir die Vermessenheit, irgendeine vorhandene Nation im ganzen und ohne Ausnahme jener Beschränktheit zu beschuldigen. Laßt uns vielmehr annehmen, daß auch hier diejenigen, welche sich nicht äußern, die bessern sind.»


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Zuletzt aktualisiert: 24-Mar-2024
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